E-Book, Deutsch, Band 134, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
Ritter Lore-Roman 134
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7517-3528-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Zwei Herzen und ein Grafenschloss
E-Book, Deutsch, Band 134, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
ISBN: 978-3-7517-3528-5
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Komtess Katja und der Förstersohn Norbert Benkenstein kennen sich seit Kindertagen. So manches Mal haben sie Braut und Bräutigam gespielt und sich das Versprechen gegeben, später einmal wirklich zu heiraten. Doch dann kam Katja in ein Internat, und die Jugendgespielen sahen sich viele Jahre nicht mehr. Nun aber ist Katja heimgekehrt, eine schöne, stolze junge Dame, deren Anblick Norberts Herz mit leidenschaftlicher Sehnsucht erfüllt. Die Komtess aber blickt über ihn hinweg, als hätten sie sich nie gekannt. Hat sie denn ganz vergessen, was sie sich einst versprachen?
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Zwei Herzen und ein Grafenschloss
Schicksalsroman um ein vergangenes Versprechen
Von Ina Ritter
Komtess Katja und der Förstersohn Norbert Benkenstein kennen sich seit Kindertagen. So manches Mal haben sie Braut und Bräutigam gespielt und sich das Versprechen gegeben, später einmal wirklich zu heiraten. Doch dann kam Katja in ein Internat, und die Jugendgespielen sahen sich viele Jahre nicht mehr. Nun aber ist Katja heimgekehrt, eine schöne, stolze junge Dame, deren Anblick Norberts Herz mit leidenschaftlicher Sehnsucht erfüllt. Die Komtess aber blickt über ihn hinweg, als hätten sie sich nie gekannt. Hat sie denn ganz vergessen, was sie sich einst versprachen?
Mein geliebter Norbert!
Ich bin furchtbar traurig und habe viel geweint. Warum nur hat mir Papa verboten, Dich wiederzusehen? Mit den anderen mag ich nicht spielen. Meine Rechenaufgaben sind fast immer falsch, seitdem Du mir nicht mehr dabei hilfst. Denkst Du auch so viel an mich? Du musst bestimmt auf mich warten, hörst Du? Ich werde Dich später heiraten. Ich verspreche es Dir.
In unwandelbarer Liebe
Deine Katja.
Die kleine Komtess war mit ihrem Werk zufrieden. Norbert würde sie bestimmt verstehen. Wie viel Mühe doch solch ein Liebesbrief kostete! Erst beim achten Versuch war er ihr gelungen.
Noch einmal glitten ihre schlanken Finger zärtlich über das weiße Büttenpapier, dann verschloss sie ihr folgenschweres Bekenntnis schnell in einem wappengeschmückten Kuvert.
»So spät noch bei Schularbeiten?«
Katja hatte ihren Vater nicht kommen hören. Wie eine ertappte Sünderin stand sie nun mit gesenktem Kopf vor ihm.
»Für wen ist der Brief bestimmt?«, fragte Graf Tessnow eisig.
»Der Brief?«, wiederholte Katja hilflos. Eine verräterische Röte schoss ihr ins Gesicht.
»Mach kein Theater! Gib her!«
Im nächsten Augenblick hatte er das Kuvert bereits ergriffen und aufgerissen. »Mein geliebter Norbert«, las er halblaut vor.
»Nein!«, schrie Katja verzweifelt. »Das darfst du nicht tun!« Vergeblich versuchte sie, ihm den Brief zu entwinden.
»Ach, so ist das«, murmelte der Graf. Er zerriss den Bogen und warf die Fetzen in den Papierkorb. Dann wandte er sich gelassen an seine Tochter.
Katja war auf einen Stuhl gesunken. Sie schluchzte.
»Ich will dir einmal etwas sagen, mein Kind.«
Seine Stimme klang kühl und keineswegs väterlich.
»Diese dumme Geschichte mit dem Benkenstein schlag dir ein für alle Mal aus dem Kopf. Ein Försterbub ist kein Umgang für die Komtess Tessnow. Du bist meine einzige Tochter und Erbin. Für dich kommt später nur einmal eine standesgemäße Partie infrage. Hast du mich verstanden? Hier verwilderst du noch völlig. Ich werde dich in ein Schweizer Internat schicken.«
Katja glaubte zu träumen. Das konnte nicht wahr sein! »In ein Internat?«, wiederholte sie unter Tränen. »Papa, bitte, lass mich hierbleiben! Das kann doch nicht dein Ernst sein. Ich will nicht fort.«
»Komm jetzt zum Essen!«, entgegnete er ungerührt. »Vergiss nicht, dir vorher die Hände zu waschen! Wir können später noch über diese Angelegenheit sprechen.«
Er wandte sich abrupt ab und verließ den Raum.
***
Bereits wenige Tage später waren Katjas Koffer gepackt. Vergeblich hatte sie versucht, sich gegen den Willen ihres Vaters aufzulehnen. Auch alles Bitten von Frau Henriette, die sich nicht so lange von ihrer Tochter trennen wollte, hatte nichts genutzt.
»Vergiss nicht, Liesel jeden Morgen Zucker zu geben, Mama«, stammelte Katja mühsam beherrscht. »Und ... und sag ihr, in den Ferien würde ich sie wieder reiten. Und wenn Anka Junge bekommt, dann ... dann bin ich gar nicht hier. Und mein Hansi, was wird aus dem?«
»Ich werde schon auf alle aufpassen«, tröstete die Gräfin und streichelte liebevoll über Katjas Blondschopf. »Schau, mein Kleines, die Zeit geht schnell vorbei. Bald wirst du wieder bei uns sein. Und – und im Internat sind auch viele Mädchen in deinem Alter. Du wirst bestimmt viel Spaß haben.«
Henriette von Tessnow nahm die erste »Liebe« ihrer kleinen Tochter nicht so schwer. Es war eben eine Kinderschwärmerei. So etwas ging vorüber wie Keuchhusten oder Masern ...
