Raeder / Grote | Der psychologische Vertrag | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 94 Seiten

Reihe: Praxis der Personalpsychologie

Raeder / Grote Der psychologische Vertrag

Analyse und Gestaltung der Beschäftigungsbeziehung
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8444-2009-8
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Analyse und Gestaltung der Beschäftigungsbeziehung

E-Book, Deutsch, 94 Seiten

Reihe: Praxis der Personalpsychologie

ISBN: 978-3-8444-2009-8
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Beziehung zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen kann rein ökonomisch als Austausch von Arbeit gegen Geld verstanden werden. Diese Austauschbeziehung ist durch einen Arbeitsvertrag juristisch abgesichert, der auch weitere Merkmale der Beziehung definiert wie beispielsweise Arbeitszeiten und Bedingungen für die Beendigung des Vertragsverhältnisses. Neben der ökonomisch und juristisch definierten Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht aber immer auch eine psychologische, auf dem sozialen Austausch beruhende Beziehung. Um die Gestaltung dieser Beziehung geht es in diesem Buch.
Das Konzept des psychologischen Vertrags beinhaltet Verpflichtungen, Versprechen, Erwartungen, Leistungen des Unternehmens oder Beiträge der Mitarbeitenden, die in einem Beschäftigungsverhältnis über den juristischen Arbeitsvertrag hinaus ausgetauscht werden. Zentrale Fragen des psychologischen Vertrags sind beispielsweise: Wie sicher ist die Beschäftigung? Wie viel Einsatz und Leistung werden erwartet? Wie sehr können die eigenen Kompetenzen weiterentwickelt werden? Eine Vielzahl von Forschungsarbeiten zeigt, dass erfüllte psychologische Verträge förderlich sind für die Leistung, die Arbeitszufriedenheit und das Commitment von Mitarbeitenden.
Dieser Band wendet die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung auf die Analyse der Unternehmenspraxis an und erlaubt es, die bisher oft implizite Anwendung des psychologischen Vertrags in Unternehmen zu reflektieren und zu diskutieren. Der psychologische Vertrag wird über den gesamten Verlauf der Beschäftigungsbeziehung hinweg – von der Rekrutierung über die Einstellung und Entwicklung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses – dargestellt. Empfehlungen zur Analyse und zur Gestaltung von Maßnahmen im Human Resource Management und der Führung werden abgeleitet. Dieser Band bietet eine praxisnahe Einführung und unterstützt Mitarbeitende, Vorgesetzte und Personalverantwortliche dabei, Beschäftigungsbeziehungen über den Arbeitsvertrag hinaus zu verstehen und zu gestalten.

