E-Book, Deutsch, 280 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Roithmeier Erfolgsstrategien für Einkaufsverhandlungen
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-648-18392-2
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Durchsetzen in schwierigen Verhandlungen, bei Monopolisten und Preiserhöhungen. Trainingsbuch mit Gesprächs- und Argumentationsleitfäden
E-Book, Deutsch, 280 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-18392-2
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thomas Roithmeier verfügt durch seine dreißigjährige Erfahrung im globalen Einkauf nicht nur über umfassende Expertise im strategischen Einkauf, sondern auch in der Verhandlungsführung. Diese hat er durch zahlreiche Verhandlungen in unterschiedlichen Branchen und Ländern erworben und unterstützt zusätzlich zu seinen eigenen Verhandlungen Unternehmen regelmäßig als 'Ghost Negotiator'. Seine außergewöhnlichen Kenntnisse über Verhandlungsstrategien und -taktiken machen ihn zu einem gefragten Experten in diesem Bereich.
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1.1 Hören Sie auf zu feilschen, verhandeln Sie endlich!
»Ein tieferer Verhandlungssinn erfordert die Fähigkeit, die Differenzen zu akzeptieren und Wege zu finden, zusammenzukommen.«
Mahatma Gandhi
In der Komödie »Das Leben des Brian«4 der britischen Komikergruppe Monty Python gibt es eine wundervolle Szene, in der Brian auf der Flucht vor den Römern einen künstlichen Bart kaufen möchte, um sich zu verkleiden. Es entwickelt sich folgender Dialog mit dem Verkäufer:
Brian: | »Wie viel wollen sie dafür?« |
Verkäufer: | »20 Schekel« |
Brian: | »Okay, hier!« |
Verkäufer: | »Wie? Sie wollen nicht feilschen?« |
Brian: | »Nein, ich muss schnell weg!« |
Verkäufer: | »Bert? Dieser Mensch will nicht feilschen!« |
Brian: | »Wo ist das Problem? Sie wollten 20, ich gab ihnen 20!« |
Verkäufer: | »Wollen sie etwa behaupten, er sei keine 20 wert?« |
Brian: | »Gut, dann gebe ich Ihnen 19.« |
Verkäufer: | »Nein, nein, nein! So macht das keinen Spaß. Sie müssen richtig feilschen!« |
Brian: | »Na gut, ich gebe Ihnen 10.« |
Verkäufer: | »Waaaas 10 für diese tolle Ware?! Wollen Sie mich beleidigen?!!« |
Brian: | »Na gut, 11.« |
Verkäufer: | »11? Mich hat er 12 gekostet!« |
Brian: | »17?« |
Verkäufer: | »Na na naa. Sie sind bei 14!« |
Brian: | »14!« |
Verkäufer (empört): | »14?« |
Brian: | »Aber Sie haben gesagt, ich soll 14 sagen. Sagen sie mir, was ich sagen soll, bitte!« |
Selbstverständlich ist der Prozess des Feilschen in dieser Szene sehr humorvoll und etwas übertrieben dargestellt, aber so ähnlich läuft es auch in vielen Preisverhandlungen im Einkauf ab, wie ich in der täglichen Praxis immer wieder feststellen muss. Der einzige Unterschied ist, dass sehr oft auf Basis von Drohungen oder Einschüchterungen gefeilscht wird und nicht so humorvoll wie in dem oben genannten Beispiel.
Die in vielen orientalischen Ländern tief verwurzelte Tradition des Feilschens wird in dem oben aufgeführten Dialog jedoch auf wundervoll humorvolle Weise dargestellt. Wie Sie mit Sicherheit auch wissen, wird es im Orient als normal angesehen und sogar erwartet, dass man beim Einkaufen verhandelt, besonders auf Märkten oder in Geschäften, wo die Preise nicht festgelegt sind. Die Käufer nutzen dabei gerne Argumente über die Qualität der Ware, die verwendeten Materialien, die Handwerkskunst oder die Vergleichbarkeit mit ähnlichen Produkten, um den Preis zu drücken. Die Verkäufer nutzen häufig psychologische Tricks und Taktiken, um den Preis hoch zu halten. Dazu gehören das Hervorheben der Exklusivität des Produktes, die Präsentation als limitiertes Angebot oder das Herstellen einer emotionalen Verbindung zur Ware.
Feilschen wird als eine Art Wettbewerb gesehen, ein spielerischer und interaktiver Prozess, bei dem derjenige »gewinnt«, der über das größere Verhandlungsgeschick, die raffiniertere verbale Geschicklichkeit und über mehr Cleverness verfügt. Käufer wollen das Gefühl haben, den besten Deal gemacht zu haben, während Verkäufer versuchen, den maximalen Gewinn zu erzielen. Hierbei wird großer Wert auf einen respektvollen und höflichen Umgang gelegt, um den Verhandlungsprozess positiv zu gestalten. Sowohl Käufer als auch Verkäufer schätzen Geduld und Ausdauer, denn schnell abzubrechen, wird als unhöflich wahrgenommen.
Auch ist Feilschen in orientalischen Kulturen oft ein tief verwurzelter Bestandteil der sozialen Interaktion und es wird häufig Zeit in den Aufbau einer persönlichen Beziehung investiert, bevor über den Preis gesprochen wird. Emotionen und Geschichten spielen dabei eine große Rolle. Feilschen wird als Zeichen von Respekt und Engagement angesehen und ist ein integraler Teil des sozialen Miteinanders. In westlichen Kulturen hingegen wird Feilschen eher als notwendiger Teil des Kaufprozesses betrachtet, der teilweise sogar als unangenehm empfunden wird, weil man befürchtet, unangemessen wahrgenommen zu werden, wenn man zu stark handelt.
