E-Book, Deutsch, Band 599, 64 Seiten
Ritter Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 599
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7517-3180-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Es wetterleuchtet um Katja
E-Book, Deutsch, Band 599, 64 Seiten
Reihe: Die Welt der Hedwig Courths-Mahler
ISBN: 978-3-7517-3180-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nach einem anstrengenden Arbeitstag klingelt es bei der jungen Ärztin Katja Anderson Sturm. Sven Hellweg steht vor der Tür und drängt sie, sofort mit zur Insel Ösesund zu kommen, wo ein Mann schwer an Diphtherie erkrankt ist. Nur ungern folgt Katja ihm, denn es wütet ein furchtbares Unwetter. Zudem weiß sie, dass Sven vor Jahren seinen Bruder ermordet hat und nur auf freiem Fuß ist, weil das Gericht ihm die Tat nicht nachweisen konnte. Sie ist froh, dass sie die Insel lebend erreicht, doch beim Anlegen zerschellt das Motorboot. Nun ist Katja auf der kleinen Insel gefangen, denn ein anderes seetüchtiges Schiff gibt es hier nicht. Sven nimmt die Ärztin bei sich auf. Dort lebt sie nun - im Hause eines Mörders!
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Es wetterleuchtet um Katja
Auf einem kleinen Eiland soll sich ihr Schicksal erfüllen
Nach einem anstrengenden Arbeitstag klingelt es bei der jungen Ärztin Katja Anderson Sturm. Sven Hellweg steht vor der Tür und drängt sie, sofort mit zur Insel Ösesund zu kommen, wo ein Mann schwer an Diphtherie erkrankt ist. Nur ungern folgt Katja ihm, denn es wütet ein furchtbares Unwetter. Zudem weiß sie, dass Sven vor Jahren seinen Bruder ermordet hat und nur auf freiem Fuß ist, weil das Gericht ihm die Tat nicht nachweisen konnte. Sie ist froh, dass sie die Insel lebend erreicht, doch beim Anlegen zerschellt das Motorboot. Nun ist Katja auf der kleinen Insel gefangen, denn ein anderes seetüchtiges Schiff gibt es hier nicht. Sven nimmt die Ärztin bei sich auf. Dort lebt sie nun – im Hause eines Mörders!
Katja Anderson lauschte einen Augenblick auf das Toben des Herbststurmes. Bei solch einem Unwetter empfand man die Behaglichkeit eines warmen Zimmers doppelt angenehm, und sie freute sich auf einen gemütlichen Abend.
Lächelnd setzte sie den Teekessel auf den Ofen, und ein paar Minuten später schon begann das Wasser zu kochen.
Sie nahm die Rumflasche aus dem Schrank, um sich einen Grog zu brauen, denn seitdem sie hier an der Küste praktizierte, hatte sie einige Sitten der Einheimischen übernommen, und dazu gehörte entschieden ein steifer Grog bei schlechtem Wetter.
Katja hatte ihren Kittel längst ausgezogen und deckte jetzt den Tisch in der Nähe des großen Kachelofens.
Gerade hatte sie den Zucker in das Glas getan, den Rum eingegossen und griff nach dem Wasserkessel, als die Türklingel anschlug.
Rasch goss sie das Wasser ein und eilte dann zur Tür.
»Was gibt es?«, fragte sie. Draußen stand, in der pechschwarzen Finsternis nur umrisshaft zu erkennen, ein hochgewachsener Mann in Ölzeug. Er hatte die Kapuze über den Kopf gezogen.
»Ich möchte den Arzt sprechen«, verlangte der Mann. »Es ist dringend, beeilen Sie sich!«
Katja Anderson war solch einen Ton nicht gewöhnt. Sie knipste die Lampe in der Diele an und sah in dem schwachen Licht ein hartes, von Wind und Wetter gezeichnetes Gesicht, aus dem heraus tiefblaue Augen sie geradezu böse anstarrten.
»Haben Sie mich nicht verstanden?«, schnauzte der Mann und trat unaufgefordert über die Schwelle des Hauses.
