E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Prantl Die Kraft der Hoffnung
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7844-8482-2
Verlag: Langen-Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Denkanstöße in schwierigen Zeiten
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
ISBN: 978-3-7844-8482-2
Verlag: Langen-Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Weltzuversicht vieler Menschen zerbricht. Die Populisten, die Nationalisten und die Terroristen sind nicht nur Ursache, sondern auch Symptom des erschütterten Vertrauens in eine gesicherte Zukunft. Der Glaube daran, dass Demokratie und Rechtstaatlichkeit sich, und sei es langsam, weiterentwickeln, geht verloren.
Heribert Prantl schreibt an gegen das Ohnmachtsgefühl und gegen den vermeintlichen Sog der Fremdbestimmung. Er vertraut der Kraft der Hoffnung; diese Kraft steckt nicht im billigen Optimismus; sie verweigert vielmehr dem Unheil den totalen Zugriff. Prantl glaubt daran, dass die Zukunft positiv gestaltbar ist. Und er sagt wie. Die Frage ist nicht, welche Zukunft man hat oder erduldet, die Frage ist, welche Zukunft man haben will und wie man darauf hinarbeitet. Die Zukunft ist nicht geformt, sie wird geformt, in jedem Augenblick der Gegenwart.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Die Kraft der Hoffnung
Ihr Wert misst sich nicht daran,
wie realistisch sie ist.
Bisweilen beschleicht einen das Gefühl, dass die Weltgeschichte einen gigantischen Staubsauger eingeschaltet hat, der alle Sicherheiten wegsaugt: Der Corona-Pandemie folgen der Ukraine-Krieg, der Terror der Hamas, die Gewalt in Gaza. Die Angst vor einem Einsatz von Atomwaffen steigt. Und über all dem schwelt die Klimakatastrophe. Die Welt ist so unsicher wie schon lange nicht mehr. Eine Weltgeschichte, die alle Sicherheiten einsaugt, frage ich mich dann freilich – wie soll das gehen? Die Geschichte ist kein handelndes Subjekt, sondern das Produkt der Aktionen von Subjekten. Und wenn man schon das Bild vom Staubsauger aufruft: An den Reglern für die Saugleistung sitzen Autokraten und Diktatoren.
Als der Philosoph Immanuel Kant bereits ein alter Herr war, schrieb er eine Schrift, die »Zum ewigen Frieden« heißt. Je nach aktueller Befindlichkeit stöhnt man da heute, man schmunzelt verlegen, ist melancholisch oder vielleicht auch hoffnungsvoll. Kant lehrt in dieser Schrift aus dem Jahr 1795 etwas sehr Wichtiges: Dass der Frieden kein natürlicher Zustand ist, sondern dass er gestiftet werden muss. Frieden stiften – genau das ist, genau das wäre die Aufgabe von heute. Wer stiftet? Wo sind die Mutigen?
Wir leben in einer Zeit, in der an die Stelle des Glaubens an den Fortschritt der Aufklärung das Gefühl fortschreitender existenzieller Unsicherheit tritt. Seit der Erstauflage dieses Buches im Jahr 2017 hat sich dieses Gefühl noch verstärkt. In solchen Zeiten hat man die Wahl: Man kann sich einbunkern in der kläglichen Erwartung, dass man stirbt, bevor die Katastrophe final hereinbricht. Man kann sich in Zynismus flüchten; man kann, so man betucht ist und Platz hat, im Keller seines Hauses fünf Ster Holz stapeln und viele Säcke Pellets, dazu ein paar Kisten Rotwein. Und ein jeder, ob betucht oder nicht, kann sich die Ohren zuhalten, damit er nichts mehr hört von der Gewalt in der Ukraine, von Atomkriegsszenarien oder von Long-Covid.
