Pochoda | Diese Frauen | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 350 Seiten

Pochoda Diese Frauen

Kriminalroman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7472-0219-7
Verlag: ars vivendi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 350 Seiten

ISBN: 978-3-7472-0219-7
Verlag: ars vivendi
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Serienkiller geht um in West Adams, einem zwielichtigen Stadtteil von Los Angeles. 17 Frauen sind ihm zwischen 1999 und 2014 zum Opfer gefallen, doch das Police Department interessiert sich nicht besonders für die Toten, die immerzu als diese Frauen bezeichnet werden. Diese Frauen an den Straßenecken ... diese Frauen in den Bars ... diese Frauen, die nicht aufhören, Fragen zu stellen ... diese Frauen, die bekommen haben, was sie verdienen. Ivy Pochodas neuer Roman erzählt kaleidoskopisch die Geschichten von fünf dieser Frauen, deren Leben durch die mörderischen Obsessionen eines Mannes miteinander verbunden sind - und von Esmeralda Perry, einer hervorragenden Polizistin von der Sitte, die der Spur des Killers folgt ...

Ivy Pochoda, geboren 1977, ist Schriftstellerin und lebt in Los Angeles. Sie wuchs in Brooklyn auf, studierte in Harvard und war professionelle Squashspielerin. Bei ars vivendi erschienen bereits ihre Romane Wonder Valley (2019) und Visitation Street (2020).

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Autoren/Hrsg.


