E-Book, Deutsch, 524 Seiten
Reich Gemini
2. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7504-4018-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Elise Brandt Krimi
E-Book, Deutsch, 524 Seiten
ISBN: 978-3-7504-4018-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gemini Ein Elise Brandt Thriller Die Kölner Hauptkommissarin und ihr neuer Fall Ein Serienmörder, der das Selbstbewusstsein der jungen Kommissarin auf eine harte Probe stellt und ein wertvolles Gemälde, das die kriminellen Instinkte verschiedener Gruppierungen weckt. Ein neuer Fall für Brandt und St. Cyr. Intelligent. Abgrundtief. Spannend.
Michael Reich Germanist und Historiker, lebt und arbeitet in Essen. Neben der Thrillerreihe um die Kölner Hauptkommissarin, schreibt er Romane, historische Romane und mit großer Leidenschaft Kinder- und Jugendbücher. Im letzten Jahr erschien 'Greenfriars Geheimnis'. Zusätzlich zum Schreiben zählen die Fotografie und Illustration zu seinen künstlerischen Hauptbeschäftigungen
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Wien, Juni 1997
I. Avide St. Cyr verließ das Sacher an der Philharmoniker Straße und entschied sich den relativ kurzen Weg zu Fuß zurückzulegen. Es war früh und obwohl Sommer und Hochsaison noch ruhig in den Straßen. Selbst das Café Mozart um die Ecke des Sacher, sonst von Touristen belagert, zeigte noch freie Tische unter den weißen Sonnenschirmen. Der Gemeindebezirk Wien Innere Stadt war einer der von den Touristen meist bevölkerte Teil der Donau-Metropole. Der Stephansdom, die Kärtnerstraße, Kapuzinergruft, Mozarthaus und die Oper lagen hier. Und es war das klassische Auktionshausviertel der Stadt, angeführt vom ältesten, dem Dorotheum, lagen hier, unweit der Hofburg und den großen Museen, eingebettet in die schmalen von den klassistischen Fassaden der Stadtpalais’ begrenzten Straßen und Gassen, das Kinsky, Sotheby’s und Christie’s und zahlreiche kleinere Auktionshäuser. Die Sonne strahlte in einem wolkenlosen, azurblauen Himmel und ließ die Fassaden der Häuser leuchten. Er ließ die Albertina linker Hand liegen und bog am Palais Lobkowitz in die Spiegelgasse ein, an der das Dorotheum lag und die auf den Graben auslief, die als luxuriöse Einkaufs- und Flanierstraße mit Kärntner Straße und Kohlmarkt das ‚goldene U’ des Wiener Handels bildete. Der Graben war auch zur frühen Stunde gut besucht. Er lief bis zum Kohlmarkt und bog dort in die Bognergasse ein, die auf den großen Platz Am Hof mit der 1667 von Leopold I. aufgestellten Mariensäule und der Jesuitenkirche am Hof zu den neun Chören der Engel auslief, in dessen Chorgruft der Beichtvater Maria Theresias bestattet worden war. Die schöne Barockfassade der Kirche, dessen Gründung schon auf das 14. Jahrhundert zurückging, war eine Stiftung Eleonores von Gonzaga, der Witwe Kaiser Ferdinands III. aus dem Jahr 1662 und beherrschte den Platz. Direkt daneben lag das Ziel seiner Reise, das sich neben der wuchtigen Kirchenfassade eher zierlich ausnehmende Barockpalais Collalto, dessen heutige Form auf die umfangreichen Umbauten der ehemaligen Landschaftsschule Ferdinands I. durch die venezianische Patrizierfamilie Collalto zurückging, die das Anwesen 1671 erworben hatte. Im Oktober 1762, da war das Palais bereits durch die heutige Barockfassade ergänzt, fand hier das erste öffentliche Konzert des sechsjährigen Wolfgang Amadeus Mozart für den Grafen Thomas Vinciguerra Collalto und seine Gäste statt. Das Geschäft der Brüder von Szell, Abkömmlinge einer böhmischen Adelsfamilie, war nicht das größte und bedeutendste Auktionshaus der Stadt, genoss aber in Kennerkreisen einen guten Ruf. Immer wieder war es den beiden Brüdern durch Beziehungen zu den gehobenen Kreisen, denen sie selbst entstammten, gelungen qualitativ hochwertige Objekte, meistens aus Hinterlassenschaften, durch ihr Haus zu vermitteln. Die Kataloge ihrer Auktionen konnten durchaus mit denen der großen Häuser mithalten. Avide betätigte einen Klingelknopf, der an der Hausfassade neben den schweren Massivholztüren des Eingangsportals angebracht war und wartete. Eine weibliche Stimme ertönte. Er nannte seinen Namen und ein leises Klacken zeigte ihm an, dass sich die Türe nun öffnen ließ. Er betrat das Vestibül. An der linken Seite öffnete sich eine fast quadratische, von zwei Fenstern erhellte Halle, in drei Bögen zum Treppenhaus. Der Stiegenaufgang war für die Zeit seiner Erbauung ungewöhnlich prunkvoll und farbig. Eine Mitteltreppe führte zu einem Wendepodest, von dem man dann gegenläufig über zwei seitliche Arme die Beletage erreichte. Die roten Marmorbalustraden dieser Arme waren an ihren Enden mit prunkvollen Porphyrvasen besetzt. Zwei reich verzierte Rotmarmorportale ermöglichten den Zugang zur Antecamera. Ihr mit Cherubsköpfen und Fruchtgehängen stuckiertes Spiegelgewölbe stammte noch vom Ende des 17. Jahrhunderts. Die Wände waren mit Boiserien verkleidet. Von der hohen verzierten