Hoffnung lässt die Welt nicht zum Teufel gehen
Man kann den Kopf hängen lassen und resignieren. Man kann aber auch mutig sein und hoffen; man kann an eine erträgliche Zukunft glauben und darauf hinarbeiten, und sei es auch bloß durch offene, ringende Diskussion, die andere Meinungen nicht verachtet, sondern achtet. Das Ziel: Frieden stiften, auch inneren Frieden. Eine Utopie? Utopie besteht in der konkreten Verneinung der als unerträglich empfundenen gegenwärtigen Verhältnisse – mit der Perspektive und der Entschlossenheit, das Gegebene zum Besseren zu wenden. Der Soziologe Oskar Negt hat das einmal so formuliert. Er hat recht. Es gibt daher eine Pflicht zur Hoffnung. Warum? In der Hoffnung steckt Kraft zum Handeln. Das ist aber nun kein Plädoyer dafür, Gefahren schönzureden. Hoffnung sieht die Gefahr; sie verweigert aber Unglück und Unheil den totalen Zugriff.
Es gibt eine Egozentrik der Hoffnungslosigkeit, die Optimismus fast als Beleidigung empfindet. Man kann Zukunftslosigkeit so finster beschreiben, dass die Zukunft vor einem wegläuft. Man kann die Indizien des drohenden Untergangs präsentieren. Man kann die Leiden der Zeit immerzu und in allen Facetten betonen und die Indizien des drohenden Untergangs präsentieren. Aber solches Katastrophalisieren führt zu Depression und Aggression. Selbst wenn es keinen Anlass zum Hoffen gibt, gibt es doch einen Grund dazu: Da, wo man jede Hoffnung fahren lässt, wird die Welt zur Hölle. »Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren«, steht, so schreibt Dante in seiner »Göttlichen Komödie«, in dunkler Farbe auf der Pforte zur Hölle. Hoffnung lässt die Welt nicht zum Teufel gehen. Es gilt, dem Unglück und dem Unheil den totalen Zugriff zu verweigern.
Wir alle hatten uns den Ausgang aus der Corona-Pandemie so anders vorgestellt. Zur Pandemie kam und kommt der Ukraine-Krieg, der Hamas-Terror in Israel, der Krieg im Gaza-Streifen. Und über all dem wölbt sich die Klimakatastrophe. In der Corona-Pandemie haben wir weltweite Unordnung erlebt, eine unzeitig-vorzeitige Begegnung mit dem Tod. Das Leben in der Corona-Zeit mit all ihren Beschränkungen war beschwerlich – es war Chaos für die einen, Ödnis für die anderen, bloße Störung der Normalität für die Dritten. Die Impfung brachte Vielen, aber beileibe nicht Allen die Hoffnung zurück, sie brachte viele Menschen wieder aus der Gefahren- und Todeszone, sie brachte aber auch Nebenwirkungen, an denen nicht wenige leiden. Es ist noch viel kreativer Geist vonnöten, um das gestörte Zusammenleben neu zu ordnen.
Die Hilfe kommt aus uns selbst
Wir leben in einer Gefahrengemeinschaft, die spürt, wie sich Bedrohungen zusammenballen und immer größer werden. Man würde sich wünschen, dass es auch eine gute, möglichst nebenwirkungsfreie Impfung gegen die Aggression in der Ukraine gäbe, dass es auch eine Impfung gäbe gegen die Kriegsfolgen, eine Impfung gegen Gewaltherrschaft und für Demokratie, eine Impfung für ein starkes, resilientes Europa – eine Impfung zur Stärkung der Zuversicht und gegen die Hoffnungslosigkeit. Aber so einfach geht es nicht. Die Hilfe kommt nicht von außen, sie kommt nicht aus der Apotheke. Sie kommt aus uns selbst.
Hoffnung – das ist das Wort der Stunde. Nach einer langen Corona-Zeit brauchen die Menschen nicht nur Biontech, Moderna und Astra-Zeneca; sie brauchen auch Hoffnung. Wir leben in einer Mischung aus Müdigkeit, Gereiztheit und Angst. Es gibt, wen wundert es, eine Lust am katastrophischen Denken; sie ist gefährlich, weil sie die Hoffnung zerstört, die nötig ist, um die Krise, die Krisen zu bewältigen. Wir brauchen kreative Kraft, um die Klimakrise zu überleben. Wir brauchen sie, um den Menschen in der Ukraine und im Nahen Osten zu helfen. Wir brauchen diese Kraft, um Frieden zu finden in einer Welt des Unfriedens. Wir brauchen diese Kraft für den Kampf gegen die Kinderarmut, wir brauchen sie für eine gute Bildungspolitik. Wir brauchen sie zumal für die Klimapolitik und für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ist keine Frage von gut oder böse, von fair oder unfair. Es ist eine Frage der Selbsterhaltung.
