E-Book, Deutsch, Band 1, 397 Seiten
Reihe: Die Baztán-Trilogie
Redondo Das Echo dunkler Tage
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7325-9845-8
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Inspectora Amaia Salazars erster Fall
E-Book, Deutsch, Band 1, 397 Seiten
Reihe: Die Baztán-Trilogie
ISBN: 978-3-7325-9845-8
Verlag: beTHRILLED
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Tal der toten Mädchen: Die Wälder Nordspaniens bergen dunkle Geheimnisse ...
Im Baztán-Tal in den spanischen Pyrenäen werden kurz hintereinander die Leichen dreier Mädchen gefunden. Bald munkeln die Einheimischen, ein Basajaun - ein haariges Biest aus der baskischen Mythologie - treibe in den Wäldern sein Unwesen. Inspectora Amaia Salazar von der Kriminalpolizei Pamplona dagegen sucht nach einem Mörder aus Fleisch und Blut. Für sie beginnt ein Kampf an zwei Fronten: Sie muss nicht nur den Mörder finden, bevor er erneut zuschlagen kann, sondern zugleich gegen die Geister ihrer eigenen Vergangenheit kämpfen ...
Der fulminante Auftakt der Baztán-Trilogie ist eine spannende Mischung aus Krimi, Familiengeschichte und baskischer Mythologie. Der Roman stand auf Platz 1 der spanischen Bestsellerliste und wurde von ZDF/arte verfilmt als 'Das Tal der toten Mädchen'.
Band 2: 'Die vergessenen Kinder' (verfilmt als: 'Das Tal der vergessenen Kinder').
'Eine baskische Fred Vargas.' Loisirs Lire, Frankreich
Der preisgekrönte Bestseller von der 'Königin der literarischen Spannung' (Carlos Ruiz Zafón) jetzt als eBook bei beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.
Dolores Redondo wurde 1969 in San Sebastián (Baskenland) geboren und hat Jura studiert. Mit ihrer Baztán-Trilogie um Inspectora Amaia Salazar hat Dolores Redondo die spanischen Bestsellerlisten im Sturm erobert, alle drei Romane standen auf Platz 1. Die Trilogie wurde in über 30 Länder verkauft und verfilmt. Dolores Redondo lebt in der nordspanischen Region Navarra, die sie auch als Schauplatz ihrer Krimis gewählt hat. Die "Königin der literarischen Spannung" (Carlos Ruiz Zafón) wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Premio Planeta und dem Premio Bancarella.
Weitere Infos über die Autorin und ihre Romane: http://www.doloresredondomeira.com.
Weitere Infos & Material
1
Ainhoa Elizasu war das zweite Opfer des Basajaun, auch wenn die Presse den Mörder damals noch nicht so nannte. Das kam erst später, als durchsickerte, dass bei den Leichen Tierhaare, Hautreste und merkwürdige Spuren gefunden worden waren, die nicht von einem Menschen zu stammen schienen. Vieles deutete darauf hin, dass es sich bei den Verbrechen um düstere Läuterungsrituale handelte: die aufgeschlitzte Kleidung, das rasierte Schamhaar und die in jungfräulicher Unschuld angeordneten Hände der Mädchen. Eine böse urzeitliche Kreatur schien ihr Unwesen zu treiben.
Wenn Amaia Salazar früh am Morgen zu einem Tatort gerufen wurde, befolgte sie stets das gleiche Ritual: Sie stellte den Wecker aus, damit James ausschlafen konnte, raffte ihre Kleidung zusammen, griff nach ihrem Handy und ging langsam die Treppe hinunter in die Küche. Dort zog sie sich an, trank einen Milchkaffee und schrieb ihrem Mann eine Nachricht. Musste sie so wie jetzt vor dem Morgengrauen losfahren, war ihr Kopf immer wie leer, ein weißes Rauschen, und obwohl sie an diesem frühen Morgen von Pamplona aus eine Stunde bis zum angegebenen Ort brauchte, befand sie sich die ganze Fahrt über in einem nebelhaften Wachzustand. Erst als sie eine Kurve zu eng nahm und die Reifen quietschten, wurde ihr bewusst, wie abwesend sie war. Danach konzentrierte sie sich stärker auf die gewundene Straße, die immer tiefer in den dichten Wald von Baztán führte. Fünf Minuten später sah sie ein Warnsignal und hielt an. Sie erkannte den Sportwagen von Dr. San Martín und den Geländewagen von Richterin Estébanez. Sie stieg aus, holte ein Paar Gummistiefel aus dem Kofferraum und zog sie an, während Subinspector Jonan Etxaide und Inspector Fermín Montes auf sie zukamen.
