E-Book, Deutsch, 104 Seiten
Reichert Papa, ich ertrinke
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7504-8409-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine wahre Geschichte über menschliches Versagen und göttliches Eingreifen
E-Book, Deutsch, 104 Seiten
ISBN: 978-3-7504-8409-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In der Nacht vom 30. 01. 2016 ertrinkt der fünfjährige Lion in der unbeleuchteten Ecke eines beheizten Außenbeckens. Wenige Meter vom Unglück entfernt lässt sich sein Papa von den Massagedüsen den Rücken massieren und ahnt nicht, wie sehr er seinen geliebten Sohn gerade im Stich lässt. Neben dem spannenden Erlebnisbericht gibt der Autor Einblick in seine Gefühlswelt und beschreibt, wie er trotz des Versagens wieder zu innerem Frieden findet.
Daniel Reichert war 20 Jahre lang mit christlichen Hilfswerken im Ausland aktiv. Seit 2015 lebt er mit seiner Familie im südbadischen Steinen. Er hat eine CoachingPlus-Ausbildung absolviert, ist Gallup Strengthfinder Coach und Konfliktberater. Sein Herz schlägt dafür, dass Menschen ein sinnerfülltes Leben finden.
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DER BADETAG
Es ist Samstag, der 30. Januar 2016. Nach dem Aufstehen entschließe ich mich spontan, den Nachmittag mit den Kindern im Badeland „Laguna“ in Weil am Rhein zu verbringen. Beim Frühstück eröffne ich meinen Plan und ernte damit viel Begeisterung. Den obligatorischen Hausputz erledigen wir viel schneller als sonst und ohne viel Murren. Heute will ich meinen Kindern einen Papa-Tag gönnen und zugleich meiner Frau, die gerade Halbjahreszeugnisse für die Schüler ihrer dritten Klasse zu schreiben hat, den Rücken freihalten. Aus dem Waschkeller krame ich die Badetasche hervor. Wir packen Handtücher, Badeanzüge, eine Flasche Wasser und ein paar Süßigkeiten ein. Bevor wir mittags losziehen, bilden wir in Lions Kinderzimmer nochmals einen Kreis als Familie. Ich erkläre den Kindern: „Mama muss arbeiten und kann leider nicht mit. Aber weil sie Geld verdient, haben wir die Möglichkeit so eine Aktion durchzuführen. Deshalb fände ich es gut, wenn wir Mama jetzt noch segnen, dass auch sie einen guten Nachmittag hat.“ Einer nach dem anderen betet für Mama. Unser fünfjähriger Lion betet zum allerersten Mal in seinem Leben mit seiner piepsigen Stimme frei heraus: „Gott, hilf Mama bei der Arbeit!“ Stolz blicke ich auf meinen kleinen Sohnemann herab und denke mir: „Dieser kleine Junge ist so geradlinig. In seinen jungen Jahren darf er schon Jesus kennen. Ich darf voller Zuversicht sein, dass er sich gesund entwickeln wird!“ Die Stimmung im Auto ist gut, während wir an diesem kalten Wintertag die Bundesstraße Richtung Weil am Rhein entlang fahren. Vor ein paar Monaten waren die Kinder mit Oma und Opa im „Laguna“ gewesen und waren begeistert von den großen Rutschen und dem Wellenbad. Ich will möglichst lange dort bleiben und erst am Abend heim fahren. An der Kasse liegt mir Olivia in den Ohren: „Papa, ich will unbedingt tauchen. Ich brauche eine Schwimmbrille.