Die Sehnsucht nach dem inneren Frieden
Wir brauchen die Kraft der Hoffnung. Wie geht so ein Hoffen? Muss man sich selber einen Vor-Schuss an Optimismus impfen, bevor man anfängt, etwas zu tun – muss man sich selbst die Gewissheit injizieren, dass es etwas bringen wird? So ist es nicht. Václav Havel, als Dissident immer wieder inhaftiert und später erster Staatspräsident der Tschechischen Republik, hat es so formuliert: »Je ungünstiger die Situation ist, in der wir unsere Hoffnung bewähren, desto tiefer ist diese Hoffnung. Hoffnung ist eben nicht Optimismus. Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht. Sondern Hoffnung ist die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.« Deshalb darf, deshalb muss man auch im Ukraine-Krieg die Hoffnung haben, dass in Verhandlungen ein Weg zum Frieden gefunden werden kann. Es ist ein unheilvoller Defätismus zu sagen, dass das eh nichts bringt, und man das deshalb gar nicht erst versucht. Hoffnung beginnt damit, dass man sich ans Werk macht, einfach weil es wahr ist, einfach weil es ein Muss ist, dem man nicht widerstehen kann, auch wenn man sich auf verlorenem Posten sieht.
Eigenes Tun: Es gibt verstärke Überlegungen, einen sozialen Pflichtdienst einzuführen. Es geht dabei um die nützliche Erfahrung, nützlich zu sein. Eine solche soziale Pflichtzeit passt zu einer Erfahrung, die das Land in der Corona-Zeit gemacht hat: dass man auf Vieles verzichten kann, nicht aber auf den fürsorglichen Umgang miteinander. Etwas Weiteres kommt hinzu: Im Schatten des Ukraine-Kriegs und der militärischen Aufrüstung Deutschlands wächst das Gespür dafür, dass Frieden mehr und anderes verlangt als neue Panzer: Sicherheit entsteht nicht mit dem steilen Anstieg der Aktienkurse der Rüstungskonzerne. In einer Zeit der äußeren Unsicherheit wächst die Sehnsucht nach innerem Frieden, nach sozialer Sicherheit, nach einem guten Miteinander einer viel zu fragmentierten Gesellschaft. Die stark wachsende Zustimmung zu einer sozialen Pflichtzeit ist ein Ausdruck dieser Sehnsucht.
Kaum eine Hoffnung ist je umsonst
Je größer die Probleme, umso wichtiger die Hoffnung – die Kraft, die in der Hoffnung steckt. Das ist nicht nur im Leben einer Gesellschaft, das ist auch im Leben des Einzelnen so. Die größte Hoffnung findet man nicht selten bei denen, die keinen Grund haben zu hoffen. Eine evangelische Pfarrerin, die Sterbende begleitet, erzählt, dass sie Schwerstkranke erlebt hat, die bis zum Schluss hofften. Sie hofften, bis sie starben. Im Lauf der Krankheit änderte sich ihre Hoffnung: Anfangs hofften sie auf Heilung, später auf eine gute Begegnung, auf einen Besuch, auf einen schönen Tag; und dann auf ein seliges Ende. Haben sie sich etwas vorgemacht? Nein, sie machten sich nichts vor, sie hofften. Das sind zweierlei Dinge.
Aber wenn es nicht gut ausgeht? Wenn es kein Happy End gibt? War dann die Hoffnung umsonst? Das Leben ist kein Hollywoodfilm. Es gibt das Scheitern der besten Sache; es gibt den unaufhaltsamen Fortgang einer Krankheit, den Fortgang eines Elends aller Hoffnung zum Trotz. Dennoch: Soll ein Höllenbewohner von Guantanamo aufhören zu hoffen, irgendwann frei zu kommen? Soll ein Bewohner der elenden Flüchtlingslager aufhören zu hoffen, irgendwann ein Zuhause zu finden? Sollte der unheilbar...




