Ritter Dr. Karsten Fabian - Folge 160
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-7325-2913-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Falsches Spiel auf dem Reiterhof
E-Book, Deutsch, Band 160, 64 Seiten
Reihe: Dr. Karsten Fabian
ISBN: 978-3-7325-2913-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Reitlehrerin Irene Oldehoff findet nach ihrer Ausbildung keinen Arbeitsplatz. Die Chefs wollen Männer, weil sie mit Reitlehrerinnen in der Vergangenheit angeblich häufig Ärger gehabt haben. Auch der Altenhagener 'Rittmeister' Eckehart von Harting bevorzugt männliche Mitarbeiter in seinem Stall. Also bewirbt sich Irene bei ihm mit den Papieren ihres Zwillingsbruders Peter und stellt sich Eckehart als Mann vor.
Tatsächlich bekommt Irene den Job, aber damit fangen ihre Probleme erst an. Denn gleich am ersten Tag verliebt sich eine bildhübsche Schülerin in den sensiblen jungen 'Lehrer' ...
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
»Hallo«, grüßte Peter Oldehoff seine Schwester und legte die Bürste, mit der er gerade ein Pferd striegelte, erwartungsvoll zur Seite. »Hat es diesmal geklappt?«, fuhr er fort, als Irene nicht gleich antwortete.
Dabei las er ihr schon vom Gesicht ab, was sie ihm sagen würde.
»Man bedauert und bedankt sich für meine Bewerbung. Verdammt nochmal, was ist eigentlich mit mir los, dass mich keiner haben will? Ich kann das beste Zeugnis vorweisen, das ein Arbeitgeber sich nur wünschen kann, und trotzdem … Immer entscheidet man sich für einen anderen Bewerber.«
Peter, ein großgewachsener blonder Mann mit tiefgebräuntem Gesicht, lehnte sich lässig gegen die Wand der Boxen. Auf seiner Stirn standen jetzt viele Falten.
»Irgendetwas an meinem Bewerbungsschreiben ist nicht in Ordnung. Nur, was mache ich falsch?«
»Nichts. An deinen Bewerbungen liegt es bestimmt nicht.«
»Nicht mal zu einem Vorstellungsgespräch lädt man mich ein. Was verlangen die Kerle eigentlich mehr, als was ich bieten kann? Ich bin tüchtig, kann hervorragend mit Pferden und Menschen umgehen, bin fleißig, aber das alles genügt nicht, um eine Anstellung als Reitlehrerin zu bekommen. Bei dir hat es damals gleich beim ersten Mal geklappt.«
»Ich bin ja auch ein Mann«, antwortete Peter und grinste schief.
Seine Bemerkung war als Scherz gedacht, aber schon beim Sprechen kam ihm der Gedanke, sie könne vielleicht mehr als nur ein Körnchen Wahrheit enthalten.
Irene erging es ähnlich.
»Du meinst …?«, murmelte sie und schüttelte den Kopf. »Aber wir Frauen sind doch heutzutage gleichberechtigt.«
»So steht es im Gesetz.«
»Wenn du recht hättest … Aber ich habe keine Lust, immer nur zu Hause rumzusitzen und nichts zu tun. Verdammt und zugenäht, ich will endlich eigenes Geld verdienen und dir nicht ewig auf der Tasche liegen!«
»Eine Dame flucht nicht«, belehrte Peter seine Zwillingsschwester.
»Halt die Klappe. Ich habe die Schnauze so voll! Da habe ich nun die lange Ausbildung gemacht, und wofür? Um arbeitslos zu sein.«
Was sollte Peter darauf sagen? Er zuckte resigniert mit den Schultern.
»Du, ich muss weitermachen, jeden Augenblick kann der Besitzer dieses Pferdes kommen, und er wird meckern, wenn es nicht tadellos gestriegelt ist.«
»Seit wann ist das deine Arbeit?«
»Der Stallknecht hat sich mal wieder krankgemeldet. Wahrscheinlich gestern zu tief ins Glas geguckt. Dass der Alte den noch nicht gefeuert hat … Aber er braucht ja auch nicht seine Arbeit zu übernehmen. Das erledigen Sie schon, Oldehoff«, imitierte er die Stimme des Chefs.
