Platz / Schulz-Parthu Tödlicher Glühwein
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-942291-92-7
Verlag: TZ-Verlag & Print GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
19 Weihnachtskrimis aus Rheinhessen
E-Book, Deutsch, 216 Seiten
ISBN: 978-3-942291-92-7
Verlag: TZ-Verlag & Print GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Stille Nacht, heilige Nacht? Von wegen!
Harmonie und Frieden unterm Weihnachtsbaum? Wers glaubt, wird selig!
Man verzeiht sich beim Glühwein das eine oder andere? Schön wärs!
In ihren Weihnachtskrimis aus Rheinhessen zeigen 19 Autorinnen und Autoren, dass auch zwischen dem ersten Advent und Silvester alte Rechnungen beglichen und neue aufgemacht werden. Psychologisch fein austarierte Tatabläufe treffen auf spontane Befreiungsschläge und manchmal auf den Falschen …
Mit Krimis von Vera Bleibtreu, Ella Daelken, Franziska Franke, Britt Glaser, Gina Greifenstein, Jürgen Heimbach, Heidrun Immendorf, Simone Jöst, Wolfgang Kemmer, Richard Lifka, Heidi Moor-Blank, Sarah Geraldine Nisi, Claudia Platz, Petra Scheuermann, Regina Schleheck, Gabriele Scholtz, Angelika Schröder, Frauke Schuster und Brigitte Vollenberg.
Autoren/Hrsg.
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DIE GOLDENE KUGEL
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Es war kalt.
Der Ton der Trompete klang grässlich schief, aber das „Kommet ihr Hirten“ war auch eine ziemliche Zumutung für die Bläsertruppe auf der Bühne.
Endlich war es soweit.
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Der Oberbürgermeister begann seine Eröffnungsrede. In der rechten Hand einen Glühweinkrug, in der linken ein mehrseitiges Manuskript.
Seine Frau, die Frau Oberbürgermeister, wie sie sich stets mit Nachdruck und großer Ernsthaftigkeit nennen ließ, stand neben ihm und schaute voller Bewunderung zu ihm auf. Ihr Lächeln war breit und wie eingefroren. Man konnte nicht erkennen, ob es an den Temperaturen oder an der Dauer lag, die sie dieses Lächeln schon lächelte.
Seit dreißig Jahren stand sie an der Seite ihres Mannes, seit zwanzig an der Seite des Oberbürgermeisters. Es war ihre Passion, ihre Erfüllung. Sie repräsentierte für ihr Leben gerne und hatte inzwischen einen großen Fundus an exquisiter Garderobe angesammelt.
Heute war Rubinrot angesagt. Rubinrot passte wunderbar zu ihrer Rubensfigur. Der Pelzmantel in Leopardenoptik – rubinrot – war zwar etwas gewagt für ihr Alter, aber die ganze Stadt hatte sich an ihre Exzentrik gewöhnt und wäre wohl eher enttäuscht gewesen, trüge sie heute einen grauen Wollmantel zu einer gesitteten Dauerwelle.
Nein, sie enttäuschte nicht.
Rubinrote Stiefel mit Dezimeter-Absatz, die passende rubinrote Oversized-Handtasche, Hütchen und Muff aus Fell in gleicher Farbe ergaben ein perfektes Bild, in das sich ihre rubinroten Bäckchen wunderbar einfügten, obwohl hier wohl eher die Kälte dran schuld war.
Jetzt trat sie an den Rand der Bühne, wisperte dort kurz mit dem Christkind, das auf seinen Einsatz wartete, und stöckelte dann die Stufen hinunter, um sich die Eröffnung von dort aus anzusehen. Sie stand zwischen einem Holzbüdchen mit Christbaumkugeln in allen Größen und Farben und einem prächtig geschmückten Weihnachtsbaum, fast vollständig verdeckt von einer großen Nikolausfigur.
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Der Oberbürgermeister sprach immer noch. Das Dampfen aus seinem Glühweinkrug hatte aufgehört und die Glocke des mächtigen Domes im Hintergrund schlug halb. Die Menge vor der Bühne wurde unruhig. Hände wurden gerieben, auf der Stelle getrampelt, um die Füße warm zu halten und Glühweinbecher machten die Runde.
„.. und so will ich jetzt unser bezauberndes Christkind …“, der Oberbürgermeister wandte sich halb um und winkte das junge Mädchen, das mit Goldlöckchen und weißem Gewand auf den Einsatz wartete, zu sich, „… nach vorne bitten!“
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Der Gesichtsausdruck des Oberbürgermeisters wechselte von jovialer Fröhlichkeit zu ungläubigem Erstaunen, dann knallte er auf die Dielen der Holzbühne.
Die Konfusion war extrem. Befehle, Schreie des Entsetzens, Musikfetzen vom Kinderkarussell, Gläserklirren überlagerten das Gewusel auf dem Platz vor der Bühne. Einige hatten sich schutzsuchend zu Boden geworfen und lagen den Flüchtenden im Weg. Gestolper, Schmerzensschreie – mittendrin ein erstarrtes Christkind auf der Bühne.
Erst ein lauter werdendes Martinshorn beruhigte die Menschen.
Ein Notarzt kniete neben dem Toten, ein Polizist führte behutsam das Christkind von der Bühne, ein anderer half der Frau Oberbürgermeister die Treppe hinauf. Sie sank neben ihrem Mann auf die Knie, starrte in sein regloses Gesicht und senkte dann laut schluchzend ihre Stirn auf seinen Bauch, als der Notarzt begann, seine Utensilien wieder einzupacken.
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Inzwischen wurde der Platz abgesperrt und geräumt. Polizisten nahmen Personalien auf und durchsuchten Taschen nach der Mordwaffe. Der Stand mit dem Christbaumschmuck wurde gerade geschlossen, andere Marktbeschicker mit Bratwurst und Glühwein im Angebot zögerten noch. Sie waren auf den Punkt genau gerüstet gewesen für den Moment nach der Eröffnung. Es war zu schade, jetzt alles wegzuwerfen.
Doch als der Leichenwagen vor der Bühne stoppte, packten auch sie zusammen. Jetzt würde niemand mehr Lust auf eine Bratwurst haben.
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