Preißmann | Menschen im Autismusspektrum und die Corona-Pandemie | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 86 Seiten

Preißmann Menschen im Autismusspektrum und die Corona-Pandemie

Erfahrungen, Besonderheiten und Hilfen
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7526-3407-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Erfahrungen, Besonderheiten und Hilfen

E-Book, Deutsch, 86 Seiten

ISBN: 978-3-7526-3407-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Corona-Pandemie stellt zweifellos für alle Menschen eine große Herausforderung dar. Aufgrund ihrer spezifischen Besonderheiten erleben Menschen im Autismusspektrum diese Zeit jedoch anders als die meisten anderen Menschen. Einiges wird für sie plötzlich leichter, anderes zur nun riesigen Herausforderung. Bei einer Häufigkeit von etwa einem Prozent für autistische Störungen betrifft das Thema deutlich mehr Menschen, als man lange angenommen hat. Aufgrund der verbesserten Diagnostik werden die Betroffenen zudem in Schule, Beruf und Alltag immer stärker präsent, sodass es von großer Relevanz ist, sich ihre Auffälligkeiten, Bedürfnisse und Erfahrungen anzuschauen. In diesem Buch werden die Besonderheiten dieser Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie dargestellt. Zahlreiche Betroffene schildern eigene Erfahrungen und beschreiben ihre Strategien, daneben finden sich ausführliche Hintergrundinformationen und hilfreiche Maßnahmen - für Menschen mit Autismus, aber auch für alle anderen. Das Buch ist allgemeinverständlich geschrieben und richtet sich an Fachleute aus Therapie, Pädagogik, Medizin etc. ebenso wie an autistische Menschen selbst, Angehörige und alle Interessierten. Es ist nach "Mit Autismus leben - Eine Ermutigung" bereits die zweite Neuerscheinung der Autorin in diesem Jahr, die es ideal ergänzt.

Dr. med. Christine Preißmann ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie und selbst Autistin. Sie arbeitet in Teilzeit in ihrem Beruf und bietet in einer psychiatrischen Klinik eine Autismus-Sprechstunde an, wo sie bereits mehreren hundert Betroffenen Hilfe und Orientierung geben konnte. Darüber hinaus hält sie Vorträge für Fachleute genauso wie für Menschen mit Autismus und Angehörige und widmet sich mit verschiedenen Aktionen der Öffentlichkeitsarbeit. Sie hat zahlreiche Fachbücher zum Thema veröffentlicht, ist ehrenamtlich im Vorstand von Autismus Deutschland e.V. aktiv und moderiert eine Gesprächsgruppe für betroffene Menschen in Frankfurt. Ab April 2021 wird sie als Psychotherapeutin in eigener Praxis tätig sein und sich auch hier schwerpunktmäßig mit autistischen Menschen beschäftigen.

