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Robinson Die eisigen Säulen des Pluto

Roman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-641-20871-4
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

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ISBN: 978-3-641-20871-4
Verlag: Heyne
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Ein Stonehenge aus Eis
Fünfhundert Jahre in der Zukunft sind die inneren Planeten unseres Sonnensystems besiedelt. Männer und Frauen leben Jahrhunderte lang, können sich aber nur an die jüngste Vergangenheit erinnern. Die äußeren Planeten und ihre Monde werden erforscht, und so dringt die erste Expedition bis zum fernen Pluto vor. Am Pol des kleinen Planeten erwartet sie ein gigantisches Monument: ein Ring monolithischer Eisblöcke, die im Licht der fernen Sonne funkeln. Dieses 'Icehenge' stellt die gesamte Menschheitsgeschichte infrage, denn schnell steht zweifelsfrei fest, dass es einst von Menschenhand errichtet worden ist ...

Kim Stanley Robinson wurde 1952 in Illinois geboren, studierte Literatur an der University of California in San Diego und promovierte über die Romane von Philip K. Dick. Mitte der Siebzigerjahre veröffentlichte er seine ersten Science-Fiction-Kurzgeschichten, 1984 seinen ersten Roman. 1992 erschien mit 'Roter Mars' der Auftakt der Mars-Trilogie, die ihn weltberühmt machte und für die er mit dem Hugo, dem Nebula und dem Locus Award ausgezeichnet wurde. In seinem Roman '2312' erkundet er die verschiedenen Gesellschaftsformen, die die Menschheit nach ihrem Aufbruch ins Sonnensystem erschafft. Zuletzt sind bei Heyne seine Romane 'New York 2140', der in einem vom Klimawandel gezeichneten New York der nahen Zukunft spielt, und sein Bestseller 'Das Ministerium für die Zukunft' erschienen. Kim Stanley Robinson lebt mit seiner Familie in Davis, Kalifornien.
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Teil eins

Emma Weil 2248 n. Chr.

Den ersten Hinweis auf die Meuterei bekam ich, als wir uns der inneren Grenze des ersten Asteroidengürtels näherten. Natürlich wusste ich damals noch nicht, was es zu bedeuten hatte; es war lediglich eine verriegelte Tür.

Den ersten Gürtel nennen wir den tauben Gürtel, denn seine Asteroiden bestehen aus Basalt, für den Bergbau praktisch wertlos. Doch schon bald würden wir inmitten der kohlehaltigen Gesteinsbrocken sein. Eines Tages ging ich hinunter zur Farm, um mich darauf vorzubereiten. Ich gab den Algen etwas mehr Licht, denn in den nächsten Wochen, wenn die Boote hinauseilten, um das Gestein aufzubrechen und abzubauen, würde es zu einem deutlich höheren Verbrauch an Sauerstoff kommen, und wir würden mehr Chlorella benötigen, um den Gasaustausch im Gleichgewicht zu halten. Ich knipste ein paar weitere Lampen an und begann, mit dem Lösungsmittel herumzuspielen. Biologische Lebenserhaltungssysteme sind nicht nur meine Arbeit, sondern auch mein Hobby (darin bin ich eine der Besten); weil ich Platz für mehr Chlorella schuf, weckte erneut das Problem der überschüssigen Biomasse mein Interesse. Ich wollte die Überproduktion der Algen drosseln, indem ich sie weniger dicht verteilte; also schlenderte ich zwischen langen Reihen Spinat und Kohlköpfen zur Tür eines der Lagerräume im hinteren Teil der Farm, um weitere Tanks zu holen. Ich drehte den Griff der Tür. Sie war verschlossen.

»Emma!«, rief eine Stimme. Ich blickte auf. Es war Al Nordhoff, einer meiner Assistenten.

»Hast du eine Ahnung, warum die Tür abgeschlossen ist?«, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf. »Ich habe mich gestern schon darüber gewundert. Ich glaube, da drin steht irgendwelche geheime Fracht. Man sagte mir, ich soll dort wegbleiben.«

»Das ist unser Lagerraum«, sagte ich irritiert.

Al hob die Schultern. »Frag Captain Swann.«

»Das werde ich auch.«

Eric Swann und ich waren alte Freunde, und es ärgerte mich, dass in meinem Bereich etwas vor sich ging, wovon er mir nichts erzählt hatte. Als ich auf der Brücke eintraf, kam ich daher sofort zur Sache.

»Eric, wie kommt es, dass ich aus einem meiner eigenen Lagerräume ausgesperrt werde? Was ist da drin?«

Sein Gesicht wurde augenblicklich rot, fast wie sein Haar, und er senkte den Kopf. Der Navigator und der Bordingenieur, die sich ebenfalls auf der Brücke aufhielten, starrten auf ihre Bedienungspulte.

