E-Book, Deutsch, Band 3, 368 Seiten
Reitemeier / Tewes Stürmerfoul
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-86532-692-8
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jupp Schulte ermittelt
E-Book, Deutsch, Band 3, 368 Seiten
Reihe: Regionalkrimis aus Lippe / Jupp Schulte ermittelt
ISBN: 978-3-86532-692-8
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Schulten Jupp in der Bredouille. Dabei wollte er doch eigentlich nur seinem Freund Rodehutskors helfen, einen verschollenen Kollegen zu suchen. Und nun ist dem Detmolder Kommissar die belgische Polizei auf den Fersen. Gut, dass Maren Köster aufpasst.
Jürgen Reitemeier und Wolfram Tewes lassen die Detmolder Kripo in ihrem dritten Lippe-Krimi in einem besonders komplexen Fall ermitteln. Es geht um Schutzgelderpressung, um einen Hormonskandal und um Wirtschaftskriminalität - bis es schließlich zum Showdown in der Lipperlandhalle kommt: Ausgerechnet beim entscheidenden TBV-Spiel gegen den Rivalen aus Minden.
»Stürmerfoul« - spannend, voller Lokalkolorit und skuriller Typen.
Autoren/Hrsg.
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8 Am nächsten Morgen fuhr Potthast widerwillig ins Büro. Mit einem Grummeln im Bauch dachte er an seinen übervollen Schreibtisch. Alles nur Kinkerlitzchen, wie er zu sagen pflegte. Dennoch mussten sie bearbeitet werden. Dann heute Nacht noch der Tote. Der passte ihm überhaupt nicht in den Kram. Jetzt drohte die Arbeit über ihm zusammenzubrechen. Von Vorweihnachtsstimmung konnte keine Rede sein. Potthast dachte über den kommenden Tag nach. Bevor er in dem Mordfall auch nur einen Finger rühren würde, müsste er zunächst ein Gespräch mit seinem Chef führen, um die Ernsthaftigkeit der Situation zu schildern. Der für Januar angekündigte Kollege aus Dortmund musste schon jetzt kommen. Das war die einzige Möglichkeit, der Arbeitssituation auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Allein würde er die Ermittlungen nicht führen. Eher besorge ich mir einen gelben Schein, dachte der Polizist und wusste gleich, dass dies aber auf keinen Fall in Frage käme. Schlecht gelaunt bog Potthast in die Rathenaustraße ein und stand kurze Zeit später auf einem Parkplatz des Gebäudes der Kreispolizeibehörde Paderborn. Es roch feucht, muffig und nach Abgasen. Diese Eindrücke verbesserten seine Laune nicht gerade. Er nahm die speckige Aktentasche, die er vor über zwanzig Jahren schon gebraucht von seinem Vater geerbt hatte, aus dem Kofferraum und schlug den Weg zu seinem Büro ein. Potthast dachte über den bevorstehenden Tag nach. Heute musste er unbedingt zum Fahrradladen der P.I.G.A.L., um das bestellte Mountainbike, das Weihnachtsgeschenk für seinen Jüngsten, abzuholen. Schon dreimal hatte er von seiner Frau Mechthild diesen Auftrag bekommen und ebenso oft im Trubel des Tages vergessen. Würde er heute Abend wieder ohne das Fahrrad nach Hause kommen, wäre die Geduld seiner Frau mit Sicherheit endgültig am Ende. Völlig in Gedanken ging er den Flur entlang und wäre beinahe mit seinem Chef Heiner Schmitz zusammengestoßen. Da dieser ebenfalls Schützenbruder und CDU-Mitglied im Ortsverein Wewer war, hatten die beiden Männer trotz der unterschiedlichen Dienstgrade ein vertrautes Verhältnis miteinander. „Na Potthast, was träumst du denn so vor dich hin?“ „Träumen! Hör bloß auf, aber du kommst mir gerade recht. Zu dir wollte ich sowieso gerade. Ich muss unbedingt mit dir reden.“ „Was hast du denn so Dringendes? Komm, wir gehen in mein Büro. Ich habe gerade einen frischen Kaffee gekocht.