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Was hat sich im Laufe der Wochen verändert?
Einige autistische Menschen berichteten über eine abnehmende Angst im Verlauf, dafür eine eher zunehmende Traurigkeit und Depressivität; Zwangssymptome und eine körperliche Stresssymptomatik nahmen in vielen Fällen ebenfalls zu. Ruhigerer Alltag
Andere Betroffene wiederum beschrieben, sie seien im Verlauf „entspannter geworden, weil ich Zeit hatte, mich an die Umstände zu gewöhnen“. Manche von ihnen verglichen diese Zeit mit „Urlaub“, es gab „weniger Verpflichtungen und mehr Zeit für mich selbst, niemand schimpft, weil ich nur zu Hause sitze – das ist nun sogar erwünscht!“ Eine autistische Frau beschrieb es so: Die Welt ist ein Stück autistischer geworden. Viele Leute fragen sich, wann diese Situation endlich vorbei ist, wann alles wieder so ist wie früher. Das geht mir so nicht: Ich würde mir wünschen, es würde nicht komplett wie früher. Und eine andere Betroffene ergänzte: Ich bin zu der Entscheidung gelangt, künftig einige Termine aus meinem Kalender zu streichen, weil es mir damit besser geht, weil das viel weniger anstrengend ist. Antriebslosigkeit, Resignation - aber auch Gedanken in die Zukunft
Sehr viele Menschen im Autismus-Spektrum aber erlebten eher das Gegenteil – diese Zeit mit (zu) wenig Struktur führte bei ihnen zu Antriebslosigkeit, einer Zunahme von Stereotypien und zu einer schweren Sinnkrise: Warum soll ich kämpfen, mich anstrengen, mit meinem Autismus lernen umzugehen? Es lohnt sich ja doch nicht, denn Corona ist gefühlt überall. Eine Betroffene fasste ihre Gedanken wie folgt zusammen: Für alle Menschen ist die Corona-Pandemie eine einschneidende Erfahrung, die nahezu alles umstrukturiert hat und weiterhin beeinflussen wird. Autisten, deren ohnehin schon schwieriges Leben stark ausgerichtet auf Struktur und Berechenbarkeit, aber trotz dieses hilfreichen Gerüsts immer noch herausfordernd genug ist, mussten sich plötzlich einem zusätzlichen Problem stellen. Mich persönlich haben die ersten beiden Wochen der Corona-Krise nervlich sehr strapaziert. Veränderte Abläufe, damit einhergehend oft nicht beeinflussbares Zeitmanagement, die Jagd nach Lebensmitteln und Toilettenpapier (ja, auch ich!), eigene und fremde Aggressionen – dies alles machte den Alltag, den ich normalerweise gut bewältigen kann, zur enormen Herausforderung. Aber: eigentlich nur den Alltag „draußen“. Da ich wegen meiner hohen Empfindlichkeit gegenüber Sinnesreizen jeglicher Art auch ohne behördliche Anordnung viel Zeit zu Hause verbringe, war das Gebot der Kontaktbeschränkung kein Problem. Dem Stress, der draußen herrschte, konnte ich mit Musik und Ruhe begegnen. Natürlich habe ich den persönlichen Kontakt zu Familie und Freunden vermisst, schmerzlich sogar, aber die endgültige Eindämmung der Pandemie wird nur erreicht werden, wenn persönliche Interessen für einen Zeitraum, dessen Dauer leider niemand definieren kann, in den Hintergrund treten. Also: Offline-Modus für die Spaßgesellschaft. Spätestens die schockierenden Bilder des Militärkonvois, der die vielen Toten wegbrachte, mussten uns aufrütteln und erkennen lassen, dass die Situation längst außer Kontrolle war – die Ignoranten aber redeten von gefährdeter Demokratie, Willkür des Staates und Vereinsamung. Wenn ich über den Tellerrand meines Lebens hinausschaue, würde ich mir wünschen, dass wir über alle Grenzen hinweg künftig in der Lage wären, Vernunft, Disziplin und weniger Egoismus als probate Mittel gegen diese Pandemie und ihre beängstigende Dimension einzusetzen. Auf die schnelle Entwicklung eines Impfstoffes sollten wir uns nicht verlassen. Die Lockerungen erzeugten nach meiner Ansicht auch eine unangemessene (dumme!) Sorglosigkeit – dafür aber ist Corona viel zu gefährlich und unberechenbar. Ich bewerte Corona als ultimative Aufforderung zur globalen Umkehr in vielen Bereichen. Im Rahmen meiner Möglichkeiten werde ich dazu beitragen, was ich kann. Meine persönliche Normalität wird immer Asperger heißen, und ich hoffe nicht, dass Corona für immer Anteil an ihr hat. Aber es wäre möglich. (Agathe Grimm) Unterschiedliche Reaktionen auch innerhalb der Familie
