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E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Rahr Anmaßung

Wie Deutschland sein Ansehen bei den Russen verspielt
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-360-50181-3
Verlag: Das Neue Berlin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie Deutschland sein Ansehen bei den Russen verspielt

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

ISBN: 978-3-360-50181-3
Verlag: Das Neue Berlin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Alexander Rahr untersucht in sieben symptomatischen Beispielen, was in den Menschen, was in der Politik und Wirtschaft, was bei Verantwortlichen und einfachen Leuten in Russland vorgeht: Was und wie denken sie über Deutschland und die Deutschen? Woher rührt die wachsende Entfremdung? Von wem geht diese Entfremdung aus, wo führt sie hin? Der Autor scheut nicht Emotionen und deutliche Worte, er sondiert mit Sorge und Trauer ein zutiefst gestörtes Verhältnis, das derzeit wenig Aussicht auf Besserung hat. Er selbst ist auf beiden Seiten involviert. Als Berater der Bundesregierung hat er Analysen und Konzepte verfasst, als Russe hat er für Maßnahmen der russischen Politik Verständnis gezeigt. Ihm ist am vertrauensvollen Miteinander der beiden Länder gelegen, und er hält es für möglich.

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Einführung Was für einen Deutschen den Tod bedeutet, ist für
einen Russen gesund. (Sprichwort) Russland wird nur durch Russland überwunden. (Friedrich Schiller) Toleranz verlangt nicht danach, Unstimmigkeiten und Widersprüche zu verschleiern. Im Gegenteil, sie fordert, die Unmöglichkeit eines umfassenden ­einheitlichen Denkens anzuerkennen und darum fremde und gegensätzliche Ansichten ohne Hass und Feindschaft zur Kenntnis zu nehmen. (Lew Kopelew) Der deutsche Leser soll sich durch dieses Buch nicht angegriffen oder beleidigt fühlen. Ziel des Buches ist die Beschreibung der gegenwärtigen Haltung der Russen gegenüber Deutschen. Zweck des Buches ist, die Gefahren des konfliktgeladenen Entfremdungsprozesses für Deutschland darzustellen. Die Russen bemerken, dass Deutschland seine ­Politik gegenüber Russland verändert hat. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer spricht ­davon, dass Deutschland in Bezug auf Russland aus einer »Position der Stärke« auftreten soll. Bislang wollten die Deutschen – im Gegensatz zu den USA nach der Ukraine-Krise 2014 – der russischen Wirtschaft keinen Schaden zufügen. Doch das hört sich nun anders an. Die Russen wundern sich über die letzten Umfragen in Deutschland, wonach die Massenmigration und Russland für die Deutschen zu den größten außenpolitischen Gefahren für 2021 zählen. Fast ein Drittel der Deutschen sehen Russland inzwischen als gefährlich für die eigene Sicherheit an. 2019 waren es nur 6 Prozent. Doch welche Gefahr geht für Deutsche von Russland tatsächlich aus? Vielleicht ist sie nur »gefühlt«, künstlich? Leiden die Deutschen unter falschen Vorstellungen? Am Rande sei angemerkt, dass der Autor dieses Buches weit davon entfernt ist, die Schuld an der katas­trophalen Verschlechterung der bilateralen Beziehungen allein den Deutschen zuzuschreiben. Auch Russland hat dabei seinen unrühmlichen Anteil. Den Deutschen sollte ein gutes Nachbarschaftsverhältnis zu Russland wichtig und strategisch von Nutzen sein. Um der komplizierten Lage Herr zu werden, fragen wir im Buch die Russen: Was denken sie über die Deutschen? Das ist beileibe keine rhetorische Frage. Standardwerke, wie Deutsche die Russen sehen, füllen hierzulande ganze Bibliotheken. Jedes Jahr erscheint darüber ein neues Buch auf dem deutschen Markt. Weitaus weniger bekannt ist, welche Ansprüche die Russen an die Deutschen stellen. Die Antwort auf die Frage ist nicht unerheblich, denn Russen und Deutsche sind historisch dazu verdammt, sich zu vertragen. Bekanntlich führte eine deutsch-russische Feindschaft zu zwei fürchterlichen Weltkriegen und