Roschitz | Die NSDAP in der Region Schwanberg 1930–1938 | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 85, 452 Seiten

Reihe: FORSCHUNGEN ZUR GESCHICHTLICHEN LANDESKUNDE DER STEIERMARK

Roschitz Die NSDAP in der Region Schwanberg 1930–1938

Eine Mikrostudie
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7065-6088-7
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Mikrostudie

E-Book, Deutsch, Band 85, 452 Seiten

Reihe: FORSCHUNGEN ZUR GESCHICHTLICHEN LANDESKUNDE DER STEIERMARK

ISBN: 978-3-7065-6088-7
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Markus Roschitz zeigt in dieser Studie, wie sich der Nationalsozialismus Anfang der 1930er Jahre in der weststeirischen Region Schwanberg etablieren und trotz des Betätigungsverbots für die österreichische NSDAP im Juni 1933 ein bedeutender politischer Faktor bleiben konnte. Eingebettet in eine große Rahmenerzählung werden unter anderem der gescheiterte Putschversuch im Juli 1934, die darauffolgende Strategieänderung der lokalen NS-Organisation, die Situation der „österreichischen Legionäre“, die Gegenmaßnahmen des autoritär regierten Staates und die weiteren wesentlichen Entwicklungen und Ereignisse bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme im März 1938 modellhaft dargestellt. Anhand des gewählten mikrohistorischen Ansatzes und der Heranziehung einer Vielzahl bislang unbekannter oder nicht verwendeter Quellen aus verschiedenen Archiven werden die Spezifika und Besonderheiten lokalpolitischer Phänomene in den Landgemeinden der agrarisch und vom Bergbau dominierten historischen Region Schwanberg eingehend analysiert und bisher vernachlässigte Aspekte der Geschichte des Nationalsozialismus auf lokaler Ebene kritisch und detailreich aufgearbeitet.

