Rau | Räume der Stadt | Buch | 978-3-593-50081-2 | www.sack.de

Buch, Deutsch, 572 Seiten, Format (B × H): 219 mm x 152 mm, Gewicht: 784 g

Rau

Räume der Stadt

Eine Geschichte Lyons 1300-1800
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-593-50081-2
Verlag: Campus

Eine Geschichte Lyons 1300-1800

Buch, Deutsch, 572 Seiten, Format (B × H): 219 mm x 152 mm, Gewicht: 784 g

ISBN: 978-3-593-50081-2
Verlag: Campus


Lyon, das an Rhône und Saône gelegene Handelszentrum, ist heute die drittgrößte Stadt Frankreichs. Deren Geschichte schreibt Susanne Rau aus einer konsequent räumlichen Perspektive. Neben einer Einführung in die aktuelle Stadtgeschichtsforschung bietet das Buch eine umfassende Bibliografie zur Stadtgeschichte Lyons und Anregungen für Spurensuche in Archiven. Auf der Basis zentraler Quellenbestände erzählt es die Geschichte einer wichtigen Metropole der Neuzeit als einen spannungsreichen Prozess von Veränderung und Verstetigung, in der die Stadt als etwas gesellschaftlich Geschaffenes begriffen wird. Zugleich liegt eine Studie zu der Frage vor, die uns auch heute noch beschäftigt: die nach der Räumlichkeit von Kultur in einer zunehmend globalisierten Gesellschaft.
Dieses Buch wurde ausgezeichnet mit dem Wiener Preis für Stadtgeschichtsforschung 2015.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Inhalt
Vorwort 9

I. Einleitung 13
1. Thema und Fragestellung 13
2. Forschungsstand 20
2.1 Stadtgeschichts- und Urbanisierungsforschung 21
2.2 Öffentlichkeit und Kommunikation 40
2.3 Soziabilität und Gastlichkeit 46
2.4 Norm und Devianz: Rechtsgeschichte, Kriminalitäts-geschichte, Policeygeschichte 51
2.5 Geschichte der Ernährung und des Konsums 55
2.6 Historische Reiseforschung 60
3. Deutungsmodelle und Theorierahmen 62
3.1 Prozesse des gesellschaftlichen Wandels: Norbert Elias 63
3.2 Institutionalität - institutionelle Prozesse - Räumlichkeit 66
3.3 Grenzen der Studie: Theater - Geheimnisse -
Scheinsubjekte 79
4. Quellenbasis der Studie 83
4.1 Ikonographische Dokumente 84
4.2 Narrative Quellen 87
4.3 Handschriftliche Quellen aus Archiven 89

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II. Transformationen einer Stadt: Lyon und das Lyonnais zwischen
1300 und 1800 108
1. Lage: eine Grenzregion im Osten des Königreichs 111
1.1 Lyon, die Grenzstadt 115
1.2 Lyon, die Stadt des Austausches 118
1.3 Lyon, die Durchgangsstadt 123
1.4 Lyon, der melting pot 125
2. Ansichten: Urbanistik, Wahrnehmungen und
Bilder der Stadt 128
2.1 Entwicklung der Gesamttopographie 128
2.2 Öffnung des Stadtraums - Plätze - Brücken 133
2.3 Stadterweiterungsprojekte im 18. Jahrhundert 144
2.4 Die Vororte La Guillotière und Croix-Rousse 148
2.5 Die kirchliche Topographie Lyons 152
3. Institutionen der Macht: Stadtrat - Policey - Kirche 160
3.1 Das Konsulat 162
3.2 Die Policeyen in der Stadt 177
3.3 Kirchen, Konvente, Kongregationen 187
4. Menschen: Entwicklung, Zusammensetzung und räumliche Verteilung der Bevölkerung 199
4.1 Bevölkerungsentwicklung 199
4.2 Gesellschaftsstruktur 205
4.3 Stadtviertel und Sozialgeographie 215

III. Raumbeschreibungen: literarisierte Begehungen der Stadt Lyon 225
1. Auf antiker Spurensuche: ein archäologischer Rundgang
in der Renaissance 227
2. Maskeraden, Karnevalsspiele und Burlesken 234
2.1 Die Entrée magnifique von Louis Garon 234
2.2 Die Stadt Lyon in burlesken Versen 239
3. Topographie der Kunstwerke der Stadt: die Description von
André Clapasson 249
4. Parcours: der Stadtraum in den Reiseberichten 257
4.1 Von der (Un-)Möglichkeit der Wahrnehmung des
gesamten Stadtraums 259
4.2 Die Ankunft in der Stadt 263
4.3 Die Entdeckung der Stadt zu Fuß 265
4.4 Treffpunkte - Zugangsmöglichkeiten - Verstecken & Verbergen 270

