E-Book, Deutsch, 126 Seiten
Reimann MÄNNER... DIE IM KELLER HUSTEN
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7487-6812-8
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Parodien auf Edgar Wallace
E-Book, Deutsch, 126 Seiten
ISBN: 978-3-7487-6812-8
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
'Nun hat mich der Ruhm des Edgar Wallace nicht schlafen lassen. Ich habe den großen Engländer weder aus Hass parodiert, noch aus Liebe. Sondern aus innerer Notwendigkeit. Weil mir mein Verleger geflüstert hat, dass eine Parodie auf Wallace, meiner geschätzten Feder entstammend, zweifellos ein Geschäft sein werde. Möge er recht haben.' 'Ob Parodien helfen? Ob Parodien nützen? Sie helfen und nützen, indem sie einen Gott als Götzen präsentieren und ihm die Reizwäsche vom Leibe zaubern, und mit eins steht der falsche Apollo von Belvedere als übelriechender Pantoffelheld da.' aus: Die grüne Minna 'Auch Edgar Wallace schreckt vor nichts zurück. Er hat Technik und Wissenschaft gepachtet und weiß, dass Münchhausens Kanonen-Wurm längst in die Zoologie aufgenommen ward. 'Immer was tun!' ist sein brandgemalter Wandsegen, Regelmäßigkeit in den Lebensgewohnheiten seine Basis. Er pafft vierzig Zigaretten pro Tag. Von der einundvierzigsten macht er Schabbes (weekend).' aus: Enthüllte Seelen Hans Reimann (eigentlich Albert Johannes Reimann - * 18. November 1889 in Leipzig; ? 13. Juni 1969 in Schmalenbeck bei Hamburg) war ein deutscher humoristischer Schriftsteller, Dramatiker und Drehbuchautor. Er verwendete auch die Pseudonyme Max Bunge, Hans Heinrich, Artur Sünder, Hanns Heinz Vampir und Andreas Zeltner. Zu Reimanns bekanntesten Werken zählt u. a. das Drehbuch zum Film So ein Flegel! (Deutschland 1934, Regie: Robert A. Stemmle), der ersten Verfilmung des Romans Die Feuerzangenbowle von Heinrich Spoerl. Männer... die im Keller husten (erstmals im Jahr 1929 veröffentlicht) ist eine ebenso geistreiche wie sachkundige Parodie auf die Werke des britischen Kriminal-Schriftstellers Edgar Wallace; das Buch enthält sieben Texte - Erzählungen und amüsante Essays - , die auch nach 90 Jahren nichts von ihrem sprühenden, klugen Witz verloren haben. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Literatur-Klassikers als E-Book, Paperback und Hardcover.
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ENTHÜLLTE SEELEN
Warum liest der Mensch Kriminalromane? Weil er starker Reizmittel bedarf, um den unerträglich faden Geschmack des Alltags loszuwerden. Um sich gegen die tödlich phantasielose Sachlichkeit seiner Berufsarbeit zu wappnen und immun zu machen. Als Gegengift gegen den Ernst des Lebens. Aus Notwehr. Denn die Tätigkeit im Büro, im Amt, in der Fabrik, in der Tretmühle, an der Futterkrippe wirkt zermürbend durch ihre Monotonie. Ob Hausmeister bei Opel, ob Verkäuferin bei Cords, ob Kassierer bei Wertheim: um sich geistig und somit körperlich zu erholen, braucht man Ausspannung durch Anspannung. Im Kriminalroman ist die Spannung Selbstzweck. Er stellt dar: das Verbrechen. Also die leidenschaftlichste Handlung des Menschen - leidenschaftlicher als der erotischste Vorgang. Er stellt dar: die Entstehung, das Begehen und die Verfolgung eines Verbrechens innerhalb der Mauern von Gesellschaft und Staat - und zwar der jeweils herrschenden Stacheldraht-Ordnung. Er befriedigt die platonische Neigung zum Asozialen, die jedem Menschen innewohnt. Er stellt nicht dar: die Ethik oder die Metaphysik des Verbrechens. Das war bei Dostojewski der Fall. Sondern: das Verbrechen in landesüblicher, allgemeiner Auffassung. Als krasse, knallige Störung der öffentlichen Ordnung. Die Leser eines Kriminalromans wollen nicht und dürfen nicht über die Untergründe des Verbrechens reflektieren. Im Kriminalroman will man und darf man das schöne, runde, wunderbar-schauerliche Verbrechen genießen, das man