“ Ich zögere. Normalerweise bin ich ein Schnäppchenjäger. Doch ich will der Begeisterung meiner Tochter keine Abfuhr erteilen und kaufe die etwas teurere Taucherbrille zusammen mit unseren Eintrittskarten. In der Umkleidekabine schlüpfen wir in unsere Badesachen, duschen uns schnell ab und eilen in die große Halle. Weil gerade das Wellenbad in vollem Gang ist, stelle ich die Badetasche in eine Ecke und springe mit den Kindern sofort rein ins nasse Vergnügen. Ich verweile mit Lion am seichten Eingang, wo sich die Wellen brechen. Die Mädchen, die in der Schule schwimmen gelernt haben, ziehen los und kämpfen gleich gegen die Wogen an. Nachdem das Wasser wieder still geworden ist, schaue ich meinen Sohn an und halte meine rechte Hand waagrecht auf der Höhe seiner Brust: „Lion, du darfst nur bis hierhin ins Wasser gehen!“ Daraufhin verlasse ich das Becken, weil ich noch ein paar freie Liegen finden will, wo wir unsere Handtücher und Badetasche ablegen können. Vom Beckenrand drehe ich mich kurz um. Erschreckt sehe ich, wie Lion sich auf seine Schwestern ins tiefere Wasser zu bewegt. Inzwischen reicht ihm das Wasser bis zur Oberkante seiner Unterlippe. Wasser schwappt in seinen Mund und er fängt an zu jammern, weil er merkt, dass er im tiefen Wasser keine Kontrolle und Kraft mehr hat, um zurück ins seichtere Wasser zu strampeln. Sophie schwimmt nur ein paar Meter von ihm entfernt. Wild gestikuliere ich ihr zu, dass sie Lion Richtung Beckenrand schieben soll. Zugleich renne ich um die Blumentöpfe, die als Dekoration dienen, und springe wieder ins Wasser. Doch in diesen wenigen Sekunden hat Sophie ihren Bruder schon dorthin bugsiert, wo er festen Boden unter den Füßen hat. Ich bin perplex. So kenne ich meinen Sohnemann gar nicht. Bisher hat er immer große Scheu vor dem Wasser gehabt. Doch inzwischen scheint er alle Angst abgelegt zu haben und sich der Gefahr, die vom nassen Element ausgeht, gar nicht bewusst zu sein. Ich nehme Lion an der einen und die Badetasche an der anderen Hand. Im hinteren Eck finde ich ein paar freie Liegen in der Nähe des Notausgangs. Mit strengem Ton befehle ich Lion Platz zu nehmen. Ich setze mich neben ihn und schaue ihn ernst an: „Was haben wir ausgemacht? Nur bis zur Brust! Ich gebe dir diese Regel zu deinem Schutz! Ab jetzt darfst du nur noch mit Schwimmflügeln und mit mir zusammen ins Wasser! Nur zum Rutschen ziehst du die Schwimmflügel aus!“ Lion wirkt ein bisschen betreten. Auf die Frage, was er jetzt machen möchte, hellt sich sein Gesicht wieder auf und er gluckst: „Rutschen!“ Wir flitzen zur gegenüberliegenden Seite und huschen durch eine Tür zum Treppenaufgang, der zu den Rutschen führt. Hier draußen ist es merklich kühler. Ein kalter Schauer läuft über meine nasse Haut, während wir die Treppenstufen zur ersten Etage erklimmen. Links von uns ist der Eingang zur Wildwasserbahnrutsche. Lion schaut mich an und deutet mit dem Zeigefinger nach oben: „Ich will zur schwarzen Rutsche!“ Ich nicke und wir rasen den Treppenturm hoch. Er liebt die rasante 100 Meter lange „Black-Hole-Rutsche“. Für ihn ist es Faszination pur, die dunkle Röhre herunterzusausen ohne zu wissen, ob die nächste Kurve nach rechts oder links abdreht. Ich rutsche hinter Lion. Im seichten Auffangbecken strahlt er übers ganze Gesicht. Nach ein paar Mal Rutschen latschen wir zurück zu unseren Liegen. Ich ziehe dem Jungen die Schwimmflügel über die Arme und blase sie auf. Jetzt geht’s ab ins warme Erlebnisbad. Lion strampelt fröhlich im Wasser und versucht immer wieder mit sichtlichem Vergnügen, meinen Kopf unterzutauchen. Um 15 Uhr laufen wir zurück zu unseren Liegen und trocknen uns ab. Da kommen auch schon die Mädels angerannt. Ich bin froh, dass sie sich an unsere Abmachung erinnert