Rohrmann / Holodynski / Gutknecht | Begabte Kinder in der KiTa | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 206 Seiten

Rohrmann / Holodynski / Gutknecht Begabte Kinder in der KiTa

E-Book, Deutsch, 206 Seiten

ISBN: 978-3-17-029348-9
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Müssen begabte Kinder bereits im Kindergarten besonders gefördert werden? Es ist unumstritten, dass auch hochbegabte Kinder und Jugendliche einen Anspruch auf Förderung haben. Hochbegabung kann im Kindesalter jedoch noch nicht sicher diagnostiziert werden, und eine Etikettierung von Kindern als "hochbegabt" kann sogar eher schaden als nutzen. Die individuelle Förderung von Kindern mit Entwicklungsvorsprüngen oder besonderen Fähigkeiten erfordert daher einen genauen Blick. Das Buch vermittelt dazu Grundlagen zur Entwicklung und Diagnostik von Intelligenz und Begabung und stellt die Förderung von begabten Kindern in den Kontext aktueller pädagogischer Konzeptionen zu Bildung im Kindesalter. Es gibt Antworten auf die Frage, wie begabte Kinder im Alltag von KiTas begleitet und gefördert werden können, und konkretisiert dies für verschiedene Felder pädagogischer Arbeit, für die unterschiedlichen Bildungsbereiche, für besondere Problemlagen und Herausforderungen und für die Zusammenarbeit mit Eltern. Insgesamt zeigt das Buch, dass eine individuelle Förderung begabter Kinder nicht nur in jeder KiTa möglich ist, sondern die pädagogische Arbeit insgesamt bereichern und voranbringen kann.
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2          Begabte Kinder erkennen
Beispiele: Woran sind begabte Kinder zu erkennen?
Bestimmt kennen Sie solche (oder ähnliche) Kinder: Julian ist fünf Jahre alt, liegt aber in seiner motorischen Entwicklung weit hinter den Gleichaltrigen zurück. Kein Wunder: Er beteiligt sich kaum am Toben oder am Fußballspielen der Jungs. Dafür liest er Bücher. Er hat sich schon mit vier Jahren das Lesen selbst beigebracht. Außerdem unterhält er sich gern mit der Leiterin in ihrem Büro. Lynn hat Schwierigkeiten mit anderen Kindern im Kindergarten, weil sie immer die Bestimmerin sein will. Wenn die anderen damit einverstanden sind, hat sie tolle und ungewöhnliche Ideen – aber leider sind die anderen nicht immer einverstanden. Dann zieht sie sich maulig zurück und spielt allein. Kasimir ist ein sehr stiller, zurückhaltender Junge. In der KiTa baut er stundenlang komplizierte Gebäude und Landschaften – am liebsten ganz allein für sich. Kommen andere Jungen dazu und wollen mitspielen, räumt er das Feld. Jetzt ist er sechs Jahre alt und soll eingeschult werden; die Mutter macht sich große Sorgen, wie er in der Schule zurechtkommen wird. Sarah zieht sich oft in die Puppenecke zurück und erfindet ausgedehnte und fantasievolle Rollenspiele. Im Stuhlkreis sagt sie kein Wort, wenn sie nicht ausdrücklich dazu aufgefordert wird. Zuhause sei sie ganz anders, sagen die Eltern: vorlaut, frech, eine Plappertasche – das kann man sich überhaupt nicht vorstellen. Tobias geht in der KiTa über Tische und Bänke und gerät oft mit den Erzieherinnen und anderen Kindern in Streit. Ständig sagt er, dass er sich langweilt; man kann es ihm nicht Recht machen. Die Eltern sagen, dass er zu Hause auch sehr anstrengend ist und immer ‚Programm‘ und etwas Neues fordert. Haben diese Kinder besondere Begabungen, sind sie vielleicht sogar hochbegabt? Nur daran, dass ein Kind sich irgendwie ‚ungewöhnlich‘ verhält oder etwas besonders gut kann, ist das nicht zu erkennen. Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, herauszufinden, ob hinter einem besonderen Verhalten eine besondere Begabung steckt. Im pädagogischen Alltag von KiTas geht es nicht darum, Kinder psychologisch zu diagnostizieren. Pädagogische Fachkräfte haben den Auftrag, Aktivitäten und Angebote auf die konkreten Bedürfnisse und Kompetenzen von Einzelnen und Gruppen abzustimmen. Dies schließt einen genauen Blick auf den individuellen Entwicklungsstand und auf besondere Fähigkeiten einzelner Kinder ein, erfordert aber keine Einschätzung dieser Kinder als hochbegabt. Hierauf wird im zweiten Teil dieses Buches ausführlicher eingegangen. Eine genauere Klärung der kognitiven Fähigkeiten eines Kindes kann aber dann relevant werden, wenn es Verunsicherungen gibt, z. B. weil unklar ist, ob ein Kind von pädagogischen Angeboten eher über- oder unterfordert ist oder ein Kind sozial sehr auffällig ist und ein Zusammenhang zur intellektuellen Leistungsfähigkeit vermutet wird. Wichtig wird die Frage der intellektuellen Leistungsfähigkeit außerdem, wenn es um eine mögliche vorzeitige Einschulung geht. Dann ist ein genauerer Blick sinnvoll. 2.1       ‚Checklisten‘ für Hochbegabung