IV. Raumkultur in der Stadt: die Kultur der Gastlichkeit 280
1. Orte der Gastlichkeit: Typen - Entwicklungen - Funktionen 283
1.1 Von der Herberge zum Grandhotel? Das Problem
der Zahlen 285
1.2 Ein Blick auf das Land: Anse und Saint-Lager 295
1.3 Transformationen der Kultur der Gastlichkeit in Lyon:
ein institutioneller Prozess der Ausdifferenzierung 309
2. Platzierungen 344
2.1 Topographien der Gasthäuser 349
2.2 Platzwahl 357
2.3 Der Kampf um den besten Platz 361
3. Öffentlichkeiten - Besonderheiten - Heimlichkeiten 367
3.1 Zugänglichkeiten 369
3.2 Öffentlichkeitsprofile 380
4. Soziabilitäten: Inklusion und Exklusion 388
4.1 Einzelne und Gruppen 390
4.2 Mittel und Mechanismen der Inklusion und Exklusion 392
5. Raumnutzungen 395
5.1 Parallelnutzungen 396
5.2 Umnutzungen 399
5.3 Unerlaubte Nutzungen 399
5.4 Produktion neuer Räume 401
5.5 Auflösungen 403

V. Ergebnisse und Ausblick 405

VI. Quellen und Bibliographie 413
1. Quellen 413
1.1 Handschriftliche Quellen 413
1.2 Gedruckte Quellen 423
2. Bibliographie 438
2.1 Bibliographien 438
2.2 Wichtige Nachschlagewerke 439
2.3 Sekundärliteratur 440
2.4 CD-ROMs und Onlineressourcen 523

VII. Anhang 525
1. Abkürzungen, Währungseinheiten, Übersetzungen und Transkriptionsrichtlinien 525
2. Tabellen 527
3. Diagramme 528
4. Abbildungsnachweis 528
5. Farbtafeln 530
6. Inventar eines Kaffeehauses, Lyon 1745 544
7. Vorräte eines Kaffeehauses, Lyon 1719 548
8. Zeittafel 550

