Raab | Der Metzger bricht das Eis | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 344 Seiten

Reihe: Der Metzger

Raab Der Metzger bricht das Eis

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, Band 5, 344 Seiten

Reihe: Der Metzger

ISBN: 978-3-7099-3977-2
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die Brettln, die die Alpenwelt bedeuten: Der Metzger schwingt sich auf die Skipiste!

Wintersport … ist Serienmord?
Ein rätselhafter Obdachloser rettet einem kleinen Mädchen das Leben – um wenig später selbst aus ebendiesem zu scheiden. Als auch noch die Mutter des Mädchens vor den Augen des Metzgers in den Abgrund stürzt, ist der Startschuss für seine Ermittlungen gefallen. Die einzig heiße – oder vielmehr eiskalte – Spur führt in einen Wintersportort in den Alpen. Herzdame Danjela und Halbschwester Sophie sind ob der Aussicht auf Skispaß begeistert, den Metzger hingegen fröstelt es schon beim Gedanken an steile Hänge. Nicht zu Unrecht: Offenbar sind in den dortigen Luxushotels Morde all inclusive und die Schneekanonen schießen mitunter scharf.
Und hinter der bestens präparierten Fassade des Alpendorfes tun sich weitere Abgründe auf: War die größenwahnsinnige Erweiterung des Skigebiets etwa nicht für jeden Ortsansässigen der erhoffte Segen? Wenn der Metzger dieses Rennen gegen die Zeit noch gewinnen will, muss er einen fehlerfreien Lauf hinlegen. Doch die Konkurrenz ist mörderisch …

Der Metzger – ein Original
Der Metzger, das ist einer, der alte Dinge liebt. Als Restaurator kennt er die Schönheit eines Gegenstands, wenn dessen abgenutzte Oberfläche eine Geschichte erzählt. Er ist einer, der gerne allein ist, manchmal allerdings war er auch einsam, bevor Danjela in sein Leben trat und es heller und schöner machte. Er ist einer, der in der Schule gemobbt wurde, weil er zu klug und zu weich war für die wilden Bubenspiele am Pausenhof. Einer, der gerne Rotwein trinkt, mitunter viel zu viel. Doch auch, wenn mit dem Wein manchmal die Melancholie kommt, weiß er um die schönen Seiten des Lebens. Und um die lustigen.
Vor allem aber ist der Metzger einer, dem das Verbrechen immer wieder vor die Füße fällt, manchmal stolpert er sogar mitten hinein. Und dann muss er, sehr zu seinem Leidwesen, aber zur Freude einer großen Leserschaft, die gemütliche Werkstatt verlassen und Nachforschungen anstellen …

