Regenbrecht | Die Durchschlag-Strategie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 212 Seiten

Regenbrecht Die Durchschlag-Strategie


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-925805-34-9
Verlag: TABU LITU Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 212 Seiten

ISBN: 978-3-925805-34-9
Verlag: TABU LITU Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dr. Anna Kant und Carsten Kant, nur entfernt miteinander verwandt, lernen sich auf einer Beerdigung in Tübingen kennen. Carsten verliebt sich gleich in Anna, bei der es etwas länger dauert. Anna ist Neurologin, arbeitet und forscht an einem Institut in Tübingen, während Carsten einen kleinen Computer-Laden in Münster besitzt. Carsten, vielseitig interessiert und phantasiebegabt, hat mehrere Studiengänge abgebrochen: Sport und Philosophie, Betriebswirtschaft und IT. Um Anna an sich zu binden, entwickelt Carsten eine Strategie und mehrere Projekte, bei denen er sein Wissen im Bereich der Computer mit Annas Wissen in der Neurologie verbinden will: Brain-Computer Interface. Die Verbindung von Mensch und Technik also, die Übertragung des Gehirns und seiner Inhalte auf einen Rechner. Was aber passiert, wenn diese Phantasien Wirklichkeit werden? Carsten gerät in einen Strudel von Ereignissen, in dem er unterzugehen droht. Carsten zweifelt an seinem Verstand. Sind die realen Ereignisse nur ein Durchschlag seiner Phantasien? 'Die Durchschlag-Strategie' ist ein spannender Roman mit vielen Überraschungen und eine Liebeserklärung an unser Gehirn. Gleichzeitig ist er eine atemberaubende Gratwanderung durch Themengebiete der Technik und Medizin, der Philosophie und Erotik.

Geprägt vor allem durch das Studium der amerikanischen Literatur, begann KD Regenbrecht 1974 zu schreiben. Mit Anfang 30 entschloss er sich, die Schriftstellerei zu seinem Beruf zu machen. Von 1985 - 1999 erschien "Tabu Litu - eindocumentum fragm,entum in neun Büchern", nach 2003 weitere Erzählungen und Roman. 2014 belegte er den 1. Platz im "Landschreiber-Wettbewerb."