Personenregister 554
Ortsregister 560
Register der Orte in Lyon 564


I. Einleitung
1 Thema und Fragestellung
Die Feststellung, dass das Lokale im Zuge der Globalisierung, inmitten der wir uns befinden, seine Bedeutung nicht verloren hat, ist nur ein scheinbares Paradoxon. In einer Welt ohne Grenzen mit ihren medialen Kommunikationsmöglichkeiten, zeitlichen Relativierungen, räumlichen Entgrenzungen und deren kontinuierlichen Überbietungen macht sich nämlich auch das Lokale wieder bemerkbar. Dies zeigt sich einerseits in der Suche und Aufrechterhaltung örtlicher, regionaler Spezifika zum Beispiel im Rahmen der Europäischen Union, aber auch in rezenten Problemen der Globalisierung, in hegemonialen Herrschaftspolitiken oder im internationalen Terrorismus. Nicht allein deswegen ist es zu begrüßen, dass sich auch die Kulturwissenschaften des Raumthemas seit einigen Jahren verstärkt zuwenden, sondern auch, weil Räumlichkeit eine wesentliche Dimension von Kultur ist. Auch wenn sich die deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter insbesondere die Historikerinnen und Historiker, aufgrund des Erbes der nationalsozialistischen Geopolitik mit Raumkonzepten lange Zeit schwertaten, so zeigt schon der Blick in die Wörterbücher verschiedener indogermanischer Sprachen, dass die Raumbegrifflichkeiten nicht einfach zu übersetzen sind, weil sie semantisch teils unterschiedlich besetzt sind.
Mit der vorliegenden Studie zu den Räumen einer frühneuzeitlichen Stadt habe ich mich in mehrfacher Hinsicht auf fremdes, noch weitgehend brachliegendes Land begeben: Zunächst begab ich mich als deutsche Historikerin in eine fremde Stadt wie in ein fremdes Land mit einer eigenen Wissenschaftskultur. Dort habe ich im Archiv wie im dazugehörigen Archivalltag Räume erforscht (verschiedene Stadtviertel, Wirtshäuser, Cafés und Herbergen zum Beispiel), die teilweise schon erforscht waren, weil sich die französische Geschichtswissenschaft im Rahmen von Forschungen zur Soziabilität sowie zur Kulturgeschichte des Essens und Trinkens längst auch den Orten angenommen hat, an denen Menschen zusammenkamen, gemeinsam aßen und tranken. Doch hat sich der erste Eindruck recht schnell bestätigt, dass nämlich bei dem relativ unbefangenen Umgang mit dem Raumbegriff oft nicht nach den zeitgenössischen Vorstellungen von Raum gefragt wurde oder dass den Untersuchungen von einem impliziten, aber unausgesprochenen Konzept über einen geographischen oder auch sozialgeographischen Raumbegriff bis zu einem vagen Begriff von Erfahrungs- oder Begegnungsraum alles andere vorlag als ein einheitlicher wissenschaftlicher Umgang mit dem Raum. Dies waren die heterogenen Grundlagen einer deutsch-französischen Begegnung.
Zu den wesentlichen Entwicklungen, die die europäische Frühe Neu-zeit, auf einen langen Zeitraum hin gesehen, prägten, gehörte neben einem allgemeinen Bevölkerungsanstieg, der frühmodernen Staatsbildung, der Pluralisierung des Denkens - die Konsequenzen für das Weltbild, die religiösen Systeme und die Glaubenspraktiken hatte - auch die Urbanisie-rung. Erstaunlicherweise wird diesem Aspekt in den meisten deutschspra-chigen Überblicksdarstellungen oder Epochencharakterisierungen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Der Begriff der Urbanisierung ist vieldeutig. In der Mediävistik wurde darunter lange Zeit der Prozess der Städtegründungen und Städtebildung verstanden. In den Forschungen des letzten Vierteljahrhunderts zur (Frühen) Neuzeit spielen auch qualitative Aspekte eine Rolle: die Herausbildung eines vornehmlich städtischen Bürgertums, verbunden mit einem bestimmten Lebensstil. Andere Studien betonen weiterhin die quantitativen Aspekte: Unter Urbanisierung wird der Prozess des historischen Städtewachstums oder der (interurbanen) Netzwerkbildung, die Migration der Landbewohner in die Städte und die Entstehung von Metropolen verstanden. Schließlich tangiert Urbanisierung auch die Geschichte der Formen, also die Geschichte des Städtebaus und der Stadtplanung. Hinzu kommt die Beobachtung, dass sich urbane Denk- und Verhaltensweisen oder Lebensstile auf die Gesamtgesellschaft übertragen können, also nicht auf das Leben in der Stadt beschränkt sind. Urbanität - ein Begriff, der zunächst für die besondere Art des Denkens und Handelns in der Stadt stand - kann es mithin auch auf dem Land geben. Alle diese Aspekte spielen auch in der folgenden Untersuchung eine Rolle. Doch der Prozess der Urbanisierung soll hier zugleich von einer räumlichen und von einer Handlungsperspektive aus betrachtet werden. Deshalb wird mit dem Begriff Urbanisierung - auch auf die Gefahr einer fragwürdigen Abstraktheit hin - zunächst die Kultur der Räume einer Stadt im Sinn ihrer Konstitution, Wahrnehmung, Nutzung, Wirkung und Veränderung verstanden. Damit wird der Prozess der Urbanisierung nicht nur morphologisch oder demographisch beschrieben, sondern auch aus der Perspektive der Menschen und ihrer Handlungen. Die Geschichte der Stadt wird als Geschichte der Kulturen der Räume der Stadt geschrieben, wobei diese Kultur der Räume primär auf deren Gemachtheit und Deutung abhebt, aber auch auf die Praktiken in den Räumen und schließlich die Veränderung dieser Praktiken (wie auch der Räume). Umgekehrt soll auch das Handeln in seinen räumlichen Bezügen analysiert werden, weil menschliche Handlungen und soziale Beziehungen selbst in ihren utopischen Ausformungen nie frei von Orten sind, sondern immer auch durch räumliche Ordnungen - insofern es sich hier um soziale Konstruktionen handelt - eine Orientierung, einen "sozialen Sinn" erhalten.
Eine Motivation zu der Studie war es auch, der Epoche mit einem an-deren Blick zu begegnen, als dies der Mainstream der - vor allem deut-schen - Frühneuzeitforschung der letzten Jahrzehnte getan hat. Ungeach-tet ihrer Konventionalität sind Periodisierungen - und damit die Zuschrei-bung von Strukturmerkmalen, Faktorenbündeln oder längerfristigen Pro-zessen - für die Durchdringung geschichtlicher Zusammenhänge und deren Vermittlung wichtig, jedoch können nicht alle gesellschaftlichen Veränderungsprozesse der Frühen Neuzeit im Rahmen des "Fun-damentalvorgangs" der frühmodernen Staatsbildung interpretiert werden; auch die Konfessionalisierung als Prozess der Ausdifferenzierung ver-schiedener christlicher Bekenntnisse nach der Reformation spielte nicht in allen europäischen Ländern gleichermaßen eine Rolle; vor allem aber passen nicht alle gesellschaftlichen Veränderungen der Frühen Neuzeit in die modernisierungstheoretische Schablone. Jedenfalls kommt es auf die Betrachtungsebenen oder auf die Standpunkte an, und diese sollen die Räume einer Stadt sowie die sozialen Interaktionen sein, die diese Räume profilierten oder auch erst herstellten. Neben einer solchen, zunächst ein-mal sehr gegenstandsnahen Betrachtung bleiben die größeren raumzeit-lichen Veränderungen, die von einem distanzierten, erhöhten Standpunkt aus analysiert werden, weiterhin aufschlussreich.


Susanne Rau ist Professorin für Geschichte und Kulturen der Räume in der Neuzeit an der Universität Erfurt.



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