E-Book, Deutsch, 304 Seiten, Format (B × H): 147 mm x 220 mm
Rinaudo Unsere Bäume der Hoffnung
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-906304-78-6
Verlag: Rüffer & Rub
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
E-Book, Deutsch, 304 Seiten, Format (B × H): 147 mm x 220 mm
ISBN: 978-3-906304-78-6
Verlag: Rüffer & Rub
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Dies ist die Geschichte einer zufälligen Entdeckung und wie sie nicht nur das Leben von Tony Rinaudo fundamental geändert, sondern auch das Klima und die Lebensverhältnisse von Millionen von Menschen verbessert hat.
Der australische Agrarökonom Tony Rinaudo pflanzte bereits in den 1980er-Jahren im afrikanischen Niger Baumsetzlinge, um den Vormarsch der Wüste zu stoppen. Doch nur etwa 10 Prozent der Bäume überstanden die staubigen Stürme und die Hitze. Der Frust darüber hätte ihn beinahe dazu gebracht aufzugeben. Doch eines Tages, als Rinaudo gerade Luft an den Reifen seines Geländewagens herausließ, um besser durch die trostlose Sandlandschaft zu kommen, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Bei den grünen Trieben, die überall um ihn herum aus dem Sand sprossen, handelte es sich mitnichten um nutzloses Kraut; sie stellten sich bei genauerer Betrachtung vielmehr als Baumtriebe heraus. Unter dem Sand der Sahelzone befindet sich ein riesiges Wurzel-Netzwerk. Wenn
die Triebe aus dem Wurzelwerk nicht von Tieren gefressen oder die Wurzeln als Brennholz verwendet werden, entstehen daraus in wenigen Jahren große Bäume. Tony Rinaudo hat damit die Grundlage für eine sichere Wiederaufforstung gefunden.
In seiner Biografie erzählt Tony Rinaudo von seiner Entdeckung und der jahrelangen Überzeugungsarbeit, die er leisten musste, bis Farmer und Politiker seine sehr einfache und günstige Art der Wiederaufforstung ernst nahmen.
Inzwischen wird seine Methode in mindestens 24 afrikanischen Ländern erfolgreich angewendet. Wo sich vor zwanzig Jahren noch die Wüste ausbreitete, forsten Farmer große Landstücke auf: Allein im Niger wurden auf diese Weise bereits sieben Millionen Hektar Land regeneriert.
Tony Rinaudo erhielt für sein Engagement 2018 den Alternativen Nobelpreis, und seither geht die Erfolgsgeschichte weiter und weiter: Die aufgeforsteten Flächen in Afrika und Asien werden immer größer. Und der international erfolgreiche Filmregisseur Volker Schlöndorff hat sich die Filmrechte der Geschichte gesichert.
Mit einem Vorwort von Volker Schlöndorff
Weitere Infos & Material
Von kahlen
Hügeln und
Asthöhlen Unser Haus in Myrtleford, eine kleine australische Provinzstadt im Nordosten Victorias, befand sich am Fuß des Reform Hill. Vom Aussichtspunkt konnte ich fast die gesamte Gemeinde überblicken – Autos in Spielzeuggröße, Menschen, die ihren Geschäften nachgingen, das Ovens Valley aus der Vogelperspektive, die Mündung des Buffalo in den Ovens River und die zerfurchte Felswand des Mount Buffalo. Die stille Schönheit der blau-grünen Hügel und engen grünen Täler erfüllt mich mit einem starken Gefühl der Verbundenheit mit diesem Ort, das mich bis heute nicht verlassen hat, obwohl ich schon lange anderswo mein Zuhause eingerichtet habe. Die Hügel waren der perfekte Spielplatz für einen aktiven Jungen wie mich. Die Bäume schienen mir stumme Zeugen vergangener Ereignisse; seit wie vielen Jahrhunderten hatten sie wohl dem Eingeborenenstamm der Ya-itma-thang Schutz und Nahrung geboten? Wie lange schon hatten Bäume im Frühling oder Sommer über deren jährliche Pilgerfahrt ins Hochland zur Ernte von Bogong-Motten gewacht? Millionen von Motten wandern bis zu 1000 km, um sich in den kühleren Felsspalten von Australiens südlichen Alpen zu sammeln. Auf heißer Asche geröstet, gelten sie wegen ihres süßen, nussigen Geschmacks und ihres hohen Fett- und Proteingehalts als Delikatesse. Der Yaitma-thang-Stamm besiedelte die Unterläufe der Flusstäler das ganze Jahr über; ihre Lagerstätten errichteten sie auf den weichbödigeren Ebenen des offenen flachen Lands, wo es Wasser und Nahrungsquellen im Überfluss gab – was ihnen im 19. Jahrhundert beim Aufeinanderprallen der Kulturen zum Verhängnis werden sollte. In »Fire Country – How Indigenous Fire Management Could Help Save Australia« (2020) beschreibt der indigene Schriftsteller, Filmemacher und Berater Victor Steffensen die Landschaft vor der Kolonisierung als »wunderschön und reich an Nahrung, Medizin und Leben. Die Bäume, mit ihren Hunderten oder über tausend Jahren, waren riesig.