Der Raab – ein Kultautor
Der Raab, das ist einer, der einen unverwechselbaren Stil hat. Schräger Humor, authentische Charaktere, Wortwitz, feine Gesellschaftskritik; vor allem eine extrem gute Beobachtungsgabe und zugleich die Fähigkeit, die Beobachtungen treffend-komisch aufs Papier zu bannen, das ist die Mischung, die ihn so erfolgreich gemacht hat. Beim Lesen ist es zuweilen schwer zu entscheiden, ob man gespannt der Auflösung entgegenfiebern oder sich lieber doch möglichst viel Zeit lassen möchte, um das Lesevergnügen voll auszukosten. Und vielseitig ist er, der Raab – er schreibt nicht nur verschiedene Kriminalromane, sondern auch Drehbücher.
In "Der Metzger bricht das Eis" schickt er seinen kriminalistisch begabten Restaurator auf ungewohntes Terrain, denn Skilifte und Pistenzauber sind des Metzgers Sache nicht – und beweist einmal mehr, dass es in puncto Wortwitz, Überraschungsmomenten und technischer Finesse so schnell niemand mit ihm aufnehmen kann!
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2
Nach so einem Ereignis ändert sich schlagartig die Wahrnehmung. Nicht, dass der Metzger in Zukunft auf seine wöchentliche Spazierfahrt verzichten möchte, mit einem aber ist es für die nächste Zeit erst einmal vorbei: mit dem unbekümmerten Blick hinein zu seinem Fahrgast. Ab jetzt wird er zuallererst wissen wollen: Hat sie noch rote Backen, sind die Händchen auch schön warm, hebt und senkt sich der Bauch. Es will ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf, dieses Bild des erstickenden Mädchens im Schnee und des wie aus dem Nichts auftauchenden Retters. Nichts im wahrsten Sinn des Wortes, denn ein Mensch ohne Dach über dem Kopf, ohne Hab und Gut besitzt nicht nur nichts, oft nicht einmal eine Perspektive, sondern ist, was die Sichtweise der anderen betrifft, auch noch ein Nichts. Zumindest diesbezüglich hat das Leben vorhin für einen flüchtigen Moment den Deckel dieser selbst gemachten fensterlosen Schachtel namens Norm hochgehoben, allen Insassen wie dem Kasperl in der Kiste einen Blick hinaus gewährt und sie erkennen lassen, dass so ein Nichts mit einem Mal nach ganz schön viel aussehen kann, direkt nach Mitmensch. „Ich muss mit ihm reden“, beschließt der Metzger also, da liegt Lilli bereits wohlbehalten und aufbruchbereit inmitten des Gewölbekellers in den Armen ihrer Mutter. Glühend rot sind die weiblichen Backen, bei der einen war es die frische Luft, bei der anderen die Pilates-Stunde und der Anblick des knackigen dunkelhäutigen Vorturners in seiner hautengen Adjustierung. Nur wegen des Fettabbaus allein ist es eben verdammt schwer mit der Regelmäßigkeit. Und weil der Willibald dem durchaus schön anzusehenden Erholungszustand der beiden Damen kein abruptes Ende setzen will, erspart er Trixi Matuschek-Pospischill den tatsächlichen Reisebericht und schickt ihr nur ein: „So brav war sie, unsre kleine Prinzessin“ hinterher. Auch bei Danjela Djurkovic, die adjustiert mit blauem Mantel und Wischmopp gerade ihre Fitnesseinheit im Stiegenaufgang eines humanistischen Gymnasiums absolviert, wird telefonisch jeder Grund für zusätzliche Nervenstrapazen vermieden. „Ist wieder gut zurück in Werkstatt, Lillimaus?“, lautet der Inhalt ihres Kontrollanrufs, entsprechend besänftigend fällt die Antwort aus: „Du, ich bin wegen der vielen Arbeit heut einfach früher zurück. Lilli wollte noch ein wenig schaukeln und kommt dann nach!“ „Brauchst du mich nix verschaukeln, weil gibt sonst zu Hause wirklich viele Arbeit und kannst du übernehmen auch noch Abendgassirunde mit Edgar!“ Weil ich ja nie mit dem Hund geh!, denkt sich der Metzger, schließt trotzdem wohlwollend ab mit: „Wir sehn uns, wenn es dunkel ist, Geliebte!