Buch, Englisch, Deutsch, Band 53, 144 Seiten, Format (B × H): 280 mm x 220 mm, Gewicht: 1000 g
Reihe: Kunst in Frankfurt am Main
Vollrad Kutscher – Langzeitprojekte
Buch, Englisch, Deutsch, Band 53, 144 Seiten, Format (B × H): 280 mm x 220 mm, Gewicht: 1000 g
Reihe: Kunst in Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-949312-54-0
Verlag: KANN-Verlag
Erster Werkkatalog der Langzeitprojekte des deutschen Konzeptkünstlers Vollrad Kutscher. "Als Künstler ist Vollrad Kutscher ein Vermittler zwischen Tradition und Innovation. Seine Themen kreisen um Selbstvergewisserung, Identität und Individualität, Ethik, Schönheit und Moral in einer Zeit der Verunsicherung des Ich durch den globalen Wandel. Wie beantworten wir heute die Frage nach unserem Woher und Wohin? Wie sehen wir uns selbst, wie sehen uns die Anderen? Welche Wertvorstellungen bestimmen unser Leben und wie gehen wir mit unseren Widersprüchen um?
Bei seinen Untersuchungen des Verhältnisses zwischen Individuum und Gesellschaft geht Vollrad Kutscher aus von der Erfahrung des Mehrschichtigen, des Nicht-Eindeutigen und des Unperfekten als Grundbedingung menschlicher Existenz. Zu den Mitteln, mit denen er arbeitet, gehören die Raum-Inszenierung ebenso wie die Porträt-Installation, gehören Aktion, Performance, Sprache, Licht und Virtualität.
Als Versuch einer Selbstvergewisserung lassen sich jene Arbeiten der frühen achtziger Jahre bezeichnen, in denen Vollrad Kutscher seine eigene Geschichte als Flüchtlingskind in einer Art romantischer Suche nach dem Einssein mit sich selbst und mit der Natur performerisch bearbeitet. Zu den Versuchsanordnungen dieser Werkgruppe gehören die in der Ausstellung gezeigten "Blindzeichnungen" ebenso wie die beiden Performance-Installationen "Der Weisse Traum" - eine Arbeit aus der Sammlung des Museums Wiesbaden - und die thematisch verwandte, aber kleinere Installation "Innenfeld". Wiesbaden, Lingen, Erlangen und Chemnitz sind die Orte der Präsentation von Arbeiten aus diesem frühen Themenschwerpunkt.
Eine nachgerade ideale Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dem Thema menschlicher Individualität und Identität bietet Vollrad Kutscher das Porträt. Seit dem Ende der 80er Jahre erfindet er immer wieder neue, überraschende und zeitgemäße Ausdrucksformen für dieses traditionsreiche künstlerische Medium.
Am Anfang steht - im direkten Anschluß an die Selbstvergewisserung der ersten Werkgruppe - ein Selbstporträt, in dem das Motiv der Gleichzeitigkeit des Unterschiedlichen und des Nicht-Identisch-Seins mit sich selbst thematisiert werden. Zweidimensionale filmische Projektion und dreidimensionale Plastik - Bild und Abbild - kommen nicht zur Deckung. Der Traum vom unverwechselbaren und unveränderbaren Ich erweist sich als Illusion.
Es folgen Porträts von nahestehenden Menschen - in der Ausstellung repräsentiert durch die Porträtinstallationen der Algerien-Französin Nicole Guiraud, des Flugkapitäns Günter Göring und des Schauspielers Norbert Klassen, der schweizerischen Mode-Designerin Marianne Milani und R.L., einer jungen Eriträerin, deren Porträtdarstellung als Königin von Saba uralte Mythen Nordafrikas und der Zweistromländer anklingen läßt.
In seinen Gruppenporträts der "Leuchtenden Vorbilder" und deren Vorläufern in der "Life peep Show" setzt Vollrad Kutscher sich seit dem Ende der 80er Jahre in Schattenprojektionen und Luminogrammen außerdem mit Individualität und Identität von Persönlichkeiten der Vergangenheit auseinander. Die "Leuchtenden Vorbilder" - erstmals 1990 für eine Ausstellung im Museum Wiesbaden entwickelt - werden dort 10 Jahre später ortsbezogen ergänzt. Auch die Performance-Serie der "Séances en chambre noire", in deren Verlauf Vollrad Kutscher Personen aus dem Kunstbetrieb luminographiert, wird als Gruppenporträt fortgesetzt und findet an den Ausstellungsstandorten Wiesbaden und Göppingen neue Mitglieder.
Erste Auseinandersetzungen mit dem dritten Themenkomplex Ethik, Schönheit und Moral setzen im Werk von Vollrad Kutscher ebenfalls bereits Anfang der achtziger Jahre ein. Es geht ihm um Fragen, die seit Kant immer wieder aufgeworfen und neu formuliert worden sind und die in einer Zeit der Infragestellung überlieferter Wertmaßstäbe neu beleuchtet werden. Dieser Themenkomplex rückt im Verlauf der neunziger Jahre immer stärker ins Zentrum seines künstlerischen Interesses. In "Peeping Frankfurt" legt er die Scheinheiligkeit und die Doppelbödigkeit der Verquickung von Geld, Macht und Erotik im Frankfurter Bahnhofsviertel offen. "Der Künstler ist anwesend" läßt sich als vergleichbarer Kommentar zum Thema Kunstbetrieb lesen. "Brot und Spiele - Das Hildebrandlied" läßt sich interpretieren als eine Reaktion auf eine neue Stufe globalen Verteilungskampfes im Anschluß an die deutsche Wiedervereinigung. "Der kategorische Imperativ" stellt Wahrnehmungsfragen und die Kant'sche Moral und Sichtweise des Selbst in einer Zeit wachsender Fremdenfeindlichkeit in den Mittelpunkt der Diskussion. "Schwarze Madonna von Passau " thematisiert Verehrungsrituale und deren Doppeldeutigkeit in einer vom Geist des Christentums getragenen Kultur. "Ars mundi" verweist auf die gemeinsame Seele, Wärme und Menschlichkeit von Personen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Hautfarbe auf der ganzen Welt. Arbeiten wie "Hosianna, Verkündung am Gärtnerplatz", "Himmlische Heerscharen" und "Rauchskulpturen" schließlich kommentieren und reflektieren die Institutionen des Ausstellens und des Museums als Orte neuzeitlicher Ersatzreligion." Volker Rattemeyer, Museum Wiesbaden, 2000