Porten / Schmid / Dubb | Rechtsfragen in der Notaufnahme | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 145 Seiten

Porten / Schmid / Dubb Rechtsfragen in der Notaufnahme

Grundlagen mit Hinweisen für die Praxis

E-Book, Deutsch, 145 Seiten

ISBN: 978-3-17-033636-0
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



In der Notaufnahme Tätige werden in ihrer Arbeit häufig mit juristischen Fragestellungen konfrontiert, auf die sie in aller Regel nicht gut vorbereitet sind. Das Werk möchte dabei helfen, auf diese Fragestellungen die richtigen Antworten zu geben, in dem es das notwendige rechtliche Basiswissen in kompakter Form praxisnah erläutert. Auf Rechtsfragen zur Triage wird dabei ebenso eingegangen wie auf Einsatzfelder anderer Berufsgruppen in der Ambulanz. Thematisiert werden auch Praxisfragen zu gewalttätigen und psychisch veränderten Patienten oder fremdsprachlichen und religiös besonderen Patienten.
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2          Organisationsstrukturen in der Notaufnahme
Rolf Dubb, Arnold Kaltwasser
2.1       Rolle der Pflegekräfte in den Notaufnahmen
Ärztliche Tätigkeiten unterliegen in der Bundesrepublik Deutschland in Teilen dem uneingeschränkten »Arztvorbehalt«. Diese Tätigkeiten sind beschrieben in den Delegationsvereinbarungen der Bundesmanteltarifpartner und den Empfehlungen der Bundesärztekammer zur persönlichen Leistungserbringung (Bechtel et al. 2017). Die medizinische Diagnose, Therapiefestlegung und entsprechende Indikationen sind nach dieser Lesart originäre Leistungen des Arztes und von diesem zu erbringen. Gleichwohl wurde diese klare Trennung durch die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V, in der ein definierter Leistungskatalog ärztlicher Tätigkeiten bzw. medizinischer Behandlungspflege beschrieben wird, gelockert. Als weiteres Kriterium ist eine mögliche Standardisierung ärztlicher Tätigkeiten heranzuziehen und zwar dahingehend, dass eine Delegation oder Substitution derartiger Leistungen abhängig vom Standardisierungsgrad erfolgen könnte. Exemplarisch kann hier die Versorgung chronisch erkrankter Patienten angeführt werden (Höppner und Kuhlmey 2009). Im Zusammenhang mit der pflegerischen Versorgung ist zu beachten, dass hier die sogenannten Pflegediagnosen von Pflegenden gestellt werden müssen, da insbesondere im Bereich der Nationalen Pflegestandards (DNQP o. J.) gesetzliche Vorgaben gelten. Die Leistungsverordnung steht bisher unter dem uneingeschränkten Arztvorbehalt, allerdings hat der G-BA den Vorschlag des Sachverständigenrates aufgegriffen und in einem Modellprojekt die Möglichkeit der Leistungsverordnung durch eine entsprechend ausgebildete Pflegefachkraft geschaffen (Bechtel et al. 2017). Bei allem muss jedoch stets die Patientensicherheit im Vordergrund stehen und das Risiko im Kontext der Übertragung von Heilkunde minimiert werden. Auf verschiedenen Wegen ist es in Deutschland heute schon möglich, dass sich Gesundheits- und Krankenpfleger als Chirurgie- oder Gefäßassistenten oder im Rahmen eines Bachelor-Studiengangs als Physician Assistant qualifizieren. Hierdurch wird eine Prozessroutine erreicht, die sich bei wechselnden Assistenzärzten nicht oder nur sehr langsam einstellt. Die Kosten sinken bei besseren medizinischen Ergebnissen (Diegeler et al. 2006, Blum und Offermanns 2013). In einer Studie des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) wurden im Rahmen einer Absolventenbefragung im Berufsbild der nichtärztlichen Chirurgieassistenz in fünf Einrichtungen mit 116 Befragten Einsatzgebiete im Bereich Orthopädie/Unfallchirurgie (57 %), Allgemeinchirurgie (43 %) und Viszeralchirurgie (43 %) angegeben. Die dienstrechtliche Zuordnung lag in allen Fällen beim ärztlichen Dienst. Die Hauptaufgaben im OP sind der eigenständige Wundverschluss und das Anlegen von sterilen Verbänden (Blum und Offermanns 2013). Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRG) hat klinische Prozesse immer wieder im Hinblick auf ihre Optimierbarkeit hinterfragt und krankenhausintern sowohl Erfolgs- als auch Kostenfaktoren identifiziert. Sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich führen die ansteigenden Fallzahlen zu einer Arbeitsverdichtung im Behandlungsverlauf; dies gilt insbesondere auch in den kritischen Bereichen wie Notaufnahmen und Intensivstationen. Darüber hinaus werden die Patienten zunehmend älter und multimorbider und benötigen deshalb eine höhere medizinische und pflegerische Grundversorgung (Bechtel et al. 2017). Hierfür werden zukünftig vermehrt Pflegefachkräfte benötigt, die entsprechende Kompetenzen haben, um multiprofessionelle Strukturen und moderne Versorgungsmöglichkeiten durchführen können. Zum Erwerben der entsprechenden Kompetenzen ist eine akademische Ausbildung der entsprechenden Pflegekräfte mittel- und langfristig unabdingbar. Die Lücke zwischen der wissenschaftlichen Forschung einerseits und der Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis andererseits könnten die auf Masterniveau qualifizierten und