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E-Book, Deutsch, Band 6535, 355 Seiten

Reihe: Beck Paperback

Preiser-Kapeller Byzanz

Das Neue Rom und die Welt des Mittelalters
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-406-80681-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Das Neue Rom und die Welt des Mittelalters

E-Book, Deutsch, Band 6535, 355 Seiten

Reihe: Beck Paperback

ISBN: 978-3-406-80681-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieser Band bietet einen Überblick über mehr als 1 000 Jahre Geschichte. Das Besondere an dieser Erzählung vom 4. bis zum 15. Jahrhundert ist jedoch, dass sie als ein weiteres Millennium römischer Geschichte über die Geschichte der Antike hinaus dargeboten wird. Sie folgt damit dem Selbstverständnis der Zeitgenossen in Byzanz, die ihr Reich weiterhin als ein die Erdteile übergreifendes, für die Weltordnung unersetzliches Imperium verstanden; damit machten sie sich den römischen Weltherrschaftsanspruch zu eigen und hielten ihn bis 1453 aufrecht.

Die Verwaltungssprache in diesem neuen Römerreich am Bosporus war nicht mehr Latein, sondern Griechisch – aber in den heraufziehenden Jahrhunderten war Latein auch in den traditionellen Herrschaftsräumen der «alten Römer» längst zu einer toten Sprache geworden. Neu in Byzanz war zudem die intensive Verflechtung – nicht selten in Form blutiger Konflikte – mit der islamischen Welt. Doch kaum geringer waren die Gefahren, die aus dem «lateinischen Westen» drohten, verbunden mit den verheerenden Kreuzzügen. Und schließlich steigert Byzanz mit seinen Kontakten nach Ostafrika, in den Indischen Ozean, den Kaukasus, Osteuropa und Zentralasien die Dynamik der Globalisierung historischer Prozesse. Über all das weiß Johannes Preiser-Kapeller gleichermaßen spannend wie informativ zu erzählen.

