E-Book, Deutsch, Band 6, 240 Seiten
Reihe: uferlos: Seelengefährten
Rast Elfenfrost
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7394-8286-6
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, Band 6, 240 Seiten
Reihe: uferlos: Seelengefährten
ISBN: 978-3-7394-8286-6
Verlag: tolino media
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Geboren 1968 als echte Kieler Sprotte im nördlichsten Bundesland, wohne ich mit vielen Tieren auf dem Land. Nun habe ich neben meinen bisherigen und zukünftigen Verlagsveröffentlichungen das Abenteuer Selfpublishing für mich entdeckt. Ich schreibe Fantasy in allen möglichen Richtungen: Urban, Geistergeschichten, Gay Romance und Heroic Romance ('Schmachten & Schlachten', wie ich dieses Subgenre mit einem Augenzwinkern nenne) und noch viel mehr.
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1.
Die Schlange von Bevek
Das Lager erstreckte sich über die gesamte Mulde zwischen zwei Hügelreihen, wirkte von der Höhe, von der aus Tevou es betrachtete, wie die ferne Hochstadt mit ihren unterschiedlichen Vierteln. Doch wo in Alkan Händlerviertel, das der Weber oder jenes der Schreiner und Tischler fein säuberlich getrennt und an Farbgebung und Gerüchen zu unterscheiden waren, lag es hier an den Farben und Formen der Zelte.
Jeder Stamm hatte im großen Heerlager der Elfen sein eigenes kleines Revier abgesteckt, eigene Grenzbefestigungen aufgeworfen innerhalb der alten Umwallung, die noch aus Zeiten stammte, als hier einmal eine Stadt oder Festung gestanden haben musste.
Nun folgte auch Tevous Stamm dem Ruf zu den Waffen. Alle Elfen vereint im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind. Als könnte das lange gut gehen, als würden sie sich nicht aneinander reiben wie Mühlsteine, aufeinanderprallen wie Flint und Stahl, bis Funken stoben und alles in Brand setzten.
Aber die Hochköniginnen hatten gerufen, und jede Stammesobere sandte so viele Kriegerinnen und Krieger, wie sie selbst entbehren konnte, falls der Feind hinter die Schlachtenlinien gelangen und Siedlungen angreifen konnte.
Tevou wandte sich zu seinen Stammesgeschwistern um und grinste schief. »Wir sollten versuchen, unsere Kampfeslust für den Feind aufzusparen.«
»Hängt davon ab, wen du als Feind bezeichnest«, knurrte Evell, die, das wusste Tevou, noch mit einigen Leuten vom Salia-Stamm zahlreiche Rechnungen offen hatte.
»Im Augenblick alles, was keine spitzen Ohren hat«, schlug Tevou vor.
»Ach, verdammt, immer diese Feinheiten«, gab Evell zurück, und ein freches Grinsen vertrieb die Grimmigkeit aus ihrer Miene. »Na gut. Für den Augenblick. Wetten, dass die Schwachköpfe von Salia ihre alten Moorhexen mitgebracht haben?«
Was die Schwachköpfe von Salia, von Bevek und anderen Stämmen wohl gerade angesichts von uns Schwachköpfen von Verde denken? Ich sehe es schon kommen: Wir raufen uns gerade lange genug zusammen, um die Zwerge aus unseren Landen zu vertreiben, und danach tobt hier eine zweite Schlacht. Großartig.
Sie machten sich an den Abstieg. Hunderte Elfenfüße hatten schon einen brauchbaren Trampelpfad die Hügelflanke hinab getreten. Nicht nur Neuankömmlinge im Lager, sondern auch Jäger und Kundschafter, vermutete Tevou. Eine Wachpostenreihe lag ja schon hinter ihnen. Verdammt, er hätte fragen sollen, ob auch eine der Hochköniginnen im Lager war. Das würde der Dringlichkeit des Rufs zu den Waffen mehr Nachdruck verleihen.
Prüfend ließ er den Blick über die Zelte schweifen, während er weiter dem Pfad folgte. Banner wehten, verkündeten die Anwesenheit der unterschiedlichen Stämme. Kriegerinnen wanderten auf den Wegen zwischen den unterschiedlichen Lagern, Krieger standen in Gruppen herum, über allem lag eine gewisse Anspannung.