haben. Zu viert schlendern wir ins Schwimmbad-Restaurant um Mittag zu essen. Während wir unsere Chicken Nuggets und Spagetti Bolognese genüsslich verdrücken, merke ich, wie die schwüle Luft in der Schwimmhalle meinem Kreislauf zusetzt. Ich bin müde und würde gerne ein Nickerchen machen, aber das ist heute nicht drin. Nach dem Essen ziehen die Mädchen wieder alleine los und ich schlage Lion vor, dass wir uns als nächstes im Ganzjahres-Außenbecken tummeln könnten. Nachdem wir die Schwimmflügel an seinen Armen befestigt haben, ziehen wir los. Hier gibt es Champagner-Sprudelliegen, Massagedüsen und einen Wasserfall. Wiederholt versuche ich Lion zu dem Bodensprudler zu schieben, doch das vom Boden aufwallende Wasser ist ihm nicht so ganz geheuer. Nachdem wir die Möglichkeit dieses Beckens ausgereizt haben, geht es zurück in die große Halle. Dort treffen wir Olivia: „Darf ich mit Lion mal ins Wasser?“, fragt sie mit erwartungsvollen Augen. Zuhause spielen die beiden oft stundenlang miteinander. Ich freue mich, dass meine Tochter sich so um ihren kleinen Bruder kümmert. Kurz überlege ich: „Hmm, eigentlich habe ich ja die Abmachung mit Lion, dass ich den ganzen Tag mit ihm verbringen werde…“ Weil ich aber keine Gefahr erkennen kann und Olivia die Bitte nicht abschlagen will, stimme ich zu. Ich schaue Olivia in die Augen und antworte ihr eindrücklich: „Okay, du musst aber immer bei ihm bleiben und Lion lässt natürlich seine Schwimmflügel an!“. In der Zwischenzeit gehe ich zu unseren Liegen, um etwas auszuruhen. Nach wenigen Minuten kommt Olivia mit hängendem Kopf angerauscht: „Ich habe meine Schwimmbrille verloren!“. „Komm wir gehen sie suchen!“, versuche ich sie zu ermuntern. „Wo hattest du sie denn das letzte Mal gesehen?“, will ich wissen. „Ich weiß es nicht!“, jammert sie. Angestrengt durchforschen unsere Augen die verschiedenen Becken nach einer blauen Plastikbrille. Wir laufen alle Beckenränder ab. Lion watschelt hinter uns her. Nach erfolgloser Suche gehen wir zur Kabine des Schwimmmeisters. Dieser zeigt uns eine Kiste mit verloren gegangenen Brillen, aber Olivias Brille ist nicht dabei. Als er unsere enttäuschten Gesichter sieht, meint er, wir sollten beim Verlassen des Bades an der Theke beim Ausgang fragen, ob sie dort abgegeben worden sei. Somit haken wir dieses Thema vorerst ab. Olivia geht ihrer Wege, und ich schlendere mit Lion zurück zu den Liegen. Um 17 Uhr schaut mich Lion erwartungsvoll an und meint: „Ich will noch mal rutschen!“ Ich lasse ihn alleine ziehen, denn ich denke, dass er damit inzwischen genug Erfahrung hat. Wir haben mit den Mädels ausgemacht, dass wir uns um 17.15 Uhr noch mal bei den Liegestühlen treffen, um etwas Süßes zu naschen. Sophie kommt in Trippelschritten zu den Liegen und meint: „Es ist so wunderschön und gleichzeitig so anstrengend hier!“ Ich hatte ja einige Minuten alleine bei den Liegen verbracht, bin aber keineswegs ausgeruht, vielmehr fühle ich mich wie gerädert nach all den Stunden in dieser heiß-schwülen Halle. Inzwischen sind auch Olivia und Lion eingetroffen. Wir kramen die dragierten Erdnüsse und Gummibärchen aus der Tasche und vernaschen sie genüsslich. Nun erkläre ich den Kindern, dass ich gerne unseren gemeinsamen Badetag im Außenbecken ausklingen lassen würde. Mit Nicken zeigen die drei, dass sie einverstanden sind. Ohne weiter zu überlegen, stehe ich auf. Ich renne den Kindern...