E-Book, Deutsch, 170 Seiten, Gewicht: 1 g
Rasch Die geheime Kunst der Börsenanalyse
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-03810-044-7
Verlag: NZZ Libro
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nie wieder zum falschen Zeitpunkt investieren
E-Book, Deutsch, 170 Seiten, Gewicht: 1 g
ISBN: 978-3-03810-044-7
Verlag: NZZ Libro
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Werden die Kurse steigen oder fallen? Diese Frage treibt Anleger seit je um. An den Finanzmärkten gibt es allerdings keine Gewissheiten. Auch wenn alles für ein bestimmtes Szenario spricht, kann es doch immer anders kommen. Man kann sich daher nur an das Kommende herantasten, sich vorbereiten und jeden Tag dazulernen. Der Börsenexperte Michael Rasch gibt dafür wertvolle Hinweise und hilft den Lesern dabei, wenn immer möglich zum richtigen Zeitpunkt an der Börse ein- oder auszusteigen. Er analysiert das monetäre Umfeld, erklärt das kurz-, mittel- und langfristige Börsengeschehen und zeigt die verschiedenen fundamentalen und technischen Indikatoren auf. Private und professionelle Anleger werden damit in die Lage versetzt, das Geschehen hinter der Kursentwicklung besser zu verstehen und daraus Rückschlüsse für ihr eigenes taktisches Anlageverhalten zu ziehen. Er erläutert konjunkturelle Frühindikatoren, die Gewinnentwicklung der Unternehmen, den US-Präsidentschaftszyklus, die Dow-Theorie, Saisonalitäten sowie Momentum-, Marktstruktur- und Stimmungsindikatoren.
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1Indikatoren für langfristige Anleger
1.1 Das monetäre Umfeld am Aktienmarkt
1.1.1 Die Kreatur von Jekyll Island
«Die Kreatur von Jekyll Island» ist an den Finanzmärkten allgegenwärtig. So bezeichnete in seinem gleichnamigen Buch G. Edward Griffin die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und nannte sie «das schrecklichste Ungeheuer, das die internationale Hochfinanz je schuf». Die US-Notenbank wurde am 23. Dezember 1913, also einen Tag vor Heiligabend, gegründet – sie ist aber alles andere als heilig oder gar unumstritten. Initiiert hatten die Gründung schon lange vorher führende US-Bankiers, und zwar bei einem geheimen Treffen auf der nur 23 Quadratkilometer grossen und zum US-Bundesstaat Georgia gehörenden Insel Jekyll Island. Die vom Autor G. Edward Griffin geäusserte Kritik an der US-Notenbank ist sicherlich journalistisch zugespitzt, wenn nicht gar überzogen. Doch in der Tat hat die Fed einen enormen Einfluss auf das Geschehen an den internationalen Finanzmärkten. An der Börse ist das monetäre Klima von entscheidender Bedeutung. Für diese geldpolitische Stimmung gibt es mehrere Einflussfaktoren, von denen der wichtigste das allgemeine Zinsniveau ist, das durch die Leitzinsen beeinflusst wird. Diese Leitzinsen legt für jeden Währungsraum die zuständige Zentralbank im Rahmen ihrer Geldpolitik fest. In den USA ist das die Federal Reserve. In Europa übernimmt dies für die Eurozone die Europäische Zentralbank (EZB). Davor war es die Deutsche Bundesbank für Deutschland sowie die D-Mark, und in der Schweiz ist es die Schweizerische Nationalbank (SNB) für den Frankenraum. Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich Finanzinstitute wie Banken und Sparkassen kurzfristig untereinander Geld ausleihen. Er beeinflusst vor allem das Zinsniveau für Kredite mit zeitlich kurzen Laufzeiten. Durch die Festlegung des Leitzinssatzes versuchen die Zentralbanken, auf Faktoren wie das Wirtschaftswachstum und die Inflation sowie in neuerer Zeit auch auf den Arbeitsmarkt Einfluss zu nehmen. Wichtig für das monetäre Klima sind neben der Politik der jeweiligen Notenbank auch die Kreditnachfrage der Wirtschaft, die Liquidität der Banken, die Entwicklung der