»Schlimme Sache, Chefin, ein junges Mädchen«, sagte Etxaide mit Blick auf seine Notizen. »Vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt. Als sie gestern Abend um elf noch nicht zu Hause war, haben die Eltern sie als vermisst gemeldet.«
»Schon so früh?«, fragte Amaia.
»Sie hatte um zehn nach acht ihren älteren Bruder angerufen, um ihm zu sagen, dass sie den Bus nach Arizkun verpasst hat.«
»Und der hat sich erst um elf gerührt?«
»Sie wissen doch, wie das ist: ›Unsere Alten werden dir die Hölle heißmachen.‹ – ›Bitte sag ihnen nichts! Vielleicht nimmt mich der Vater einer Freundin mit.‹ Also hat er den Mund gehalten und mit der Playstation gespielt. Als seine Schwester um elf immer noch nicht daheim war und die Mutter allmählich hysterisch wurde, hat er endlich den Mund aufgemacht. Die Eltern sind sofort zum Kommissariat von Elizondo gefahren und haben Alarm geschlagen. Ihrer Tochter müsse was passiert sein, sie gehe nicht ans Handy, und ihre Freundinnen hätten sie auch schon alle angerufen. Eine Streife hat sie dann gefunden. Die Schuhe des Mädchens stehen dort am Straßenrand.« Er leuchtete sie mit seiner Taschenlampe an: Auf dem Asphalt stand ordentlich nebeneinander ein Paar schwarze Lacklederschuhe mit halbhohen Absätzen.
Amaia ging näher heran und bückte sich, um sie genauer zu betrachten.
»Hat die jemand von uns so hingestellt?«
Etxaide sah in seinen Notizen nach.
»Nein, die standen schon so da, mit den Spitzen in Richtung Fahrbahn.«
»Sag den Kollegen von der Spurensicherung, sie sollen sich mal die Innenseite genauer ansehen. Wer die Schuhe so hingestellt hat, muss mit den Fingern reingefasst haben.«
Inspector Montes, der die ganze Zeit still dagestanden und auf die Spitzen seiner italienischen Markenschuhe gestarrt hatte, hob plötzlich den Kopf, als wäre er gerade aus dem Tiefschlaf erwacht.
»Salazar«, murmelte er und verschwand wortlos in Richtung Straßenrand.
»Was ist denn mit dem los?«
»Weiß nicht, Chefin. Wir sind zusammen aus Pamplona hergefahren, und er hat unterwegs kein einziges Mal den Mund aufgemacht. Mir scheint, er hat was getrunken.«
Diesen Eindruck hatte sie auch. Seit seiner Scheidung hatte sich Montes’ Gemütszustand stetig verschlimmert, was nicht nur in seiner neuen Leidenschaft für italienische Schuhe und bunte Krawatten zum Ausdruck kam. In den vergangenen Wochen war er besonders kalt und unnahbar gewesen, versunken in seine innere Welt, geradezu autistisch.
»Wo liegt das Mädchen?«, fragte sie.
»Am Fluss, den Abhang da runter«, erklärte Etxaide und sah sie entschuldigend an, als könnte er etwas dafür, dass das Mädchen dort lag.
Als sie in die Schlucht hinunterstiegen, die der Fluss in den Felsen gegraben hatte, sah Amaia unten schon die Scheinwerfer und Absperrbänder. Davor standen Richterin Estébanez und der Vertreter der Staatsanwaltschaft, unterhielten sich leise und sahen immer wieder zu der Stelle, an der die Leiche lag. Zwei Fotografen der Spurensicherung machten Aufnahmen aus allen Blickwinkeln und tauchten den Ort in ein Blitzlichtgewitter. Neben der Leiche kniete ein Kriminaltechniker des Instituts für Rechtsmedizin von Navarra und maß offenbar die Temperatur der Leber.
Zufrieden nahm Amaia zur Kenntnis, dass alle Anwesenden sich an die Vorschrift hielten und die Absperrung durch die Stelle betraten, die die ersten Beamten markiert hatten. Trotzdem fand sie, dass sich immer noch viel zu viele Leute dort tummelten. Sie wusste, dass ihr Gefühl etwas Absurdes, geradezu Lächerliches hatte und wahrscheinlich von ihrer katholischen Erziehung herrührte. Aber immer wenn sie sich einer Leiche näherte, wäre sie am liebsten allein gewesen, um wie auf dem Friedhof Andacht zu halten, ein Bedürfnis, das durch die professionelle Geschäftigkeit der Kollegen torpediert wurde.