pillenweise und leider nur in Form von Notizen oder Berichterstatter-Telegrammen auch anderswo findet. Jenes Verbrechen, das nebenan und ringsum geschieht. Und das man... selber begehen möchte. Das ist es. Da hilft kein Beschönigen und Leugnen. Schuld und Sühne? Oh, nein! Im Gegenteil: Schlauer Detektiv, verbrecherischer Held, Duell zwischen beiden und Duell zwischen beiden Seelen in der eigenen Brust; - und mit der polizeilichen Entzifferung des Verbrechens, mit der Verhaftung des Schurken (der erst dann unsere Sympathien verliert und zum elenden Schurken wird, wenn man ihn gefasst hat) und mit seiner Verurteilung oder zum mindesten Überführung ist die Geschichte des Verbrechens, ist die Fabel im Kriminalroman zu Ende. Ehrlich und hemmungslos ist der Mensch, wenn er schläft. Wie träumt der Mensch von Staat und Obrigkeit? Ich kann es von mir sagen: ich rieche üblen Duft und schaue eine strenge, in deutscher Fraktur plump geschriebene Tafel. Auf der Tafel steht: Jede Verunreinigung des Ortes ist bei Strafe verboten. Der Rath der Stadt. Rath mit th und Pissoir-Geruch. Das ist, wenn ich schlafe, mein Staat. Ich kann mit meinem Staat keinen Staat machen. Es ist ein muffiger Staat. Der Staat meiner ersten Schuljahre. Der Leser des Kriminalromans erlebt Rückfälle in Schlaf und Traum und Kinderzeit. Der Leser des Kriminalromans erlebt eine psychische Spaltung, die er lustvoll empfindet. Er identifiziert sich mit dem Verbrecher, und er identifiziert sich mit dem wahnsinnig genialen Detektiv. Zunächst mit dem Verbrecher, dann mit dem Detektiv, zuletzt mit beiden und zuallerletzt mit dem Sieg des Guten. Aus Selbsterhaltungstrieb. So ein Mord – straf' mich Gott - ist doch eine berauschende Sache, wie? Es lebe die Störung, die Zertrümmerung, die Demolierung! Nieder mit der staatlichen Ordnung! Jede Verunreinigung des Ortes ist heilige Pflicht. Der Staat, dieser Bluthund, umspannt uns mit einem dichtmaschigen Netz von sadistischen Verordnungen, von Steuer-Bescheiden, von Ab- und Anmelde-Scheinen, von Schikanen und Drangsalierungen. Der Staat, dieser Vampir, erstickt die ins Unterbewusstsein gesenkte, primitive und elementare Sehnsucht nach dem Chaos, nach dem romantischen Chaos. Im Kriminalroman werden alle die verschütteten und geknebelten Wünsche fein ans Licht gezaubert. Er bietet dem Menschen ein Phantasie-Surrogat nebst Freibillett für sonst unbetretbare Sehnsuchtsbezirke. Wodurch? Durch die Identifikation mit dem Verbrecher und mit dem Verfolger. Wird der Schurke, der anbetungswürdige Schurke der richtenden Staatsgewalt und ihren Häschern entrinnen? Kein Schnippchen, das der Verbrecher der Staatsgewalt schlägt, ist zu klein, als dass im Herzen des Lesers nicht die Hölle jubelte. Anderseits ist es eine Wonne, sich mit dem Detektiv zu identifizieren, Nüsse zu knacken, zu kombinieren, zu deduzieren, sich aufs Glatteis locken zu lassen, beinahe den Schurken, also sich selbst, zu haben, düpiert zu werden und die Sensation einer Wahrscheinlichkeitsrechnung zu erleben. Wer ist der Mörder? Welche Spur trügt? Soll man hinten nachschlagen? Wie lautet die Lösung? Wir sind allzumal auf der Hintertreppe geboren und haben einen Verbrecher in uns erstickt. Ohne die Angst vor Strafe und Staat säßen wir alle hinter schwedischen Gardinen. Darum lesen wir das Komplement zu dem, was wir leben. Darum schielen wir nach der Kehrseite. Darum kitzelt uns das Laster. Darum lockt uns die Hölle. Außerdem ist es billig und ohne Risiko. Man kann sich sogar dazu ins Bett legen und Apfelsinen futtern. Auch Bismarck verschlang Kriminalromane. Sie sind belletristische Algebra mit diabolischen Ingredienzien. Verruchte Gleichungen mit mehreren Unbekannten. Sich mit ihnen zu beschäftigen, ist aufregender Sport. Hoppla - der Sprung ins Abenteuer, unverbindlich. Erfüllung des Wunschtraums, broschiert 3 