E-Book, Deutsch, Band 90, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
Ritter Lore-Roman 90
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7517-0492-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aber die Eltern waren dagegen Teil 1
E-Book, Deutsch, Band 90, 64 Seiten
Reihe: Lore-Roman
ISBN: 978-3-7517-0492-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Als Tochter des angesehenen Hamburger Senators Döhring führt Viktoria ein Leben ohne Sorgen. Nur zum Zeitvertreib studiert sie Kunstgeschichte, ansonsten amüsiert sie sich im Segel- und Tennisclub. Mit dem Fabrikantensohn Peter Fahlbusch ist sie so gut wie verlobt. Viktoria glaubt, er sei die beste Wahl: solide, tüchtig und aus gediegenem Hause.
Sicher wäre ihr Leben weiter in den vorgezeichneten Bahnen einer höheren Tochter verlaufen, hätte ihr Vater anlässlich einer Feier nicht eine kleine Tanzkapelle engagiert. Denn einer der jungen Musiker erobert Viktorias Herz.
Für die Gesellschaft ist ihre Liebe ein Skandal, für ihre Eltern eine Tragödie ...
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Aber die Eltern waren dagegen
War er nur ein Mitgiftjäger?
Von Ina Ritter
Als Tochter des angesehenen Hamburger Senators Döhring führt Viktoria ein Leben ohne Sorgen. Nur zum Zeitvertreib studiert sie Kunstgeschichte, ansonsten amüsiert sie sich im Segel- und Tennisclub. Mit dem Fabrikantensohn Peter Fahlbusch ist sie so gut wie verlobt. Viktoria glaubt, er sei die beste Wahl: solide, tüchtig und aus gediegenem Hause.
Sicher wäre ihr Leben weiter in den vorgezeichneten Bahnen einer höheren Tochter verlaufen, hätte ihr Vater anlässlich einer Feier nicht eine kleine Tanzkapelle engagiert. Denn einer der jungen Musiker erobert Viktorias Herz.
Für die Gesellschaft ist ihre Liebe ein Skandal, für ihre Eltern eine Tragödie ...
»So viele Blumen«, seufzte Else, als ein Bote einen Riesenstrauß abgab.
Wohin man schaute, standen Blumen in Vasen und schöne Blattgewächse. Es sah aus wie im Verkaufsladen einer großen Gärtnerei.
Sie drückte dem Boten ein Trinkgeld in die Hand und schaute sich suchend nach einer leeren Vase um. Es gab keine mehr, jedes Gefäß, sogar die Scheuereimer waren schon mit Blumen gefüllt.
Das Jubiläum der Firma Döhring war ein Ereignis, das allgemein beachtet wurde. Der Strom der Besucher, die zum Gratulieren kamen, riss nicht ab, und der Chef des Hauses, Bernhard Döhring, massierte sich verstohlen seine Rechte, die ihm vom vielen Händeschütteln schmerzte. Aber sein Gesicht strahlte. Nie hatte das Werk so gut fundiert dagestanden wie jetzt. Der verlorene Krieg mochte ein Unglück für das Volk sein, für ihn hatte er sich zum Segen ausgewirkt.
Seine Villa in Blankenese, ein Neubau mit zehn Zimmern und der riesigen, aber dennoch ungemein gemütlichen Halle, zeigte, dass er nicht nur zu verdienen, sondern auch zu leben verstand. Er verkörperte den Typ des Erfolg gewohnten hanseatischen Geschäftsmannes, der überall in der Welt größtes Ansehen genießt. Er hatte es nicht nötig, dunkle Geschäfte zu machen; aufgewachsen in der Tradition seines Hauses, wäre ihm der Gedanke übrigens auch niemals gekommen. Man hatte in Hamburg keine Adelstitel, aber keiner der alten Patrizier hätte seinen geachteten und angesehenen Namen durch irgendein lächerliches »von« entstellen lassen. Man wusste, wer man war. Und man brauchte seine Stellung nach außen hin nicht durch Titel zu dokumentieren. Man war zwar Senator oder Konsul, aber diese Bezeichnungen hingen eng mit der Arbeit zusammen.
»Alles für den Abend vorbereitet, Else?«, fragte er seine Köchin.
Else arbeitete seit etwa fünfzehn Jahren im Hause; sie war vierzehn Jahre alt gewesen, als Frau Ottilie sie damals einstellte.
»Jawohl, Herr Senator. Hoffentlich sind die Musiker pünktlich. In der Küche wird alles klappen. Die Getränke sind ja gestern schon gekommen, und die kalten Platten stehen alle in der Küche. Meinetwegen könnte es gleich losgehen ...«
»Meinetwegen nicht«, erwiderte der alte Herr. »Ein halbes Stündchen möchte ich noch zum Verschnaufen haben, bevor wir unter uns feiern. Ist Fräulein Viktoria fertig umgezogen?«, fragte er, denn er wusste, wie viel Zeit seine beiden Damen brauchten, um sich hübsch zu machen.
»Ich glaube schon. Das Kleid ist ja wunderschön, Herr Senator.«
»So?«, fragte Bernhard Döhring ohne Interesse.
»Aber sie ist fertig, Vater.« Unbemerkt hatte seine Tochter die Halle betreten. »Ich wünschte, wir hätten den ganzen Salat erst hinter uns.«
Else schaute geradezu andächtig auf die junge Dame, die in dem weißen Seidenkleid mit dem weiten Rock wunderschön aussah. Ihre rosigen Wangen und ihre strahlend blauen Augen verliehen ihr einen wunderbaren Zauber. Sie wirkte völlig unbeschwert, war aber trotz des väterlichen Reichtums nicht verzogen, sondern vollkommen natürlich und schlicht geblieben. Und außerdem, das imponierte Else am meisten, hatte sie das Abitur gemacht und studierte jetzt sogar.