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2      Modelle, Konzepte und Theorien Eine Vielzahl von Forschungsarbeiten zeigt, dass erfüllte psychologische Verträge förderlich sind, beispielsweise für die Leistung, die Arbeitszufriedenheit und das Commitment von Mitarbeitenden. Dies ist ein zentrales Argument dafür, die Beschäftigungsbeziehung in Unternehmen bewusst zu gestalten. Dieses Kapitel führt die wichtigsten wissenschaftlichen Grundlagen zum psychologischen Vertrag aus, um zu zeigen, in welchem Kontext sich psychologische Verträge wie entwickeln und welche Konsequenzen daraus entstehen. Aufbauend auf den am häufigsten verwendeten Definitionen des Konzepts werden Forschungsergebnisse zu Kontextfaktoren und Folgen des psychologischen Vertrags berichtet. Diese Forschungsergebnisse dienen in einem weiteren Schritt dazu, auf Ansatzpunkte für die Gestaltung der Beschäftigungsbeziehung im Arbeitsalltag aufmerksam zu machen. 2.1      Inhalt und Struktur des psychologischen Vertrags Die Wurzeln des Konzepts des psychologischen Vertrags reichen in die Organisationsliteratur der 1930er Jahre zurück (vgl. Roehling, 1997). Zunächst wurde der psychologische Vertrag als Erwartungen umschrieben, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehen und die idealerweise übereinstimmen (z. B. Kotter, 1973). Erst in den 1990er Jahren setzte sich mit der zunehmend intensiveren Forschung eine Definition des psychologischen Vertrags durch, die diesen als Verpflichtungen oder Versprechen versteht, die vor allem der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmenden eingeht (Rousseau, 1989). Das Forschungsinteresse liegt zum einen darin, Inhalte psychologischer Verträge zu systematisieren, und zum anderen die Qualität psychologischer Verträge zu messen. So werden Inhalte des psychologischen Vertrags erkundet und strukturelle Unterschiede zwischen psychologischen Verträgen begründet. Die Qualität des psychologischen Vertrags wird in der Regel dadurch bestimmt, ob Verpflichtungen erfüllt und Versprechen eingehalten werden. Ist dies nicht gegeben, spricht man von einem Bruch oder einer Verletzung psychologischer Verträge (Robinson & Morrison, 2000). 2.1.1   Erwartungen und Angebote Erwartungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer Frühe Definitionen umschreiben den psychologischen Vertrag als Erwartungen, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehen (z. B. Kotter, 1973; Levinson, Price, Munden, Mandl & Solley, 1962; Schein, 1970). Zu den Erwartungen der Arbeitnehmenden zählen normative, ökonomische und kulturell bedingte Erwartungen sowie Erwartungen, die an die Rolle im Arbeitsprozess, das soziale System oder die Arbeitssituation geknüpft sind. Parallel dazu existieren Erwartungen der Organisation oder des Arbeitgebers. Der psychologische Vertrag wird dadurch umgesetzt, dass beide Parteien in einem gegenseitigen Austauschprozess stehen und die an sie gestellten Erwartungen nach Möglichkeit erfüllen. „Der psychologische oder ungeschriebene Vertrag ist ein Produkt gegenseitiger Erwartungen. Diese sind folgendermaßen charakterisiert: (a) Sie sind weitgehend implizit und unausgesprochen, und (b) sie gehen häufig der Beziehung von Person und Firma voraus. Während viele Merkmale der Arbeit als wichtig genannt wurden und als rechtmäßig betrachtet wurden – angemessene Bezahlung, faire Führung, Arbeitsplatzsicherheit und so weiter –, wurden viele andere Erwartungen nur indirekt offen gelegt durch die Art, in der die Mitarbeitenden die Firma oder ihre Kollegen beschrieben, wie sie sich in ihrer Arbeit verhielten, wie sie über Veränderungen redeten, die über die Jahre passiert waren“ (Levinson et al., 1962, S. 22, Übers. v. Verf.). „… der psychologische Vertrag ist ein impliziter Vertrag zwischen einem Individuum und der Organisation, der für diese Beziehung festlegt, was jeder voneinander zu geben und zu erhalten erwartet. … Diese vier Größen von Erwartungen und die Übereinstimmungen und Nicht-Übereinstimmungen machen den ‚psychologischen Vertrag‘ aus“ (Kotter, 1973, S. 92, Übers. v. Verf.). Übereinstimmung der Perspektiven Klar formulierte Erwartungen tragen zu einem höheren Grad an Übereinstimmung zwischen den Sichtweisen von Mitarbeitenden und Arbeitgeber über die Inhalte ihres psychologischen Vertrags bei (Kotter, 1973). Offene Diskussionen erlauben ein besseres Verständnis der gegenseitigen Erwartungen