Decke hing ein prachtvoller Kristalllüster und verbreitete ein sanftes Licht. Er stieg die mit einem roten Teppich belegten Stufen zur Beletage hinauf, wo ihn bereits eine lächelnde Dame in einem eleganten dunkelblauen Etui-Kleid, dessen dreiviertellange Ärmel in dekorativen, weißen Manschetten ausliefen, erwartete. Marlene Rufiak war seit über zwanzig Jahren die Empfangsdame des Hauses und erste Assistentin der Brüder Szell. In ihren Händen lagen alle administrativen und organisatorischen Aufgaben. Sie war die graue Eminenz im Hintergrund, die alles kontrollierte und koordinierte, vom Erstellen der Kataloge bis hin zum Verschicken der Einladungen. Avide hatte sie jetzt seit längerem nicht mehr gesehen und war erstaunt über das mittlerweile ergraute Haar der Mittfünfzigerin, das sie immer noch schulterlang und in kunstvolle Wellen gelegt trug. Ihr dezentes Make-up unterstrich ihre natürliche Schönheit. Sie hielt Avide freundschaftlich eine gepflegte Hand entgegen. »Dr. St. Cyr. Sie sind lange nicht mehr hier gewesen.« Avide deutete formvollendet einen Handkuss an. »Die Zeit verstreicht viel zu schnell.« Sie lächelte verschmitzt. »Wenn Sie auf meine grauen Haare anspielen, ich war das ewige Färben leid. Ich finde, ich bin jetzt in einem Alter, wo ich sie nicht mehr zu verstecken brauche.« Sie vollführte eine ausladende Bewegung mit den Armen und wies in die Runde. »Ich habe sie mir redlich verdient!« Avide nickte verständnisvoll. Er kannte und schätzte die Szells, wusste aber auch, dass sie nicht immer einfach im Umgang waren. »Kommen Sie. Man erwartet Sie bereits.« Hinter den hohen, reich verzierten Türen lag der ehemalige große Festsaal des Palais’, der jetzt, sorgfältig restauriert, als prunkvoller Auktionssaal genutzt wurde. Das gebohnerte Parkett glänzte und die von der Decke herabhängenden Prunkleuchter aus böhmischem Kristall spiegelten sich darin. Quer durch den gesamten Saal lief ein roter Läufer, rechts und links davon waren fleißige Arbeiter gerade dabei die Stühle aufzustellen. In Kürze würden dort die zur Auktion geladenen Gäste Platz nehmen. Am Ende des Saales hatte man ein Podest aufgebaut, auf dem das Stehpult stand, von dem aus einer der Brüder Szell die Auktion leiten würde. Sie durchquerten den Saal und betraten hinter dem Podest durch eine Tür den Bürotrakt des Auktionshauses, in dem bereits emsige Betriebsamkeit herrschte. Es war das Reich von Marlene Rufiak, die von hier aus die Aktivitäten der Firma aufeinander abstimmte. Sie entschied, welche der eingehenden Anfragen dem Ruf und dem Qualitätsanspruch des Auktionshauses entsprach, schickte ausgewählte Experten zu einer Vorabbesichtigung, bevor, bei positiver Beurteilung, die Brüder Szell selbst in Erscheinung traten und den tatsächlichen Geschäftsabschluss tätigten. Erst dann wurde der Bestand aufgenommen, eventuell ein Katalog erstellt und die Auktion der begutachteten Gegenstände organisiert, sowie die Einladungen an ausgesuchte Sammler und Wiederverkäufer versandt. Auch Avide hatte bereits als Gutachter für das Auktionshaus gearbeitet. In den Semesterferien, während seiner Zeit als Student der Kunstwissenschaft an der Sorbonne, sogar zeitweise als Praktikant. Hinter zwei hohen Flügeltüren im hinteren Teil lag das Allerheiligste, das Büro der Brüder Szell. Marlene Rufiak zögerte, bevor sie klopfte, und nahm Avide beiseite. »Etwas noch, Dr. St. Cyr. Sie wollen sicher mit Ellen sprechen.« Avide war überrascht. Von dieser Seite auf eine Exfreundin angesprochen zu werden, damit hatte er nicht gerechnet. »Ich habe sie angerufen, als mir der Auftrag zugewiesen wurde. Aber offen gestanden, sie schien mir sehr reserviert. Ich bin mir nicht sicher …« »Genau deshalb wollte ich mit Ihnen sprechen. Sie hat sich in der letzten Zeit sehr verändert. Sie war doch stets so fröhlich und offen. Ich habe das Gefühl, sie zieht sich immer mehr zurück. Sie hat sich häufiger krankgemeldet und an einem dieser Tage habe ich sie ziemlich munter in der Stadt gesehen. Das passt nicht zu ihr. Auch heute hat sie sich wieder krankgemeldet. Obwohl sie doch weiß, wie wichtig der Tag für uns ist. Sie war doch immer so zuverlässig. Ich habe mich gefragt … Nun, sie waren ein so nettes Paar damals.« »Ob ich mal mit ihr sprechen könnte?«, half Avide ihr aus, der merkte, dass Marlene Rufiak das Gespräch nicht angenehm war. »Ich kann es versuchen. Ich hatte nicht vor, mich so kalt abservieren zu lassen. Auch wenn wir mit unserer Beziehung damals gescheitert sind, sind wir doch immer noch befreundet.« Marlene Rufiak nickte zufrieden und schien erleichtert. »Ich hatte immer gehofft, Ellen würde hier einmal meine Nachfolge antreten. Ich kann mir niemanden vorstellen, der besser geeignet wäre.« »Was glauben Sie, könnte hinter ihrer Wesensänderung stecken?« Sie zögerte. »Es ist nur eine Vermutung, ein Gefühl. Aber vielleicht ein Mann.« Sie lächelte ihn an. »Seit der Zeit mit Ihnen damals,...