Rahr Russland gibt Gas
1. Auflage 2008
ISBN: 978-3-446-41623-9
Verlag: Hanser, Carl
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Die Rückkehr einer Weltmacht
E-Book, Deutsch, 289 Seiten
ISBN: 978-3-446-41623-9
Verlag: Hanser, Carl
Format: PDF
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Spätestens seit den Öl- und Gaskonflikten der letzten Jahre ist klar, wie abhängig wir von Russland sind. Und wie wenig wir über das Land wissen: Welche Pläne verfolgt der Kreml im Energiesektor? Droht uns ein neues Gaskartell? Wie werden sich die anderen beiden strategischen Industriezweige, Rüstung und Transport, entwickeln - und was bedeutet das für uns?
Mit der Präsidentschaftswahl sind die Weichen in Russland neu gestellt: Können wir uns auf eine Phase friedlichen Handels einstellen? Werden uns die großen Märkte im Osten weiter geöffnet? Steht uns ein knallhartes Powerplay um Energie, Ressourcen und militärischen Einfluss ins Haus? Droht uns gar ein neuer Kalter Krieg?
Alexander Rahr gilt als einer der besten Russlandexperten Deutschlands. In seiner brillanten Analyse zeigt er, welches Stück auf der machtpolitischen Bühne Russlands gespielt wird, wer im Hintergrund die Strippen zieht - und was das alles für Investoren, Unternehmen und die einfachen Bürger im Westen bedeutet.
Der Autor
Alexander Rahr ist Programmdirektor in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Berlin. Er ist ein international anerkannter Politikberater, Publizist und Fernsehkommentator im Bereich Russland/Eurasien, sitzt im Lenkungsausschuss des "Petersburger Dialogs" und ist Träger des Bundesverdienstkreuzes. Er kennt Präsidenten und Regierungspolitiker in den postsowjetischen Staaten persönlich.
Pressestimmen:
"Der Wissenschaftler Rahr brilliert mit einer Analyse der russischen Politik, liefert Kurzbiografien der wichtigsten Strippenzieher und versucht, den Putin-Code (was denkt, was plant er wirklich?) zu entschlüsseln." manager magazin, Februar 2008
"Rahr lenkt den Blick auf das Machbare der russischen Gesellschaft. Es ist die Stimme eines Realisten, von denen es im Westen nicht viele gibt." Financial Times Deutschland, 1. Februar 2008
"Wer 'Russland gibt Gas' liest, wird hin- und hergerissen sein: zwischen einem autoritären Staat und einer aufstrebenden Wirtschaftmacht, zwischen einem Russland, das Europa verängstigt und einem Russland, das vom Westen immer wieder enttäuscht wurde. Alexander Rahrs Bestandsaufnahme zum Ende der Ära Putin ist differenziert, anschaulich, kritisch, aber nicht einseitig - und deshalb lesenswert." Jürgen Webermann, NDR Info, 11. Februar 2008
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;8
2;TEIL I Russland als Gegner;10
2.1;1 Reiche Russen auf Shoppingtour;10
2.1.1;Der russische Spätkapitalismus;11
2.1.2;Strategische Investitionen im Westen;19
2.1.3;Westliche Abwehr;29
2.2;2 Zweiter Kalter Krieg;31
2.2.1;Friedlicher Drang nach Westen;33
2.2.2;Eindämmung Russlands;41
2.2.3;Unbequeme Wahrheiten;47
2.3;3 Defektes Russland;52
2.3.1;Die Anklageschrift;52
2.3.2;Ja, Russland ist keine Demokratie;57
2.3.3;Irreparables Russland?;71
3;TEIL II Russland als Konkurrent;72
3.1;4 Repariertes Russland;72
3.1.1;Das Plädoyer;74
3.1.2;Feinmechaniker im Kreml;85
3.1.3;Russland in der Werkstatt;89
3.2;5 Drei Triebwerke des Wiederaufstiegs;92
3.2.1;Motor 1: Der Energiekomplex;94
3.2.2;Motor 2: Der Rüstungskomplex;99
3.2.3;Motor 3: Der Transportkomplex;102
3.2.4;Nachfragen an Putin;109
3.3;6 Tankstellen entlang der Seidenstraße;113
3.3.1;Das moderne Great Game;114
3.3.2;Zweiter Zerfall des Imperiums;120
3.3.3;Die Energieschraube;131
3.4;7 Energiesupermacht;134
3.4.1;Das Gaskartell;135
3.4.2;Asiatische Optionen;141
3.4.3;SOZ und die Multipolarität;147
3.4.4;Justierung künftiger Energieinteressen;152
3.5;8 Der Putin-Code;154
3.5.1;Alle Macht den Geheimdiensten;155
3.5.2;Operation Nachfolger beginnt;159
3.5.3;Putins Doppel;167
3.6;9 Drei Piloten im Cockpit;175
3.6.1;Der Sozialheimbauer;176
3.6.2;Der Technoparkdirektor;183
3.6.3;Der Finanzinspektor;193
4;TEIL III Russland als Partner;196
4.1;10 Drei deutsche Anwälte;196
4.1.1;Strategische Saunafreundschaft;196
4.1.2;Strategische Partnerschaft Plus;200
4.1.3;Skeptische Partnerschaft;211
4.2;11 Ostpolitik II;217
4.2.1;Alte und neue Wunden;217