Der Vater runzelte allerdings kaum merklich die Stirn.
»Mir scheint, das Kleid gefällt dir nicht«, stellte seine Tochter fest. »Was hast du daran auszusetzen? Ist dir der Ausschnitt zu tief? Ich bin kein Kind mehr, und außerdem ist er wirklich nicht zu tief.«
»Man trägt es heutzutage so«, hieb Else in ihre Kerbe. »Also, ich finde Sie entzückend, Fräulein Viktoria. Man wird sich um Sie reißen, wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf.«
»Die alten Herrschaften?« Viktoria zuckte die Schultern. »Heute wird nicht gefeiert, heute werden Reden geschwungen und Toaste ausgebracht. Ich kann mir etwas Angenehmeres vorstellen. Na ja, muss wohl sein.«
»Immerhin wird Herr Fahlbusch versuchen, dich zu unterhalten.«
Vater Bernhard schmunzelte versteckt, denn es war sein Lieblingswunsch, dass der junge Fahlbusch und seine Tochter ein Paar werden würden.
Es sah übrigens ganz so aus, als würde sein Wunsch in Erfüllung gehen, denn der junge Mann bemühte sich auffällig um seine Tochter, und der Vater hatte nicht den Eindruck bekommen, als wären seiner Viktoria Fahlbuschs Bemühungen unsympathisch.
»Sie werden sich schon gut unterhalten«, glaubte Else, sie trösten zu müssen. »Hoffentlich kommen die Musiker pünktlich. Ich weiß nicht, ich halte nicht viel von solchen Leuten. Künstler und so ...«
»Künstler«, wiederholte Viktoria verächtlich.
Dieses eine kurze Wort verdammte die drei jungen Männer, die der Vater für den heutigen Abend engagiert hatte. Sie schätzten gute Musik, übrigens auch gute Tanzmusik, aber drei unbekannte junge Leute ... man würde sie kaum als Künstler bezeichnen dürfen. Im Übrigen würde auch dieser Abend vorbeigehen; sie wünschte nur, er wäre schon vorbei.
»Wie in Planten und Blomen«, wechselte Viktoria das Thema und wies mit einer weiten Handbewegung auf die Blumen in der Halle. »Man könnte fast meinen, hier findet eine große Beerdigung statt. Du müsstest dich bald umziehen, Vater, auch wenn du nicht viel vom Frack hältst.«
»Ist schrecklich unbequem, das Ding«, stimmte der Chef der Firma Döhring ihr seufzend zu.
Der Abend entwickelte sich so, wie Viktoria es befürchtet hatte. Die älteren Herrschaften überwogen bei Weitem, nur wenig Jugend hatte die Ehre einer Einladung erhalten. Die jungen Leute tanzten in einem größeren Nebenraum nach den Klängen der Musik, die die drei Männer produzierten.
Künstler waren sie tatsächlich nicht. Viktorias Vermutung stimmte genau. Sie spielten moderne Rhythmen, aber Viktorias verwöhnten Ansprüchen genügten sie keineswegs.
»Können Sie nicht einmal einen vernünftigen Foxtrott spielen?«, fragte sie ein wenig verdrossen den jungen Chef der drei, ohne sich die Mühe zu machen, ihn anzuschauen.
»Selbstverständlich, gern. Haben Sie einen besonderen Wunsch?«
Der Mann besaß eine äußerst angenehme Stimme. Viktoria stutzte und betrachtete ihn. Vielleicht war es nicht gerade höflich, einen fremden Menschen so anzustarren, aber irgendwie gehörten diese Leute schließlich zu einer Kategorie, bei der man die üblichen gesellschaftlichen Konventionen nicht allzu genau beachten musste.
Etwas Ähnliches schien übrigens auch der Mann zu denken, denn der Anflug eines amüsierten Lächelns huschte blitzschnell über sein Gesicht, bevor er sich bemühte, ernst auszuschauen. Ganz gelingen wollte es ihm nicht, in seinen Augen saß der Schalk.
Viktoria fühlte sich durchschaut, und sie brachte es auf reizende Art und Weise fertig, zu erröten. Und ärgerte sich natürlich darüber, denn vor solch einem Menschen brauchte sie, Viktoria Döhring, sich bestimmt nicht zu schämen.
»Spielen Sie irgendetwas«, warf sie dem jungen Mann fast schroff hin und drehte ihm den Rücken zu.
Peter Fahlbusch, ihr Tänzer, hatte das kleine Intermezzo beobachtet und runzelte die Stirn.
»Der Mann gefällt mir nicht«, teilte er der jungen Dame verdrossen mit. »Was diese Leute sich heutzutage nur so einbilden.«
»Immerhin hatte ich ihn angestarrt wie ein Zirkuspferd«, nahm Viktoria den Musiker in Schutz.
»Er hat kein Recht, sich über eine Dame zu mokieren«, widersprach Fahlbusch heftig.
Er trug seinen Namen übrigens mit vollem Recht, denn alles an ihm war fahl, seine Haarfarbe, die Gesichtshaut, sogar seine Augen wirkten, als seien sie im Laufe der Zeit übermäßig beansprucht worden und abgenutzt.
Sein Äußeres täuschte; er war alles andere als ein Durchschnittsmann, und in eingeweihten Kreisen schätzte man seine Geschäftstüchtigkeit und die Art, wie er sich durchzusetzen verstand.
»Und spielen tut er außerdem noch schlecht«, fuhr Peter fort. »Ich möchte nur einmal wissen, was diese Leute den ganzen Tag tun. Üben bestimmt nicht«, fügte er schulterzuckend hinzu.
Eine Drehung während des Tanzes erlaubte es Viktoria, den Mann zu betrachten....




