Preston | The Twin - Geliebtes Schwesterlein | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

Preston The Twin - Geliebtes Schwesterlein


1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-641-26811-4
Verlag: cbt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 432 Seiten

ISBN: 978-3-641-26811-4
Verlag: cbt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Was, wenn dein Ebenbild dir dein Leben nehmen möchte …

Die 16-jährigen Zwillingsschwestern Ivy und Iris leben seit der Trennung ihrer Eltern vor 6 Jahren getrennt, eine bei jedem Elternteil. Doch dann verunglückt ihre Mutter tödlich und Iris zieht wieder bei Ivy und ihrem Dad ein. Die beiden Schwestern gleichen sich äußerlich bis aufs Haar, doch sind so verschieden wie zwei Menschen nur sein können. Die vernunftgesteuerte Ivy versucht der emotionalen Iris zu helfen, ist bereit, mit ihr alles zu teilen, schließlich sind sie Schwestern. Zwillinge.
Iris nimmt das Angebot an. Mehr als nur gerne ... Und innerhalb kürzester Zeit sind alle Iris‘ Charme erlegen. Ivys Freunde, ihre Teamkollegen, ihr Freund, sogar ihr Vater. Und Ivy beginnt sich zu fragen, wie weit Iris gehen würde, um ihren Platz endgültig einzunehmen …

Der atemberaubende Psychothriller der New York Times-Bestseller-Autorin
Preston The Twin - Geliebtes Schwesterlein jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


2

Tyler wohnt ein Stück die Straße runter und deshalb bin ich in weniger als einer Minute dort und klopfe an die Tür.

Er macht auf und seine blattgrünen Augen werden groß. »Ivy!« Er streckt die Arme aus und zieht mich so fest an sich, wie das überhaupt nur möglich ist. »He«, flüstert er. »Alles in Ordnung?«

»Nicht so ganz«, murmele ich in sein Ramones-T-Shirt.

»Komm rein.« Seine Umarmung lockert sich, aber er lässt mich nicht ganz los, seine Finger verschränken sich mit meinen, als er mich ins Haus zieht. »Wann bist du nach Hause gekommen?«

»Vor zwei Minuten. Ich war noch gar nicht drinnen.«

Er mustert mich neugierig, als wir nach oben in sein Zimmer gehen, und bei jedem zweiten Schritt schaut er sich um. Obwohl seine Eltern bei der Arbeit sind, lässt er die Zimmertür offen. Regel Nr. 1. Falls wir dagegen verstoßen, dürfen wir nie wieder ohne Anstandswauwau zusammen sein.

Wir wollen absolut nicht dagegen verstoßen.

Ich lasse seine Hand los und falle auf sein Bett. Das Kissen ist so weich und es riecht nach ihm. Es ist tröstlich und genau das, was ich jetzt brauche.

Das Bett sinkt ein bisschen ein, als Ty sich hinsetzt. Er fährt sich mit der Hand durch die kastanienbraune Surferfrisur und fragt: »Willst du reden?«

Ich wehre mich gegen den Schmerz in meiner Brust. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

»Ich bin nicht dein Dad oder deine Schwester. Ich suche nicht nach tröstlichen Worten. Du brauchst bei mir nicht so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre. Erzähl einfach, wie dir zumute ist.«

Ich drehe mich auf den Rücken, damit ich ihn besser sehen kann. »Ich fühle mich wie verloren, und ich komme mir blöd vor, weil ich so ein Wrack bin.«

»Babe, deine Mom ist gestorben. Warum kommst du dir da blöd vor?«

Ich zucke mit den Schultern, schüttele den Kopf und schlucke, um nicht weinen zu müssen. »Ich weiß nicht. Ich müsste mich besser zusammenreißen. Ich steh doch in dem Ruf, ein kaltes Herz zu haben, oder was?«

»Nein, es ist nur so, dass du nicht direkt losheulst, wenn sich irgendeine Boyband trennt, nicht, dass du aus Stein bist und nicht um deine Mom weinst.«

Ich finde es wunderbar, dass er keinen Namen von wichtigen Boybands weiß.

Iris war immer die Emotionalere von uns. Ich bin die Logische. Deshalb weine ich auch nicht so schnell. Es sei denn, irgendwas spielt wirklich für mein eigenes Leben eine Rolle. Worin ich groß bin, ist allerdings, mir Stress zu machen und alles in Stücke zu zerdenken.