Konsumentenkredite, das Vorherrschen von deflationären oder inflationären Tendenzen sowie die Höhe des Diskontsatzes zur Beeinflussung der kurzfristigen Zinsen und die Prime Rate. Das sind die Zinsen, zu denen Banken ihren grössten Kunden Geld leihen. Entscheidend ist jedoch die Politik der Notenbank, die wiederum alle anderen Faktoren stark beeinflusst. Als Faustformel kann man sich merken, dass sinkende Zinsen gut für die Wirtschaft und die Börse sind, wohingegen steigende Zinsen bremsend wirken. Dennoch kann es oft dringend nötig sein, dass eine Notenbank die Zinsen erhöht – etwa um eine Überhitzung der Wirtschaft zu verhindern oder um eine zu stark steigende Inflation zu bekämpfen. Sinkende Zinsen sind gut für die Aktienmärkte, weil dadurch ihre relative Attraktivität gegenüber dem Anleihenmarkt zunimmt. Sie führen nämlich zu einem abnehmenden Zinsniveau an den Anleihemärkten, wodurch Aktien für die Anleger – relativ gesehen – interessanter werden. Auf dieser Überlegung fusst auch das sogenannte Fed-Modell, dass Sie später in Kapitel 1.2.7 noch kennenlernen werden. Aktien und Anleihen sind die beiden grossen Anlageklassen, zwischen denen das meiste Geld hin und her fliesst, wenngleich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viele andere Investmentkategorien entstanden sind, beispielsweise Rohstoffe, Währungen, Hedgefonds, Private Equity und vieles mehr. Zudem wird es in einem Umfeld fallender Zinsen für Unternehmen günstiger, sich zu verschulden. Dies machen Konzerne zum Beispiel, um Investitionen in neue Projekte zu tätigen. Von sinkenden Zinsen profitieren also besonders solche Firmen, die einen hohen Grad an Fremdfinanzierung aufweisen, also stark verschuldet sind. Für sie nimmt durch das sinkende Zinsniveau ein grosser Kostenblock ab. Und wenn sich die Ausgaben reduzieren, steigen bei sonst gleichbleibenden Bedingungen die Gewinne, die wiederum neben dem monetären Klima der wichtigste Treiber für die Aktienkurse von Unternehmen sind. Das allgemeine Zinsniveau hat darüber hinaus in der gesamten Wirtschaft eine wichtige Steuerungsfunktion. Es signalisiert, ob es tendenziell attraktiver ist, zu sparen oder sich zu verschulden, also auf Kredit zu konsumieren. Am Aktienmarkt führen, wie erwähnt, steigende Zinsen ökonomisch tendenziell zu sinkenden Kursen und fallende Zinsen zu steigenden Kursen. Der Wechsel von einer Hausse zu einer Baisse und umgekehrt erfolgt allerdings meist nicht abrupt. Für den Anleihenmarkt sieht das Bild bei nach oben tendierenden Zinsen anders aus. Die Besitzer von bereits emittierten Anleihen leiden tendenziell bei kletternden Zinssätzen. Wenn die Renditen steigen, kommt es nämlich vor allem bei Anleihen mit Laufzeiten von mehr als zwei Jahren zu signifikanten Kursverlusten. Das schreckt viele Anleihenbesitzer ab und gilt besonders für zahlreiche institutionelle Anleger wie Pensionskassen und Versicherungen, weil sie ihre Anleihenportefeuilles immer wieder umschichten müssen. Grundsätzlich machen steigende Renditen die Obligationen, wie Anleihen auch heissen, im Vergleich mit anderen Anlageklassen jedoch attraktiver. Das gilt vor allem dann, wenn die Zinsen wieder auf einem ansprechenden Niveau sind und die Marktteilnehmer den Zinserhöhungszyklus als abgeschlossen erachten. Für Investoren in Anleihen, die ihre Papiere bis zum Ende der Laufzeit halten, ist die Zinswende allerdings weniger problematisch, da der investierte Betrag samt Verzinsung am Laufzeitende zurückgezahlt wird – falls der Emittent inzwischen nicht zahlungsunfähig wurde. Ein wichtiges Signal ist eine Wende bei den Zinsen (und dadurch vor- oder nachlaufend auch an den Aktienbörsen) zudem für den Immobilien- und Hypothekarmarkt. Wer mit dem Gedanken spielt, eine Hypothek