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  Feelia 1999 He du, zieh den Vorhang zurück, lass mich mal dein Gesicht sehen. Ich hör nur, wie du im Dunkeln atmest. Ein aus, ein aus, wie eine von diesen Maschinen. Eine von diesen beschissenen Piep-piep-Maschinen. Von denen haben wir ja wohl genug hier drin. Atmen für dich. Lassen dein Herz für dich schlagen. Pumpen dir dein verdammtes Blut durch die Adern. Piep-piep. Ein aus. Ein aus. Ein aus. Das ist alles, was ich hier höre. Du machst den Vorhang also nicht auf? Bist du zu krank dafür? Also, ich bin ziemlich fertig. Aber ich schäme mich nicht. Ich lass dich mein Gesicht sehen. Du – ach, ich dräng mich nicht auf. Lass den verdammten Vorhang meinetwegen zu. Dann bleib eben im Dunkeln sitzen. Ein aus. Ein aus. Scheiß Piep-piep. Ich mach jetzt das Fenster auf. Hier stinkt es nach Tod, obwohl sie uns angeblich am Leben halten wollen. Ist das nicht verdammt … wie heißt das noch mal? Ironisch. Genau. Es ist ironisch. Ich mach jetzt das Fenster auf. Macht dir doch nichts aus, wenn ich eine rauche? Hoffen wir mal, du hast nicht so eine beschissene Lungenkrankheit oder so. Na ja, das bisschen Passivrauchen wird es schon nicht viel schlimmer machen. Bist ja sowieso schon hier drin. Du liegst also einfach da rum und sagst nichts, ja? Nicht ein verdammtes Wort von dir? Du lässt mich einfach reden, immer weiterreden. Du wartest bloß darauf, dass ich dir von mir und meinen Problemen erzähle. Du verrätst mir nicht, was mit dir los ist, warum du hier gelandet bist, sondern hörst dir einfach meine Geschichte an? Neugieriges Arschloch. Alles dreht sich darum, wie wir uns in der Dunkelheit zurechtfinden. Kennst du dich damit aus? Hast du irgendeine Ahnung davon? Weißt du, wie es draußen auf der Straße ist? Weißt du’s? Willst du wirklich nichts sagen? Es ist hart da draußen. Es gibt Regeln. Es gibt Dinge, die man tun kann, und Dinge, die man nicht tun darf. Wenn du mitspielen willst, musst du immer den Preis dafür zahlen. Auch ich muss die über mir bezahlen. Für das Spiel musst du dich geschickt anstellen. Und du brauchst Glück. Es heißt immer, dass man Glück hat, wenn jemand an deiner Straßenecke langsamer wird. Wenn sie dich durch ihr Autofenster lehnen lassen. Wenn einer dich einsteigen lässt, um mit dir auf den schmutzigen Alleen von West Adams oder einer der kleineren Straßen in Jefferson Park herumzufahren. Wenn du viel Glück hast, fahren sie mit dir sogar in ein Hotel. Und mit richtig viel Glück bringen sie dich in einem Stück zurück. Ich habe Glück. Ich kenne die Straßen. Hab ich jedenfalls gedacht. Ich sag dir was – du musst umsichtig sein. Das ist ein großes Wort. Nicht einfach auszusprechen. Aber gut zu wissen. Umsicht. Wenn ich noch mal geschwängert werde, nenn ich mein Kind so. Umsicht Jefferies. Aber scheiße, ich hätte wissen müssen, dass ich auch umsichtig sein muss, wenn ich gar nicht im Dienst bin. Wenn ich bloß beim Miracle Mart in der 65th Street bin, um eine Flasche Hennessy und ein Päckchen Pall Malls zu kaufen. Ich stehe nur so an der Ecke, zünde mir eine an, genieße es, verstehst du? Weil das Wetter ausnahmsweise mal kühl ist. Wenn das kein verdammtes Wunder ist. Kühler Tag, kühle Nacht. Wind in den Bäumen. Verstehst du, was ich meine? Der Wind lässt die Bäume tanzen. Ist echt schön. Soll ich dir mal sagen, was bescheuert ist? South Central – jeder sagt, dass es da übel ist, dass es furchtbar ist. Aber hast du schon mal einen Moment angehalten und dich richtig umgesehen? Ich meine, wirklich hingesehen? Das ist eine verdammt hübsche Gegend. Es gibt ordentliche kleine Häuser. Vorne und hinten Gärten. Es gibt Platz. Ich lebe zwar nicht in einem Haus, sondern in einem Apartment, aber all die Häuser drum herum – die sind hübsch. Ich schau sie mir jeden Tag an. Außerdem gibt es Bäume. Hast du die ganzen Bäume schon mal bemerkt? Die mit den rosa Blüten und die mit den lilafarbenen. Du siehst den Unterschied wahrscheinlich gar nicht. Du musst genau hinsehen. Na ja, über das alles denke ich also nach, als ich meine Zigarette anzünde und mich gegen die Mauer vom Miracle Mart lehne. Kennst du den Laden? Der Typ, der da arbeitet, kommt aus Japan, und ich komme aus der Gegend um Little Rock und kaufe immer bei ihm ein, und wir unterhalten uns jeden Tag über dies und das. Und genauso war es auch an diesem Tag, und dann gehe ich raus und zünde mir eine an und denke darüber nach, wie verdammt schön South L.A. ist, wenn man sich die ganzen Leute wegdenkt. Oder wenigstens die meisten. Wenn man sich nur die ordentlichen Häuser, die Autos in den Einfahrten, die Pflanzen, die Gärten und die draußen spielenden Kinder ansieht. Wenn man ein bisschen die Augen zusammenkneift, könnte man meinen, direkt auf den amerikanischen Traum zu schauen. Wie kommt es eigentlich, dass Männer es genau wissen, obwohl sie dich