und ermöglichen ebenfalls eine höhere Übereinstimmung, die positiv für die Arbeitszufriedenheit, die Produktivität der Mitarbeitenden und die Absicht im Unternehmen zu bleiben ist. 2.1.2   Verpflichtungen und Versprechen Von Mitarbeitenden wahrgenommene Verpflichtungen Das Konzept des psychologischen Vertrags etablierte sich erst in der Forschung, nachdem sich Rousseau (1989) intensiv dafür eingesetzt hatte (Roehling, 1997). Während frühere Definitionen bewusst die Gegenseitigkeit im Austausch zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden berücksichtigten, schränkt die Definition Rousseaus den psychologischen Vertrag auf individuell, vom Mitarbeitenden wahrgenommene Versprechen und Verpflichtungen ein. „Der Begriff psychologischer Vertrag bezeichnet die Annahmen einer Person zu den Bedingungen einer gegenseitigen Austauschvereinbarung mit einer anderen Partei. Zentral ist dabei, dass ein Versprechen gegeben und im Austausch dafür eine Gegenleistung geboten wurde, die beide Parteien an gegenseitige Verpflichtungen bindet. … psychologische Verträge sind äußerst subjektiv und die Sichtweisen der betroffenen Parteien müssen nicht übereinstimmen …“ (Rousseau, 1989, S. 123 f., Übers. v. Verf.). 2.1.3   Vertragsbruch, Vertragsverletzung und Vertragserfüllung Qualität psychologischer Verträge Die Qualität psychologischer Verträge wird in der Regel als Vertragsbruch, Vertragsverletzung oder Vertragserfüllung erfasst. Bei einem Vertragsbruch werden wahrgenommene Versprechen oder Verpflichtungen nicht eingehalten. Die Vertragsverletzung bezeichnet die anschließende emotionale Reaktion (z. B. Robinson & Morrison, 2000). Ein Vertragsbruch kann dadurch zustande kommen, dass Mitarbeitende zunächst die versprochenen und erfüllten Verpflichtungen des Unternehmens mit dem eigenen versprochenen und erfüllten Einsatz vergleichen und dann das Ergebnis dieses Vergleichs beurteilen. Liegen die unternehmensseitigen Verpflichtungen und deren Erfüllung unter den eigenen, dann wurde der Vertrag gebrochen (Morrison & Robinson, 1997). Fazit Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der psychologische Vertrag Versprechungen umfasst, die die beiden Vertragspartner – Mitarbeitende und Arbeitgeber – gegenseitig geleistet haben, und Verpflichtungen, die die beiden Vertragspartner eingegangen sind. Versprechen und Verpflichtungen können entweder explizit besprochen oder in Form von legitimen Ansprüchen aus Ereignissen und Beobachtungen in der Organisation abgeleitet werden. Erwartungen gehören zum psychologischen Vertrag, sofern sie aus dem Arbeitsverhältnis abgeleitet wurden und sich nicht auf frühere Erfahrungen in anderen Arbeitsverhältnissen beziehen. 2.1.4   Inhaltsdimensionen Relationale und transaktionale Vertragsinhalte Die am häufigsten verwendete inhaltliche Differenzierung geht von zwei Dimensionen aus: relationale und transaktionale Vertragsinhalte (Rousseau, 1989, 1995). Relationale psychologische Verträge zeichnen sich durch eine hohe Verbundenheit mit der Organisation, Identifikation, Stabilität und langfristige Beschäftigung aus. Transaktionale psychologische Verträge werden durch ein geringes Maß an Verbundenheit, Identifikation, Ambiguitätstoleranz und Lernmöglichkeiten sowie kurzfristige Beschäftigung beschrieben (vgl. Tabelle 2). Positionen oder Anstellungsverhältnisse lassen sich nach relationalen und transaktionalen psychologischen Verträgen unterscheiden. Beispielsweise ist der psychologische Vertrag von Fachkräften stärker transaktional und weniger relational ausgerichtet, während Beschäftigte mit Führungs- und Expertenfunktionen eher relationale als transaktionale Inhalte betonen (Millward & Hopkins, 1998). Tabelle 2:
Relationale und transaktionale Vertragsinhalte (Beispiele aus Coyle-Shapiro & Kessler, 2000; Millward & Hopkins, 1998) Relationale Vertragsinhalte Transaktionale Vertragsinhalte Arbeitsplatzsicherheit Kurzfristige Beschäftigungsbeziehung Ausbildung Arbeitszeit wie durch den Anstellungsvertrag vorgegeben Arbeitsaufgaben wie durch den Anstellungsvertrag vorgegeben Entwicklungsmöglichkeiten Aufstieg Identifikation mit dem Unternehmen Leistungsabhängige Entlohnung Weitere Vertragsinhalte Auch weitere Systematisierungen von Inhaltsdimensionen verdienen Beachtung, da sie für die Anwendung in der Praxis ein breites Portfolio von Vertragsinhalten...



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