»Ich darf nicht sagen, was sich dort drin befindet, Emma. Es ist geheim. Ich darf vorerst überhaupt nicht darüber sprechen.«

Ich starrte ihn an. Ich weiß, ich kann Leute einschüchtern, wenn ich sie nur intensiv genug anfunkle. Sein Gesicht wurde noch einen Ton dunkler, seine Sommersprossen verschwanden in dem roten Glühen, und seine blauen Augen starrten mich wässrig an. Aber er wollte nicht mit der Sprache heraus. Ich schürzte die Lippen und verließ die Brücke.

Das war das erste Anzeichen: eine verriegelte Tür, ein Geheimnis dahinter. Ich sagte mir, dass wir wahrscheinlich für das Komitee irgendetwas nach Ceres brachten. Zweifellos Waffen. Diese Art von Geheimniskrämerei war typisch für das Mars-Erschließungs-Komitee. Aber ich ließ mich nicht zu voreiligen Schlüssen hinreißen, sondern hielt wachsam die Augen auf.

Das zweite Anzeichen hätte ich wahrscheinlich niemals bemerkt, wenn mich das erste nicht aufmerksam gemacht hätte. Ich ging durch den Korridor zu den Speisesälen, vorbei an den Aufenthaltsräumen, als ich Stimmen hinter einer der Türen hörte und stehen blieb. Schon die Stimmen klangen seltsam: leise und hektisch. Ich erkannte John Dancers Organ:

»So etwas können wir vor dem Rendezvous nicht tun, das weißt du genau.«

»Niemand wird etwas bemerken«, erwiderte eine Frau, möglicherweise Ilene Breton.

»Das hoffst du«, antwortete Dancer. »Aber du kannst nicht ausschließen, dass Duggins oder Nordhoff durch Zufall darüber stolpern. Wir müssen mit allem bis nach dem Rendezvous warten, begreif das endlich.«

Dann hörte ich hinter mir auf dem Velcroteppichboden Schritte, zuckte zusammen und setzte mich wieder in Bewegung, vorbei an der Tür zum Aufenthaltsraum. Ich sah hinein; John und Ilene, wie ich vermutet hatte, sowie einige andere. Sie alle blickten auf, als ich in der Türöffnung erschien, und ihre Unterhaltung verstummte abrupt. Ich sah sie an, und sie sahen zurück, als hätte es ihnen die Sprache verschlagen. Ich ging weiter zu den Speisesälen.

Ein Rendezvous im Gürtel. Eine Gruppe von Leuten, nicht die leitenden Offiziere des Schiffs, hatte irgendetwas vor und machte ein Geheimnis daraus. Ein verriegelter Lagerraum … Für mich ergab das keinen Sinn.

Danach begann ich in allem etwas Verdächtiges zu sehen. Die Leute verstummten, wenn ich vorbeiging. In Schlafquartieren fanden nächtliche Zusammenkünfte statt. Einmal ging ich am Funkraum vorbei, und jemand schickte eine lange Botschaft durch die Codiermaschine. Einige andere Lagerräume hinter der Farm waren ebenfalls abgeschlossen, ebenso einige der Erzbunker.

Nach einigen Tagen voller verräterischer Anzeichen schüttelte ich den Kopf und fragte mich, ob ich mir das Ganze nicht nur einbildete. Für alles, was mir aufgefallen war, gab es logische Erklärungen. Das Leben an Bord eines Schiffes begünstigt die Cliquenbildung; auch wenn wir nur vierzig Leute waren, hatten sich nach einem Jahr Expeditionsflug Gruppen gebildet. Außerdem ging es auf dem Mars drunter und drüber. Die Vereinigung der zahlreichen Sektoren unter der zentralen Verwaltung des Komitees ließ allgemeine Unzufriedenheit laut werden. Der Separatismus war weit verbreitet, und man konnte davon ausgehen, dass überall subversive Interessengruppen am Werk waren. Diese Fakten reichten als Erklärung für die kleinen Gruppierungen aus, die ich nun auf der Rust Eagle bemerkte. Und dann ist die Paranoia eine für das Bordleben typische Störung … bestimmte Muster in einer so von Strukturen und Mustern bestimmten Umgebung zu sehen, ist naheliegend.

Daher verdrängte ich meine Beobachtungen. Wahrscheinlich brachten wir für das Komitee irgendetwas nach Ceres; doch das war nichts Außergewöhnliches.

Dennoch war die Atmosphäre im Schiff irgendwie aufgeladen. Mehr Leute als sonst reagierten nervös und unnatürlich. Rätselhafte Blicke wurden ausgetauscht … über allem lag etwas Geheimnisvolles. Aber wahrscheinlich sehe ich in der Rückschau Dinge, die ich damals nicht erkannte. Jetzt will ich mich nur an die Fakten halten. Diese Aufzeichnungen sollen mir helfen, mich auch noch in vielen Jahren, Jahrhunderten vielleicht, an die Ereignisse zu erinnern, daher muss ich mich jetzt einzig und allein nach den Tatsachen richten und meine Erinnerungen von störenden Einflüssen frei halten.

