Ritter | Wiener Hochzeitsmord | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 272 Seiten

Reihe: Kriminaloberinspektor Otto W. Fried

Ritter Wiener Hochzeitsmord

Kriminalroman aus dem Jahr 1912
2024
ISBN: 978-3-8392-7012-7
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman aus dem Jahr 1912

E-Book, Deutsch, Band 1, 272 Seiten

Reihe: Kriminaloberinspektor Otto W. Fried

ISBN: 978-3-8392-7012-7
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Wien 1912. Kurz nach einer Hochzeit in der Wiener Stanislaus-Kostka-Kapelle wird der Priester tot aufgefunden. Schnell stellt sich heraus: Er wurde ermordet. Da eine wertvolle Petrus-Statue verschwunden ist, drängt sich der Verdacht eines Raubmords auf. Kriminaloberinspektor Fried hat als Vater der Braut ein sehr persönliches Interesse daran, den Fall schnell aufzuklären. Seine Ermittlungen entwickeln sich zu einer Reise in die Vergangenheit des Priesters - in jene Zeit, als er noch kein Geistlicher war.

Ritter Wiener Hochzeitsmord jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Erstes Kapitel:
28. Juni
Dr. Otto W. Fried saß zufrieden an einem kleinen Ecktischchen in seinem Stammcafé am Graben im Trattnerhof und blätterte unaufmerksam in der Freitagsausgabe der Neuen Freien Presse. Er hatte sein Büro im »Institut der k. u. k. Polizeiagenten« wie jeden Freitag kurz nach 12 Uhr verlassen. Mittag ist Mittag und früher Dienstschluss war am Freitag sowieso. Da führte ihn sein Weg fast immer direkt in sein Café. Dass die österreichisch-ungarische Monarchie nunmehr im Stande war, über zwei Millionen Soldaten in einen eventuellen Krieg zu schicken, überlas er ebenso wie die Meldungen aus dem Reichsrat, wo unter anderem auch ein neues Wehrgesetz debattiert wurde. Recht kriegerische Töne in doch so friedlichen Zeiten. Die Schlagzeilen und Textblöcke zogen an seinen Augen vorüber wie welke Blätter im Herbstwind. Auch wenn er sah, was da vor ihm geschrieben stand, er nahm es nicht bewusst wahr. Zu sehr badete er in dem Gefühl der Zufriedenheit. Morgen wäre es endlich so weit. Morgen Vormittag würde seine Tochter endlich einen Mann heiraten, den sie verdiente. Sie verdienten sich gegenseitig. Davon war Dr. Fried überzeugt und seine selbstständige, ja eigensinnige Tochter war es erst recht. Zugegeben, Maximilian Ritter von Becker war knapp drei Jahre jünger als seine künftige Ehefrau, aber Amalia hatte sich eben überdurchschnittlich viel Zeit gelassen, bis sie sich für einen Mann entschied. Dass sie schließlich diesen intelligenten und aufstrebenden Ingenieur in der Generalinspektion der österreichischen Eisenbahnen erhört und ihn eines Tages ihrem Vater vorgestellt hatte, empfand Dr. Fried bis heute als riesiges Glück. Er hatte sich schon beinahe mit dem Gedanken abgefunden gehabt, dass Amalia unverheiratet bleiben würde. Ihr Studium hatte sie als entschlossene junge Frau relativ zügig absolviert und sich den Titel eines Doctor philosophiae redlich verdient. Doch ein Mann schien weit und breit nicht in Sicht. Bis sie sich mit Maximilian Ritter von Becker zum Nachmittagstee ansagte. Dr. Fried faltete die Zeitung zu einem kleinen Päckchen zusammen und legte es auf dem Nebenstuhl ab. Herr Johann, ein Kellner, von dem Dr. Fried nicht wusste, ob er diesen Namen wirklich trug oder ihn nur als Berufspseudonym verwendete, sah dies aus dem Augenwinkel und zog die Stirn missbilligend in Falten. Dr. Fried faltete die Zeitungen, die er las, stets zu tatsächlich außergewöhnlich kleinen Paketen, ja er drückte und quetschte sogar nach, damit sie ja hielten und sich nicht wieder öffneten. Herr Johann hatte sich fatalistisch damit abgefunden, dass sein Stammgast die Zeitungen aus der Lesehalterung herauslöste