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2. Quellenlage
Die in verschiedenen Heimatbüchern manchmal aus tatsächlicher Unkenntnis, manchmal auch vorschützend ausgesprochene Behauptung, dass für die Erforschung des Nationalsozialismus in den Regionen der Steiermark keine oder nur sehr wenige (schriftliche) Quellen vorhanden seien, wurde in den letzten Jahren gründlich widerlegt. Mehrere Autoren zeigten auf, dass auch abseits der traditionell intensiv genutzten Schul-, Gendarmerie- und Pfarrchroniken noch eine Unmenge unbearbeiteter Aktenbestände in verschiedenen Archiven des In- und Auslandes lagert, die für die regional- und zeitgeschichtliche Forschung von großem Wert ist.68 Es ist aber selbstverständlich, dass sich die Quellenlage je nach Untersuchungsraum und Fragestellung anders und nicht überall gleichermaßen günstig darstellt. Zudem weist die Überlieferung hinsichtlich ihrer Verlässlichkeit, Relevanz und Aussagekraft in verschiedenen Zeiträumen unterschiedlichen Charakter auf. Diese Tatsache und das Ziel, ein möglichst vollständiges und differenziertes Bild der Untersuchungsregion zu gewinnen, erfordern bereits in der Recherchephase einen offenen Blick für eine Vielzahl verschiedener, vielleicht auch bisher kaum beachteter Quellenbestände. Gleichwohl hat jede Historikerin, jeder Historiker mit Lücken in der Überlieferung zu kämpfen, die es offen anzusprechen gilt. Sie sollen aber nicht automatisch zu einer Überbetonung der gut dokumentierten und Unterbetonung der schlecht dokumentierten Zeitabschnitte führen, sondern Ansporn sein, neue Wege zu gehen, „Lückenfüller“ ausfindig zu machen, um der angestrebten Vollständigkeit und Ausgewogenheit in der Darstellung dennoch möglichst nahe zu kommen. Die Quellenlage zur Region Schwanberg 1930–1938 entspricht in etwa dieser eben skizzierten allgemeinen Problemlage. Die Überlieferung ist vielschichtig und uneinheitlich und je nach Zeitabschnitt und Fragestellung in ihrem Quellenwert schwankend. Und immer wieder sieht man sich mit Lücken und Leerstellen konfrontiert, die nur mühsam oder auch gar nicht zu schließen sind. Zu den wenigen den ganzen Untersuchungszeitraum abdeckenden Quellen ein und derselben Provenienz zählt die Wochenzeitung Weststeirische Rundschau, erstmals erschienen am 2. April 1927.69 Aber nicht nur aus diesem Grund zählt sie zu den Hauptquellen vorliegender Arbeit. Die Rundschau – kurz WR – machte es sich von Anfang an zur Aufgabe, ein breites Spektrum des Dorf-, Vereins- und lokalen Wirtschaftslebens einzufangen und durch eine gefällige Berichterstattung zu fördern. Die WR zählte auch bald zu den politischen Meinungs- und Stimmungsmachern im Bezirk Deutschlandsberg,70 obwohl sie bei ihrer Gründung als „vollkommen unpolitische[s]“ Blatt deklariert und vorgestellt wurde.71 Ihre Berichte waren stets heimwehrfreundlich72 und streng antimarxistisch73 gehalten, ab 1931 wurde vermehrt auch der lokalen NSDAP eine Plattform für Versammlungsberichte usw. geboten. Über sozialdemokratische und kommunistische Veranstaltungen und Aktionen berichtete die WR fast nie. Nach dem Verbot der NSDAP und des Steirischen Heimatschutzes im Juni 1933 musste sich die WR den veränderten politischen Gegebenheiten anpassen und die Blattlinie neu ausrichten. Allerdings wurden auch in der Zeit des sog. „Ständestaates“ mehrmals Artikel veröffentlicht, die nicht der Regierungslinie entsprachen bzw. die geforderte Diktion aufwiesen – und die die Schriftleitung in gehörige Bedrängnis brachten. Im Juli 1937 monierte Bezirkshauptmann Dr. Hans Knieli im behördeninternen staatspolizeilichen Monatsbericht Folgendes: „Ein politisch nicht befriedigendes Verhalten legt die in Deutschlandsberg erscheinende Wochenzeitung ‚Weststeirische Rundschau‘ in der letzten Zeit an den Tag. Die Zeitung veröffentlicht in jeder Nummer Artikel, die sich mit Politik befassen, allerdings fast nie vom Standpunkt eines guten Österreichers aus.“74 Auch habe die Zeitung in einem Leitartikel75 „einen allerdings gut getarnten Vorwurf gegen die österreichische Regierung“ artikuliert und ein weiteres Mal die gebotene „vaterländische“ Grundhaltung und Ausrichtung vermissen lassen. Indes wäre ein „hundertprozentiges Eintreten und Werben für das neue Österreich in dieser Zeitung […] umso notwendiger, als diese doch viel gelesen wird und einen günstigen Einfluß auf die Bevölkerung auszuüben in der Lage wäre.