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2. VOM ALTEN ZUM NEUEN ROM: DIE ORIENTIERUNG EINES IMPERIUMS
Die Verflechtung der griechischen und römischen Welt
Wie die Expansion der Römer die vorher unverbundenen Geschehnisse der Ökumene, der «bewohnten Welt», in einer neuen Weise vernetzte, erläuterte der griechische Staatsmann Polybios um 140 v. Chr. in seinem Geschichtswerk. Erst von da an, so schrieb er, wurden die Entwicklungen in Italien und Afrika mit jenen in Asien und Griechenland zu einem Ganzen verflochten.[1] Tatsächlich eröffnete die Eroberung der griechischen Staatenwelt den Römern eine weit über das Mittelmeer hinausreichende Perspektive, hatten die Feldzüge Alexanders des Großen im 4. Jahrhundert v. Chr. doch das gesamte Perserreich bis nach Zentralasien und Indien erfasst. Das römische Reich konnte zwar die Gebiete östlich des Euphrats in Mesopotamien und im Iran nie dauerhaft besetzen, da dort mit dem Partherreich eine ebenbürtige Großmacht entstand. Doch existierten Handelsverbindungen aus den griechischsprachigen Provinzen in Ägypten über das Rote Meer bis nach Indien und vom Schwarzen Meer über die Wolga bis ins Innere Asiens. Auch aus diesen weitreichenden Verbindungen bezog Rom das Selbstbewusstsein, Ordnungsmacht der gesamten Welt zu sein. Der um 200 v. Chr. auf der Peloponnes geborene Polybios machte aber auch die Brutalität der römischen Eroberer deutlich. So wie im selben Jahr Karthago in Nordafrika machten sie 146 v. Chr. Korinth in Griechenland dem Erdboden gleich. Schon davor hatten die Römer zahlreiche griechische Städte zerstört, Tausende Menschen getötet und Zehntausende in die Sklaverei verkauft. Polybios selbst wurde 167 v. Chr. als einer von 1000 Aristokraten aus Griechenland nach Rom deportiert. Die griechischen Provinzen wurden danach im 1. Jahrhundert v. Chr. Hauptschauplatz der Kämpfe, die den Verfall der römischen Republik begleiteten, bis zur Entscheidungsschlacht zwischen Marcus Antonius und Octavian bei Actium in Westgriechenland im Jahr 31 v. Chr. Erst mit der Durchsetzung der Alleinherrschaft des Octavian-Augustus, der die Fassade der römischen Republik beibehielt, aber tatsächlich das römische Kaisertum grundlegte, herrschte die Pax Romana. Jetzt konnte man auch die Friedensdividende der Einbindung in ein den gesamten Mittelmeerraum umspannendes Großreich genießen, dessen wachsendes Straßennetz ins afrikanische und asiatische Hinterland und in Europa bis zum Rhein und zur Donau reichte. Davon profitierten vor allem die urbanen Eliten, Großgrundbesitzer und reichen Händler, die ihre Städte gegenüber den römischen Statthaltern und dem Kaiser repräsentierten. Um dessen Gunst konkurrierten sie durch die Errichtung von Statuen und Tempeln zu Ehren Roms und des Monarchen. Im Laufe der Zeit identifizierten sich diese griechischsprachigen Eliten immer mehr mit jenem Staatswesen, dem sie Stabilität und Wohlstand verdankten. Einige erhielten das römische Bürgerrecht und hohe Positionen in der Verwaltung und am Kaiserhof. Gut 300 Jahre nach Polybios verfasste der aus Kleinasien stammende Publius Aelius Aristides Theodorus im Jahr 155 n. Chr. eine Lobrede «Auf Rom». Das «bemerkenswerteste und lobenswerteste Merkmal» der römischen Herrschaft sei die großzügige Gewährung des Bürgerrechts an alle begabten und «mannhaften» Untertanen. Weder «die Meere noch die Weite des Landes behindern» die Ausweitung der Bürgerschaft, «Asien und Europa unterscheiden sich nicht» und «Karrieren sind offen für Talente». Reiche und Arme fänden «Zufriedenheit und Gewinn», das Imperium sei «eine einzige und allumfassende Harmonie».[2] Im Überschwang sprach so ein Nutznießer des Systems, der schon in Kinderjahren zusammen mit seinem Vater vom als besonders «Griechen-freundlich» bekannten Kaiser Publius Aelius Hadrianus (reg. 117–?138) das römische Bürgerrecht erhalten hatte. Stolz führte Aristides Theodoros als Römer nun den Vornamen und den Familiennamen Publius Aelius des wohltätigen Imperators. Gleichzeitig blieb Aelius Aristides ein stolzer Vertreter des Erbes der Griechen und verfasste alle seine Werke in ihrer Sprache. Gemeinsam mit anderen Zeitgenossen legte er die Basis für die Erneuerung und Fortführung der griechischen Literatur und Gelehrsamkeit im Römischen Reich bis ins Mittelalter. Man nannte diese Periode schon in der Antike die «Zweite Sophistik», in Nachahmung der ersten Blüte des griechischen Wissens im 5. Jahrhundert v. Chr. Der «hard power» Roms stellt