E-Book, Deutsch, Band 113, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
Ritter Lore-Roman 113
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7517-1957-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Muss unsere Liebe Sünde sein?
E-Book, Deutsch, Band 113, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
ISBN: 978-3-7517-1957-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Für Björn Weihkämper und Sabrina Lindenau ist es die ganz große Liebe. Von der ersten Sekunde an wissen beide, dass sie zusammengehören. Aber ein Schatten lastet auf ihrem Glück, denn Björn ist noch gebunden - gebunden an eine kranke Frau, die seit fünf Jahren in einem Sanatorium lebt und vor sich hin dämmert und die ihren Mann braucht wie keinen anderen Menschen auf der Welt ...
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Muss unsere Liebe Sünde sein?
Ein junger Arzt im Zwiespalt der Gefühle
Von Ina Ritter
Für Björn Weihkämper und Sabrina Lindenau ist es die ganz große Liebe. Von der ersten Sekunde an wissen beide, dass sie zusammengehören. Aber ein Schatten lastet auf ihrem Glück, denn Björn ist noch gebunden – gebunden an eine kranke Frau, die seit fünf Jahren in einem Sanatorium lebt und vor sich hin dämmert und die ihren Mann braucht wie keinen anderen Menschen auf der Welt ...
»Ob ich schon die Kartoffeln aufsetzen soll?« Katharina Lindenaus Worte galten niemanden; wenn sie allein war, hielt sie manchmal Selbstgespräche, ohne es zu merken. »Bloß wenn sie wieder alle zu spät kommen ... Ich werde warten.« Bedauernd verließ Frau Lindenau ihre moderne Küche, auf die sie unglaublich stolz war.
Thomas hatte sie ihr zu Weihnachten geschenkt, eine Einbauküche mit allen Schikanen. Sogar mit einer Geschirrspülmaschine, obwohl sie früher nichts von diesen Dingern gehalten hatte.
Ein guter Junge, der Thomas, sinnierte sie, als sie das Wohnzimmer durchquerte und über den Vorgarten auf die Straße schaute. Ihr Haus war jetzt auch abgezahlt. Nicht, dass die Zinsen in den letzten Jahren eine zu hohe Belastung gewesen wären, aber so ganz ohne Schulden lebte es sich besser.
Sabrina war noch in der Schule, sie hatten dort eine Konferenz, und die zog sich manchmal in die Länge. Schade, dass sie nicht auch Medizin studiert hat wie Thomas, dachte Katharina Lindenau. Aber damals war es nicht möglich gewesen, und außerdem hatte Sabrina es auch nicht gewollt. Sie war zu sensibel für den Beruf. Mit den Kindern in der Schule wurde sie sehr gut fertig, obwohl die ja heutzutage schrecklich wild und meistens sehr unerzogen waren, fand Katharina Lindenau, Sabrina hatte wohl die richtige Art mit ihnen umzugehen.
Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie jetzt den alten Volkswagen sah, der vor dem Haus hielt. Sabrinas Auto. Sie besaß es seit einem halben Jahr und war ungeheuer stolz darauf. Wenn man es nicht weiß, sieht man eigentlich gar nicht, dass sie mit dem rechten Bein Schwierigkeiten hat, dachte die Mutter. Ihr Hinken war wirklich kaum zu sehen.
Sie ging zur Tür und öffnete sie, bevor ihre Tochter noch den Schlüssel aus der Handtasche nehmen konnte.
»Du kommst schon?«, fragte sie lächelnd.
»Ich kann es nicht leugnen, Mutsch. Bin ich zu spät dran? Sind die Kartoffeln etwa zu Matsch gekocht? Dann bitte ich tausendmal um Entschuldigung. Du, ich muss heute noch mal weg ...«
»Schon wieder?«, fragte ihre Mutter und runzelte die Stirn. »Übernimmst du dich nicht, Sabrina? Du musst dich noch schonen, vergiss das nicht. Thomas meint auch ...«
»Ach, lass mich mit den Ärzten zufrieden«, fiel Sabrina ihrer Mutter lachend ins Wort.
Wenn sie lacht, ist sie richtig hübsch, schoss es Katharina durch den Kopf. Eine strahlende Schönheit war ihre Tochter nicht, das musste selbst sie als stolze Mutter zugeben, dafür aber unerhört sympathisch. Irgendwann wird sie auch noch einen Mann finden, heiraten und Kinder bekommen, dachte sie. Heutzutage gab es ja diese Schutzimpfung gegen Kinderlähmung, Sabrinas Kinder würden einmal nicht das Schicksal ihrer Mutter erleiden müssen. Sabrina war sieben Jahre alt gewesen, als die tückische Krankheit sie überfallen hatte. Kein besonders schwerer Fall, hatte es damals geheißen ...