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2
Anna ließ es sich nicht nehmen, ihn zum Bahnhof zu fahren. Jedoch nicht zum Bahnhof in Tübingen, wie er erwartet hatte, sondern zum Bahnhof in Stuttgart. So konnten sie im Auto noch Händchen halten und miteinander reden. Was in den Plänen und unterirdisch sehr futuristisch aussah, war in der Gegenwart und an der Oberfläche ein Schlachtfeld und Trümmerareal, auch wenn jetzt alles ruhig schien. Beide, Anna mehr als Carsten, hatten aber die Bilder und Geräusche im Kopf von den Demonstrationen gegen Stuttgart 21, die im Fernsehen gezeigt worden waren. Der alte Bahnhof galt manchen als bedeutendes Architekturzeugnis der Stuttgarter Schule zwischen Historismus und Moderne; der neue galt anderen als größenwahnsinniges Schandprojekt der Geldhaie des Südwestens. „Wenn aus einem Kopfbahnhof ein Durchfahrtsbahnhof werden soll.“ Carsten hätte sich den Bahnhofsturm aber auch gut als Wetterstation auf einem Berg vorstellen können. Auf einem Berg, den er mit Anna besteigen wollte. Der Turm aus Muschelkalkquadern stand ja angeblich auf Eichenpfählen, war knapp sechzig Meter hoch, hatte schießschartenartige Fenster, aber ein tolles Restaurant mit Panoramablick. Es war offensichtlich, dass Anna genauso in Carsten verliebt war wie er in sie. Aber sie vermieden es beide, eine Aussage, die über „wir bleiben in Kontakt und sehen uns mal wieder“, hätte hinausgehen können. Wie hätten sie das auch anstellen sollen? Wenn er nicht nach und nach die Kant’sche Verwandtschaft umbringen wollte, um Anna bei den Beerdigungen zu sehen, musste er sich etwas einfallen lassen, denn Carsten wollte sie wiedersehen. Die beiden Nächte waren einfach wunderschön gewesen, vor allem wenn man wie Carsten einen starken Hang zum Romantischen hatte und über einen Körper verfügte, der Reize gerne aufnahm und ungefiltert ins Hirn weiterleitete. Anna war zwar pragmatischer, aber auch sie hatte sich der Situation mit Haut und Haar hingegeben. „Das war das mit Abstand intensivste Wochenende meines Lebens.“ „Ich wusste auch nicht, dass so etwas möglich ist, Carsten. Also, allgemein schon, aber nicht für mich.“ Sie hatten sich bis in den frühen Sonntagmorgen verausgabt, bis nicht nur alle körperlichen sondern auch emotionalen Ressourcen erschöpft waren, und sie nackt und erlöst auf dem Boden liegend einschliefen. Sie hatten sämtliche Decken, Kissen und Plumeaus mitten im Wohnzimmer ausgebreitet, weil Annas Bett zu klein für ihren Bewegungsdrang war. Als Carsten erwachte, war Anna nicht da, „bin kurz zu meiner Schwester“, stand auf dem Zettel. Sie kam dann mit frischen Weckle zurück. „Sie hat nach dir gefragt, Carsten.“ Alle Ironie beiseite lassend, fügte Anna hinzu, dass es ihr wieder besser gehe, dass man hoffentlich bald wisse, woran man sei. Und dass Anna in nächster Zeit ziemlich beschäftigt sein werde, noch mehr beschäftigt als sonst. Aber auch am Sonntag verließen sie Annas Wohnung nur, um nachmittags eine Brotzeit einzunehmen. Montagmorgen um drei war die Nacht zu Ende. Carstens Zug fuhr um fünf Uhr in Stuttgart ab. Gegen elf Uhr sollte er in Münster sein, wenn Anna schon längst zurück in Tübingen und in der Klinik war. „Ich würd dich gern sehen, wie wär’s heute Abend?“, ging ja leider nicht bei der Entfernung Münster - Tübingen. Am Wochenende? Naja, bisher hatte sie ihre Wochenenden sicher nicht in tödlicher Langeweile verbracht; er ja schließlich auch nicht. Er wollte sie nicht nur sehen, er wollte, dass sie ihn sehen wollte, er wollte, dass sie sich für ihn interessierte. Angenommen, sie würden sich nur dann sehen, wenn beide das konnten und auch wollten. Das war dann sicher nicht bei beiden an jedem Wochenende der Fall. Sollte es jedoch ein Wochenende sein, an dem beide das Bedürfnis empfanden, den anderen zu sehen, blieb immer noch die berühmte Frage „bei dir oder bei mir?“, Münster oder Tübingen. Wollte man auch da auf Einverständnis hoffen, dass also an den Wochenenden, wenn beide sich sehen wollten und konnten, derjenige zuhause bleiben wollte, wenn der andere Reisebedürfnis verspürte, dann wurde es langsam eng. Da musste Carsten nicht allzu viele Algorithmen bemühen, um zu erkennen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Treffens gegen Null ging. Auch wenn es dann immer noch Wochenenden geben würde, an denen beide glücklich waren, weil keiner das Bedürfnis verspürte, den anderen zu sehen. Und vor allem war noch lange nicht die Frage geklärt, wie sie Wiedersehenswunsch oder das Bedürfnis kommunizierten, allein zu sein und alles weitere. Hatte sich die