Politi | Das Franziskus-Komplott | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Politi Das Franziskus-Komplott

Der einsame Papst und sein Kampf um die Kirche
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-451-81995-7
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der einsame Papst und sein Kampf um die Kirche

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-451-81995-7
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Amazonas-Synode ist vorbei, der Synodale Weg läuft holprig und immer deutlicher wird: Das Ringen um die Zukunft der Kirche ist dramatischer denn je. Mittendrin: Papst Franziskus. Bestsellerautor Marco Politi beschreibt seine Situation, enthüllt dunkle Machenschaften im Vatikan und entlarvt erbitterte Feinde wie den 'italienischen Gegenpapst'. Er blickt auf die deutsche Kirche, stellt den internationalen Kontext her und erklärt überraschende Hintergründe und wichtige Zusammenhänge. Fesselnd wie ein Thriller schildert der Vatikan-Insider, was viele längst nicht mehr verstehen: Wie es so weit in der Kirche kommen konnte und was Franziskus nun tun will. Politi zeigt einen Papst, der angeschlagen ist, aber noch nicht aufgegeben hat. Und der weiß, dass sich sehr bald sehr viel entscheidet.

Marco Politi, geb. 1947, wurde in Rom geboren und gilt als einer der bekanntesten Vatikanexperten überhaupt. Der deutsch-italienische Journalist ist Autor zahlreicher Bücher. Sein letztes Buch bei Herder 'Franziskus unter Wölfen' war SPIEGEL-Bestseller.
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III

Ein Gegenpapst in Italien


Nach den Wahlen am 4. März 2018 ist klar, dass Franziskus in Italien einer Minderheit angehört. Es ist, als hätte er die Wahlen verloren. Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega erobern das Parlament. Der Partito Democratico stürzt ab auf 18 Prozent, Berlusconis Forza Italia auf 14. Ein Vierteljahrhundert italienische Geschichte liegt in Scherben. Auch für die Kirche ist das ein herber Schlag.

Welche Botschaft hat Franziskus seit fünf Jahren verkündet?, fragt sich der Historiker Andrea Riccardi, Gründer der Comunità di Sant’Egidio. »Eine Botschaft der Hoffnung, der Offenheit gegenüber Fremden, sogar der größeren europäischen Integration«, antwortet er. Stattdessen haben Wut und Angst gesiegt – und eine diffuse Europafeindlichkeit. Die Kirche und die katholische Welt stellen fest, dass die Wählerschaft in die entgegengesetzte Richtung driftet. Ein Teil der Katholiken hat für die Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung gestimmt. Was der Papst sagt, hatte für sie keinerlei Bedeutung: »In gewisser Weise ist dies auch eine Niederlage der Kirche«, so Riccardis Fazit.1

Über 70 Jahre lang war die katholische Kirche stets in der Lage gewesen, die politischen Parteien in Italien zu beeinflussen: DC, PCI, PSI, Republikaner, Liberale. Der Heilige Stuhl hatte mit jeder politischen Kraft nach unterschiedlichen Paradigmen kommuniziert. Sein Einfluss auf die Democrazia Cristiana war denkbar groß, auf die Radikalen denkbar gering. Doch selbst zu »unserem Freund« Marco Pannella hatte Johannes Paul II. Beziehungen geknüpft. Nach dem Ende der Ersten Republik blieb die politische Landschaft dieselbe. Der Vatikan und die italienische Bischofskonferenz (CEI) schmiedeten ein Bündnis mit Berlusconi, unterhielten zu gegebener Zeit aber auch ein nicht immer spannungsfreies Verhältnis mit der linken Mitte des Katholiken Romano Prodi, des Sozialisten Giuliano Amato oder des ehemaligen Kommunisten Massimo d’Alema. Die Technokraten Carlo Azeglio Ciampi, der von Johannes Paul II. mehrfach zur Frühmesse in den Vatikan eingeladen wurde, und Mario Monti waren praktizierende Katholiken. Matteo Renzi schließlich hatte seine politische Tätigkeit in den Reihen des Partito Popolare Italiano begonnen, der sich 1994 aus der Asche der Democrazia Cristiana erhoben hatte.