Und eine ebenfalls betroffene Mutter zweier autistischer Kinder im schulpflichtigen Alter betrieb eine Art „Sozialstudie“ in ihrer Familie: Dass autistische Menschen durchaus sehr verschieden sein können, ist ja hinreichend bekannt. Und so erstaunt es nicht, dass es auch ganz unterschiedliche Strategien im Umgang mit der Corona-Situation gibt. Bei uns lässt sich das gut auch innerhalb der Familie erleben: Während der 16-jährige Sohn das Virus zu seinem Spezialgebiet gemacht hat, weicht die 13-jährige Tochter dem Thema nach Möglichkeit aus: auf der einen Seite also Podcasts, News-Ticker und Statistiken, auf der anderen Seite Waldspaziergänge, Klettererlebnisse und selbstgeschriebene Geschichten von einer anderen Welt. Die Balance zwischen diesen Polen ist nicht immer einfach. Den Blick über die Familie hinaus weitend, erlebe ich persönlich Corona als eine große Sozialstudie, in der mir die Welt in diversen Bereichen ein Stück „autistischer“ erscheint: Man ist mehr „auf Abstand“: Kein Drängeln und Schubsen mehr (z.B. beim Einkauf oder auf engen Klassenfluren) – angenehm! Händeschütteln und Umarmungen entfallen: Man muss nicht so aufpassen, wie die unterschiedlichen Rituale sind (z.B. die genaue Anzahl an Küsschen) – wie schön! Bedeckte Mund-Nase-Partie: Nun ist es für alle schwieriger, Gesichtsausdrücke zu lesen Sensiblere Wahrnehmung: Die Angst scheint die Sinne zu schärfen (z.B. werden Gespräche insgesamt leiser) - gern noch mehr Achtsamkeit! Lokales Einkaufen regionaler Produkte: Ist sowieso viel besser (auch für die Umwelt!) Urlaub innerhalb Deutschlands (machen wir schon immer – geht auch ganz ohne Auto!): Wie schön leise war es zwischenzeitlich ohne die vielen Flugzeuge und mit insgesamt weniger Verkehr! Entschleunigung: Weniger Hektik tut allen gut – eigener Rhythmus ohne Strafe! Wir haben keinen Grund zu klagen, denn unserer Familie geht es wirtschaftlich wie gesundheitlich gut. Auch ansonsten haben wir uns arrangiert. Ich bestätige aus unserer Familie Tony Attwoods Bemerkung auf einer Tagung in Köln: „Aspies are good in a crisis. They really are!“ - Beide meiner Kinder kommen mit ihren ganz unterschiedlichen Strategien gut mit der Situation zurecht. Natürlich wissen wir, wie schlecht es vielen anderen mit der Corona-Situation geht, wie die Pandemie Gesundheit und Existenzen bedroht, wie Menschen vereinsamen. Viele Menschen sehnen sich nach ihrem „Leben vor Corona“ zurück. Dennoch: Corona hat das Unmögliche möglich gemacht. Das öffentliche Leben stand still – ganz plötzlich. Und dann scheint doch auch insgesamt viel mehr möglich, wenn wir uns und unser Handeln weiter hinterfragen, wenn auch die Politik mitzieht. Etwa bezüglich der Inklusion: Könnte ein „Anderssein“ nach Corona mehr Akzeptanz (oder sogar Verständnis) erfahren? – In einer „neuen Normalität“ sollte es auch tatsächlich normal sein, verschieden zu sein – vielleicht ist das dann auch der Beginn einer „neuen Verschiedenheit“? (Ilka Bendisch) Zusätzliche Belastungen und Stresserleben
Gleichzeitig aber bedeutet das Gefühl der Ohnmacht und des Kontrollverlusts, mit dem alle Menschen nun konfrontiert sind, besonders für Menschen mit Autismus, die sehr auf Kontrolle und Vorhersehbarkeit angewiesen sind, einen massiven zusätzlichen Stress. Auch die vielen Sondersendungen und Berichterstattungen zum Thema Corona mit all den schrecklichen Bildern können labile Menschen extrem verunsichern. Viele reagieren darauf mit Ängsten, einige autistische Menschen können solche Denkinhalte auch paranoid verarbeiten und eine Psychose entwickeln. Dann ist eine fachärztliche Behandlung unbedingt erforderlich. Und wie sich längerfristig die Folgen der Pandemie im Hinblick auf die psychische Gesundheit auswirken, bleibt abzuwarten - für autistische Menschen, aber auch für alle anderen. Denn auch insgesamt haben durch die Corona-Pandemie und deren Auswirkungen die Belastungen in vielen Bereichen zugenommen. Neben der Arbeit mussten eventuell noch Kinderbetreuung und Beschulung organisiert werden. Die Hausarbeit war umfangreicher geworden, weil alle zu Hause waren. Am Arbeitsplatz gab es viele neue Regeln und manchmal auch eine andere Verteilung der Arbeitsaufgaben. Nicht wenige Menschen sorgen sich zudem um ihre Arbeitsstelle und ihre finanzielle Sicherheit. Auch die Isolationsmaßnahmen hatten einschneidende Auswirkungen auf das Leben, die Lebensqualität und die psychische Gesundheit autistischer Menschen. Viele...



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