»Iris hat meines Wissens kein einziges Mal geweint«, erzähle ich ihm. »Und ich die ganze Zeit. Als ob wir die Rollen getauscht hätten.« Dad und ich sind vor elf Tagen zu ihr gefahren, sofort an dem Tag, an dem Mom starb. Iris war wie ein Roboter. Sie stand auf, duschte, zog sich an und aß. Sie räumte auf und saß vor dem Fernseher. Iris machte mit ihrer normalen Routine weiter, aber sie schwieg die ganze Zeit, als ob Dad und ich nicht da wären. Erst seit heute Morgen redet sie wieder normal.

»Es geht eben jeder anders mit seiner Trauer um.«

Ich schaue zur Zimmerdecke empor. Natürlich gehen alle mit allen möglichen Dingen anders um; ich hatte bloß nicht damit gerechnet, dass Iris und ich uns in dieser Situation so total untypisch aufführen würden. Wir sehen vielleicht gleich aus, wenn man einmal davon absieht, dass ihre Haare fünfzehn Zentimeter länger sind als meine, aber innerlich haben wir überhaupt keine Ähnlichkeit miteinander. Tauschen wir jetzt Teile unserer Persönlichkeit?

Ich seufze, dann starre ich Ty in die Augen und flüstere: »Ich weiß nicht, wie ich ihr helfen soll. Ich kenne sie ja kaum noch.«

»Du kannst das nicht in Ordnung bringen. Du brauchst nur für sie da zu sein. Niemand kann irgendetwas tun, um den Trauerprozess zu beschleunigen; du musst ihn geschehen lassen.«

Das gefällt mir nicht. Ich will die Kontrolle haben. Wenn es ein Problem gibt, dann finde ich eine Lösung. Ich kann nicht gut damit umgehen, irgendwo tatenlos zusehen zu müssen.

Er grinst. »Das wirst du schon noch lernen, das verspreche ich dir.«

Ich seufze und blinzele hektisch, als Tränen hinter meinen Augenlidern brennen. »Meine Mom ist nicht mehr da.«

»Ich weiß und es tut mir so leid.«

»Mom hatte mich letzten Monat übers Wochenende eingeladen«, sage ich.

»Ivy, lass das.«

»Und ich habe gesagt, das ginge nicht, weil ich mich an dem Wochenende auf einen Schwimmwettkampf vorbereiten wollte, den ich dann verpasst habe, weil sie gestorben ist.«

»Ivy«, stöhnt er. »Du hattest etwas zu erledigen, und es ist ja nicht so, als ob das vorher noch nie passiert wäre.«

Ich seufze, während sich mein Bauch zusammenkrampft. »Vom Verstand her kapiere ich das ja auch.«

»Du konntest einfach nicht wissen, was passieren würde, Babe.«

Ich bin nicht gut darin, mir selbst zu verzeihen. Allen anderen, klar, aber nicht mir selbst.

Ty schüttelt den Kopf. »Du kannst nicht nach den Maßstäben leben, die du dir selbst setzt. Niemand ist perfekt.«

Er hat recht, das muss ich ihm lassen. Aber ich strebe eben immer Perfektion an. Die besten Noten, die schnellste Schwimmerin, solider Freundeskreis, echte Beziehungen. Ich habe Erwartungen an mich selbst, denen ich einfach nicht gerecht werden kann, das verstehe ich, und ich würde damit aufhören, wenn ich könnte.

»Es kommt mir so vor, als wäre Iris nur zu Besuch gekommen. Wir wohnen seit Jahren nicht mehr zusammen.«

Seine Fingerspitzen streifen meine blonden Haare. »Ihr werdet euch alle daran gewöhnen, das verspreche ich dir.«

Das werden wir, aber es ist nicht richtig, dass wir das müssen. Mom war zu jung, um zu sterben. Iris und ich sind zu jung, um ohne sie zurechtzukommen. »Ich will, dass alles wieder so wird, wie es war.«

»Du willst Iris nicht hierhaben?«, fragt er leise.

»Nein, so ist das nicht. Natürlich will ich sie bei uns haben. Ich wünschte nur, sie müsste nicht hier sein, verstehst du? Es hat sich so viel geändert und ich bin auf gar nichts davon vorbereitet. Mom müsste hier sein. Wer soll mit mir mein Kleid für den Schulball kaufen gehen? Sie hätte bei meiner Abschlussfeier hysterisch werden müssen und wäre mir wahnsinnig peinlich gewesen. Wer soll weinen, wenn ich Hochzeitskleider anprobiere oder wenn ich ein Baby bekomme? Es gibt so vieles, was sie verpassen wird. Ich weiß nicht, wie ich ohne sie zurechtkommen soll.«

Natürlich habe ich Dad, aber dennoch wird nichts von alldem dasselbe sein – ohne Mom.