Die neuen Sieger der Wahlen vom 4. März haben einen völlig anderen Hintergrund. Die Fünf-Sterne-Bewegung, die der Komiker Beppe Grillo, Erfinder der »Vaffa Days«, ins Leben gerufen hat, versammelt parteiübergreifende Konsense von rechts nach links und fährt gegenüber der Kirche einen Zickzackkurs. Bald grob, bald dialogbereit. Grillo äfft in seinen Massenshows die Austeilung der Hostien nach, legt seinen Anhängern getrocknete Grillen in den Mund und verkündet dabei: »Papst Franziskus ist ein Grillino, er hat unser Programm kopiert.« Seine Gefolgsleute reiten derweil wegen der nicht gezahlten Steuern scharfe Attacken gegen die kirchlichen Einrichtungen und protestieren dagegen, dass über die Mandatssteuer öffentliche Gelder in die Kassen der italienischen Bischofskonferenz fließen. In einem missglückten Annäherungsversuch zwischen den Fünf Sternen und der katholischen Welt veröffentlicht der Chefredakteur der Bischofszeitung Avvenire, Marco Tarquinio, im April 2017 ein langes Interview mit Grillo und vertraut dem Corriere della Sera gleichzeitig an, dass viele Katholiken sich an den Initiativen der Bewegung beteiligen: »[In den] großen Fragen, von der Arbeit bis hin zum Kampf gegen die Armut, sind wir in drei Vierteln der Fälle derselben Meinung«.2 Die katholische Welt ist nicht erfreut. Eine heftige Kontroverse entbrennt, und Tarquinio sieht sich gezwungen, schleunigst zurückzurudern.

Die italienische Bischofskonferenz (CEI) will keinen Schulterschluss mit irgendeiner Partei. Franziskus hat sich zu einem symbolischen Schritt entschieden und die Nabelschnur durchtrennt, die den Vatikan und die italienische Politik seit Pius XII. und bis in die Zeit Benedikts XVI. hinein verbunden hatte. Im September 2017 ernennt er den Schweizer Bischof Paul Tscherrig zum Nuntius in Italien. Ein absolutes Novum. Noch nie war der vatikanische Botschafter bei der italienischen Regierung – zu dessen Aufgaben es unter anderem gehört, den Papst bei der Auswahl der künftigen italienischen Bischöfe zu beraten – ein Ausländer. Im August 2018 unternimmt Franziskus einen zweiten Schritt, um die klare Trennung zwischen dem Heiligen Stuhl und den italienischen Angelegenheiten zu bekräftigen. Er ernennt den venezolanischen Erzbischof Edgar Peña Parra zum Substituten für die Allgemeinen Angelegenheiten des Staatssekretariats. Der Monsignor Sostituto, wie er üblicherweise genannt wird, ist die Nummer drei in der Hierarchie des Vatikans, und es obliegt ihm von jeher, die politische, gesellschaftliche und kirchliche Situation in Italien zu beobachten. Dass ein Lateinamerikaner diesen Posten übernimmt, markiert das Ende einer Ära.

Als Franziskus sich daranmachte, das Papsttum aus seiner italienischen Verstrickung zu lösen, rechnete er jedoch nicht damit, dass er es an der Spitze des Landes mit einem Politiker zu tun bekommen würde, der seine Verkündigung marginalisiert. Er heißt Matteo Salvini und ist Sekretär der Lega, der zweiten Partei der neuen Regierungskoalition. Geht man nach den Zahlen, sollte er eigentlich eine untergeordnete Rolle spielen. Bei den Wahlen erhält der M5S unter Führung von Luigi di Maio 32 Prozent der Stimmen, die Lega nur wenig mehr als die Hälfte. Und doch profiliert sich Salvini binnen Kurzem und weit über seine formale Funktion als Vizepremier und Innenminister hinaus als der starke Mann des neuen Machtgefüges. Das Zugpferd, mit dem er die Lega von 4 Prozent bei den Wahlen des Jahres 2013 auf 17 Prozent im Jahr 2018 gebracht hat, ist der Kampf gegen die »Invasion« der Migranten und für ihre Ausweisung im großen Stil. Die Rückführung einer halben Million ist das im Wahlkampf ausgegebene Ziel. Damit ist der Politiker Salvini der Antipode der päpstlichen Verkündigung. Seine Gesten und insbesondere seine Sprache drängen Bergoglios Kirche ins Abseits.