Menschheit bisher überhaupt nur so schnell vermehrt, weil sie keine Algorithmen kannte? Hörte das mit der Vermehrung bald auf, wenn die Algorithmen zunehmend unser Leben bestimmten? Sollte er sie mit Mails oder Short Messages bombardieren? Apps für getrennt lebende Paare gab es genug, die hießen ‚Simply Us‘, ‚Duet‘ oder ‚Between‘. Uncool. Aus dem Alter waren sie doch raus, oder? Das war nicht die Art und Weise, in der er sich Anna präsentieren wollte, in der er ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte. Früher fing man an, Geschichten zu erzählen, die Geliebte mit zauberhaftem Garn zu umspannen, sie für neue Gefühle zu öffnen. Carsten würde etwas Ähnliches machen. Und wenn es sein musste, bis zu einem Dekamerone. Er würde einhundert Projekte entwickeln, für die er Annas Kommentare und Ratschläge erbat, und so vielleicht ihre Mitarbeit und ihre Anerkennung gewinnen konnte. Projekte, bei denen er ihrer beider Metiers miteinander verband: Annas Kenntnisse in der Neurologie und seine Kenntnisse mit den Computern und im Kaufmännischen. Gehört hatte er schon oft genug davon: Brain-Computer Interfacing. Also Schnittstellen schaffen zwischen Computer und Gehirn, Mensch und Maschine. Und diese Schnittstellen gab es ja längst. Und die Schnittstelle zwischen Anna und Carsten sollte es auch bald geben, dauerhaft. Eigentlich war Carsten Kant jemand, der gerne Neues anfing, er war jemand, der Veränderungen nicht scheute, weil er sich vieles vorstellen konnte. Weil viele seiner Unternehmungen zumindest in der Vergangenheit gescheitert waren, seine vier Studiengänge ohne Abschluss, waren viele seiner Neuanfänge aus dem Scheitern geboren. In seiner eigenen Bilanz gab es so lange kein endgültiges Scheitern, wie er neu beginnen konnte. Für ihn standen diese Jahre unter dem Kant‘schen Konjunktiv: „Ich könnte das ja mal probieren.“ Aber ob er für all das, was da noch kommen sollte, ausreichend Kompetenz besaß, war fraglich. Schließlich wurde auch er nicht jünger. Anna wäre vielleicht die Lösung, etwas Neues in seinem Leben, etwas ganz Neues, das gleichzeitig Stabilität bringen konnte. Sein Laden, den er und der ihn immerhin schon seit Jahren über Wasser hielt, war ein erstes Anzeichen für sein reifendes Vermögen, Projektionen so zu konzipieren, dass sie in der Realität Bestand hatten. Seine früheren Konzepte waren deshalb nicht erfolgreich verlaufen, weil er vor allem seine eigenen Möglichkeiten überschätzt hatte. Einen Rechner zusammenzuschrauben war ja nun wirklich kein Kunststück. Und ein bisschen programmieren, Code aus dem Netz kopieren und in eine Website einbauen, konnte schließlich fast jeder. Dass der Laden ein Erfolg geworden war, lag aber auch daran, dass ihm sein Vater finanziell und mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte. Carstens Großvater war ja zunächst als Bergmann, später als Elektriker zur Zeche gegangen, und als sich der Niedergang der Kohleförderung im Ruhrgebiet abzuzeichnen begann, hatte er seinen Laden aufgemacht, den Carstens Vater übernahm. Das ging so lange gut, bis Bau- und Elektronikmärkte den Handwerkern und kleinen Fachgeschäften den Boden unter den Füßen wegzogen. Die letzten Jahre seines Berufslebens musste Carstens Vater als Servicetechniker in einem der Elektronikmärkte arbeiten. Carstens Vater hatte sich dann umso mehr gefreut, als sein Sohn, nach den überflüssigen Studienversuchen, mit seinem Computerladen die unter Großvater und Vater begonnene Tradition wieder aufnahm. Draußen flog die morgendliche Landschaft vorbei, am blauen Himmel kreuzten sich Kondensstreifen, auf den Feldern waren Landmaschinen unterwegs und zogen Staubwolken hinter sich her; die Autobahnen, wo sie parallel zur Bahntrasse verliefen, sahen verstopft aus: Montagmorgen. Sein Laden sollte mittlerweile auch offen sein, Carsten hatte Ben Ali eine Nachricht geschickt und ihn um neun Uhr geweckt, und versprochen, rechtzeitig da zu sein, damit Ali sich in die Mittagspause und den freien Nachmittag verabschieden konnte. Carsten würde ihn sicher brauchen, wenn es daran ging, seine Projekte, mit denen er Anna überzeugen oder wenigstens beeindrucken wollte, zu realisieren. Wenn schon nicht in der wirklichen Realität so doch in einer fiktiven Projektbeschreibung. Genau betrachtet wollte er als Ideengeber und Chronist oder Protokollant fungieren, um das zusammenzutragen, was Ben Ali aus der Computerei und Anna aus der Neurologie auf seine Fragen liefern konnten. Während der Zugfahrt hatte er immer wieder genügend Muße, in...



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