»Man müsste sich selbstständig machen können. Mit einem Reitstall ist heutzutage allerhand Geld zu verdienen. Wir würden in den Ferien Kinder bei uns aufnehmen und ihnen das Reiten beibringen …«
»Träume«, äußerte Peter nachsichtig. »Wir haben das Geld nun mal nicht. Empfiehl mir jetzt nicht, ein reiches Mädchen zu heiraten.«
»Woher wusstest du, dass ich genau das sagen wollte?«, fragte Irene wütend, denn nicht im Traum wäre ihr eingefallen, das zu sagen.
Sie glaubte zu wissen, worauf es im Leben ankommt.
»Könntest du nicht mal mit deinem Chef sprechen? Und wenn ich hier nur als Aushilfe arbeiten würde?«
»Glaubst du nicht, dass ich das nicht schon längst getan habe?«
»Und? Ihr braucht doch jemanden, warum …?«
»Er stellt nur Reitlehrer ein, denn nur Männer können richtig mit den Gäulen umgehen. Amen. Was er sagt, stimmt natürlich, denn ihm gehört der Laden, und ein Chef hat bekanntlich immer recht.«
»Das ist eine Diskriminierung, dafür könnte man ihn belangen«, fauchte Irene.
Ihre Wangen überzogen sich mit einer fleckigen Röte, wie immer, wenn sie sich aufregte.
»Er gibt es niemals als Begründung an, wenn er eine Frau als Pferdewirtin ablehnt. Schließlich ist der Mann nicht blöd. Der männliche Bewerber ist eben besser qualifiziert, das ist alles. Und dass die Frau vielleicht die besseren Referenzen hat, spielt keine Rolle. Da hat jemand das Weibsbild nur weggelobt, pflegt er zu sagen, wenn ein Zeugnis besonders gut ausgefallen ist.«
»Vater hat mich damals gewarnt, diesen Beruf zu ergreifen. Hätte ich doch auf ihn gehört. Nur wenn ich mir vorstelle, den ganzen Tag in einem Büro sitzen zu müssen, dann läuft es mir kalt den Rücken runter.«
»Du warst schon als kleines Mädchen eine Pferdenärrin. Lass den Kopf nicht hängen, Kleine, irgendwann wird es schon mal klappen. Nicht alle Männer haben schließlich Vorurteile.«
»Nur wenn sie zufällig Chef sind. Sie haben absolut nichts gegen Frauen, nur in ihrem Betrieb sind sie Störfaktoren. Am liebsten würde ich sie alle in die Luft jagen.«
Peter fing an zu lachen, denn obwohl er Irenes Wut vollkommen verstand, wirkte sie in ihrer Empörung einfach komisch.
»Entschuldige mich jetzt.« Er griff erneut nach der Bürste und setzte seine unterbrochene Arbeit fort.
Irene schlenderte zu einer Futterkiste und setzte sich. Was Peter gesagt hatte, leuchtete ihr ein, wenn sie es auch nicht verstand. Sie konnte genauso gut mit Pferden umgehen wie die meisten Männer. Und nur weil sie eine Frau war … Aber ich bin nun mal eine Frau!
Sie stand auf, weil sie einfach keine Ruhe hatte, länger zu sitzen. »Bis heute Abend dann. Kommst du pünktlich zum Essen?«
»Ich denke schon. Was wirst du denn Gutes kochen?«
»Weiß ich noch nicht.« Irene Oldehoff hastete durch den Mittelgang des riesigen Stalles und schwang sich draußen auf ihr Fahrrad.
Es klapperte tüchtig, als sie über das Kopfsteinpflaster des Hofes fuhr. Ein besseres konnte sie sich nicht erlauben. Das gute Stück stammte noch aus der Jugendzeit ihrer Mutter.
***
In Bremen bewohnten die Zwillinge eine Dreizimmerwohnung in der Nähe des Reitvereins, in dem Peter arbeitete. Eine ganz hübsche Wohnung, aber natürlich ohne Garten. Und ohne die Möglichkeit, ein eigenes Pferd zu halten.