“ Die beiden Männer setzten sich an den Besprechungstisch. Der Polizeioberrat Heiner Schmitz holte zwei Tassen aus dem Schrank und schenkte Kaffee ein. „Na, dann schieß mal los. Wo brennt’s denn?“ „Du hast sicher schon gehört, dass wir heute Nacht einen Toten hatten. Zu fünfundneunzig Prozent handelt es sich um Mord und wir sind hoffnungslos unterbesetzt. Ich weiß kaum noch wo mir der Kopf steht. Bei uns zu Hause herrscht mittlerweile eine Laune, die ist nicht auszuhalten. Ich brauche dringend Verstärkung.“ Heiner Schmitz kannte Mechthild Potthast und wusste, dass sie sonst eine recht verständnisvolle Frau war. Bis deren Nerven blank lagen, musste es schon heftig kommen. Daher nahm der Polizist den Hilferuf seines Kollegen nicht auf die leichte Schulter. „Hast du dir schon Gedanken gemacht, wie wir die Kuh vom Eis bekommen?“ „Siehst du eine Möglichkeit, dass der neue Kollege aus Dortmund ein paar Tage früher kommt? Am besten schon morgen. Wir brauchen einfach Hilfe und eine gewisse Kontinuität.“ „Wenn der jetzt neu dazu kommt, gehe ich doch davon aus, dass er nicht gleich Bäume ausreißt.“ „Das vielleicht nicht, aber er kann den Kleinkram erledigen. Das würde mich auch schon weiter bringen.“ Schmitz wiegte den Kopf hin und her. „Na gut, werde sehen, was sich machen lässt. Ich spreche mit dem Landrat und rufe mal den Polizeipräsidenten von Dortmund an. Ich erzähle dir heute Mittag was dabei rum gekommen ist.“ Anschließend saßen die beiden Männer schweigend am Tisch, hielten die Kaffeetassen in ihren Händen und hingen, jeder für sich, ihren Gedanken nach. So vergingen einige Minuten. Plötzlich nahm Potthast einen großen Schluck aus seiner Tasse und stemmte sich mit einer Dynamik, als hätte jemand nach ihm gerufen, von seinem Stuhl hoch. „Nutzt ja nichts! Heiner, ich mache mich auf die Socken. Mal sehen, ob wir schon die ersten Ergebnisse von der Spurensicherung haben. Vielleicht gibt es ja ein Adventswunder und wir haben den Fall bis Weihnachten aufgeklärt. Also dann…!“ In seinem Büro angekommen, ließ er keine Minute mehr unnütz verstreichen. Er zog das Telefon zu sich heran und wählte die Nummer der Spurensicherung. Franz Gockeln war sofort am Apparat. „Hier Willi! Na, hast du schon Ergebnisse?“ „Ja also… “ „Komm, lass uns das nicht am Telefon besprechen“, unterbrach Potthast den Spurensicherer. „Komm in mein Büro, da können wir über alles in Ruhe reden. Ich brauche auch jemanden, mit dem ich mich über den Fall austauschen kann. Dies Grübeln, alleine im stillen Kämmerlein, bringt mich nicht weiter.“ „Okay“, sagte Gockeln und legte auf. Potthast tippte schon wieder eine Zahlenkombination auf der Tastatur seines Telefons. Er rief in der Zentrale der Paderborner Polizeibehörde an. „Ja, hier Willi!“, meldete er sich. „Gib mir doch mal die Nummern der beiden Kollegen, die heute Nacht zuerst am Tatort waren.“ Er lauschte in den Hörer, dann sagte er: „Ich weiß, dass die beiden jetzt Feierabend haben! Dennoch, gib mir die Nummern! Es ist wichtig.“ Er griff sich einen Stift und kritzelte die Zahlen auf seine Schreibtischunterlage. Dann bedankte er sich, legte auf und wählte erneut. Eine verschlafene Frauenstimme meldete sich mit: „Ja bitte?“ „Frau Hofer?“, fragte Potthast. „Hier Potthast! Tut mir leid, dass ich Sie um Ihren wohlverdienten Schlaf bringe. Aber ich brauche Ihre Hilfe. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Sie gleich in mein Büro kämen? Ich weiß, dass Sie heute eine harte Nacht hatten, aber ich weiß nicht, wie ich in dem Fall ohne ein sofortiges Gespräch mit Ihnen weiter vorgehen soll.