“, schlüpft in sein Wollsakko, seine Winterstiefel und überquert erneut die Straße. Diesmal weitaus weniger gemütlich als zuvor mit Lilli, allerdings nicht weniger vorsichtig. Ein Park hat eben so seine Tücken. Eine noch so großzügig angelegte Hundezone bedeutet ja nicht gleichzeitig, dass das, wofür sie angelegt wurde, auch darin abgelegt wird, von Wegräumen ganz zu schweigen. So ein Hunderl wäre in gewisser Weise ja lernfähig genug, sind ja keine Idioten, die Vierbeiner – was von deren zweibeinigen Besitzern nicht unbedingt flächendeckend behauptet werden kann. Dass sich beispielsweise als Mitbewohner im Familienverband oder als Streicheltier am Kinderspielplatz eventuell ein freundlicheres Exemplar anböte als ein Pitbullterrier oder Rottweiler, verleugnet so mancher Tierliebhaber ja selbst noch vor dem Grabstein des kleinen Jonas, drei Jahre, diesem dummen Jungen, der eben nicht verstanden hat, dass das Viecherl in Wahrheit ja nur spielen wollte. Ausschließlich am Besitzer hapert es also, wie auch hier im Umkreis der Hundezone deutlich zu erkennen ist. So ist sie eben, die Menschheit: ins eigene Wohnzimmer scheißen, niemals, ins Wohnzimmer der anderen, das ist schon ganz etwas anderes. Zwei Ausnahmen gibt es: Menschen, die intelligenterweise unter Wohnzimmer auch jenen von ihnen frequentierten Lebensraum verstehen, der über die eigenen vier Wände hinausgeht, also ihre Umwelt; oder Menschen, die bedauerlicherweise gar keine eigenen vier Wände besitzen und folglich ihre Umwelt zwangsweise als eigenes Wohnzimmer verstehen müssen. In beiden Fällen gilt auch hier: ins eigene Wohnzimmer scheißen – niemals. Und so muss der durch den Park manövrierende Metzger jetzt gar nicht erst den Pavillon und den dort geparkten Einkaufswagen ansteuern, um das Ziel seines Spazierganges zu erreichen. „Liegen lassen, überall, den Dreck liegen lassen, den Kot, den Unrat, den Menschen, einfach liegen lassen. Gut gemacht Nummer 22 – hopp, hopp hinein in die gute Stube, weg vom Weg. Weg, weg, sonst weckt es den Eiligen, hopp, hopp. Ja, ja, gleich Nummer 23, gleich kommst du an die Reihe, hinein zu den anderen. Und patsch. Patsch macht es, wie ein Stück Topfenstrudel hinein in die Vanillesoße. Geht es dir gut, Mutter, Kaiserin des Topfenstrudels, patsch, geht es dir gut!“ Hektisch läuft der Mann mit Vollbart und ohne Meldezettel durch den Park, einen Plastiksack in der einen, eine als Schaufel zweckentfremdete Zeitung in der anderen Hand, und räumt vor sich hin murmelnd den Weg. Ohne den Metzger eines Blickes zu würdigen, widmet er sich dem nächsten Hundehaufen. „Schwups, Nummer 23 – hinauf auf die Zeitung. Zeitung, Zeit und Dung, dreckige Geschichten. Überall liegt er, der Dreck, überall, darunter und darüber. Darüber ist wichtig, das verbirgt das Darunter, wichtig. Dreck als Tarnung für Dreck, Menschen als Vorwand für Menschen. Und Patsch Nummer 23, hinein in die gute Stube, geschafft, geschafft, geschafft, geschafft!“ „Hallo, dürfte ich Sie kurz sprechen …!“ Der Metzger tritt zwecks Kontaktaufnahme einen Schritt näher, was sein Gesprächspartner zum Anlass nimmt, sich ruckartig zu erheben und weiterzulaufen. Schneller wird seine Gangart, undeutlicher die Worte, der Restaurator muss ein für ihn ungewohntes Tempo einschlagen, um überhaupt mithalten zu können. Offenbar hat sich nun die Aufgabenstellung geändert, denn Nummer 24, 25, 26 werden ignoriert, unterwegs verschwindet der Plastiksack in einem Mistkübel, es geht vorbei an Nummer 27, was den Metzger betrifft nur haarscharf, gerade noch kann er einen letzten rettenden Haken schlagen. Auch der Vordermann ändert unvermutet die Richtung. Blitzartig geht es hinein in die kniehoch verschneite Wiese. Und da kommt nun die Größe des gebückt gehenden Herrn so richtig zur Geltung, denn nur wegen einer schlampigen Haltung werden ja schließlich die Beine nicht kürzer. Mit gewaltigen Schritten springt er überraschend leichtfüßig durch den hohen Schnee hinauf in Richtung Pavillon, abwechselnd blitzen die roten Moonboots auf, links ein Leuchten, rechts ein Leuchten. Gleichzeitig vernebelt ein Schnaufen die Luft, und ein Rufen dröhnt durch den Park: „Bitte warten Sie doch, ich möchte mit Ihnen reden!