Rauscher | Charleston, Jazz & Billionen | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Rauscher Charleston, Jazz & Billionen

Europa in den verrückten Zwanzigerjahren
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-903217-48-5
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Europa in den verrückten Zwanzigerjahren

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-903217-48-5
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Jahrzehnt zwischen Glamour und Börsenkrach Die 'Roaring Twenties' - wer denkt da nicht an rauschende Partys, strahlende Revuetänzerinnen, Glitzer & Glamour, Champagner im Überfluss? An eine Zeit hemmungsloser Unterhaltungssucht und atemloser Rekordjagden, gemäß dem Motto 'schneller, höher, weiter'? Die 1920er sind eine Zeit der Extreme, in der sündhaft teure Feste, Hyperinflation und politisches Chaos nebeneinander existieren. Während Komponisten wie Strauss, Strawinsky, Schönberg und Ravel die klassische Musik revolutionieren, setzen sich in Italien und Russland totalitäre Regime durch. Die Menschen feiern Charles Lindberghs Atlantikflug, den Vormarsch des Automobils und die Emanzipation der Frau, gleichzeitig kämpfen Staaten wie Deutschland und Österreich mit der Notwendigkeit einer politischen Neuordnung nach dem Ersten Weltkrieg. Walter Rauscher beleuchtet die Entwicklungen in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Sport, Musik und Literatur von Paris bis Moskau und skizziert auf eindrucksvolle Weise ein faszinierendes Jahrzehnt.

Walter Rauscher, geboren in Wien, Historiker, behandelt in seinen Arbeiten vor allem die neuere Geschichte Europas. Schwerpunkt seiner Forschungen im In- und Ausland ist die Zeit zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg. Tätigkeit an verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen; zahlreiche Publikationen in mehreren Sprachen, darunter neben Biografien über Renner, Hindenburg, Hitler und Mussolini Werke zur Geschichte der Donaumonarchie und Mitteleuropas.
Rauscher Charleston, Jazz & Billionen jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Prolog: Ein Jahrzehnt findet sein Genie


Mit dem Jahr 1920 begann nicht nur ein neues Dezennium, es schien auch ein neues Zeitalter anzubrechen. Dieses, so herrschte die allgemeine Sehnsucht vor, sollte ganz anders als die Zeit davor werden, eine Epoche des Aufbruchs, des Abschieds von alten Konventionen, der Hoffnung nach so viel Elend. Nach dem Alpdruck eines verheerenden Krieges, der Heimsuchung durch die Spanische Grippe, jahrelanger Versorgungsnot in einer Zeit von Revolutionen und gewaltiger gesellschaftlicher Umbrüche wollten die Menschen das Leben endlich wieder genießen – wenn möglich in vollen Zügen, ohne Zurückhaltung und Zensur. Ein Musikstil gab einer ganzen, wenn auch kurzen Epoche seinen Namen: der Jazz. Man spielte und hörte ihn, man tanzte ihn als Charleston, man lebte ihn. Zunächst sprach man noch von einem »Jazzrummel«, doch nicht zuletzt F. Scott Fitzgerald schrieb sodann von einer »Jazzära«. Mit Bezug auf die Weimarer Republik und in erster Linie Berlin nennt man diese Zeit auch die »Goldenen Zwanzigerjahre«, im Englisch-Amerikanischen die »Roaring Twenties«. In Frankreich schließlich wird dieses ganz besondere Dezennium vor allem auf Paris bezogen »les Années folles« bezeichnet – die verrückten Jahre.

Stefan Zweig meinte in dieser Zeit eine Rebellion der Jugend gegen das Althergebrachte zu erkennen. Der desaströse Krieg, die innenpolitische Unruhe nach der Weltkatastrophe und die allgemeine wirtschaftliche Krise diskreditierten die in die Jahre gekommene Generation der Elite, die letztlich für all die Misere verantwortlich war, in den Augen der jungen Menschen völlig. Die Jugend verlor, in anschaulich geschildert, den Respekt, legte ihre Autoritätsgläubigkeit ab und wollte von traditionellen Werten nichts mehr wissen. Es schien, als beabsichtigte sie, regelrecht Rache zu üben und ihre Elternwelt sooft wie möglich vor den Kopf zu stoßen. Von der Zukunft erwartete sich die junge Generation »eine vollkommen neue Welt, eine ganz andere Ordnung«. Es war die Zeit der Extreme, in der Politik, in der Kunst, im Lebensstil. Grenzen wurden ausgelotet und überschritten, die Provokation sollte alte Verkrustungen aufreißen. »Auf allen Gebieten begann eine Epoche wildesten Experimentierens, die alles Gewesene, Gewordene, Geleistete mit einem einzigen hitzigen Sprung überholen wollte«, erinnerte sich der österreichische Schriftsteller, der in jenen Jahren große Erfolge feierte.