Zu Beginn seines Pontifikats war Franziskus nach Lampedusa gereist, um sich mit den Eingewanderten zu solidarisieren, die auf der Flucht nach Europa ihr Leben riskieren, und um die Einwohner, die Freiwilligen und die Ordnungskräfte, die ihnen helfen, nicht alleine zu lassen. An die öffentliche Meinung der Welt gewandt, hatte er die Globalisierung der Gleichgültigkeit angeprangert und mit dem Finger auf die gezeigt, »die in der Anonymität sozioökonomische Entscheidungen treffen, die den Weg bereiten zu Dramen wie diesem.«3 Drei Jahre später besucht der Papst in Begleitung des ökumenischen Patriarchen Bartholomäus und des Athener Erzbischofs Hieronymus die griechische Insel Lesbos: die erste Station der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, die in Europa Zuflucht suchen. Am Hafen von Mytilini werfen die drei Männer zu Ehren der Opfer, die bei der Überfahrt aus der Türkei ertrunken sind, Blumenkränze ins Meer. Franziskus betet zu Gott: »Öffne unsere Augen für ihre Leiden und befreie uns von der Gefühllosigkeit […]. Sie, die an unseren Küsten landen, [sind] unsere Brüder und Schwestern«.4 In seinem Flugzeug nimmt der Pontifex zwölf muslimische syrische Flüchtlinge mit in den Vatikan. Und erregt damit das Missfallen der konservativen Katholiken, die ihm giftig vorwerfen, dass er den Christenverfolgungen zu wenig Aufmerksamkeit schenke.

Seit seiner Papstwahl kommt Franziskus wieder und wieder auf das Thema der Aufnahme zurück. »[Die Migranten] ins Meer zurückzudrängen ist ein Kriegsakt«, mahnt er. Seit der politischen Wende sieht er sich plötzlich seitens der von Salvini beherrschten grün-gelben Regierung mit Äußerungen der verbalen Gewalt gegenüber Geflüchteten konfrontiert. Schon 2015 hatte der Leader der Lega damit begonnen, sich gegen die Verkündigung des Papstes abzugrenzen. Zum Parteitreffen erschien er in einem T-Shirt mit der Aufschrift »Ruspe in azione« (»Bagger in Aktion«, in Anspielung auf die Räumung der Roma-Lager) und schlug rüde Töne an: »Du kannst nicht die andere Wange hinhalten, wenn jemand nur zu einem einzigen Zweck in dein Haus kommt: um dir die Kehle durchzuschneiden, weil du nicht an seinen Gott glaubst«. Die Bischöfe hätten sich nicht einzumischen. »Das sage ich als der Geringste der Sünder … der Bischof macht seinen Job als Bischof und geht den Bürgermeistern und den Regierenden nicht auf die Nerven!«5

Mit den Jahren hat Salvini eine kalkulierte Strategie der Opposition gegen die kirchliche Sozialbotschaft entwickelt. Der Form halber zollt er Franziskus Anerkennung, lobt die »gesunde Kirche« (das heißt die Kleriker und die Gläubigen, die die Meinung der Lega-Propagandisten teilen) und kritisiert die kirchlichen Positionen zum Thema der Migration, das heißt den Kurs des Pontifex. Zum Papstbesuch auf Lesbos postet der Lega-Leader auf Facebook: »Bei allem Respekt, aber der Papst liegt falsch … es gibt Arme in Griechenland, aber es gibt sie auch nur zwei Minuten vom Vatikan entfernt. Vielleicht ist das weniger schick, weil man sie nicht im Flugzeug mitnehmen kann, aber sie sind da.«6 In den Wochen nach der Wahl erweist sich der Ober-Leghista als...


Marco Politi, geb. 1947, wurde in Rom geboren und gilt als einer der bekanntesten Vatikanexperten überhaupt. Der deutsch-italienische Journalist ist Autor zahlreicher Bücher. Sein letztes Buch bei Herder "Franziskus unter Wölfen" war SPIEGEL-Bestseller.



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