4.2.2;Ostpolitik reduxe;220
4.2.3;Friedliche Koexistenz;231
4.3;12 Strategiegespräch auf einer Datscha;237
4.3.1;Russland und der Westen;238
4.3.2;Zukunftsszenarios für Russland;247
4.3.3;Hoher Besuch in der Nacht;254
4.4;13 Der neue Putin;259
4.4.1;Das zweite Gesicht;260
4.4.2;Ein Vierohrengespräch im Weißen Haus;265
4.4.3;Zar Dimitri;271
4.4.4;Der liberale Kremlbär;273
5;Weiterführende Literatur;279
6;Register;281
7;Mehr eBooks bei www.ciando.com;0
(S. 145-146)
Die künftige Olympiastadt Sotschi an einem regnerischen Tag Anfang September 2007. Eine Gruppe westlicher Experten des internationalen Waldai-Klubs ist auf Putins Datscha am Schwarzen Meer eingetroffen, um mit dem Präsidenten über die Lage in Russland zu diskutieren. Soeben hat Putin die Regierung entlassen und das Finale des Wettlaufs um seine Nachfolge eingeläutet. Die Professoren und Redakteure werden aufgefordert, ein Spalier zu bilden. Putin wird gleich herauskommen und jedem von ihnen persönlich die Hand schütteln. Die Fernsehkameras halten die Szene fest. Plötzlich öffnet sich die Tür und heraus kommt – nicht Putin, sondern sein Labrador Conni. Am nächsten Tag erscheint das brüskierende Foto von strammstehenden westlichen Experten und Putins Hund auf den ersten Seiten der russischen Printmedien. Mit undurchsichtigem Lächeln tritt einige Sekunden später auch der Hausherr aus seinen Gemächern und bittet alle zu Tisch.
Die Gäste verspüren zunächst einen Hunger nach Informationen. „Who is Mister Subkow, der neu ernannte Premier?" Einer, der alle Finanzströme im Land kontrolliert und über Dossiers von allen Bankkonten verfügt, erklärt Putin. Ist Subkow sein Nachfolger? Vielleicht ja, aber es gibt noch fünf andere Kandidaten, deutet Putin mysteriös an. „Die einen sagen, Sie werden Premier, die anderen meinen, Sie würden Parteichef von Einheitliches Russland werden", fragt ein Amerikaner.
„Beide haben recht", erwidert Putin. Der Kremlchef gefällt sich in seiner neuen Rolle. Er spielt das Spiel seines Lebens. Die ganze Welt, inklusive seiner nächsten Umgebung, versucht sich im Ratespiel. Derweilen bleibt Putin der alleinige Regisseur im Epizentrum der Macht. Der Mann weiß, was er will. Nach einer dreistündigen Diskussion beim Abendessen lädt er die westlichen Gäste zum Spaziergang entlang der Meeresküste ein. Eine gute Möglichkeit, den Kremlchef in ein persönliches Gespräch zu verwickeln.
Die Experten umringen Putin, dessen Stimme ist leise. „Der nächste Präsident wird sich mit mir arrangieren müssen", verkündet er. Putin sieht sich als eine Institution im Land. Auch nach dem Verlassen der Präsidentschaft bleiben sein politischer Einfluss und die Aura bestehen. Das Meer ist stürmisch geworden. Die starke Brandung übertönt das Gespräch. Putin hat eine Strategie für Russland und für seine persönliche Machtabsicherung nach 2008.
Alle Macht den Geheimdiensten
Seit seinem Machtanstieg hatte sich Putin auf die Geheimdienste gestützt. Monat für Monat zauberte er einen Tschekisten nach dem anderen aus dem Zylinder. Nach einer Recherche der russischen Soziologin Olga Kryschtanowskaja wurden unter Putin in der Staatsbürokratie 25 Prozent der Posten mit direkten Vertretern der Geheimdienste und zahlreiche Ämter mit verdeckten Mitarbeitern besetzt. Dass der Westen sich über die Rehabilitierung des Geheimdienstes mokierte, störte den Kreml nicht. Der FSB-General Viktor Tscherkessow veröffentlichte in der Komsomolskaja Prawda im Dezember 2004 einen Artikel mit folgendem Inhalt: Mit dem FSB sei ein ehrenhafter Ritterorden an die Macht gekommen, um in einer schwierigen Zeit der russischen Geschichte die heroische Aufgabe der Wiederaufrichtung Russlands zu erfüllen.
Seit den ersten Tagen des 21. Jahrhunderts liegt die Macht in Russland in den Händen einer Gruppe von Männern, die alle aus Sankt Petersburg kommen, einen ähnlichen Karrierehintergrund besitzen, sich seit 30 Jahren kennen und eine ähnliche politische Gesinnung vertreten. Sie stammen entweder aus dem Geheimdienst oder hatten eine Nähe zum ehemaligen KGB. Nach dem Zerfall der Sowjetunion begannen sie ihren Aufstieg in der Stadtverwaltung von Sankt Petersburg – unter Oberbürgermeister Anatoli Sobtschak, dem zweitbedeutendsten Reformpolitiker Russlands nach Jelzin.