Mark. Ersatz-Befriedigung. Hoppla, wir leben! Hoppla, wir morden! Hoppla, wir finden ein rosa Papier mit vergilbter Ecke! Hoppla, wir sind auf der Spur! Hoppla, wir entkommen! Hoppla, wir werden beinah gefasst! Hoppla, wir fassen! Hoppla, wir siegen über das Böse! Mit dem Schurken sympathisieren wir nur so lange, bis er hoppgenommen wird. Wir persönlich nehmen ihn hopp. Wir nehmen ihn hopp, sind unbändig stolz auf uns und klappen den Kriminalroman mit moralischer Geschwollenheit zu. Es kann uns nix gescheh'n. Das Auge des Gesetzes wacht. Kriminalromane sind eines der zweitschönsten Dinge, die der Mensch hat. Leider hinterlassen sie keinen Eindruck. Sie bleiben ohne Folgen. Man liest sie nicht zum zweiten Mal. Wer es dennoch tut, begreift nicht, wie er an dem Kram Gefallen finden konnte. Hier stimmt etwas nicht, dort stimmt etwas nicht, das Ganze ist ordinäre Mache und nur scheinbar von Scharfsinn triefend. Wer einen Kriminalroman zum zweiten Male liest, wird der Löt-Stellen inne, der Ritzen und Fugen, der Löcher, der Scharniere, des dürftigen Räderwerks. Kriminalromanschriftsteller konstruieren vom Blitzableiter nach dem Fundament. Zuallererst haben sie die verblüffende Lösung und zuallerletzt die Indizien. Kriminalromanschriftsteller arbeiten von hinten nach vorn. Am Anfang ist der Schluss. Kriminalromanschriftsteller arbeiten nicht ab ovo, sondern ab popo. Der Engländer Godarin hat 1794 den Anfang gemacht. Eigentlicher Erfinder des Kriminalromans ist Eugene François Vidocq. 1775 zu Arras geboren, geriet er als Unmündiger in die Langfinger von Kollegen, die ihm zweitausend soeben in der Kasse eines Bäckerladens erbeutete Francs abnahmen und den Ausreißer zwangen, sein eigenes Brot zu verdienen. Vidocq ließ sich von Wanderakrobaten anheuern, zum Seiltänzer ausbilden und dem Publikum vorführen, brach jedoch nach kurzer Zeit während der Arbeit in der Zelt-Manege das Nasenbein und warf sich einer weniger gefährlichen Branche in die Arme, indem er Assistent eines Kasperle-Theater-Besitzers wurde, dessen hübsche Gattin er mit solcher Verve ab küsste, dass das gebrochene und kaum verheilte Nasenbein zum zweiten Mal gebrochen wurde. Der eifersüchtige und handfeste Direktor dimittierte den Jüngling kurzerhand, und Vidocq, der Geschmack am Schaubudenleben gefunden hatte, produzierte sich in der Folge als Vorführer eines Tanzbären, als Leichdorn-Entferner und selfmade-Dentist. Außerdem hielt er in seinem Bauchladen garantiert wirksame Schlafpulver feil. Dann riss er aus und tauchte in der französischen, später in der österreichischen Armee auf, wurde als renitenter Bursche zum Spießrutenlaufen verurteilt, desertierte zu den Franzosen und brachte es während der Revolutionskriege bis zum Lieutenant. Mit dem Geld einer belgischen Braut lebte er in Paris wie der Herrgott in Frankreich, wurde üppig und dreist und verprügelte in einem obskuren Estaminet einen Rittmeister vom Totenkopf-Train. Im Gefängnis fälschte er den Entlassungsschein eines Mitgefangenen zu seinen Gunsten, erhielt acht Jahre schweren Kerkers, rückte dreimal aus und wurde dreimal eingeholt. Anno 1809 richtete er an den Chef der Polizei ein Gesuch - des Inhalts, man möge ihn im Kriminaldienst beschäftigen, damit er als gelernter Galgenstrick seine Kenntnisse nutzbringend verwerte. Sein Gesuch wurde genehmigt, und Vidocq amtierte achtzehn volle Jahre im Dienste der Kriminalpolizei als Spitzel, wurde fromm, ging in Pension, eröffnete ein Unternehmen zur Unterstützung entlassener Sträflinge, machte pleite, verdingte sich abermals der Kriminalpolizei und wäre bei einem Haar ins Kittchen gewandert, weil er in seinem Übereifer vor Pressionen und Erpressungen nicht zurückschreckte. Papier war schon damals geduldig und Niederschreiben weniger riskant als veristisches Erleben. Vidocq mietete sich ein paar arme Teufel von Skribenten, denen er das...