Dann entdeckte er die purpurfarbenen Zelte. Der Stamm von Keris war da. Die Hüter der Elemente. Einerseits gut, andererseits zeigte es, wie ernst die Bedrohung durch die Zwerge genommen wurde. So mächtig die Elementeträger auch waren, galten sie doch als Kostbarkeit, die niemand in ein bloßes Scharmützel werfen würde. Wenn sie, die ihre Nasen gerne hoch trugen, sich denn zu einem kleinen Handgemenge überhaupt herablassen würden.
Der Geruch nach Mist wehte Tevou entgegen. Die Pferde mussten zu den berittenen Bogenschützen von Luvak gehören. Elfen mit krummen Beinen und kleine, struppige Reittiere, die furchtlos auf feindliche Reihen zuhielten, während Pfeile genau diese Linien ausdünnten.
Evell übernahm nun die Führung und wies zwei andere des Stammes an, die Packtiere zu übernehmen und nach einem geeigneten Lagerplatz zu suchen. »Möglichst weit weg vom Stamm von Salia. Sonst klauen die uns in der Nacht die Zeltplanen, wie ich die Mistkerle kenne.«
Langsam schlenderte Tevou hinterher und sah sich dabei neugierig um. Einige Banner kannte er von Markttreffen, wenn drei oder vier Stämme einen anderen in dessen Stadt besuchten oder man sich auf neutralem Boden zum Handeln traf. Andere Stammeszeichen kannte er von unschöneren Zusammentreffen in Wäldern oder auf Ebenen in Grenzgebieten. Fast meinte er, die Luft zwischen den Zelten knistern zu hören und zu spüren. Elfen waren nun wirklich nicht für Friedfertigkeit berüchtigt, und er hoffte mittlerweile sehr, dass zumindest eine der Hochköniginnen anwesend war, um die Kriegerhorden noch deutlicher zu einen, als das ein gemeinsamer Feind vermochte. Immerhin die Hochköniginnen erkannte jeder Elf ohne Vorbehalte an.
Dann führte der Weg unglückseligerweise am Lager von Bevek vorbei. Fröhlich wehte das Sonnenbanner im Wind, der den würzigen Geruch von gefüllten Fladenbroten mit sich trug. Drei junge Frauen standen vor einem Zelt und beäugten wachsam und neugierig zugleich alle, die vorbeimarschierten. Sie steckten die blonden Köpfe zusammen und tuschelten – bestimmt nichts Nettes, wie Tevou die Küstenbewohner kannte.
Damit konnte er gerade noch leben. Was das Fass allerdings zum Überlaufen brachte, war eine unangenehm vertraute Stimme, die klar und deutlich über Stimmengewirr, das Flattern von Zeltleinwand, Wiehern aus den Pferdeausläufen und das ferne Hämmern eines Schmiedehammers schallte: »Ach, verdammt! Ich hätte gedacht, Hühnerdiebe haben keinen Zutritt zum Lager!«
Tevou blieb stehen und wandte demonstrativ langsam den Kopf, um den Sprecher anzusehen.
Rasgar, die Giftschlange von Bevek. Gerüchten zufolge konnte sein Stamm ihn auch nicht ausstehen und hoffte vereint, dass eine Krankheit ihn endlich hinwegraffen würde. Bösartig, verschlagen, immer für eine blöde Bemerkung zur Stelle – und was alles schlimmer machte: Er war der schönste Mann, den Tevou jemals gesehen hatte. Nicht dass es an zahllosen Männern mangelte, die Tevou zum Vergleich bemühen konnte.
Jetzt trat dieser Ausbund an schlechten Manieren unter einem Sonnensegel hervor ins strahlende Licht, das natürlich sein honigblondes Haar wie Gold schimmern ließ, das parteiisch über die makellose Bräune streichelte, als wäre Aynis, die Himmelsgöttin, vollkommen vergafft in diesen … diesen widerlichen Kerl! Würde zu ihr passen, bewunderte sie sich doch ständig in jeder spiegelnden Wasserfläche.