“ „Schon in Ordnung! Ralf und ich haben schon damit gerechnet, dass unsere Nachtruhe heute kürzer sein würde als sonst. Ich rufe ihn gleich noch kurz an. Wir sind spätestens in einer Stunde da.“ „Danke!“ Potthast legte den Hörer auf. Er zog die Aufzeichnungen der letzten Nacht aus seiner speckigen Aktentasche, las sich alles noch einmal durch und fing an, die Fakten für sich zu sortieren. Dann machte er einen Plan für das Gespräch, das er gleich mit seinen Kollegen führen wollte und schrieb sich auf, was er selbst heute noch zu erledigen hatte. Anders als sein Freund Schulte, der meist intuitiv und bauchgesteuert seine Fälle bearbeitete, ging Potthast sehr formal und mit einem hohen Maß an Systematik an seine Aufgaben heran. Er plante jeden Schritt durch und versuchte Überraschungen zu vermeiden. Zunächst würde er noch einmal in die Wohnung des Toten gehen, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Dann würde er den Bruder verhören, der die Leiche gefunden hatte. Doch bevor er dies alles tat, wollte er beim Fahrradladen der P.I.G.A.L. vorbeifahren und das Fahrrad für seinen Filius abholen. Er schrieb alles auf einen Zettel und ging die einzelnen Punkte noch einmal durch. Er war noch nicht ganz fertig, da klopfte es, und Franz Gockeln steckte seinen falkenähnlichen Kopf durch den Türspalt. Potthast winkte den Mann herein und registrierte erfreut, dass dieser eine große Thermoskanne mit Kaffee in der Hand hielt und einen großen ungespülten Becher, den die DPG vor Urzeiten unter die Leute gebracht hatte. Potthast ging zum Schrank und kramte ebenfalls einige Tassen hervor, die offenbar auch schon einiges von der Welt gesehen hatten. Bei einer fehlte der Henkel. Die beiden anderen waren erheblich vermackelt. „Melanie Hofer und Ralf Kröger, die beiden Kollegen von der Streife, kommen gleich auch noch. Ich habe sie angerufen.“ Franz Gockeln nickte zustimmend. „Die Kleine, die Melanie, das ist ’ne Pfiffige. Die ist nicht auf den Kopf gefallen“, sagte er anerkennend. „Wär auch schade um das hübsche Köpfchen!“ Dann rückte er einen Stuhl zurecht und setzte sich an eine Ecke von Potthasts Schreibtisch. „Wird zwar ein bisschen eng, so zu viert hier in der Bude, aber ich habe keine Lust, in ein Besprechungszimmer umzuziehen.“ Wieder nickte Gockel zustimmend. Er drehte am Deckel seiner Thermoskanne und schenkte sich Kaffee ein. Kaum hatte er den ersten Schluck genommen, da steckte eine junge Frau den Kopf durch die Tür. „Bringen Sie bitte noch einen Stuhl vom Flur mit herein“, sagte Potthast und goss unaufgefordert das braune Lebenselixier in die restlichen Tassen. Nachdem alle mit dem Getränk versorgt waren, ergriff Hauptkommissar Potthast das Wort: „Wachtmeisterin Hofer und Wachtmeister Kröger, Sie waren zuerst in der Wohnung des Toten. Was ist Ihnen am Tatort aufgefallen oder zunächst einmal, was haben Sie vorgefunden?“ „Zunächst war da ein völlig aufgelöster Mann,“ begann die Frau. „Der war total am Ende. Er war nicht einmal in der Lage, auch nur die einfachste Frage zu beantworten. Er sagte immer nur: Mein Bruder, mein Bruder! Also haben wir gleich den Notarzt angerufen. Der hat ihm eine Beruhigungsspritze gegeben und ihn dann ins Krankenhaus eingewiesen. Als das erledigt war, haben wir uns in der Wohnung umgesehen. Sie war aufgeräumt und ordentlich. Alles stand an seinem Platz. Mit anderen Worten: Der Mörder hat nicht nach irgendetwas gesucht. Wahrscheinlich kannte der...