E-Book, Deutsch, Band 5, 386 Seiten
Reihe: Queens of England
Plaidy Die Tochter der Krone
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98952-389-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Historischer Roman | Queens of England 5 - Die vergessene Königin
E-Book, Deutsch, Band 5, 386 Seiten
Reihe: Queens of England
ISBN: 978-3-98952-389-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Jean Plaidy - wie auch Philippa Carr und Victoria Holt - ist ein Pseudonym der britischen Autorin Eleanor Alice Burford (1906-1993). Schon in ihrer Jugend begann sie, sich für Geschichte zu begeistern: »Ich besuchte Hampton Court Palace mit seiner beeindruckenden Atmosphäre, ging durch dasselbe Tor wie Anne Boleyn und sah die Räume, durch die Katherine Howard gelaufen war. Das hat mich inspiriert, damit begann für mich alles.« 1941 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, dem in den nächsten 50 Jahren zahlreiche folgten, die sich schon zu ihren Lebzeiten über 90 Millionen Mal verkauften. 1989 wurde Eleanor Alice Burford mit dem »Golden Treasure Award« der Romance Writers of America ausgezeichnet. Jean Plaidy veröffentlichte bei dotbooks ihre historische Romanreihe »Queens of England« mit den Einzeltiteln »Königreich des Herzens«, »Krone der Liebe«, »Im Schatten der Krone«, »Die Gefangene des Throns« und »Die Tochter der Krone«. Außerdem erschien ihre dreibändige »Die Tudors«-Saga mit den Einzelbänden »Die erste Königin«, »Die Konkubine der Krone« und »Die Tochter des Verräters«. Ihre historischen Romane »Königliche Rivalin« und »Die Erben der Medici« sind ebenfalls bei dotbooks erhältlich. Unter dem Pseudonym Victoria Holt veröffentlichte sie ihren historischen Roman »Das Geheimnis der Engländerin«. Als Philippa Carr veröffentlichte die Autorin ihren großen neunzehnbändigen Roman-Zyklus »Die Töchter Englands«, die der in mehreren Sammelbänden erschienen ist.
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Kapitel 2
Richmond-Palast
Der alte Palast von Richmond wurde zu unserem neuen Heim. Lady Frances Villiers sollte unsere Gouvernante sein und unserem Haushalt vorstehen; unsere Lehrer würde der König auswählen.
Der Palast von Richmond hieß ursprünglich Sheen und wurde nach dem Earl of Richmond umbenannt, nachdem dieser Richard III. bei Bosworth besiegt und als Henry VII. den Thron bestiegen hatte.
An einem Ort, an dem sich viel zugetragen hat, scheint die Vergangenheit noch gegenwärtig und regt bei Menschen wie mir unweigerlich die Phantasie an. Meine Schwester spürte von alldem nichts. Anne Trelawny aber begriff sofort, wie mir zumute war, und ich konnte mit ihr darüber sprechen.
Ich weiß noch, daß ich, als wir uns dem Palast näherten, bei mir dachte: ›Das also soll unser neues Zuhause sein?‹. Der Richmond-Palast bestand aus mehreren Trakten, die irgendwie nicht zueinander paßten, obwohl alle runde Türme und Erker aufwiesen. Doch waren es die zahlreichen Kamine, die mir vor allem auffielen, da sie umgedrehten Birnen glichen.
Einst hatte mein Großvater hier gelebt – jener, den wir alljährlich im Januar betrauerten. Er mußte genau an dieser Stelle gestanden haben, an der ich nun stand und die umgedrehten Birnen betrachtete. Ich glaubte, eine Heimstätte von Geistern und Schatten vor mir zu sehen, und hoffte inständig, mein Vater würde uns hier oft besuchen.
Auch die Begrüßung durch Lady Frances Villiers rief bange Gefühle in mir hervor. Trotz ihres Lächelns spürte ich, daß sie gefährlich sein konnte. Als sie vor mir knickste, hatte ich das Gefühl, sie wolle damit andeuten, daß es nur eine förmliche Geste sei, eine Notwendigkeit angesichts unseres Ranges, daß wir uns aber dessen ungeachtet ihrem Willen zu unterwerfen hätten.
Ich sah mit Verwunderung, daß sie sechs Mädchen bei sich hatte, von denen einige älter als ich waren.
Ein Blick zu meiner Schwester zeigte mir, daß sie völlig unbefangen schien.