»Sie könnten ruhig etwas höflicher sein.«
»Dazu habe ich keine Zeit. Wo ist der Arzt?«
»Der Arzt bin ich!«, erklärte sie. »Und falls ich Ihnen nicht recht bin, gehen Sie in die Stadt, sie ist nur zwanzig Kilometer entfernt. Dort finden Sie männliche Kollegen genug. Leben Sie wohl.«
Katja ging ins Wohnzimmer zurück, ohne sich um den frechen Menschen zu kümmern, der ihr recht verdutzt nachstarrte. Nachdem er sich von seinem Schreck erholt hatte, dass Dr. med. K. Anderson eine Frau war, folgte er ihr.
Er brauchte schnell einen Arzt, und solch eine langhaarige Person war besser als gar kein Arzt. Als er die Kapuze herunterzog, kam wirres blondes Haar zum Vorschein.
»Es handelt sich um einen Fall von Diphtherie«, sagte der Mann mit heiserer Stimme. »Aber der Weg ist weit.«
»Das spielt keine Rolle. Wo liegt der Patient?«
»Auf Ösesund.«
Katja drehte sich um, die Augen zusammengekniffen.
»Das ist doch eine Insel, nicht wahr? Liegt sie nicht ...?« Sie brach ab, denn zum ersten Mal sah sie den Mann im Licht. »Sie?« Unwillkürlich erblasste sie und trat sie einen Schritt zurück.
»Kennen Sie mich?«, fragte er und betrachtete sie genauer. »Verdammt!«, stieß er dann hervor. »Ausgerechnet Sie! Wo wohnt der nächste Arzt?«
»In der Stadt, das sagte ich doch bereits!«
»Haben Sie einen Wagen?«
»Der ist in Reparatur. Handelt es sich um einen sehr dringenden Fall, Herr Hellweg?«
»Ja. Es geht wahrscheinlich um Leben oder Tod. Der Sohn eines Fischers. Ich glaube, ein Luftröhrenschnitt ist nötig. Ich muss schnellstens zurück!«
»Ich begleite Sie. Warten Sie, ich packe alles Notwendige ein.«
»Sie wollen mitkommen?«, fragte Sven Hellweg. »Es wundert mich, dass Sie sich einem Mörder anvertrauen wollen.«
»Es ist meine Pflicht als Ärztin, Kranken zu helfen.«
Sven Hellweg sah, dass sie neben Schächtelchen und Spritzen auch eine Pistole in die Tasche steckte.
Der Mann verzog den Mund, verzichtete aber auf jeden Kommentar. Er wusste, dass die Welt ihn verurteilt hatte, und ganz besonders Katja Anderson, die damals noch Studentin gewesen war.
»Mörder!«, hatte sie ihn angeschrien, und noch immer war der Klang ihrer Stimme in seinem Ohr.
Beim Packen streifte Katja ihn ab und zu mit einem ängstlichen Seitenblick.
Es stimmte, dass sie sich vor ihm fürchtete. Wenn das Gericht ihn damals auch nicht eingesperrt hatte, galt seine Schuld für sie als erwiesen.
»Ich bin bereit.«
»Sie müssen sich wärmer anziehen«, befahl Sven ihr schroff. »Wir haben mindestens vier Stunden zu fahren, obwohl mein Boot sehr schnell ist. Haben Sie keinen Pelzmantel?«
»Tut mir leid, dazu hat es noch nicht gereicht. Außerdem werde ich schon nicht erfrieren, Herr Hellweg, Sie brauchen keine Angst um mich zu haben.«
»Ich habe keine Angst um Sie, sondern um den Jungen«, berichtigte Sven sie unhöflich. »Eine erfrorene Ärztin nützt ihm nämlich nichts. Los, ziehen Sie sich noch einen zweiten Mantel über, Ihre Stiefel mögen angehen, und Handschuhe werden Sie auch besitzen, hoffe ich.«
»Höflicher geworden sind Sie in den letzten Jahren nicht, Herr Hellweg«, stellte Katja fest.