und freihändig las. Aber dass er sie dann noch derart malträtierte, ging eindeutig zu weit. Doch wie sagt man es einem Stammgast? Gar nicht. Man bedenkt ihn immer und immer wieder mit einem vielsagenden Blick. Dass das im Falle Dr. Frieds nicht ausreichte, musste Herr Johann in Erweiterung seines Fatalismus einsehen. Dr. Fried bekam von der Not des Kellners nichts mit, denn er war in Gedanken versunken. Er war sich sicher, Max würde seinen Weg machen. Seine Familie war gut bekannt mit dem Eisenbahnminister Zdenko von Forster zu Philippsberg, dessen zweite Amtszeit Ende des vergangenen Jahres begonnen hatte. Er war es auch gewesen, der den jungen Mann ins Ministerium geholt hatte, wo er ihn der externen Dienststelle der Generalinspektion zuwies. Als technisch versierter Fachmann hatte sich Becker schnell die Anerkennung seiner Kollegen erarbeitet. Dr. Fried blickte auf seine Taschenuhr, die er in seiner Weste verstaut und mit einer Kette gesichert hatte. Kurz vor 15 Uhr. Er war feierlicher als sonst angezogen, denn er wollte ein abschließendes Gespräch mit dem Priester führen, der morgen die Trauung vornehmen würde. Und die kleine Kapelle wollte er inspizieren, ob alles so vorbereitet war, wie er es bestellt hatte. Der Blumenschmuck, die große Kerze … Die Kollegen hatten seinen gehobeneren Kleidungsstil an diesem Tag wohl bemerkt, aber niemand hatte es gewagt, nachzufragen. Der Chef wusste solche privaten Vertraulichkeiten nicht zu schätzen. »Herr Johann!«, rief Dr. Fried mit gedämpfter Stimme und wackelte mit dem Zeigefinger in der Luft. Herr Johann zog die Nase hoch und blickte auf den Gast hinab. »Sofort, Herr Regierungsrat«, murmelte er, gerade laut genug, dass Dr. Fried ihn hören konnte. Herr Johann war als Kellner aus dem alten Café Schrangl übernommen worden, das vor dem Abriss des alten Trattnerhofes Dr. Frieds Stammkaffeehaus gewesen war. Nun war es eben das Grabencafé in dem modernen Doppelbau, den sie auf dem altehrwürdigen Graben errichtet hatten. Ja, man musste mit der Zeit gehen, und so hatte Dr. Fried eines Tages für sich beschlossen, dass ihm die neue Architektur des Rudolf Krausz gefiel. »Da hat uns der böhmische Architekt was dahergestellt«, hatte Dr. Fried sich kritisch gezeigt, als er das Café zum ersten Mal nach der Wiedereröffnung besuchte. Herr Johann, zu dem er es sagte, hatte nur den Kopf geschüttelt und gemeint: »Hauptsach’, unser Café gibt’s noch!« Damit war eigentlich alles zum Ausdruck gebracht. »Sofort, sofort«, klang Herrn Johanns Stimme nach, als er mit einigen Tassen und Tellern auf dem Unterarm um die Ecke verschwand. Klirren und Klingen von Porzellan und Besteck stach durch den Gästeraum. Dr. Fried griff noch einmal nach der Neuen Freien Presse, legte sie aber gleich wieder auf den Stuhl zurück, ohne sie geöffnet zu haben. Er konnte sowieso keinen anderen Gedanken mehr fassen als jenen an seine geliebte Tochter im weißen Kleid. Um den Hals das Collier, das er seinerzeit seiner Frau geschenkt hatte. Amalia hatte ihm versprechen müssen, es zu tragen. Amalias Mutter war eine besondere Frau gewesen. Nicht nur, weil sie die oft ausufernden Arbeitszeiten ihres Mannes stoisch ertragen hatte. Umso bedauerlicher war es, dass sie es jetzt nicht mit ihm miterleben und genießen konnte, dass er als Vorgesetzter einer ganzen Truppe seine festen Bürozeiten hatte, und nicht, wie früher, in den Außendienst geschickt wurde, wann immer die Umstände danach riefen. Dr. Fried hatte seine Frau geliebt. Bis zum letzten Atemzug, den sie vor nun schon über zehn Jahren in ihrem gemeinsamen Ehebett gemacht hatte. Er hatte den Arzt fortgeschickt, nachdem klar gewesen war, dass dieser nichts mehr für sie tun konnte. Ein alter Schulfreund war der Arzt, von der Anteilnahme selbst ziemlich mitgenommen, aber in seiner medizinischen Zuverlässigkeit unantastbar. Es ergab keinen Sinn, durch die letzten Stunden mussten sie alleine durch, der Ehemann und seine Frau. Die Tochter, die damals an der Schwelle zur jungen Frau stand, hatte er bei einer Tante untergebracht mit dem Versprechen, sie sofort zu holen, wenn es »so weit« war. So weit war es dann irgendwann tief in der Nacht gewesen. »Sofort!