Es war eine rastlose Zeit. In den Städten drängten sich die Menschen auf den Straßen und Plätzen, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, auf dem Weg zum Arbeitsplatz oder am Wochenende überall dort, wo es Vergnügungen, Rummel gab. Massenveranstaltungen standen hoch im Kurs. Es regierte die noch durch die Medien befeuerte große Neugier, sodass sogar die Rolltreppen in Kaufhäusern als Novität ein interessiertes Publikum fanden. Maschinen faszinierten, innovative Technologie begeisterte. Der Glaube an den Fortschritt war im Zeitalter der Massenproduktion nicht zuletzt aufgrund der zunehmend stärker einsetzenden Werbung bei vielen ungebrochen.

Das Leben bot Verlockungen aller Art, und es wurde freizügiger. Es kam zu einer regelrechten Revolution der Moral und des sozialen Verhaltens, zu einer Erosion der Traditionen. Die Städter benahmen sich ungezwungener als in der alten Zeit. Die Kleider und Röcke der Frauen wurden nicht nur kürzer, in der Kunst und in der Unterhaltung war nun sogar viel nackte Haut zu sehen. Illustrierte brachten beinahe in jeder Ausgabe Nacktfotos von Tänzerinnen und Nachwuchskünstlerinnen, von turnenden oder badenden jungen Frauen. »Wir genieren uns nicht«, »Die Mode der Nacktheit« oder »Die gut ausgezogene Frau« betitelten selbst Kulturmagazine jene Abbildungen eines neuen, mutigeren und gar nicht mehr prüden Lebensstils. Dass es allein in Berlin 50 reine »Damen-Klubs« gab, gehörte zum modernen Selbstverständnis der urbanen Welt dazu. Dass entlassene Offiziere und vor der Revolution geflüchtete russische Aristokraten in Frack oder Smoking mit streng zurückfrisiertem, pomadisiertem Haar als Gigolos in Tanzpalästen ihr Auskommen suchten, zeigte wiederum, dass die gelockerten Sitten zuweilen mit wirtschaftlicher Not einhergingen.

Die laute, schrille, wilde Zeit war zudem ein Phänomen der Großstadt. Diese war schließlich auch das Zentrum des Massenkonsums. Auf dem Lande, in den Dörfern und kleineren Provinzstädten verlief das Leben unter den Vorgaben einer oft autoritären Kirche, dem Druck der einer alten strengen Tradition verbundenen Gesellschaft und als Folge eines entbehrungsreichen Alltags in der Landwirtschaft vollkommen anders. In der bescheidenen Nüchternheit einer lediglich auf den harten Broterwerb konzentrierten Existenz kannte man die Verrücktheiten der Jazzära höchstens vom Hörensagen. Hier ließ der Aufbruch in die Moderne noch lange auf sich warten. Selbst in der Stadt gab es naturgemäß große Unterschiede in der Lebensführung. Kleine Geschäftsleute, einfache Handwerker oder Arbeiterfamilien konnten sich die Ausschweifungen des Nachtlebens, den Erwerb eines Autos oder einen selbst noch so bescheidenen Urlaub außerhalb der eigenen vier Wände nicht leisten. Für sie standen das Auskommen mit dem wenigen, was man hatte, und die Sorge vor dem Abgleiten in die Armut im Vordergrund.