»Was schaust du mich so an, Mutsch?«, fragte Sabrina und blickte an sich hinab. »Ist irgendetwas mit mir nicht in Ordnung?«
»Doch, doch. Ich musste nur an die Zeit denken, als du noch im Rollstuhl gefahren bist.«
»Das liegt Gott sei Dank hinter mir. Hättet ihr mir nicht immer so geholfen ... Aber sprechen wir nicht mehr davon. Das ist vorbei und Vergangenheit. Sind die anderen noch nicht da?«
»Nein. Dein Vater hat angerufen, dass ich ihm sein Essen warmstellen soll, und Thomas ... Du kennst ihn ja. Oft genug vergisst er, mich zu benachrichtigen, wenn er nicht kommen kann. Wo der nur immer mit seinen Gedanken ist.«
»Jedenfalls nicht beim Essen. Schlimm, wo eine warme Mahlzeit doch das Wichtigste vom ganzen Tage ist.«
»Du brauchst dich gar nicht über mich lustig zu machen, Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, und was Thomas und Vater in der Kantine vorgesetzt bekommen ...«
»Würde nicht mal dein Hund fressen, hättest du einen«, meinte Sabrina übermütig. »So schlecht ist das Kantinenessen überhaupt gar nicht, wie du glaubst. Natürlich nicht mit deinem zu vergleichen, aber wer kocht schon so gut wie du? Und nimmt immer nur frische, gute Butter.«
»Sabrina!«, sagte Katharina Lindenau vorwurfsvoll. »Mit Butter schmeckt alles anders, als wenn man Margarine nimmt, das kannst du mir ruhig glauben. Was hast du denn heute Abend noch vor? Triffst du dich wieder mit einem Kollegen, um über einen schwierigen Schüler zu reden?«
»Du hast es erraten.«
»Triffst du dich eigentlich immer mit demselben Kollegen?«, wollte ihre Mutter wissen. »Ist er verheiratet?«
»O Mutter!«
»Das ist keine Antwort. Schließlich mache ich mir so meine Gedanken um dich. Ich kenne mich in der Welt aus, und ...«
»Und deshalb weißt du, was die Männer wollen«, lachte Sabrina. »Ich kenne das, Mutsch, du hast es mir oft genug gesagt. Du brauchst nicht mehr auf mich aufzupassen. Ich kann mir meine Windeln selbst wechseln.«
»Ich finde das gar nicht so spaßig wie du. Durch deine Krankheit ... Die anderen Mädchen sind damals ausgegangen, haben Jungen kennengelernt, während du ...«
»Auch im Rollstuhl habe ich genügend mitbekommen, wenn dich das beruhigt. Sie haben ausführlich erzählt, was sich in ihrem Leben so tut. Ich bin aufgeklärt und glaube nicht mehr an den Klapperstorch.«
»Ja ... Du bist sehr vertrauensselig. Du warst immer behütet, bist kaum einmal von Menschen enttäuscht worden, weil alle Rücksicht auf dich nahmen ...Du brauchst mich gar nicht auszulachen, Sabrina, aber ich habe einfach Angst davor, dass mal ein Mann kommt und dich ausnutzt. Männer wollen ...«
»Geschenkt«, fiel ihr Sabrina ins Wort. »Björn nicht.«
Prompt horchte Katharina auf. »Björn?«, wiederholte sie alarmiert.
Ihre Tochter seufzte abgrundtief.
»Hab ich Björn gesagt?«, fragte sie dann und konnte schon wieder schmunzeln.
»Erzähl mir von ihm. Warum bringst du ihn nicht mal zum Abendessen mit? Schließlich möchten wir ihn auch kennenlernen. «
»Und ordentlich aushorchen. Lass mich in Ruhe, Mutsch. Ich weiß, was ich will. Und ... so weit sind wir noch nicht.«
»Pass nur gut auf dich auf. Verheiratet ist er ja wohl nicht? Aber mit einem verheirateten Mann würdest du dich auch nie einlassen. Ein Kollege? Lebt er noch bei seinen Eltern? Aber die meisten haben ihre eigene Wohnung, wollen unabhängig sein.«
»So fragt man Leute aus. Ich stell mich noch rasch unter die Dusche. Es war heute wieder schrecklich heiß im Lehrerzimmer, und es finden sich immer welche, die dagegen sind, frische Luft reinzulassen. Und wie die wieder gequalmt haben ... Sind für Umweltschutz und alles, aber ihre Lungen pumpen sie mit Gift voll. Und darüber kann man nicht mit ihnen reden. Eigentlich verdammt rücksichtslos, aber ohne Zigaretten kommen sie nicht aus, sagen sie.«
»Warum willst du mir nichts von diesem Björn erzählen?«, fragte Katharina Lindenau hartnäckig. So leicht ließ sie sich nämlich nicht ablenken. »Ich will ja nicht neugierig sein, aber als Mutter habe ich schließlich ein gewisses Recht ...«
Sie konnte nicht weitersprechen, Sabrina legte einfach die Arme um sie und gab ihr einen Kuss auf den Mund.
»Ich geh jetzt ins Badezimmer.«
Voller Sorge schaute Katharina ihrer Tochter nach. Es gab also einen Mann in ihrem Leben, einen Mann, der ihr offenbar sehr viel bedeutete. Und über den sie nicht sprechen wollte und konnte. Warum nicht? Was war da nicht in Ordnung?
Sabrina war für Katharina Lindenau länger Kind gewesen als etwa Thomas. Sie hatte immer besondere Aufmerksamkeit gebraucht. Und sie hatte nie Geheimnisse vor ihrer Mutter gehabt. Auch nicht, während sie studierte. Anfangs noch im Rollstuhl. Es war trotz allem eigentlich eine schöne Zeit, sinnierte sie, während sie gleichzeitig seufzte. Björn ...
Ob Thomas etwas von diesem Björn weiß? Die Geschwister verstanden sich besonders gut, trotz des großen Altersunterschiedes. Thomas hatte sich rührend um seine behinderte Schwester gekümmert. Er hatte ihr immer wieder Mut gemacht, wenn Sabrina verzweifeln wollte. Er hatte darauf geachtet, dass sie all die schmerzhaften, gymnastischen Übungen machte, die der Arzt ihr angeraten hatte. Ihm wird sie alles erzählt haben, und Thomas muss mir sagen, was mit diesem Menschen los ist, dachte die Mutter. Hoffentlich kam er heute pünktlich zum Essen. Oft genug blieb er länger in der Klinik, wenn ein Unfallopfer...