‚Checklisten‘ zum Erkennen von Hochbegabten sind in nahezu jedem Ratgeber zu Hochbegabung zu finden und auch im Internet weit verbreitet. Sie bestehen aus einer unsystematischen Zusammenstellung von teils schwammig formulierten Eigenschaften und Verhaltensweisen, die häufig bei begabten Kindern beobachtet worden sind. Mit derartigen Checklisten wird suggeriert, dass es leicht möglich sei, hochbegabte Kinder zu erkennen. Im Sinne einer möglichst frühen Identifizierung geht es dabei meist um Auffälligkeiten im Vor- und Grundschulalter. Das folgende Beispiel für eine solche Checkliste stammt aus der 1999 zum ersten Mal vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) herausgegebenen Broschüre Begabte Kinder finden und fördern. Merkmale von Hochbegabung (nach Holling, 2003, S. 23 f.)
Merkmale des Denkens und Lernens, die ein Hinweis auf eine Hochbegabung sein können •  Besonders Begabte haben in einzelnen Bereichen ein sehr hohes Detailwissen. •  Ihr Wortschatz ist für ihr Alter ungewöhnlich. •  Ihre Sprache ist ausdrucksvoll, ausgearbeitet und flüssig. •  Sie können sich Fakten schnell merken und außergewöhnlich gut beobachten. •  Sie durchschauen sehr genau Ursache-Wirkung-Beziehungen. •  Sie erkennen bei schwierigen Aufgaben zugrundeliegende Prinzipien. Interessen und Arbeitsstile, die ein Hinweis auf eine Hochbegabung sein können •  Besonders Begabte, die motiviert sind, gehen in bestimmten Problemen völlig auf. •  Sie bemühen sich, Aufgaben stets vollständig zu lösen und streben nach Perfektion. •  Sie sind bei Routineaufgaben leicht gelangweilt. •  Sie geben sich mit ihrem Arbeitstempo oder -ergebnis nicht schnell zufrieden. •  Sie interessieren sich für viele Erwachsenenthemen wie Religion, Philosophie, Politik, Umweltfragen, Sexualität, Gerechtigkeit in der Welt. Merkmale des sozialen Verhaltens, die ein Hinweis auf eine Hochbegabung sein können •  Besonders Begabte beschäftigen sich viel mit Begriffen wie Recht/Unrecht sowie Gut/Böse. •  Sie sind individualistisch und gehen nicht um jeden Preis mit der Mehrheit. •  Sie akzeptieren keine Meinung von Autoritäten, ohne sie kritisch zu prüfen. •  Sie können gut Verantwortung übernehmen und erweisen sich in Planung und Organisation als zuverlässig. •  Sie suchen sich ihre Freunde bevorzugt unter Gleichbefähigten, häufig Älteren. •  Sie neigen schnell dazu, über Situationen zu bestimmen. Der Wunsch nach einer solchen Liste, mit der verlässlich Kinder mit hohen Begabungen erkannt werden können, ist verständlich. Aber eine Diagnose ist auf diese Weise nicht möglich. Die Autoren stellten der Liste in ihrer Broschüre daher eine ausdrückliche Warnung voran: Es ist nicht ausreichend überprüft, ob die in der Liste aufgeführten Kriterien typisch für Hochbegabte sind. Außerdem sind die Kriterien so vage formuliert, dass sie oft auch nicht hochbegabten Kindern zugesprochen werden können. (Holling, 2003, S. 23) In den neueren Auflagen der Broschüre fehlt eine entsprechende Liste ganz, da sich in der Zwischenzeit die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Checklisten für ein differenziertes Erfassen individueller Begabungen und Entwicklungsvorsprünge ungeeignet sind: Checklisten eignen sich nicht zum Erkennen Hochbegabter. Merkmale, die auf eine hohe intellektuelle Begabung hinweisen können, lassen sich in Alltagssituationen nicht immer beobachten. Die meisten Merkmale, die in Checklisten genannt werden, sind zudem nicht unbedingt typisch für Hochbegabte. (Holling, 2015, S. 42) Perleth (2010) berichtet von einer Studie, in der Elternchecklisten zu Hochbegabung, also von Eltern zu bearbeitende Merkmalslisten zur Einstufung ihrer Kinder, auf ihre Verlässlichkeit geprüft wurden. Festgestellt werden konnte, dass mittels der Fragebögen „nicht zufriedenstellend zwischen hochbegabten und einer (allerdings eher überdurchschnittlich begabten) Vergleichsgruppe differenziert werden kann“ (S. 82). Insbesondere bei nicht-kognitiven Merkmalen wie Selbstständigkeit, Perfektionismus oder sozialen Kompetenzen konnte nicht zwischen hochbegabten und nicht hochbegabten Kindern und Jugendlichen unterschieden werden. Es macht durchaus Sinn, über besondere Begabungen nachzudenken, wenn ein Kind sehr früh überraschende Fähigkeiten zeigt, schon als Kindergartenkind mit seinen Eltern philosophieren will oder nur mit älteren Kindern und Erwachsenen spielt, weil es mit den Spielen der Gleichaltrigen nichts anfangen kann. Schwieriger wird es, wenn Eltern (sich) fragen, ob ihr Kind hochbegabt sei, weil neun der 17 auf einer Checkliste genannten Merkmale auf ihr Kind zuzutreffen scheinen. Kinder sind nicht ‚umso...


Dr. Sabine Rohrmann ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit einer eigenen Praxis für Bildungsberatung und Begabtenförderung. Dr. Tim Rohrmann, Dipl.-Psych., ist Professor für Entwicklung und Bildung im Kindesalter an der Evangelischen Hochschule Dresden.


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