Aelius Aristides die überlegene kulturelle «soft power» Athens gegenüber, die nicht auf Garnisonen, sondern der Anziehungskraft der Bildung gründete. Dennoch markiert sein Werk eine Station hin auf dem Weg zu einer römischen Identität im griechischen Osten. Weniger deutlich als für die urbanen Eliten war der Nutzen der Pax Romana für die überwiegende Masse der Bevölkerung, die das Land bearbeitete, darunter Bauern mittlerer und kleinerer Besitzgröße, aber auch Pächter und Sklaven auf den Gütern der Reichen. Wohl 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung waren in der Landwirtschaft tätig. In der Verteilung des auf den agrarischen Überschüssen beruhenden Reichtums wurden die Balancen zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren ausverhandelt. Zumindest, dass es im Innern nicht zu weiteren Kriegen kam und keine Invasoren von außen in das Reich einbrachen, war auch für die Masse der Bevölkerung ein Segen, selbst wenn Abgaben und Arbeitsdienste etwa für das römische Militär geleistet werden mussten. Insgesamt war der Zugriff des Zentralstaates in den ersten Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit noch relativ locker, und die lokale Verwaltung oblag den einzelnen Stadtgemeinden. Archäologische und naturwissenschaftliche Befunde belegen für diese Zeit agrarisches und demographisches Wachstum in den Provinzen des Osten. Funde von Keramik höherer Qualität auch außerhalb der Wohnstätten der Eliten deuten eine gewisse Verbreitung des Wohlstands und des Zugangs zu Produkten jenseits des absoluten Grundbedarfs an. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch relativ stabile klimatische Verhältnisse während des sogenannten «Römischen Klimaoptimums». Es ging auch mit meist ausreichenden Nilschwemmen in Ägypten einher, dessen Ernteüberschuss der Ernährung der mittlerweile über eine Million zählenden Einwohner der Hauptstadt Rom diente. Diese und andere Achsen des staatlich geförderten Transports, etwa zur Versorgung der Truppen, förderten wiederum den Handel und das Gewerbe der Privatleute. Die Krise des Imperiums und die Herrschaft der vier Kaiser
Allerdings endete diese stabile Klimaperiode in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Ein Fanal war der erstmalige Ausbruch einer reichsweiten Pandemie, der in der Forschung nach dem damaligen Kaiser Marcus Aurelius Antoninus so benannten «Antoninischen Pest». Sie wurde 165 n. Chr. offenbar von römischen Truppen auf einem Feldzug gegen das Partherreich aus Mesopotamien eingeschleppt. Die Identität des Krankheitserregers und die Zahl der Opfer sind bis heute umstritten, doch fügte sich die Seuche auch in eine ansonsten immer krisenhaftere Zeit. Sie betraf nicht nur das römische Reich, sondern ganz Afro-Eurasien. Auch das chinesische Kaiserreich wurde in dieser Zeit von Witterungsextremen und Epidemien heimgesucht, die zusammen mit einer Welle von Aufständen schließlich 220 n. Chr. zum Sturz der Han-Dynastie und zum Zerfall des Imperiums in drei Reiche führten. Weiter westlich zerbrach das Reich der Kuschana, die die Handelsrouten von Zentralasien über Afghanistan bis nach Nordindien kontrolliert und im Kontakt mit Rom gestanden hatten. Und auch das von den Römern mehrfach attackierte Reich der Parther geriet ins Trudeln, bis sie 224/226 von der persischen Dynastie der Sasaniden verdrängt wurden, die sich dann als sehr viel unangenehmere Nachbarn des Römerreichs erweisen sollten. Größere und besser organisierte Verbände der Nachbarvölker beunruhigten die römischen Grenzen auch an der Donau, etwa die Markomannen und Quaden. Gegen sie musste Marcus Aurelius jahrelang Krieg führen, nachdem sie sogar bis nach Norditalien vorgedrungen waren. Aufgrund der wachsenden Belastungen an verschiedenen Fronten hatte der Kaiser erstmals seine Macht geteilt. Sein Adoptivbruder Lucius Verus sollte als Mitkaiser im Osten gegen die Parther kämpfen, starb aber im Jahr 169 vermutlich an der Seuche. Nach dem Tod des Marcus Aurelius folgte ihm 180 sein Sohn Commodus, der jedoch im Jahr 192 einer Palastverschwörung in Rom zum Opfer fiel. In der Folge kämpften mehrere Kandidaten um die Macht, bis sich der von den Legionen der Donaugrenze in Carnuntum zum...


Johannes Preiser-Kapeller ist habilitierter Byzantinist und Globalhistoriker. Er lehrt und forscht in der Abteilung Byzanzforschung/ Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie an der Universität Wien.



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