Auf jeden Fall war das dritte Anzeichen unmissverständlich. Die Sonne stand damals fast genau zwischen uns und dem Mars, und ich suchte den Funkraum auf, um einen letzten Brief an meinen Vater abzuschicken, diesen Narren, der wegen seiner großen Klappe vorübergehend im Gefängnis saß. Danach ging ich zur Sprungröhre und wollte mich gerade zu den Wohnquartieren hinabfallen lassen, als ich durch die Röhre mithören konnte, was auf der Brücke gesprochen wurde. War da nicht mein Name gefallen? Ich zog mich am Geländer bis zur Treppe hoch, die zur Brücke führte, und verharrte dort lauschend. Eine meiner Angewohnheiten. Wieder einmal führte John Dancer das Wort.

»Emma Weil ist voll und ganz auf Seiten des Komitees«, sagte er, als wäre dieser Punkt strittig gewesen.

»Und wenn schon«, sagte ein anderer Mann, und zwei Stimmen wurden laut, sodass ich nicht verstehen konnte, was er sagte.

»Nein«, entgegnete Dancer und brachte die anderen Stimmen zum Verstummen. »Die Weil ist wahrscheinlich die wichtigste Person an Bord. Wir dürfen mit ihr erst dann über die ganze Angelegenheit reden, wenn Swann sein Okay gegeben hat, und das wird erst nach dem Rendezvous sein. Das könnt ihr also erst mal vergessen.«

Das reichte. Als alles darauf hinwies, dass die Unterhaltung beendet war, hüpfte ich zur Sprungröhre zurück und ließ mich hineinfallen. Dabei beschleunigte ich meinen Sturz, indem ich mich kräftig am Geländer weiterzog. In Gedanken ging ich alle Orte durch, an denen Swann sich um diese Zeit aufhalten könnte. Ich musste ein ernstes Wort mit ihm reden. Es ist nicht besonders angenehm, unter dem Eindruck zu leben, der Mittelpunkt einer schiffsweiten Verschwörung zu sein.

Ich kannte Eric Swann schon sehr lange.

Vor der Jahrhundertwende veranstaltete jeder Sektor seine eigenen Bergbauexpeditionen. Royal Dutch suchte nach Kohlenstoff; Mobil hatte es auf die Basaltbrocken im tauben Gürtel abgesehen, und Texas interessierte sich für Silizium. Chevron war damit beschäftigt, einen der Amors in einen Orbit um den Mars zu schleppen, um so einen neuen Mond zu schaffen. (Daraus wurde der Mond Amor, der zu einer Strafanstalt ausgebaut wurde. Mein Vater lebte dort.) So hatte jeder Sektor seine eigene Asteroidenmannschaft, und ich lernte die Bergleute von Royal Dutch ziemlich gut kennen. Swann war einer der technischen Offiziere und ein guter Freund meines Mannes Charlie, der im gleichen Metier tätig war. Während der zahlreichen Ausflüge in den Gürtel unterhielt ich mich oft mit Swann, und auch später, als Charlie und ich geschieden wurden, blieben wir in Verbindung.

Aber als das Komitee im Jahre 2213 den Erzbergbau übernahm, wurden alle Trupps, sogar die Sowjets, zusammengeworfen, und ich sah meine Freunde von Royal Dutch sehr viel seltener.

Meine seltenen gemeinsamen Unternehmungen mit Swann waren immer ein Grund zum Feiern...


Robinson, Kim Stanley
Kim Stanley Robinson wurde 1952 in Illinois geboren, studierte Literatur an der University of California in San Diego und promovierte über die Romane von Philip K. Dick. Mitte der Siebzigerjahre veröffentlichte er seine ersten Science-Fiction-Kurzgeschichten, 1984 seinen ersten Roman. 1992 erschien mit »Roter Mars« der Auftakt der Mars-Trilogie, die ihn weltberühmt machte und für die er mit dem Hugo, dem Nebula und dem Locus Award ausgezeichnet wurde. In seinem Roman »2312« erkundet er die verschiedenen Gesellschaftsformen, die die Menschheit nach ihrem Aufbruch ins Sonnensystem erschafft. Zuletzt sind bei Heyne seine Romane »New York 2140«, der in einem vom Klimawandel gezeichneten New York der nahen Zukunft spielt, und sein Bestseller »Das Ministerium für die Zukunft« erschienen. Kim Stanley Robinson lebt mit seiner Familie in Davis, Kalifornien.



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