«1 Der australische Bestsellerautor Don Watson entzaubert in seinem Buch »The Bush« (2014) die Mythen der frühen Siedler vom »Niemandsland« oder »leeren Land«. Sie waren offensichtlich dazu entworfen, um die Landnahme in kontinentalem Maßstab zu rechtfertigen. Watson zitiert zahlreiche Entdecker und frühe Siedler, die auf eine Landschaft hinweisen, die in ihrer offenen Regelmäßigkeit und Schönheit wie der »Park eines Landadligen« aussah, als »Englischer Garten«, als »Französischer Park«, eine »unermessliche Parkanlage« oder »ein überwältigender Park« bezeichnet wurde.2 Victor Steffensen seinerseits schreibt über die Landbewirtschaftung der indigenen Völker Australiens: »Die Bäume wurden [von den indigenen Völkern] gepflegt, um sie dem Land zu erhalten, sodass sie alt und die Ältesten der Landschaft werden konnten, damit die Bäume weiterhin Leben schenken und alles, was in ihrer Umgebung lebte, gedeihen lassen konnten. Durch die Landbewirtschaftung der indigenen Völker wurde sichergestellt, dass die meisten der Bäume Hunderte, wenn nicht gar Tausende Jahre lebten. Sie besiedelten das Land in Hülle und Fülle, zogen Nährstoffe aus dem Boden und gaben ihm Nährstoffe zurück, sodass alles Notwendige für eine gesunde Landschaft gegeben war.«3 Beim Versuch, sich den »kranken« Zustand eines Großteils der heutigen australischen Landschaft zu erklären, weist Steffensen auf die den meisten Menschen fehlende Verbundenheit mit dem Land hin. * Unsere kleine Stadt weist eine interessante Geschichte auf: Ein Steinmonument erinnert an die Entdecker Hamilton Hume und William Hovell, die auf ihrer 700 km langen Entdeckungsreise durch Myrtleford zogen. Die Expedition führte in den Jahren 1824/25 durch Ost-Australien, von Sydney in New South Wales bis nach Port Phillip in Victoria. In der Folge nahmen erste Besetzer das Land an sich, um darauf Schafe und Rinder weiden zu lassen. Verlassene Goldminen und -schächte, Berghalden und ein enormer, inzwischen verstummter Gesteinsbrecher erzählen von der Zeit des Goldrauschs, der in den 1850er-Jahren begann. Reform Mine war mit einer Förderung bis 1880 von 21000 Unzen Gold (600 kg) die produktivste unterirdische Mine in North East Victoria. War es möglich, dass sogar die Kelly-Bande, die berüchtigten australischen Bushranger, wie man ursprünglich entlaufene Sträflinge in Australien bezeichnete, hier auf der Flucht vorbeikamen? Im Land um Myrtleford gewannen über die Jahre verschiedene Wirtschaftstätigkeiten an Bedeutung und wurden wieder von anderen abgelöst. Dazu gehörten die Beweidung mit Rindern, Milchkühen und Schafen sowie während und nach dem Zweiten Weltkrieg die Kultivierung von Flachs, Kiefernplantagen, der Anbau von Hopfen, Weintrauben, Heidelbeeren, Oliven, Walnüssen, Kastanien und Tabak. Tabak war der große Anziehungspunkt, der viele italienische Einwanderer, darunter auch meinen Großvater, Guiseppe »Joe« Rinaudo, ins Ovens Valley lockte, um ein neues Leben für seine Familie aufzubauen. Ich gehörte einer kleinen Gruppe Kindern aus unserer Straße an, die am Ende der Sackgasse der Elgin Street wohnten. Wir spielten oft zusammen und hielten unsere Schutzengel auf Trab. Gelegentlich erfuhren unsere Mütter von einer Begegnung mit einer Schlange, Erkundungstouren in einem Minenschacht oder von der Besteigung eines Baums. Dann gab es ein Abenteuerverbot, bis wir ihren Widerstand brachen und wieder frei herumtollen durften. Am liebsten spielten wir Cowboys und Indianer. Wenn ich alleine war, rannte ich