»Ich kenne Ihre Unbesonnenheit eben zu gut, Fräulein Doktor. Oder muss ich inzwischen Frau Doktor sagen?«
»Wenn Sie wissen wollen, ob ich verheiratet bin: Nein, es hat sich noch niemand gefunden, der es mit mir gewagt hat.«
»Das spricht für die Männer.« Sven schob sie ungeduldig in die Diele hinaus.
»Augenblick noch.« Katja lief ins Wohnzimmer zurück, und Sven sah, dass sie ein paar Zeilen auf einen Zettel schrieb.
»Sie sorgen vor, sehe ich. Aber Sie können unbesorgt sein, Sie werde ich nicht umbringen.«
»Halten Sie es eigentlich für sehr geschmackvoll, ständig auf diese alte Geschichte anzuspielen?«, fragte Katja.
Draußen wurden sie von peitschendem Regen und Sturm empfangen.
Nach einem Augenblick des Zögerns packte Sven ihren Arm und zog sie mit sich fort. Er spürte, dass Katja erschreckt zusammenzuckte, und ein bitteres Lächeln glitt über sein Gesicht.
Auf der kleinen Mole, an der die Fischer ihre Boote vertäuten, wartete das Motorfahrzeug. Es schwankte wild auf und ab, und im ersten Moment zweifelte Katja, dass es ihnen überhaupt gelingen würde hineinzusteigen.
»Haben Sie Angst?« Sven lachte spöttisch. »Aber wer A gesagt hat, muss auch B sagen. Los, springen Sie, oder ich werfe Sie ins Boot!«
Hellweg wies auf das Motorboot, dessen niedriger Bord sich in diesem Moment emporhob.
Er sah aus wie ein Mann, der seine Drohung ausführen würde, und Katja wusste, dass sie niemals einen Menschen mehr gehasst hatte als ihn.
»Gut!« Ein harter Zug der Entschlossenheit prägte ihr schönes Gesicht. Sie nahm all ihren Mut zusammen und sprang.
Sie fiel der Länge nach auf den Boden des Bootes, schlug mit dem Kopf gegen irgendetwas und stieß einen Fluch aus.
»Haben Sie sich wehgetan?«, schrie Sven, der ihr gleich gefolgt war. Ohne ihre Antwort abzuwarten, ließ er den Motor an. Katja lag noch immer auf den Planken und starrte zu ihm empor.
Das Boot schoss von der Mole fort, und Sekunden später war nur noch Nacht um sie herum und ein Mann in Ölzeug, der lachend eine wilde Melodie vor sich hin sang.
Katja stand auf, lehnte sich an die Seitenwand der nach hinten offenen Kajüte und fuhr sich durch ihr klatschnasses Haar.
»Sie sehen aus wie eine Katze, die man gerade aus dem Wasser gezogen hat«, sagte der Mann. »In dem Kasten dort ist ein Handtuch.«
»Ich bin gespannt, ob Sie Ihre Insel tatsächlich finden.«
»Wenn ich sie nicht finde, werden wir beide Fischfutter, teuerste Dame.« Sven grinste sie an. »Ich habe Treibstoff für acht Stunden an Bord, und wenn der verbraucht ist, wird das Boot kentern. Was werden sich die Fische dann freuen, wenn sie so etwas Appetitliches wie Sie zu knabbern bekommen!«
»Sie sind ein Scheusal!«, schrie Katja ihn an. »Ich hasse Sie!«
»Das freut mich«, versicherte Sven ihr. »Was wird Ihr Schatz sagen, liebste Doktorin, wenn er morgen früh kommt und Sie nicht findet?«
»Seit wann ist der Junge krank?«, fragte Katja.
Sven reizte ihren Zorn nicht umsonst, denn er wusste genau, dass er sie um jeden Preis von dem Unwetter ablenken musste. Begriff sie erst einmal, in welcher Lage sie sich befand, konnte sie leicht die Nerven verlieren.
Er gab ihr korrekt Auskunft.
»Einen Arzt haben wir auf unserer Insel nicht, nur eine...