In der Nacht vor der Abfahrt stieg Katja heimlich aus dem Fenster ihres zu ebener Erde gelegenen Schlafzimmers und huschte lautlos davon. Norbert, dachte sie sehnsüchtig. Sie musste noch einmal zu ihm. Wie gespenstisch die Äste im Mondlicht wirkten! Sie schauderte. Der Wald schien von einem geheimnisvollen Leben erfüllt.
Endlich erreichte sie die kleine Lichtung. Gottlob, im Forsthaus war man noch auf! Hexe begann zu kläffen, als sie näherkam. Dann wurde die Tür geöffnet.
»Wer ist da?«, fragte eine dröhnende Bassstimme.
»Ich bin es nur, Katja«, flüsterte das Mädchen. »Ich ... ist Norbert noch ... kann ich ihn sprechen? Ich muss morgen fort. In die Schweiz.«
»Um Gottes willen, Kind«, sagte die Förstersfrau entsetzt, die inzwischen hinzugekommen war. »Du kannst dir ja den Tod holen in diesem dünnen Fähnchen. Komm schnell herein! – Norbert, Besuch für dich!«
Der Junge sprang, drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe herunter.
»Du!« Er packte Katja an beiden Schultern und schüttelte sie in unbeholfener, rauer Herzlichkeit.
Aufschluchzend presste die Komtess beide Hände vors Gesicht. Ihrem Gestammel konnte man nur mit Mühe entnehmen, was damit gemeint war.
»Verdammt«, stieß Norbert hervor. »Aber du hast ja Ferien. Dann treffen wir uns jeden Tag. Es wird bestimmt wieder alles gut. Wenn ich erst selbst Förster bin, Katja, dann –«
»Jaja, mein Junge, schon recht«, unterbrach ihn der Vater. »Aber ich glaube, es ist besser, wenn die Komtess jetzt schleunigst ins Schloss zurückgeht. Man könnte sie vermissen. Ich werde Katja nach Hause bringen.«
»Nein, Vater«, kam es bestimmt zurück. »Das besorge ich selbst.«
Und ehe die verdutzten Förstersleute noch etwas erwidern konnten, hatte Norbert mit seiner Jugendgespielin bereits das Haus verlassen.
»Geh ihnen nach«, sagte Frau Käthe besorgt zu ihrem Mann. »Mein Gott, diese Kinder! Wenn die Katja bloß keine Komtess wäre!«
Förster Benkenstein angelte umständlich nach seinem Lodenumhang.
»Ja, du hast recht, Mutter«, seufzte er. »Ist schon ein Kreuz. Aber der Norbert ist goldrichtig. Aus dem wird noch einmal was, glaub mir. Wo sind denn meine Schnürstiefel?«
Norbert hatte fürsorglich den Arm um seine kleine Freundin gelegt. Ihm war höchst seltsam zumute. Am liebsten hätte er geheult. Aber das gehörte sich nicht für einen Mann!
»Wirst du mich auch nicht vergessen?«, fragte Katja und wischte sich energisch über die Augen.
»Nie, das schwöre ich dir.« Norbert hob die Rechte empor. »Ich werde tüchtig lernen, und wenn ich selbst Geld verdiene, dann heiraten wir – ob dein Vater will oder nicht.«
»Ach, wäre es doch schon so weit!«, seufzte die Komtess. »Ich habe solche Angst, dass du mich vielleicht doch vergisst. Die Wally, die ... die guckt dich immer so komisch an. Ich glaube, die will dich auch heiraten.«
»Die kann mir gestohlen bleiben«, kam es im Brustton tiefster Überzeugung zurück. »Du wirst meine Frau und keine andere. Ich werde dich immer beschützen. Du brauchst keine Angst zu haben.«
Nach diesem feierlichen Gelöbnis half der jugendliche Kavalier der Dame seines Herzens hinauf zum Fenstersims. Ein letztes Winken, noch eine Kusshand – dann war die Komtess verschwunden.
Lange starrte Norbert auf ihr Fenster. Ein Würgen saß in seiner Kehle. Warum nur musste Katja plötzlich fort? Er verstand die Welt nicht mehr! Da legte sich beschwichtigend eine Hand auf seine Schulter.
»Lass es jetzt gut sein! Komm nach Hause, mein Junge!«
***
Jahre waren vergangen. Norbert hatte sein Studium mit Auszeichnung abgeschlossen. Der junge Forsteleve sah blendend aus: hochgewachsen, stattlich, selbstsicher im Auftreten.
»Willkommen daheim«, empfing ihn der Bahnhofsvorsteher an der kleinen Station. »Na, das ist aber eine Freude, Herr Benkenstein! Und wie Sie sich herausgemacht haben! Ich muss schon sagen – da wird wohl manches Mädchenherz höherschlagen!«
Norbert wollte eben eine scherzhafte Antwort geben, da vernahm er plötzlich eine ihm wohlvertraute, liebliche Stimme.
»Würden Sie mir bitte helfen?«
Wie elektrisiert fuhr er herum und sah – Katja. Aus einem Abteil erster Klasse winkte sie dem Bahnbeamten zu. Mein Gott, wie schön sie geworden war! Hingerissen blickte Norbert auf die grazile Gestalt, die jetzt leichtfüßig vom Trittbrett sprang. Ob sie ihn erkannt hatte?
»Die Komtess!« Mit diesem Ausruf eilte der Vorsteher auf Katja von Tessnow zu und nahm beflissen ihr Gepäck in...