“ Da sitzt der Obdachlose längst schon entspannt auf der Bank, erreicht schließlich auch der Metzger völlig außer Atem sein Ziel. Überraschend geräumig ist es unter dem Pavillon. Im Sommer als Schattenspender gedacht, wünscht man sich hier im Winter nichts anderes als Wärme. Gut, wenn einen Erdenbürger schon das Leben nicht vor Niederschlägen bewahren kann, kann es vielleicht das vorhandene Dach – das ist dann aber schon alles. Eisig pfeift der Wind durch die Holzsäulen, kalt wie der Flaschenhals all jener perfekt temperierten Schaumweine, mit denen vor Kurzem erst das neue Jahr begrüßt wurde, ist der gusseiserne Rahmen der Parkbank, und frostig die Begrüßung. Ohne den Metzger eines Blickes zu würdigen, murmelt der Bärtige weiterhin in monotonem Tonfall und in einem Höllentempo vor sich hin: „Der Mann mit dem anderen Wagen, mit dem anderen Wagen. Kinderwagen. Kind oder nicht Kind, das ist hier die Frage, egal wie edel im Gemüt, man weiß es nicht, man sieht es nicht, wenn man nicht hingeht und hineinsieht, weiß man es nicht. Vielleicht ein Kinderwagen ohne Kind, so wie ein Einkaufswagen ohne Einkauf, so wie mein Einkaufswagen. Der Mann mit dem anderen Wagen. Was restauriert ein Metzger, ein Metzger gegenüber in der Werkstatt, totes Fleisch ist totes Fleisch, es gibt kein Zurück, was restauriert ein Metzger. Tote Kinder sind tote Kinder, es gibt kein Zurück, kein Zurück. Null ist Null ist eine natürliche Zahl, jede natürliche Zahl hat einen Nachfolger, nur Null ist kein Nachfolger einer natürlichen Zahl. Null ist der Anfang. Ich bin eine Null, ich bin am Anfang, nicht am Ende, Punkt. Am Nullpunkt …“ „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“, unterbricht der Metzger diesen unentwegten Fluss der Worte und nimmt Platz. Kurz hält der Angesprochene inne, dann geht es weiter: „Nächster bitte. Bitte setzen, auch wenn er schon sitzt, egal, bitte setzen. Ausweis bitte, hat er ansteckende Krankheiten, Krankheiten, die sich fortpflanzen, ruckzuck, Neid, Gier, Hass, Unrecht, ansteckende Krankheiten, hat er das, hat er das und weiß es nicht, noch schlimmer: Hat er das und weiß es. Hat er ein eigenes Bett, so wie dieses, so warm wie dieses, so frei wie dieses, hat er etwas zu essen, wuff wuff, zu essen, so wie dieses, wuff, hat er …“ Die offene Dose Hundefutter zu Füßen des Mannes ist dem Metzger bereits beim Hinsetzen aufgefallen. Um 17 Uhr wandert im Supermarkt die Armut mit brauchbarem Hundefutter bei der Vordertür hinaus in die Kälte, ab 19 Uhr wandert die zumindest bis zum Ladenschluss noch brauchbar gewesene Ware bei der Hintertür hinein in die von Eisengittern und Vorhängeschlössern...


Thomas Raab, geboren 1970 in Wien. Schulzeit eher mühsam, wäre da nicht das Klavier gewesen, sozusagen Gratis-Psychotherapie. 1988 dann doch Matura. Danach erste Versuche als Liedermacher, Studienabschluss Mathematik & Sport. Es folgten 10 Jahre einerseits als Lehrer (weil es so schön war in der Schule), andererseits im Musical- und Musiktheaterbereich und als Singer-Songwriter. Seit 2007 Schriftsteller, acht Romane um den Restaurator Willibald Adrian Metzger, vielfach ausgezeichnet, und "Still – Chronik eines Mörders". Zuletzt ermittelt in "Helga räumt auf" nicht der Metzger, sondern die betagte Frau Huber. Im Oktober 2020 allerdings feierte der Metzger sein fulminantes Comeback!


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