Darüber hinaus waren nicht alle Menschen den Neuerungen und dem Irrwitz des Jahrzehnts gegenüber aufgeschlossen. In seinem Roman lässt Hermann Hesse seinen Protagonisten Harry Haller verächtlich über »die Menschen in den überfüllten Eisenbahnen und Hotels, in den überfüllten Cafés bei schwüler aufdringlicher Musik, in den Bars und Varietés der eleganten Luxusstädte« sinnieren. Dieser kann das Interesse für »diese Massenvergnügungen, diese amerikanischen«, nicht verstehen, nicht begreifen, was es zu suchen gab, »in den Weltausstellungen, auf den Korsos, in den Vorträgen für Bildungsdurstige, auf den großen Sportplätzen«.

Howard Carter untersucht den Sarg des Pharaos Tutanchamun.

Die Zwanzigerjahre waren unter vielem anderen eben auch eine Ära der Sensationen, Dramen und Rekorde aller Art. Die Geschehnisse rund um die Entdeckung des altägyptischen Grabmals von Tutanchamun durch Howard Carter, das Erreichen bislang unvorstellbarer Geschwindigkeiten durch Fritz von Opel in einem Raketenauto oder die Weltumrundung Hugo Eckeners mit seinem Zeppelin waren nur drei Ereignisse dieser Dekade der Extreme und Spektakel, die die Welt in Atem hielten. Millionenfach besuchte Messen, große Sportveranstaltungen, der Erfolg von Kino, Schallplatte und neuerdings des Radios bewiesen, dass die Menschen in bis dahin unbekanntem Ausmaße informiert und unterhalten werden wollten.

Eine neue Zeit brauchte auch neue Gesichter: unverwechselbare, herausragende Persönlichkeiten, Helden, Idole. Und sie brauchte ein Genie. So konnte es geschehen, dass ein naturwissenschaftlicher Theoretiker, der als junger Forscher noch als Verlierer, ja als Schande für die Familie galt, der sogar von seinen Kollegen, die seine Erkenntnisse zunächst selbst nicht verstehen konnten, für verrückt gehalten worden war, dass aus einem Technischen Experten dritter Klasse, einem »ehrwürdigen eidgenössischen Tintenscheißer mit ordentlichem Gehalt« am Patentamt in Bern beinahe im wahrsten Sinne des Wortes eine Lichtgestalt menschlichen Geistes wurde: Am 10. Dezember 1922 erhielt Albert Einstein – in Abwesenheit – den Nobelpreis für Physik.

Schon seit Jahren hatte Einstein mit dem Erwerb der höchsten Auszeichnung, die ein Wissenschaftler für seine Arbeiten erhalten konnte, spekuliert. Doch innerhalb der Wissenschaft war man sich über die Richtigkeit und den Wert seiner Theorien keineswegs vollkommen einig. Einstein hatte eine Reihe namhafter Gegner, die seine Thesen bestritten und die Welt von deren Unhaltbarkeit zu überzeugen suchten. Nach jahrelangem Widerstand erhielt er 1922 den Nobelpreis auch nicht für seine Hauptarbeit, die Relativitätstheorie, sondern für die Entdeckung des Gesetzes der fotoelektrischen Wirkung. Diese datierte bereits aus seinem »Wunderjahr 1905« und wurde schließlich zur Basis der Quantenmechanik.

Wegen einer Vortragsreise nach Japan blieb es Einstein zu guter Letzt gar verwehrt, an der Preisverleihung am 10. Dezember 1922 in Stockholm teilzunehmen. Das Preisgeld überließ er Mileva Maric, seiner ersten Ehefrau, die seinerzeit für die Familie ihre Laufbahn als Physikerin aufgegeben hatte, und den beiden gemeinsamen Söhnen. Auf dem Weg zu internationaler Berühmtheit hatte er ihr dies voller Selbstvertrauen in seine weitere Karriere bereits bei der Scheidung Anfang 1919 versprochen. Einstein, ein Mann mit vielen Gesichtern, war allerdings weder ein mitfühlender Vater, noch ein treuer Ehemann.

Bereits zu Beginn der neuen Dekade galt der am 14. März 1879...


Walter Rauscher, geboren in Wien, Historiker, behandelt in seinen Arbeiten vor allem die neuere Geschichte Europas. Schwerpunkt seiner Forschungen im In- und Ausland ist die Zeit zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg. Tätigkeit an verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen; zahlreiche Publikationen in mehreren Sprachen, darunter neben Biografien über Renner, Hindenburg, Hitler und Mussolini Werke zur Geschichte der Donaumonarchie und Mitteleuropas.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.