international etablierten Advanced Nurse Practicioner (ANP) schließen. Pflegende übernehmen in zukünftig veränderten Versorgungsmodellen in unterschiedlichen Settings erweiterte und vertiefte Aufgaben in enger interprofessioneller Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Berufsgruppen. Der Begriff Advanced Practice Nurse (APN) bezeichnet durch den International Council of Nursing (ICN) eine grundständisch ausgebildete Pflegekraft, die Expertenwissen erworben hat, komplexe Entscheidungen treffen kann und über klinische Kompetenzen im Kontext der erweiterten Pflegepraxis verfügt. Der akademische Grad »Master« wird als Zugang empfohlen (Schober und Affara 2009). Advanced Nursing Practice (ANP) bezieht sich auf Fähigkeiten und Fertigkeiten von Personen, die als Advanced Practice Nurse tätig sind (Deutsches Netzwerk APN & ANP 2011). Diese Personen verfügen über Spezialwissen und Expertise, klinisches Urteilsvermögen, sind hochqualifiziert und initiieren selbsttätig Pflege- und Forschungsinteressen (Schober und Affara 2009; Bechtel et al. 2017). In die Begrifflichkeit APN werden als Überbegriff unterschiedlicher Rollenbezeichnungen verschiedene Aspekte einbezogen. International ist der Begriff vor allem in den USA nach unterschiedlichen Spezifikationen unterteilt, folgt letztlich aber keiner einheitlichen Terminologie. So beziehen sich die Begriffe Nurse Practitioner, Nurse Specialist oder Clinical Nurse Specialist auf erweiterte spezialisierte Praxisaufgaben (Bechtel et al. 2017). Grundsätzlich muss sich, wie in der Intensivpflege (Blanck-Köster et al. 2017), die Notfallpflege zu einer Qualifikation mit klinisch-pflegerischer Expertise auf wissenschaftlichem Niveau entwickeln. Notaufnahmen in Deutschland übernehmen zunehmend Steuerungsfunktionen innerhalb der Kliniken. Unterschiedliche Professionen arbeiten im Behandlungsprozess des Patienten Hand in Hand entsprechend der vorhandenen Kompetenzen. Pflegekräfte, zum Teil mit Fachweiterbildung, Ärzte, Fachärzte, Medizinische Fachangestellte und Rettungsdienstpersonal übernehmen unterschiedliche Diagnose- und Behandlungsschritte im Kontext von Delegation und Substitution. Der Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätsklinika in Deutschland e. V. (VPU) hat sich bereits 2004 mit der Frage der Delegation ärztlicher Tätigkeiten auseinandergesetzt und ein Positionspapier veröffentlicht. In diesem Papier wird konstatiert, dass Delegation zunächst in die Kategorien delegationsfähig, grundsätzlich nicht delegationsfähig und nicht delegationsfähig zu differenzieren ist. Die Kategorie »delegationsfähig« erfordert keine weiteren Regelungen innerhalb des Betriebsablaufes. Die Kategorie »nicht delegationsfähig« schließt die Übertragung der Tätigkeit aus. Situativ und von der Aus- und Fortbildung des Delegaten abhängig ist die Kategorie »grundsätzlich delegationsfähig«. In dieser Kategorie ist eine Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Personen mit adäquater Fortbildung bzw. Weiterbildung und bei entsprechender Überwachung durch den Delegierenden aus haftungsrechtlicher Sicht, nach Meinung des VPU, grundsätzlich möglich, sofern der Delegat im Rahmen der Übernahmeverantwortung diese Tätigkeit übernimmt und dafür befähigt ist. Der VPU empfiehlt hier, durch entsprechende Dienstanweisungen, vertragliche Nebenabreden, eine Medikamentenpositivliste, Schulungskonzepte und eine haftungsrechtliche Absicherung die notwendigen Rahmenbedingungen zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an Kolleginnen und Kollegen anderer Berufsgruppen zu entwickeln (Buchstor 2004). Wenn z. B. die Sichtweise des VPU zugrunde gelegt wird, ist zu beachten, dass Notaufnahmen in hohem Maße Generalisten und nicht ausschließlich Spezialisten benötigen. Daher arbeiten in diesem Setting unterschiedliche Berufsgruppen mit hohen Fachkompetenzen und kreativer Handlungsfähigkeit als Team gemeinsam, um dem Patienten die bestmögliche Behandlungsoption anzubieten (Dubb et al. 2018). Allerdings sind diese verschiedenen Akteure sehr unterschiedlich ausgebildet und verfügen nicht durchgängig über eine Hochschulqualifikation mit entsprechendem akademischem Abschluss. Die Ausbildung zum Notfallsanitäter ist durch das Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters (Notfallsanitätergesetz – NotSanG) vom 22.05.2013 (BGBl. I S. 1348) in Zusammenhang mit der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (NotSan-APrV) vom 16.12.2013 (BGBl. I S. 4280) geregelt. Im...


Dr. jur. Stephan Porten, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Institut für moderne Versorgung - InMove; Dr. med. Katharina Schmid, Ärztliche Leitung DRK Landesschule Bildungseinrichtung Pfalzgrafenweiler; Rolf Dubb B.Sc. M.A., Fachkrankenpfleger A+I, Intensive Care Practitioner; Dr. med. Michael Beier, Leitender Arzt Zentrale Notaufnahme, Klinischer Risikomanager; Arnold Kaltwasser B.Sc., Fachkrankenpfleger A+I, Intensive Care Practitioner; Nadine Witt LL.M. (Medizinrecht).


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