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E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Profitlich Stehaufmännchen

Markus Marias Tagebuch
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8387-1141-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Markus Marias Tagebuch

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-8387-1141-6
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



'25. März 1960. 10 Uhr 3. Eine Stimme reißt mich aus meinen Träumen. 'Pressen! Pressen!' Ich presse wie verrückt, aber offenbar bin ich gar nicht gemeint. Plötzlich sehe ich ein weißes Licht am Ende des Tunnels - ist dies schon das Ende?' Im Gegenteil! Erbarmungslos ehrlich und mit unvergleichlichem Witz gewährt uns Markus Maria Profitlich in seinen Tagebüchern einen tiefen Einblick in die wichtigsten Abschnitte seines Lebens. Von seiner Geburt, über Kindheit und Jugend, bis zu den Anfängen seiner Comedy- Karriere erfahren wir alles über die Geschichte des beliebten Komikers bis hin zu der Erkenntnis, nach der er zu leben gelernt hat: Kein Fettnapf ist klein genug, um daneben zu treten!

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14. Höhere Schule
7. September 1974
Heute hab ich meinen ersten Tag in der neuen Schule. Eine Realschule, wie meine alte Schule auch. Bin in die siebte Klasse gekommen. Vom Alter her hätte ich in die achte Klasse gekonnt. Von meinen schulischen Leistungen her nicht. Schule war noch nie so mein Ding. In der ersten Stunde haben wir Englisch. Drücke mich in die letzte Bank und mache mich klein. Der Englischlehrer, Mister Oldfield, findet mich trotzdem und meint, ich solle mich mal vorstellen. Stelle mich hin. »Hallo, mein Name ist Markus ...« »In English, please!« »Yes, Sir! Hello, my name is Marcus Mariah Profitlick and I was born in ... ähm ... in a hospital by my mother.« Puh. Geschafft. Setze mich. Doch Mister Oldfield hat noch mehr auf dem Herzen. »Go on!« »What?« »GO ON!« Ich soll angehen? Was will der Mann von mir? Eigentlich sollte ich das alles ja aus dem Effeff können, aber wie bereits erwähnt, Schule war nie so mein Ding. Bin verunsichert und kriege einen roten Kopf. Erstes Gekichere. Geht ja prima los hier. »Markus, where do you live?« Stehe wieder auf. »In ähm ...« Verdammt, was heißt Siegburg auf Englisch? Victorycastle? Bestimmt nicht. Siegburg aber bestimmt auch nicht, denn Köln heißt auf Englisch auch nicht Köln, sondern Cologne. Fange an zu schwitzen. »I live ...« Verdammt! Verlaufsform vergessen! »I am living in ähm ... Germany! Western Germany!« Gelächter. Ich darf mich setzen. Mister Oldfield schaut mich verächtlich an und schreibt etwas in seinen Notizblock. Dann schlagen wir die Bücher auf. Ein Mitschüler fängt an zu lesen. Verstehe kein Wort. Die Ansprüche in dieser Schule scheinen etwas höher zu sein als in meiner alten Schule. Obwohl ich in meiner alten Schule auch nicht so viel verstanden habe. Englisch ist eben nicht mein Ding. Schule übrigens auch nicht. Meine Gedanken streifen ab. Irgendwann schau ich auf die Uhr. Noch vier Minuten. Dann wendet sich Mister Oldfield an mich. »Markus, please read! Page four!« Schlage Seite vier auf. Immerhin. Das hab ich verstanden. Ich starre auf die fremdartigen Worte in meinem Buch und beginne zu lesen, wobei ich mir größte Mühe gebe, es so klingen zu lassen, als würde ich verstehen, was ich lese: »Jason is at the office and needs to go to the restroom. But when he gets there, he discovers that it’s now only for women! It used ...