»Ivy«, sagt Ty und lässt seine Finger über mein Gesicht und meine Wange hinunterwandern. »Sie wird bei allem und noch mehr da sein.«

Klar, nur wird sie das eben nicht. Nicht so, wie ich das brauche.

»Iris war in meinem Zimmer«, sage ich und ändere das Thema, ehe ich die Beherrschung verlieren kann, die ich nach dem gestrigen Tag gerade erst mühsam zurückgewonnen habe.

»Okay …«

»Sie hat mich von meinem Fenster aus beobachtet, als ich losgegangen bin.«

»Hast du ihr gesagt, dass du weggehen wolltest?«

»Nein.«

»Vielleicht war sie neugierig.«

Ich beiße mir in die Unterlippe. Kann sein, aber was hatte sie überhaupt in meinem Zimmer zu suchen? Ihres liegt gleich nebenan, da hätte sie mich auch von ihrem Fenster aus sehen können.

»Hm«, erwidere ich, denn ich weiß nicht so recht, worauf ich eigentlich hinauswill. Ich war auch schon in ihrem Zimmer, ein Grund zur Aufregung ist das also nicht. »Ja, vielleicht. Es kommt mir nur komisch vor.«

Ty legt sich neben mich. »Es ist gar nicht komisch, dass sie in deiner Nähe sein will. Für sie gibt es eine Menge Veränderungen, und sie ist diejenige, die umziehen und alle ihre Freunde verlassen musste.«

Ich zucke zusammen, als er das sagt. »Ja, weiß ich.«

Iris hat so viel verloren, und wenn es ihr ein bisschen hilft, bei mir und meinem Kram zu sein, dann bitte sehr. O Gott, und ich bin hier. Wahrscheinlich war sie in meinem Zimmer, um in meiner Nähe zu sein, und ich bin gegangen.

Ich bin von ihr weggegangen!

Mein Herz sinkt mir in den Bauch. »Ich muss wohl los.«

Seine Hand erstarrt auf meiner Wange. »Schon?«

»Ich habe eine Stunde, aber …« Ich habe mich schon ausreichend als Rabenschwester erwiesen, ich muss damit nicht auch noch weitermachen.

Er nickt. »Du musst bei deinem Dad und Iris zu Hause sein.«

»Danke, dass du das verstehst, Ty.«

Na, das hier war kurz, aber es war die Sache wert. Wir stehen vom Bett auf und gehen nach unten, vorbei an den vielen Bildern von Ty in allen Lebensaltern. Das letzte zeigt uns beide, wir haben beim vorigen Weihnachtsball in der Schule die Arme umeinandergelegt und lächeln.

Ty hat für mich alles ins richtige Licht gerückt. Ich habe die ganze Zeit in meiner Blase gehockt. Dad, Iris und Moms Seite der Familie – ich habe noch nicht genug Distanz, um alles klar zu sehen.

Ich gehe hinter ihm her aus dem Haus und nage unterwegs an meiner Lippe. Ich war so sehr auf mich und meine Gefühle fokussiert, dass ich gar nicht richtig an Iris gedacht habe. Vielleicht werden wir einander näherkommen, und das kann das eine Gute sein, das bei dieser Tragödie herauskommt.

»Ruf mich an, wenn du irgendwas brauchst«, sagt er und hält sich am Türrahmen fest.

Ich beuge mich vor und küsse ihn ganz schnell. »Mach ich....


Haefs, Gabriele
Dr. Gabriele Haefs studierte in Bonn und Hamburg Sprachwissenschaft. Seit 25 Jahren übersetzt sie u.a. aus dem Dänischen, Englischen, Niederländischen und Irischen. Sie wurde dafür u.a. mit dem »Gustav-Heinemann-Friedenspreis« und dem »Deutschen Jugendliteraturpreis« ausgezeichnet, zuletzt 2008 mit dem Sonderpreis des »Deutschen Jugendliteraturpreises« für ihr übersetzerisches Gesamtwerk. Sie hat u.a. Werke von Jostein Gaarder, Camilla Grebe und Anne Holt übersetzt. Zusammen mit verschiedenen Kolleginnen hat sie mehrere Anthologien skandinavischer Schriftsteller herausgegeben.

Preston, Natasha
Natasha Preston ist gebürtige Britin und entdeckte ihre Liebe zum Schreiben, als sie eine Geschichte online teilte. Sie liebt es, Romanzen, Thriller und düstere Jugendromane zu schreiben. Mit ihren Jugendbuch-Thrillern landet sie regelmäßig auf der New-York-Times-Bestsellerliste.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.