Tevou zog in übertrieben zur Schau gestelltem Abscheu die Brauen hoch. »Du hier und nicht kopfüber in den Latrinen, Rasgar?«
Jemand kicherte. Vielleicht jemand vom Stamm Bevek, aber mit einem Mal standen verblüffend viele andere Elfen ringsum und schienen gespannt, wie dieses Geplänkel enden würde.
»Ich wollte dir doch nicht dein liebstes Plätzchen streitig machen«, gab Rasgar mit gespielter Liebenswürdigkeit zurück.
»Du verdammter, kleiner Fischfresser«, sagte Tevou mit Inbrunst. Es war dieses aalglatte Hohnlächeln auf dem schönen Gesicht, das ihn reizte, es mit einer Faust fortzuwischen.
»Fisch fördert das Denkvermögen«, gab Rasgar prompt zurück. Er verlagerte leicht das Gewicht, wirkte immer noch entspannt, doch hatte seine Haltung nun etwas Lauerndes.
»Du hast es nötig«, erwiderte Tevou und erhielt die Genugtuung, dass die scheinheilig lächelnde Maske für einen Wimpernschlag ins Wanken geriet. Seltenes Vergnügen, das zu erleben. Der Kerl war einfach schlagfertiger, und Tevou fühlte sich allgemein unzulänglich, diesen Attacken zu begegnen. Rasgar hatte schon einige Tage Zeit gehabt, sich mit dem halben Lager zu zanken. Der war wahrscheinlich gerade erst warm geworden und hatte sich auf jeden Fall einen Vorsprung erarbeitet.
Es war nicht nur dieser Austausch von Beleidigungen, der Wärme in Tevous Muskeln sandte, als sie sich für eine handfeste Auseinandersetzung vorbereiteten. Nicht nur das widerliche Hohnlächeln auf Rasgars Gesicht. Es ging tiefer und reichte Jahrzehnte zurück, und sie wussten das ebenso gut wie die Umstehenden, die – das sah Tevou mit einer gewissen Befriedigung – nun einen lockeren Kreis um ihn und Rasgar bildeten. Auch die anderen von Bevek waren zurückgetreten und zu einem Teil des Walls aus Zuschauern geworden. Jetzt gab es nur noch Tevou und Rasgar, die sich wie im Auge eines Sturms gegenüberstanden. Ein blödes Wort noch, Giftschlange, ein falsches Zucken, und du bekommst die Abreibung, nach der du seit Jahren schreist.
Rasgar blickte sich mit einem mokanten Grinsen um und hob leicht die Hände, um sich anfeuern zu lassen. Etliche von Bevek und viele andere jubelten ihm prompt zu.
Tevou lockerte seine Schultermuskeln und stand einfach nur abwartend still. Komm schon, Mistkerl. Ein Wort nur. Obwohl dieses Grinsen eigentlich Grund genug ist.
»Mein Großvater hätte deinen einfach im Abort ersäufen sollen, als er ihn beim Hühnerstehlen erwischte. Dann wäre der Welt deine dämliche Fresse erspart geblieben«, sagte Rasgar mit einem Lächeln, das unter anderen Umständen Tevous Herzschlag wohlig beschleunigt hätte.
Dumpfes Grölen aus dem Ring, und Tevou wartete nur noch den winzigen Augenblick ab, bis Rasgar siegessicher lächelte und die Huldigung seiner Bewunderer deutlich entgegennahm.
Er sprang vorwärts, überwand damit die drei Schritte, die ihn von Rasgar trennten. Blut rauschte in seinen Ohren, hitzige Wut brodelte in seiner Magengrube.
Als wäre die Zeit selbst in Honig gefangen, sah er, wie Rasgar den Angriff bemerkte, den Blick von seinen Leuten nahm. Wie die Augen sich weiteten, leuchtender Bernstein. Das Lächeln fiel in sich zusammen, eine steile Falte grub sich zwischen den Augenbrauen ein.
Dem ersten Schlag entging die Giftschlange, weil sie sich agil zur Seite duckte, doch hatte...