Aber das könnte ich mir sowieso nicht erlauben, machte sie sich klar, als sie die Wohnungstür hinter sich zudrückte. Bis zu ihrer Prüfung vor einem Jahr war sie eine zufriedene junge Frau gewesen, weil ihr Beruf ihr Freude machte. Und dass sie danach nirgendwo eine Anstellung bekommen würde, nein, der Gedanke war ihr wirklich nie gekommen.
Und das alles nur, weil ich eine Frau bin!
Sie ging in die Küche und beschloss, sich erst einmal eine Kanne Kaffee zu kochen. Zu tun hatte sie sonst nichts, die Wohnung war sauber und aufgeräumt, die Fenster hatte sie gestern erst geputzt, obwohl die es eigentlich gar nicht nötig gehabt hätten. Sie hatte sich nur beschäftigen wollen.
Als sie sich die erste Tasse eingegossen hatte, griff sie nach der Tageszeitung und überflog sie verdrossen. Die üblichen Nachrichten über die großen Pläne der Regierung, die von der Opposition selbstverständlich alle abgelehnt wurden.
Schade um die Druckerschwärze und das Papier, dachte Irene.
Die Familienanzeigen überflog sie, sie kannte kaum jemanden in der alten Hansestadt. Dann kamen die Stellenanzeigen. Eine sprang ihr ins Auge, weil sie größer war als die meisten anderen. Ein Reiterhof suchte einen Reitlehrer oder eine Reitlehrerin.
Natürlich meinen die Reitlehrer, dachte sie. Ein verbissener Ausdruck glitt über ihr hübsches, schmales Gesicht. Das dürfen sie nur nicht schreiben. Der Gesetzgeber besteht bei solchen Angeboten auf Gleichberechtigung, und wie es in der Praxis gehandhabt wird, interessiert nicht.
Der Reiterhof lag in Altenhagen, irgendwo in der Lüneburger Heide, sie hatte den Namen nie gehört. Wäre Portoverschwendung, würde ich mich dort bewerben, überlegte sie. Aber vielleicht … vielleicht war dieser E. v. Harting eine Ausnahme? Auch heutzutage gab es noch Wunder, wenn auch nicht mehr so aufregende wie in der Vergangenheit.
Sie legte das Blatt auf den Küchentisch und starrte vor sich hin. Sie hätte alles darum gegeben, einen Job in ihrem Beruf zu finden. Bisher hatte sie alle möglichen Aushilfsstellen angenommen, in einem Restaurant serviert, in der Küche Geschirr abgewaschen und Kartoffeln und Gemüse geputzt, ihr war keine Arbeit zu gering gewesen, wenn sie nur etwas Geld gebracht hatte. Es war demütigend für sie, ihrem Bruder auf der Tasche liegen zu müssen, auch wenn Peter sich nie darüber beklagt hatte. Er war eben ein rundherum feiner Kerl.
Nach der dritten Tasse Kaffee, den sie diesmal besonders stark gekocht hatte, obwohl das keineswegs beruhigend wirkte, kam ihr eine Idee. Eine total verrückte Idee.
Zögernd stand sie auf und ging in ihr Schlafzimmer. In der mittleren Schranktür befand sich ein großer Spiegel. Irene war alles andere als eitel, sie verschwendete keine Zeit mit Make-up oder sonstigen Verschönerungsversuchen ihres Äußeren.
Sie hatte es allerdings auch nicht nötig. Ihre Haut war glatt, ihre Nase gerade, und dadurch sah ihr Gesicht vielleicht ein bisschen streng aus. Ein Dutzendgesicht, stellte Irene selbstkritisch fest. Nicht weiblich genug. Vielleicht müsste ich mir eine andere Frisur zulegen? Aber gerade wenn ich hübsch aussehe, wird jeder Chef glauben, ich brächte nur Unruhe in seinen Laden. Hübsche Frauen haben es an sich, Männer zu Dummheiten zu verleiten. Aber wenn ich …
Sie schüttelte den Kopf, so verrückt war ihre Idee. Trotzdem ging sie jetzt in Peters Schlafzimmer hinüber...