»Willkommen im Richmond-Palast«, sagte Lady Frances. »Wir sind überglücklich, Euch hier begrüßen zu dürfen, so ist es doch?« Sie wandte sich an die in knappem Abstand hinter ihr stehenden Mädchen.
Die Größte aus der Schar antwortete: »Wir schätzen uns sehr glücklich, Lady Mary und Lady Anne dienen zu dürfen, Mylady.«
»Zufriedenheit wird unser Hauswesen bestimmen«, fuhr Lady Frances fort, »da es für uns eine Freude ist, hier zu sein. Ich und meine Töchter sind gekommen, um Euch zu dienen, und ich weiß, daß wir alle gute Freundinnen sein werden. Darf ich Euch nun meine Töchter vorstellen, Lady Mary, Lady Anne?«
Ich nickte so würdig wie möglich, und Anne lächelte breit.
»Meine älteste Tochter Elizabeth ...«
Sehr viel später sollte ich mich fragen, warum das Schicksal es versäumt, uns bei folgenschweren Begegnungen ein Warnzeichen zu geben. Ich hätte eine Vorahnung haben müssen, die andeutete, wie dieses Mädchen mein Leben beeinflussen würde. Wie oft habe ich mir später gesagt, daß ich vom ersten Moment an wußte, ich müßte mich vor ihr hüten, weil sie gewitzt und klug war – weitaus klüger, als ich es je sein konnte –, und daß sie mich nicht mochte, weil sie, die sich als die Überlegene fühlte, mir wegen meiner königlichen Herkunft mit Respekt begegnen mußte.
Aber nein, das alles kam mir erst viel später in den Sinn, zu einer Zeit, da ich meiner Sache sicher war. In meiner Jugend und Unschuld brauchte ich geraume Zeit, bis ich ihre Tücke entdeckte, so daß sie sich mir gegenüber lange im Vorteil befand. Nichts wäre für mich leichter gewesen, als sie fortzuschicken, denn ich hätte nur zu meinem Vater sagen müssen: »Ich kann Elizabeth Villiers nicht leiden«, und mein Wunsch wäre erfüllt worden, obwohl mein Vater unserem Haus nicht mehr vorstand. Aber die schlaue Elizabeth verriet sich nicht. Einen Punkt gab es, in dem sie besonders raffiniert sein konnte: Sie verstand es, einen Stachel besonders schmerzhaft zu platzieren, doch hüllte sie ihn stets in süße Worte, so daß nur der Getroffene das Gift zu spüren bekam. Für mich jedenfalls war sie viel zu klug, viel zu raffiniert. So kam es, daß sie stets die Siegerin blieb und ich das Opfer.
Aber ich mache mir selbst etwas vor. Von alldem ahnte ich bei der ersten Begegnung nichts.
Alles andere als hübsch, hatte Elizabeth etwas Ungewöhnliches an sich, das vielleicht auf ihren leicht schrägen Blick zurückzuführen war, den man kaum bemerkte. Ich nahm ihn nur gelegentlich wahr. Ihr Haar hatte einen orangefarbenen Stich. »Ingwer«, nannte Anne Trelawny den Farbton. Anne, meine liebe Freundin, konnte Elizabeth ebensowenig ausstehen wie ich.
Es folgte die Vorstellung der anderen Töchter.
»Meine Damen, meine Töchter Katherine, Barbara, Anne, Henrietta und Maria.«
Alle knicksten. Anne Villiers erinnerte mich mit ihren scharfen Augen und dem durchdringenden Blick an ihre Schwester Elizabeth, doch war sie weniger auffallend – vielleicht weil sie jünger war.
So zogen wir in den Palast von Richmond ein.
Das Leben in London verlief wieder in normalen Bahnen. Die fast vollständig wieder aufgebaute Stadt präsentierte sich schöner und sauberer als zuvor mit ihren stinkenden Gossen und engen Gassen.
Mein Vater und der König hatten am Wiederaufbau größtes Interesse gezeigt und während des Wiederaufbaus oft mit Sir Christopher Wren, dem Architekten, konferiert.
Es war eine Zeit, in der mein Vater nicht glücklich war. Ich vermutete, daß er den Tod meiner Mutter betrauerte und daß die zarte Gesundheit meines Brüderchens Edgar ihm Anlaß zu großer Sorge gab.
Damals sprach er sich oft bei mir aus, und ich erfuhr mehr von ihm als je zuvor, weil er in seinem Kummer nicht auf seine Worte achtete und sich zuweilen so ausdrückte, als hielte er Zwiesprache mit sich selbst.