« Herr Johann eilte an Dr. Fried vorbei, als wäre ein bissiger Hund hinter ihm her. Auf einem Tablett balancierte er ein Wiener Schnitzel mit dem obligatorischen Erdäpfel-Vogerl-Salat und ein großes Bier. »Gleich bei Ihnen, Herr Regierungsrat!« Obwohl sich alles verändert hatte – der Häuserblock, das Kaffeehaus, ja die ganze Stadt –, war neben der Bedienung die Küche im Grabencafé die alte geblieben. Gut wie eh und je. Auch das hatte Dr. Fried die Umstellung und die Akzeptanz der neuen Zeiten erleichtert. Wien war ja längst nicht mehr das, was es noch vor wenigen Jahrzehnten gewesen war. Dr. Fried hatte die Stadt von Kindesbeinen an als sich stetig wandelnde Baustelle kennengelernt. Er war etwa zwei Jahre alt gewesen, als der inzwischen hochbetagte Kaiser die Stadtmauern hatte schleifen lassen. Baustellen sind Abenteuerplätze für Kinder, zugleich sind sie verbotene Zonen – zu gefährlich, wie einem die Eltern und die Obrigkeit mit der ernsten Miene der Untersagung sagten. Seit damals wuchsen eindrucksvolle Gebäude auf den frei gewordenen Flächen und auch vor dem Herzen der Stadt machte der Umbruch nicht halt. Ja, Dr. Fried hatte sich daran gewöhnt und wehrte sich zugleich innerlich dagegen – eine echte Wiener Seele eben. »Herr Johann!«, rief er erneut, als der Kellner an ihm vorbeihuschte, diesmal ließ er seine Stimme etwas vorwurfsvoll klingen. »Herr Regierungsrat wollen zahlen?«, fragte Herr Johann, machte aber keine Anstalten, an Dr. Frieds Tisch zu kommen. »Jjjjjja«, schickte Dr. Fried seinen Wunsch gedehnt hinter dem schon wieder im Küchenbereich verschwindenden Kellner her. Die Baustellen seiner Kindheit. Sie waren ihm Reiz und Gefahr zugleich gewesen. Vielleicht hatten sie ihn dazu gebracht, sich für den Beruf des Polizisten zu begeistern? Seine Eltern hatten sich zwar eine Beamtenlaufbahn für ihn vorgestellt, aber vielleicht nicht gerade so eine. Keine mit Kontakt zu kriminellen Elementen. Als Jurist in einem Ministerium, ja, das hätte seinem Vater gefallen. Und Dr. Fried wäre damit wohl eine genaue Kopie von ihm geworden. Aktenpapier auf Aktenpapier stapelnd. Gut, inzwischen hatten seine Dienstjahre ihn in eine ähnliche Situation gebracht. Schreibtischakteur. Denker hinter den Berichten, die seine Kollegen aus dem Außendienst lieferten und aus denen er jene Schlüsse zog, die ihn die folgenden Schritte der Polizeibeamten anordnen ließen. Die Kriminalpolizei kann nicht ohne das Gehirn im Inneren funktionieren, das hatte er im Laufe der Jahrzehnte gelernt. Nun durfte er eines dieser Gehirne sein. »Bitte, Herr Regierungsrat!« Herr Johann stand vor ihm und hatte seine große schwarze Geldtasche aufgefaltet. Die Erwartung eines...


Ritter, Michael
Michael Ritter wurde 1967 in Wien geboren und arbeitet als Verleger und Literaturwissenschaftler. Er kann auf zahlreiche literaturwissenschaftliche Veröffentlichungen zurückblicken, darunter eine Biografie, zwei Romane im Genre der Phantastik, historische Romane und (historische) Kriminalromane mit Wien- sowie Italienbezügen. Ritter lebt und arbeitet in Wien. Sein Krimi »Wiener Hochzeitsmord« rund um den Kriminaloberinspektor Dr. Otto W. Fried ist seine erste Veröffentlichung im Gmeiner-Verlag.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.