ließ Europa kollabieren. Das darf nie wieder passieren. In Deutschland nennt man diejenigen, die für ein gutes Verhältnis zu Russland eintreten, die Russlandversteher. Werfen wir einmal einen Blick auf die Deutschlandversteher in Russland. Was haben sie zu sagen? Doch Hand aufs Herz: interessiert man sich in Deutschland wirklich dafür, wie die Russen die Deutschen sehen? Nicht wirklich. Für den modernen Deutschen ist es weitaus wichtiger, von den USA, Großbritannien und Frankreich respektiert sowie in der EU ernst genommen zu werden – in Ländern und Nationen, mit denen Deutsche in einem Werte-Bündnis (manche würden sagen: einer gemeinsamen Kultur) zusammenleben. Was außerhalb der transatlantischen Gemeinschaft gedacht wird, inte­ressiert nicht wirklich. Wie Francis Fukuyama 1990 in seinem Jahrhundertbuch über das Ende der Geschichte schrieb, wird es kein erfolgreicheres System auf Erden geben als das ­liberal-demokratische. Mit der liberalen Moderne hat die Menschheitsgeschichte ihren zivilisatorischen Zenit erreicht. Im Grunde müssen sich alle Völker, um glücklich zu werden, nach dem liberalen westlichen System ausrichten. Doch was, wenn die Russen an dieser universellen westlichen Welt gar nicht teilhaben wollen? Russland ist, seitdem Peter der Große vor über 300 Jahren das sogenannte Fenster nach Europa aufschlug, für den Westen ein Fremdkörper geblieben. Vermutlich aufgrund seiner größeren kulturpolitischen Prägung durch die byzantinische statt durch weströmische Tradition. Im Grunde sind Ost- und Westeuropa seit dem Großen Schisma 1054 voneinander getrennt. Der Westen versuchte stets, Russland zu zivilisieren. Russland ließ sich vom Westen nicht belehren. Deutschland begrüßt es stets zu erfahren, wie Russen Deutsche verstehen und respektieren. Aber will man hierzulande, dass auch umgekehrt Deutsche Russen verstehen und respektieren? Nicht wirklich. Ja: Man will Russland aus der Barbarei in das fortschrittliche und aufgeklärte Europa überführen. Doch nein: Über eine unterschiedliche russische Weltsicht oder die besondere russische Interessenlage etwas zu erfahren ist in Deutschland für die Wenigsten von Belang. Im Jahre 2021 jährt sich zum achtzigsten Male der Tag des Überfalls Adolf Hitlers auf die Sowjetunion. Das nationalsozialistische Deutschland führte einen Vernichtungskrieg gegen die bolschewistische Sowjetunion. Es war der schlimmste Krieg, den die Menschheit bis dato erlebt hatte. Die Sowjetunion beklagte in nur vier Kriegsjahren 27 Millionen Tote, davon die Hälfte Zivilisten. Die gesamten deutschen Kriegsopfer beliefen sich auf 7 Millionen Tote, davon ein Drittel Zivilisten. Sind diese Erinnerungen in der heutigen deutschen Vergangenheitsbewältigung allgegenwärtig, so wie der Holocaust für immer ein fester Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur bleiben wird? Nicht wirklich. Russen und Deutsche aber bilden die beiden bevölkerungsreichsten Nationen in Europa. In der Russischen Föderation leben 142 Millionen Menschen; in der Bundesrepublik Deutschland 82 Millionen. Es ist keine Floskel zu behaupten, dass von einer echten Aussöhnung und guten Beziehungen zwischen den einst verfeindeten Mächten die künftige Friedenssicherung auf dem europäischen Kontinent abhängt. Im Jahre 2021 jährt sich zum dreißigsten Male die Auflösung der Sowjetunion. Vom Ende des Kalten Krieges profitierten alle. Europa wurde vereint, Deutschland wiedervereinigt, überall in Europa manifestierten sich die Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Marktwirtschaft. Machte es die Deutschen stolz, dass die Russen seit dem Fall der Berliner Mauer in allen soziologischen Meinungsfragen Deutschland als ihr Lieblingsland, als eine Art Vorbild in Europa betrachten? Nicht wirklich. Eher fasste man diese Tatsache in Deutschland als etwas Selbstverständliches auf. Deutschland sei schließlich die stolze Führungsmacht in Europa – eines von Deutschland neu geschaffenen liberalen Groß-­Europa, in dem