Irgendwie war ich froh, zugleich aber auch traurig, weil ich die Vorgänge um mich herum nun allmählich erfaßte
Einmal zeigte er sich besonders ungehalten.
»Bischof Compton wird zu euch kommen«, sagte er zu mir.
»Zu uns? Warum denn?«
»Der König hat ihn bestellt. Er soll dir und deiner Schwester Religionsunterricht geben.«
»Und das ist dir nicht recht?«
»Nein. Es ist mir nicht recht.«
»Warum läßt du ihn dann kommen?«
Er umfaßte mein Gesicht mit beiden Händen und bedachte mich mit einem melancholischen Lächeln.
»Liebes Kind, in dieser Angelegenheit muß ich mich den Wünschen des Königs fügen.« Mit steigendem Unwillen fuhr er fort: »Ich muß mich fügen oder ...«
Er ließ mich los, wandte sich um und starrte vor sich hin. Ich wartete.
»Das könnte ich nicht ertragen«, murmelte er. »Ich könnte es nicht ertragen, euch zu verlieren.«
»Uns verlieren!« rief ich erschrocken aus.
»Nun ja, ihr würdet mir weggenommen werden. Oder aber ... man würde unsere Zusammenkünfte einschränken. Meine eigenen Kinder ... mir genommen ... Man sagt, ich sei ungeeignet, eure Erziehung zu leiten. Und alles nur, weil ich die Wahrheit erkannt habe.«
Das ging über mein Fassungsvermögen. Ich konnte nur daran denken, daß man mich ihm wegnehmen würde – für mich das größte vorstellbare Unglück. Er spürte meine Betroffenheit und zeigte sich sofort wieder als liebevoller Vater.
»Ach, nun habe ich dich erschreckt. Nein, es gibt nichts zu fürchten. Das jedenfalls nicht. Ich werde euch besuchen ... wie immer. Ich würde eher allem zustimmen, als daß ich zuließe, daß ihr mir weggenommen werdet.«
»Wer sollte mich dir wegnehmen? Der König, mein Onkel?«
»Er sagt, es wäre zum Wohle des Landes ... um des Friedens willen. Er fragte mich, wie es käme, daß ich diese Dinge nicht geheimhalte ... warum ich sie öffentlich mache. Aber du darfst dir nicht deinen kleinen Kopf zerbrechen ...«
»Mein Kopf ist nicht klein, und ich möchte ihn mir zerbrechen«, sagte ich mit Nachdruck.
Er lachte und wechselte unvermittelt den Ton.
»Es ist nichts ... gar nichts. Bischof Compton wird kommen und dich in dem Glauben unterweisen, dem du nach den Gesetzen dieses Landes und dem Befehl des Königs anhängen mußt. Du mußt auf den Bischof hören und ein gehorsames Mitglied der Kirche von England werden. Compton und ich waren nie Freunde, aber das ist unwichtig. Er arbeitet hart und kann sich der Gunst des Königs rühmen. Er wird seine Pflicht tun.«
»Aber wenn er nicht dein Freund ist ...«
»Ach, unser Zwist liegt lange zurück. Er hat die Dreistigkeit besessen, den Sekretär deiner Mutter zu entlassen.«
»Hat meine Mutter nicht gewollt, daß er entlassen wird?«
Er nickte.
»Warum dann? Hättest du nicht ...«
»Compton war Bischof von London, und der Sekretär Katholik. Es ist vorbei. Deine Mutter war alles andere als erbaut. Und ich auch. Aber die Menschen hier – sie sind eines Sinnes und wollen auf keinen anderen hören. Und nun, meine Liebe, Schluß mit solchen Reden. Es war mein Fehler. Bischof Compton wird kommen, um euch zu braven kleinen Mädchen zu erziehen. Er kommt auf Wunsch des Königs, und wir müssen das Beste daraus machen.«
»Aber du bist unglücklich.«
»Aber nein ... keineswegs.«
»Du hast gesagt, wir könnten dir weggenommen werden.«
»Ach, habe ich das gesagt? Eines mußt du dir merken ... Nichts, nichts auf der Welt wird mir je meine Kinder wegnehmen.«
»Aber ...«
»Es waren unbedachte Worte. Ich wollte nicht, daß dieser Compton kommt, aber ich sehe nun ein, daß er ein guter Mensch, ein frommer Mann ist. Er wird den Befehlen des Königs gehorchen und gute Protestantinnen aus euch machen. Das ist es, was der König möchte, und du weißt, daß wir...