mit Karacho den Hügel hinunter und durchbrach dabei starke Seidenfäden, die zwischen den Bäumen von – so schien es mir damals – riesigen Spinnen gewebt waren. In meinen Träumen flog ich gar den größten Teil der Strecke den Hügel hinunter. Wir sind eine kinderreiche Familie: Ich bin das dritte Kind und habe drei Brüder und zwei Schwestern. Peter, mein kleiner Bruder, und ich waren unzertrennlich, immer im Busch unterwegs, gingen angeln und Fahrrad fahren – allerdings glaube ich, dass er oft eher mitkam, um mir zu gefallen, als aus großer Begeisterung für meine Leidenschaften. Nach uns vier Jungs wollte Mum unbedingt ein Mädchen. Dads einzige Schwester war als junge Mutter zweier Jungs an Leukämie gestorben, und so wurden meine Schwestern Cathy und Josie mit besonderer Freude willkommen geheißen. Sie bedeuteten mir viel, und ich liebte es, auf sie aufzupassen. So gut wie jeden Sonntagmorgen nach der Kirche holte Dad seine Boxkamera, eine Kodak Brownie, hervor. Während Mum zum Mittagessen Spaghetti kochte, arrangierte Dad eine schnelle Aufnahme von uns Kindern noch im Sonntagsstaat vor dem Kamelienbusch. Die ersten paar Jahre waren wir noch größer als der Busch, doch irgendwann überragte er uns. Nach dem Essen stopften unsere Eltern alle sechs Kinder in unseren Ford-Kombi, und es folgte die 40-minütige Fahrt von Myrtleford nach Wangaratta, wo wir Nanna und Nanu besuchten, wie wir unsere italienischen Großeltern nannten. In jenen Tagen gab es noch keine Gurte, und wenn wir Jungs auf dem Rücksitz Ärger machten, drehte sich Dad kurz zu uns um und verpasste uns einen Hieb, wenn wir uns nicht schnell genug wegduckten – sehr zum Ärger meiner Mutter, die eine ausgesprochen nervöse Beifahrerin war und ständig Angst davor hatte, dass Vaters Aktionen einen Unfall verursachen könnten. Einmal an der Abzweigung nach Beechworth vorbei, öffnet sich das Land, und die weitere Ebene wird eingerahmt von den sanft geschwungenen, fast baumlosen Murmungee Hills. Kann Land sprechen? Vielleicht nicht mit Worten, doch das Land »sprach« trotzdem zu mir. Bereits als kleiner Junge empfand ich eine gewisse Traurigkeit über das Verlorengegangene beim Anblick dieser abgeholzten Hügel. In ihrer ungeschützten Kahlheit schienen die Hügel selbst zu trauern und dabei um Hilfe und Wiederherstellung zu rufen. Auf der allsonntäglichen Fahrt nach Wangaratta sah ich mich im Geiste dort oben in Gummistiefeln stehen, mit der Schaufel in der Hand Bäume pflanzen und die tiefen Erosionsrinnen eindämmen, von denen diese Hügel verwundet waren. * Manchmal kehrten wir von Wangaratta erst in der Dunkelheit zurück. An einigen Stellen der Great Alpine Road berührten sich die Äste der riesigen, die Straße säumenden Gummibäume über uns. Beim Fahren erhellten die Scheinwerfer die Stämme und Äste. Der schwarze Hintergrund ließ das Bild einer verzauberten Höhle entstehen, die vor uns auftauchte und hinter uns in der Dunkelheit verschwand. Mir waren diese kurzen Abschnitte von »Asthöhlen« nicht genug, und so pflanzte ich im Geiste in die Lücken Bäume! Natürlich wusste ich, dass Landwirtschaft notwendig ist, aber innerlich zweifelte ich daran, ob es so klug war, alle Bäume auf dem Land zu roden. Warum verlangte Landwirtschaft so viel Zerstörung? Ein paar Jahre später an der Universität schien die Weisheit hinter meinen Tagträumen bestätigt zu werden, aber nicht in den Vorlesungen, sondern beim Lesen des Buches »Forest Farming – Towards a Solution to Problems of World Hunger and Conservation« (1976) von James Sholto Douglas. Der Ökologe und Agronom beschrieb darin, wie die Mischung aus Bäumen, Getreide und Vieh zu einem gesünderen ökologischen Gleichgewicht führe sowie zu größeren Erträgen von Nahrungsmitteln und dem vermehrten Gewinn anderer Materialien für Kleidung, Brennstoff und Behausungen. Für mich ergab das absolut Sinn, aber es kontrastierte stark mit der Vorgehensweise der ersten Siedler Ende 18./Anfang 19.Jahrhundert. Die Kolonialisten brachten zerstörerische...