nur einmal kurz anschauen? Hast du dich das schon mal gefragt? Warum ist das so? Ich mein, ich bin ja nicht die einzige Frau auf der Western, die Absätze und Minirock und ein Shirt mit tiefem Ausschnitt trägt. Es gibt mich, und es gibt Frauen wie mich, und dann gibt es die ganzen anderen, die genauso angezogen sind, weil sie eben so rumlaufen. Aber die Männer erkennen es sofort. Kennst du die Ecke beim Miracle Mart? Da ist es dunkel. Deshalb arbeite ich da nicht. Da kann man nicht sehen, wer wer und was Sache ist. Aber an dem Tag bin ich ja nicht im Dienst, deswegen ist es nicht so wichtig. Wie auch immer – dieses Auto bleibt stehen, und ich kümmer mich nicht weiter drum. Ich rauche und schaue rauf zu den Bäumen, die wie ein paar betrunkene Mädels auf einer Party tanzen. Das Fenster wird runtergelassen. Hey, Süße oder so ein Scheiß. Ich nicke bloß und rauche weiter. Ist ja keiner da, der mir befehlen kann, wann ich arbeiten muss und wann nicht. Aber dann höre ich noch mal ein Hey, Süße. Der Mann hat einen Akzent, glaube ich. Ich achte nicht besonders darauf, weil die Bäume mich zum Nachdenken gebracht haben. Darüber, dass alle immer sagen, sie müssen von hier weg, und ich mir denke: Warum zum Teufel sollte man von hier wegwollen? Wart ihr schon mal in Little Rock? Wart ihr schon mal in Houston? Freut euch über das, was ihr in L.A. habt. Fahrt mal an den verdammten Strand. Oder setzt euch einfach hin und schaut euch die Bäume und die Blumen an, wenn ihr mal einen Moment Zeit habt. Genau das mach ich gerade, als mich dieses Hey, Süße aus meinen Gedanken reißt. Ja, sag ich. Was trinkst du da? Ich schau ihn nicht an, weil ich keinen Blickkontakt herstellen will, weil ich nicht will, dass er denkt, ich habe Interesse. Also nehme ich einen Schluck von meinem Hennessy und starre in den Himmel. Aber das Auto ist immer noch da, tuckert mit laufendem Motor wie ein Fluchtauto oder so. Und ich spüre, wie der Typ mich anstarrt, aber ich schaue immer noch nicht hin. Weil. Weil. Weil. Komm schon, du willst doch wohl nicht dieses Zeug da trinken. Jetzt werd ich aufmerksam. Weil er nicht den gleichen Scheiß sagt wie die meisten andern – so was wie He, lass mich erst deinen Arsch sehen, bevor ich mich entscheide. Willst du mir nicht ne kleine Kostprobe geben, damit ich weiß, was ich kriege? Du wirst dich gleich für lau auf meinen Schwanz setzen wollen. Du wirst sogar dafür zahlen wollen. So was sagt er nicht. Er redet höflich mit mir. Wie mit einem richtigen Menschen. Das Zeug ist nur dazu gut, dich betrunken zu machen. Das sagt er. Und ich muss lachen, weil das ja wohl der Sinn der Sache ist, oder? Ja, sag ich, ich käme mir auch verarscht vor, wenn nicht. Dann sagt er: Schon mal südafrikanischen Wein probiert? In Afrika gibt es Wein?, sage ich, weil das doch wohl ein verdammter Scherz sein muss. Zebras, Giraffen und Wein, oder was? Aber als ich zu ihm rüberschaue, hält er einen Becher aus dem Autofenster. Das war der Moment, in dem ich nicht umsichtig war. In dem ich meinen eigenen beschissenen Rat nicht befolgt habe. Moment, ich brauch einen Aschenbecher. Und auch ein bisschen Wasser. Hast du da drüben Wasser? Oder soll ich auf den Knopf da drücken? Die werden den Rauch riechen, aber das ist mir egal. Der ganze Laden hier riecht nach Tod.   Scheiße, sie ist weg. Glaubst du, die hält sich für was Besseres oder was Schlechteres als mich, weil sie Ausländerin ist? Was denkst du? Und sie hat meine Zigaretten genommen. Gestohlen hat sie sie. Warum kommt eine wie die hierher, wenn sie doch irgendwo in den Tropen gelebt hat? Wie kann das sein? Little Rock – das könnte ich verstehen. Wenn du mal in Little Rock gewesen wärst, würdest du es auch verstehen. Du würdest verstehen, warum ich weg bin. Jeder Job in L.A. ist besser als das Leben dort. Kein großes Ding, dass mein Job nicht so ganz, wie sagt man, angesehen ist. In meinem Job trägt man keinen Hosenanzug, kein schickes Kleid, keinen verfickten Rock. Nicht mal Unterhosen. Na und? Wenigstens bin ich nicht in Little Rock. Scheiße, du findest es vielleicht nicht gut, was ich mache, kannst es vielleicht nicht verstehen. Aber wenigstens komme ich so mal an die frische Luft. Kann rumlaufen, mir meine Straßen frei auswählen, mir alles ansehen, an den verdammten Blüten riechen. Und das ist mehr, als die meisten Leute hier von sich behaupten können. Von denen hält keiner an, um mal an einer Blüte zu riechen, die fahren bloß mit geschlossenen Fenstern in ihren Autos durch die Gegend. Aber ich, ich kann was riechen....


Ivy Pochoda, geboren 1977, ist Schriftstellerin und lebt in Los Angeles. Sie wuchs in Brooklyn auf, studierte in Harvard und war professionelle Squashspielerin. Bei ars vivendi erschienen bereits ihre Romane Wonder Valley (2019) und Visitation Street (2020).



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