Langsam ging sie auf den Ort zu, an dem man die Leiche gefunden hatte, nahm ihn näher in Augenschein. Rechts bestand das Ufer aus einer Fläche mit grauen Kieselsteinen, die vermutlich das Hochwasser der vergangenen Monate angeschwemmt hatte. Auf der anderen Seite ging das Ufer nach knapp vier Metern in dichten Wald über. Amaia wartete ab, bis der Polizeifotograf seine Arbeit verrichtet hatte, und stellte sich dann vor die Füße des Mädchens. Sie verdrängte alle Gedanken aus ihrem Kopf, richtete den Blick auf die Leiche und murmelte ein kurzes Gebet. So hielt sie es immer. Erst dann war sie imstande, einen Toten als das Werk eines Mörders zu betrachten.
Ainhoa Elizasu hatte zu Lebzeiten schöne kastanienbraune Augen gehabt, die nun ins Leere starrten. Ihr Kopf war leicht nach hinten geneigt und gab den Blick frei auf eine grobe Schnur, die sich so tief in den Hals gegraben hatte, dass sie kaum noch zu erkennen war. Amaia bückte sich, um sie genauer zu betrachten. »Sie ist nicht mal über Kreuz gelegt. Da hat offenbar jemand so lange an beiden Enden gezerrt, bis das Mädchen nicht mehr geatmet hat«, murmelte sie leise wie zu sich selbst.
»Der Täter muss ganz schön viel Kraft haben. Spricht dafür, dass es ein Mann war«, befand Jonan Etxaide, der hinter sie getreten war.
»Sieht ganz so aus, wobei das Mädchen nicht sehr groß ist, eins fünfundfünfzig vielleicht. Und dünn. Könnte also auch eine Frau gewesen sein.«
Dr. San Martín verabschiedete sich mit einer Art Handkuss von Richterin Estébanez und kam zu ihnen.
»Inspectora Salazar, es ist immer wieder ein Vergnügen, Sie zu sehen, selbst unter diesen Umständen«, sagte er gut gelaunt.
»Ganz meinerseits, Dr. San Martín. Können Sie mir schon was sagen?«
Der Arzt nahm die Notizen entgegen, die ihm der Kriminaltechniker reichte, warf einen kurzen Blick darauf und ging vor der Leiche in die Hocke. Vorher sah er den jungen Jonan Etxaide prüfend an, als versuchte er seine Kompetenz einzuschätzen. Amaia kannte diesen Blick nur allzu gut. Es war erst wenige Jahre her, dass sie als Anwärterin auf die Inspektorenlaufbahn in der gleichen Situation gewesen war. Auch damals hatte Dr. San Martín, eine anerkannte Koryphäe auf seinem Gebiet, sich das Vergnügen nicht nehmen lassen, sie in die Geheimnisse des Todes einzuweihen.
»Kommen Sie näher! Sie auch, Etxaide, vielleicht können Sie noch was lernen.«
Der Rechtsmediziner holte Chirurgenhandschuhe aus seiner Gladstone-Ledertasche und streifte sie sich über. Dann betastete er vorsichtig Kiefer, Hals und Arme des Mädchens.
»Was wissen Sie über den Rigor mortis, Etxaide?«
Der Subinspector kramte in seinem Gedächtnis. »Die Totenstarre setzt zuerst an den Augenlidern ein, circa drei Stunden nach dem Ableben«, begann er zu erklären wie zuletzt wahrscheinlich in der Schule, als er einem Lehrer Rede und Antwort hatte stehen müssen. »Dann breitet sie sich über Gesicht und Hals bis zur Brust aus und greift schließlich auf den ganzen Torso und alle Extremitäten über. Unter normalen Umständen ist die vollständige Totenstarre nach etwa zwölf Stunden erreicht. Dann beginnt sie sich wieder aufzulösen, in umgekehrter Reihenfolge, was circa sechsunddreißig Stunden dauert.«
»Nicht schlecht. Was noch?«, hakte der Arzt nach.
»Anhand der Leichenstarre lässt sich der ungefähre Todeszeitpunkt bestimmen.«
»Allein anhand der Rigor mortis?«
»Äh …«, stammelte Jonan.
»Nein«, fiel San Martín ihm ins Wort. »Der Grad der Totenstarre variiert je nach muskulärem Zustand, Zimmertemperatur oder, wie in unserem Fall, Außentemperatur. Extreme Ausschläge nach unten oder oben können dazu führen, dass nur der Eindruck einer Rigor mortis entsteht, große Hitze zum Beispiel. Manchmal liegt auch eine kataleptische Totenstarre vor. Wissen Sie, was das ist?«
»Wenn sich bei Eintritt des Todes die Muskeln, zum Beispiel die der Hände, derartig zusammenziehen, dass man ihnen Gegenstände kaum entreißen...