« »STOP!« Scheint ganz gut gewesen zu sein. »And now, Markus, translate, please!« Übersetzen? Jetzt noch? So kurz vor Ende? Muss Zeit gewinnen. Zuerst bekomme ich einen Hustenanfall. (Den Trick hab ich von Opa.) Nachdem ich mich beruhigt habe, schiele ich auf die Uhr. Noch drei Minuten. Mister Oldfield steht neben mir und guckt mich streng an. Versuche möglichst unschuldig zu wirken. »Welchen Satz soll ich noch mal übersetzen?« »IN ENGLISH, PLEASE!« »Jason is at the office ...« »TRANSLATE THIS SENTENCE!« Noch zwei Minuten. Es hilft nichts. Weiche auf die alte »Ich muss mal«-Notlüge aus und frage, ob ich mal austreten darf. Natürlich in lupenreinem Englisch. »Can I kick off?« »WHAT?« »Ähm ... piss ... piss off!« PANG! Sofort fang ich mir eine Ohrfeige. Toll. Noch keine Stunde hier, und schon eine Ohrfeige. Bekomme einen Eintrag ins Klassenbuch. Dann klingelt es. In der kurzen Pause werde ich gefeiert. Wie ich es dem alten Oldfield gegeben hätte. Wow! Das hätte sich noch keiner getraut. Verstehe nur Bahnhof. Also main station. Zweite Stunde. Deutsch bei Herrn Tattenberg. Zwänge mich wieder in die letzte Reihe und mache mich extra klein. Trotzdem kommt Tattenberg direkt auf mich zu und sieht mich mit einem schmallippigen Grinsen an. »Aha. Ein neuer Schüler. Ob er sich wohl mal vorstellen möchte?« Ich weiß nicht, von wem Tattenberg redet. Ich dachte bis jetzt, ich sei der einzige neue Schüler. Antworte deshalb: »Das weiß ich nicht. Da sollte man ihn am besten selber fragen.« Tattenbergs Grinsen friert ein. Sein Gesicht bekommt einen Ausdruck, der einem das Blut in den Adern gefrieren lassen kann. Seine Stimme wird sehr leise. »So, so ... große Klappe hat das Bürschchen. Das werden wir ihm noch austreiben, nicht wahr?« Weiß immer noch nicht, von wem er redet. Weiß nur, dass ich nicht in der Haut dieses Bürschchens stecken möchte. Antworte: »Genau. An seiner Stelle würde ich die Klappe nicht so weit aufreißen.« PANG! Zweite Ohrfeige. Pädagogisch scheinen die hier ziemlich auf einer Linie zu sein. Im weiteren Verlauf der Stunde lernen wir Grammatik. Den Unterschied zwischen Perfekt und Plusquamperfekt. Wir sollen Beispiele nennen. Zeige auf. »Perfekt: Ich habe eine Ohrfeige bekommen. Plusquamperfekt: Ich hatte eine Ohrfeige bekommen.« Tattenberg schielt mich an und kommt langsam auf mich zu. »Fleißig, fleißig, der gute Markus. Dann wird er uns sicher auch Futur zwei benennen können.« Kann er nicht. Tattenberg erklärt es ihm. »Du wirst eine Ohrfeige bekommen haben!« PANG! Dritte Ohrfeige. Lege keinen Wert mehr auf Tattenbergs bildhaften Unterricht und halte im weiteren Verlauf der Stunde den Mund. In der großen Pause frage ich meine Mitschüler, ob die Lehrer hier alle so schlimm sind. Wieso, die wären doch gar nicht schlimm. Richtig schlimm wäre nur der Direx. Aber bei dem hätte unsere Klasse Gott sei Dank keinen Unterricht. Dritte Stunde. Mathematik bei Frau Salaki, deren Körper mich unweigerlich an eine Birne erinnert. Diesmal setz ich mich in die erste Reihe. Der Trick scheint zu klappen, denn Frau Salaki nimmt keinerlei Notiz von mir. Sie verteilt Zettel mit einer Aufgabe, die wir lösen sollen. Dann setzt sie sich an ihren Tisch und liest. Ich schaue auf meinen Zettel. »Konstruiere eine Parabel mit der Funktion y = 2x2.