aufzunehmen, will dies zu möglichst niedrigen Zinsen tun. Sinkende Zinsen ziehen also immer mehr «Häuslebauer» und Käufer von Immobilien an, wohingegen steigende Zinsen mittelfristig einen boomenden Immobilienmarkt abkühlen sollten. Doch nicht nur für Hypothekenbesitzer, sondern für alle Schuldner wirken steigenden Zinsen einschränkend, da sie bei höherer Zinslast auf anderweitigen Konsum verzichten müssen oder weniger sparen können. So viel zur Theorie und damit zurück zum Aktienmarkt – vor allem zu jenem der USA, der noch immer der Weltleitmarkt ist, wodurch der US-Notenbank eine besondere Funktion zukommt. Sie beeinflusst mit ihrer Politik oft die Notenbanken auf der ganzen Welt. Mit der US-Notenbank ist in der Regel die Hauptfiliale in der Prachtstrasse 20th Street and Constitution Avenue N. W. im Herzen von Washington D. C. gemeint. Sie liegt in etwa in der Mitte zwischen dem Weissem Haus und dem Lincoln Memorial. Genau genommen handelt es sich bei der amerikanischen Zentralbank um das Federal Reserve System. Dieses besteht aus dem Board of Governors, aus den zwölf regionalen Federal-Reserve-Banken, aus zahlreichen weiteren Mitgliedsbanken sowie aus anderen Institutionen. Entscheidend für die Festsetzung des Leitzinses in den USA, der sogenannten Federal Funds Target Rate, ist der Offenmarktausschuss der Fed, das sogenannte Federal Open Market Committee (FOMC). Das Besondere an diesem Gremium ist der jährliche Wechsel einiger Mitglieder. Ständige Vertreter sind die sieben Mitglieder des Board of Governors sowie der Präsident der Federal Reserve Bank von New York, der schon immer ein grösseres Gewicht zukommt. Dazu kommen als stimmberechtigte Mitglieder vier jeweils jährlich wechselnde Präsidenten der anderen regionalen Fed-Banken. Die rotierenden Sitze werden aus folgender Gruppe von regionalen Fed-Banken gefüllt: ein Präsident der Fed kommt aus Boston, Philadelphia oder Richmond, ein Präsident der Fed aus Cleveland oder Chicago, ein Präsident der Fed aus Atlanta, St. Louis oder Dallas sowie ein Präsident der Fed aus Minneapolis, Kansas City oder San Francisco. Nicht stimmberechtigte Mitglieder (sieben von 19) können zwar an den Sitzungen teilnehmen und sich an den Diskussionen beteiligen, dürfen aber nicht abstimmen. Jeweils zum Jahreswechsel kommt es zur Rotation. Seit einiger Zeit sind sogar Frauen in dem erlauchten Gremium zugelassen, und seit 2014 führt mit Janet Yellen, die am 1. Februar Ben Bernanke ablöste, erstmals eine Frau das Federal Reserve Board. Das Gremium krankt allerdings ein wenig daran, dass die Mitglieder fast allesamt rein akademische Karrieren gemacht haben und kaum Praktiker sind. Eine Ausnahme ist der derzeit amtierende Präsident der Federal Reserve Bank von Dallas: Richard W. Fisher. Er war vor seinem Eintritt in die Fed unter anderem als Hedgefondsmanager tätig. 1.1.2 Der Einfluss der Leitzinsen auf die Börse: Don’t fight the Fed
«Don’t fight the Fed», heisst einer der bekanntesten Ratschläge für Anleger. Damit ist gemeint, dass sich Börsianer nicht gegen die US-Notenbank stellen sollten. Sie bestimmt, wie Sie bereits gelesen haben, das für die Finanzmärkte so wichtige monetäre Klima. Dahinter steht die Theorie, dass sinkende Zinsen tendenziell zu steigenden Aktienkursen führen und steigende Zinsen den umgekehrten Effekt auslösen. Doch die Welt wäre zu einfach, wenn sich diese Regel so leicht eins zu eins anwenden liesse. Die Effekte spielen meist mit einer schwierig abschätzbaren Zeitverzögerung und werden oft auch von anderen Ereignissen und Entwicklungen beeinflusst oder überlagert. So begann beispielsweise der letzte Zinssenkungszyklus der US-Notenbank im September 2007, als die Aktienkurse noch nahe an den Höchstständen lagen. Der folgende...