Außer natürlich bei uns im Einkauf, wo oft gefeilscht wird, als würden sich zwei arabische Teppichhändler gegenüber sitzen. Der Unterschied ist jedoch, dass Feilschen bei uns im Einkauf direkter und effizienter durchgeführt wird und die Argumente oft auf harten, konfrontativen Begründungen basieren und nicht auf emotionalen, herzzerreißenden Geschichten. Es wird ein klarer Fokus auf den Preis und die Konditionen gelegt, wobei die Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer im Hintergrund steht. Das Ziel ist, den besten Preis für sich selbst zu erzielen, und nicht, wie in orientalischen Kulturen üblich, einen Konsens zu erreichen, mit dem beide Parteien zufrieden sind. Daher lautet ein altes arabisches Sprichwort auch: »Ein Geschäft ist nur ein gutes Geschäft, wenn beide Seiten etwas unzufrieden sind.«
Auch in Einkaufsverhandlungen könnten Sie auf orientalische Art und Weise verhandeln, wenn Sie dies möchten, und nicht in Form eines konfrontativen Positionskampfs, bei dem jede Minute das Wort »Wettbewerb« fällt. Wie? Sie meinen ich übertreibe oder das wäre deplatziert? Dann lassen Sie mich ein paar Beispiele geben:
Beispiel 1
Einkäufer – Typische Argumentation: »Wenn Sie uns den geforderten Preisnachlass nicht einräumen, dann werden wir diesen und zukünftige Aufträge bei Ihren Wettbewerbern platzieren.«
Einkäufer – Orientalische Argumentation: »Wenn Sie uns den geforderten Preisnachlass nicht einräumen, dann wird mein Chef mir wieder vorwerfen, ich hätte nicht hart genug verhandelt, und ich kann meine dringend benötigte Gehaltserhöhung vergessen. Wollen Sie das wirklich verantworten? Ich habe eine Frau und drei Kinder und würde es mir gerne leisten können, einmal wieder mit der ganzen Familie in den Urlaub zu fahren.«
Beispiel 2
Einkäufer – Typische Argumentation: »Wenn Sie auf die geforderte Preiserhöhung bestehen, dann werde ich der Geschäftsführung empfehlen, das Volumen an einen Ihrer Wettbewerber zu vergeben.«
Einkäufer – Orientalische Argumentation: »Wenn Sie auf die geforderte Preiserhöhung bestehen, dann verursacht dies bei uns erhebliche Mehrkosten in unserem Unternehmen und reduziert unseren Gewinn erheblich. Wir müssen womöglich Mitarbeiter entlassen, um die Mehrkosten zu kompensieren. Denken Sie mal an die ganzen Einzelschicksale. Das sind alles Familienväter, die ihre Familien ernähren müssen und die Sie in die Arbeitslosigkeit schicken. Haben Sie da kein schlechtes Gewissen dabei?«
Das wäre doch mal was, oder? Eins garantiere ich Ihnen, Sie werden Ihren Gesprächspartner vollkommen aus dem Trott bringen und ihn verwirren. Zugegeben, er wird sich vielleicht fragen, ob Sie vergessen haben, Ihre Pillen zu nehmen oder was Sie geraucht haben; aber durch die emotionale Ansprache und die aufgezeigten Konsequenzen seines Handelns, lenkt er gegebenenfalls eher ein, als wenn Sie ihm mal wieder mit Wettbewerb drohen.
In Verhandlungstrainings frage ich daher die Teilnehmer gerne, was sie von dem nachfolgenden Seminar, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, halten.
Die typische Reaktion ist immer die Gleiche: »Genial, kann man das Seminar bei Ihnen auch buchen?« Nein, das kann man bei mir nicht buchen. Beim ersten Mal war ich baff über die Reaktionen, denn ich hatte eher mit Reaktionen wie »Das meinen Sie nicht ernst, oder?«, »Das ist ja albern, so kann man mit Lieferanten heutzutage nicht mehr umgehen«, »Vielleicht hat man so in den Siebzigern verhandelt, aber heute doch nicht mehr« oder ähnlichen Aussagen gerechnet. Nur nicht, dass fast jeder Einkäufer das Seminar buchen möchte. Inzwischen überlege ich mir ernsthaft, ob ich das Seminar nicht doch anbieten soll. Aber zurück zum Ernst der Sache.
Die Kernfrage für den Erfolg in jeder Verhandlung
In Ihren Verhandlungen stehen Ihnen grundsätzlich zwei Verhandlungsstile zur Verfügung: der distributive und der integrative Verhandlungsstil. Oder anders ausgedrückt: Feilschen oder interessensbasiert nach dem »Harvard-Konzept« verhandeln. Es gibt jedoch eine Frage, die Sie sich bei der Vorbereitung von jeder Verhandlung stellen sollten, unabhängig davon, ob Sie distributiv oder integrativ verhandeln:
Wie kann ich bei meinem Gesprächspartner Interesse generieren, sich meinen Zielen und Vorstellungen anzuschließen?
Das ist sie, die Kernfrage für alle Verhandlungen. Egal ob Sie mit einem Lieferanten über Preise, Termine oder sonstige Themen diskutieren, als Lieferant mit einem Kunden verhandeln,...