« Aha. Drehe den Zettel um. Nirgendwo findet sich ein Hinweis, wie man diese Aufgabe lösen könnte. Ich dachte immer, man geht in die Schule, um etwas zu lernen und nicht um zu zeigen, was man schon kann. Male irgendeine Kurve auf den Zettel und vertreibe mir die restliche Zeit, indem ich den Kugelschreiber auf und zu drehe. Irgendwann dreh ich ihn ein bisschen zu stark auf. Die Mine springt raus und knallt – einen wunderbaren Parabelflug beschreibend – direkt gegen die Stirn von Frau Salaki. Dort hinterlässt die Mine einen gut sichtbaren Punkt (x). Mache mich auf die gewohnte Ohrfeige gefasst, doch Frau Salaki bittet mich mit einem süffisanten Lächeln an die Tafel. Ich sei ja offensichtlich schon fertig und könnte die Aufgabe doch mal an der Tafel lösen. Dann liest sie weiter. Noch mal Glück gehabt. Gehe zur Tafel und klappe sie auf. Vor kurzem muss hier wohl Kunstunterricht gewesen sein, denn von der Tafel guckt mich die Zeichnung einer dicken Frau an. Einer nackten dicken Frau. Nicht besonders schön. Wohl moderne Kunst wie bei Picasso. Nur, dass man bei Picasso nie weiß, wen er denn da gemalt hat. Bei diesem Kunstwerk hier weiß man es sofort, denn der Körper der Frau hat die Form einer Birne. Außerdem steht es in dicken Lettern direkt darüber. »Frau Salaki«. Und dann steht da noch »ist eine dicke Kuh«. In der Klasse kichern ein paar. Frau Salaki bittet um Ruhe. Sie weiß noch nicht, dass sie als Modell eines unbekannten Aktmalers herhalten musste, und meine innere Stimme sagt mir, dass es besser wäre, wenn das so bliebe. Suche einen Schwamm, um das Kunstwerk wegzuwischen. Kein Schwamm in Sicht. Frau Salaki fragt, ohne von ihrem Buch aufzusehen, ob ich Fortschritte mache. »Ja, aber ich brauch noch ein bisschen Zeit für die ähm ... Berechnung der Kurven.« Lautes Gelächter. Verdammt, warum ist hier kein Schwamm? Wenn ich das Bild schon nicht wegwischen kann, dann muss ich es wenigstens so verändern, dass Frau Salaki sich nicht erkennt. Beginne mit meiner Retusche am Kopf der gemalten Frau und setze zunächst einen Punkt auf ihre Stirn. Gekichere aus der Klasse. Will gerade einen großen Bogen zeichnen, als sich die Tür öffnet und Mister Oldfield zusammen mit einem anderen Mann hereinkommt. Augenblicklich verstummt die Kicherei. Die Klasse steht artig auf. Frau Salaki steht auf. Mister Oldfield schaut auf die Tafel. Der Mann schaut auf die Tafel. Frau Salaki schaut auf die Tafel. Ich schaue auf die Tafel. Bin komplett versteinert. Die Kreide in meiner Hand drückt immer noch den Punkt auf die Stirn des Aktes. Der Mann schaut abwechselnd zwischen dem Punkt auf der Tafel und dem Punkt auf Frau Salakis Stirn hin und her. Um die Situation etwas aufzulockern, stell ich mich vor. »Hello, my name is Marcus Mariah Profitlick.« Dann schau ich den fremden Mann an. »What is your name?« Frau Salaki antwortet für den Mann. »Das ist Oberstudienrat Meurer. Der Direktor der Schule.« Schaue Meurer an. »Ähm ... how do you do?« In der vierten und fünften Stunde hat unsere Klasse Geschichte und Erdkunde. Ich nicht, denn ich sitze in der vierten und fünften Stunde im Zimmer von Oberstudienrat Meurer und höre mir einen lauten Vortrag über Verrohung und sittlichen Verfall...



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