früher oder später auch das postkommunistische Russland seinen Platz finden könne. Im Jahre 2021 jährt sich zum zwanzigsten Male der Auftritt von Vladimir Putin im Deutschen Bundestag. Der russische Präsident erklärte damals den Kalten Krieg für beendet und schlug eine neue konstruktive Partnerschaft vor. Haben die Deutschen die ausgestreckte Hand ergriffen? Nicht wirklich. Zehn Jahre später kündigte Deutschland die Modernisierungspartnerschaft mit Russland unter dem Vorwand der Abkehr Russlands von der Demokratie auf. Heute ist Deutschland, nach den Worten Putins, kein Anwalt russischer Interessen im Westen mehr. Der Fall Nawalny, der wohl niemals aufgeklärt wird, hat die deutsch-russische Beziehung vergiftet. Der bekannte russische Politologe Dmitri Trenin sprach vom bitteren Ende einer strategischen Sonderbeziehung zwischen Russland und der Bundesrepublik, die – allen Konflikten zum Trotz – half, einen neuen Kalten Krieg zwischen Russland und dem Westen zu verhindern. Deutschland ist für die Russen nicht mehr die Lieblingsnation in Europa. Ist man in Deutschland deswegen alarmiert? Nicht wirklich. Deutsche Thinktanks geben der Bundesregierung den Rat, Russland wie einen Gegner zu behandeln und mit Moskau aus einer Position der Stärke zu reden, was Kramp-Karrenbauer auch beherzigt. Der »Spiegel« schreibt, Deutschland solle Putin endlich richtig »wehtun«. In Russland fährt man als Antwort schwere Geschütze auf. In der Öffentlichkeit ertönen Stimmen, die von der langjährigen Aussöhnung nach dem Krieg nichts mehr wissen möchten. Der Krieg Nazideutschlands gegen die Sowjetunion soll zum »Genozid gegen das sowjetische Volk« umdefiniert werden, mit allen daraus folgenden Konsequenzen, inklusive möglichen Reparationsforderungen. Die Russen waren in den vergangenen 30 Jahren in ihrer Gesamtheit erkennbar Deutschland-freundlich. Auch in Deutschland existiert, anders als in vielen westlichen Nachbarstaaten, eine kritische Masse an Befürwortern einer Aussöhnungspolitik mit und Annäherung an Russland. Im politischen Establishment sind es vor allem die SPD und die Linke, die – auch in schwierigen Zkeiten – ihr Möglichstes tun, um einen kompletten Bruch der deutsch-russischen Beziehungen zu verhindern. Umfragen zufolge sympathisieren in Ostdeutschland, also in der ehemaligen DDR, die Bürger viel stärker mit Russland als in Westdeutschland, wo das transatlan­tische Denken und die Fixierung auf liberale Werte stärker ausgeprägt ist und die Menschen viel kritischer über Russland denken. Die Dankbarkeit gegenüber Amerika für die Befreiung vom Faschismus, für den Aufbau von Demokratie und den Marschall-Plan ist noch so groß, dass die Westdeutschen den USA alles durchgehen lassen. Man kann in Westdeutschland noch latente Stereotypen aus dem Kalten Krieg ausmachen. Zweifellos existiert dort ein stark ausgeprägter Pro-Amerikanismus, der nahezu automatisch einen kritischen Blick auf Russland wirft. In Ostdeutschland ist das umgekehrt. Noch im Mai 2012...


Alexander Rahr, 1959 in Taipeh geboren, ist Osteuropa-Historiker, Politologe, Publizist und einer der führenden deutschen Russlandexperten. Neben dem Geschichtsstudium in München arbeitete er von 1977 bis 1985 für das Forschungsprojekt "Sowjetelite" am Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien. Ab 1982 war er zunächst für Radio Liberty als Analytiker tätig, später 18 Jahre lang für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. 2004 bis 2015 saß er im Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs, seit 2012 ist er Projektleiter des Deutsch-Russischen Forums und parallel dazu als Unternehmensberater in der Privatwirtschaft tätig. Er ist Autor mehrerer Sachbücher, u.a. "Putin nach Putin" (2009) und "Der kalte Freund. Warum wir Russland brauchen" (2011) sowie Herausgeber des Erinnerungsbuches "Der 8. Mai. Geschichte eines Tages" (2020). Rahr ist Träger des Bundesverdienstkreuzes.



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