“76 Nachdem wiederholte Interventionen des Bezirkshauptmanns bei der Schriftleitung ohne Erfolg geblieben waren, schaltete sich der Sicherheitsdirektor für Steiermark ein und legte diese Angelegenheit dem Bundeskanzleramt zur weiteren Beschlussfassung vor. Vor der Ultima Ratio, der zwangsweisen Einstellung der Rundschau, nahm das BKA wohl nur deshalb Abstand, weil die Zeitung als wirksames Instrument politischer Einflussnahme dennoch nicht aus der Weststeiermark wegzudenken war.77 – Am 19. März 1938, also wenige Tage nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, wandte sich die Schriftleitung der WR in einem längeren Artikel an die Leserinnen und Leser des Blattes: „So wie alle deutschbewußten Blätter mußte auch unser Heimatblatt, das sich seit seinem ersten Erscheinen auf völkischen Boden gestellt hat, in den letzten Jahren des in grausiger Erinnerung stehenden Willkürregimes schikanöse Zurechtweisungen, Beanstandungen, Drohungen und Maßregelungen über sich ergehen lassen. Das Blatt schrieb gewissen Leuten immer gar zu deutsch und gar zu wenig österreichisch. […] Worum es uns heute geht, ist, daß wir […] verständlich machen wollen, daß es nicht an uns gelegen war, wenn wir oft und oft nicht so schreiben konnten, wie es uns am Herzen gelegen war.“78 In der Folgezeit fungierte die Rundschau dann – augenscheinlich überaus bereitwillig – als Propaganda- und Mitteilungsblatt der NSDAP im Bezirk Deutschlandsberg. Für viele lokale Begebenheiten jener Zeit ist die WR die einzig noch vorhandene Quelle – ein Umstand, der wohl am besten verdeutlicht, welchen Wert diese Zeitung für die Geschichte des Bezirks Deutschlandsberg hat. Beispielsweise berichtete die Rundschau zwischen 1934 und 1938 für gewöhnlich ausführlich über die lokalen Versammlungen der Vaterländischen Front (VF), genauer über den Versammlungsverlauf, die wichtigsten Teilnehmer und manchmal sogar über die Inhalte gehaltener Reden. In anderen steirischen Zeitungen (wie etwa der Tagespost) fand die überwiegende Mehrzahl dieser Versammlungen gar keine Erwähnung und auch die archivalischen Quellen schweigen zu diesen nahezu völlig. Bei Heranziehung solcher Versammlungsberichte erscheint es freilich notwendig, die darin explizit ausgesprochenen politischen Anliegen und implizit transportierten Botschaften mitzudenken und entsprechend zu kontextualisieren. Aus der Untersuchungsregion durchgehend erhalten geblieben sind auch mehrere Schul-, Gendarmerie- und Pfarrchroniken. Einige dieser Chroniken sind aber nicht kontinuierlich geführt worden79 und aus manchen wurden nachträglich Seiten herausgerissen.80 Exemplarisch sei hier Band 2 der Schulchronik Schwanberg, umfassend die Jahre 1929–1965, näher charakterisiert. Diese Chronik ist nicht nur ein ausgezeichneter Spiegel der zeitgenössischen Verhältnisse an und in der Schule, sondern auch des politischen Lebens im Markt. Insgesamt zwei Ortsgruppenleiter der NSDAP Schwanberg, Filibert Gragger und Adolf Kleindinst, führten diese Chronik für einige Jahre selbst und gingen dabei auch recht ausführlich auf außerschulische Ereignisse ein. Im Juni 1933 beispielsweise berichtete Filibert Gragger über seine eigene (politisch motivierte) Verhaftung und Einlieferung in das Bezirksgericht Deutschlandsberg durch die Gendarmerie. Im Besonderen eignet sich die Schulchronik Schwanberg aber naturgemäß als Quelle für innerschulische Angelegenheiten, wie etwa die sich verändernden Aufgaben und Haltungen der Lehrerschaft im „Ständestaat“ und in der NS-Zeit. Von den weiteren verwendeten Quellenbeständen liegen für den Zeitraum 1932–1938 noch die Tagebücher der Staatsanwaltschaft Graz einigermaßen vollständig vor. Diese sind im Steiermärkischen Landesarchiv deponiert.81 Der Umfang der Tagebücher reicht von einer Seite bis zu mehreren hundert Seiten, entsprechend variabel ist auch deren Informationsgehalt und Quellenwert. Für vorliegende Arbeit sind hauptsächlich die Tagebücher genuin politischen Inhalts von Interesse, also Aktenvorgänge über illegale nationalsozialistische Umtriebe in Schwanberg 1935 beispielsweise. Im günstigen Fall umfasst ein Tagebuch der Staatsanwaltschaft die Anzeige eines Gendarmeriepostenkommandos, weitere Akten zur Voruntersuchung und – falls ein ordentliches Gerichtsverfahren eröffnet wurde – Zeugenaussagen in protokollarischer Form und die Urteilsverkündung. Ein Tagebuch der Staatsanwaltschaft kann aber auch dann eine aufschlussreiche Quelle sein, wenn der betreffende Fall bereits im Stadium der...


Markus Roschitz, MMag. Dr.phil., Historiker und Philosoph. Promotion an der Universität Graz im August 2017, seit 2018 Assistent am Institut für Geschichte der Universität Graz und am Mitteleuropazentrum der Andrássy Universität Budapest. Seine Forschungsschwerpunkte sind der Nationalsozialismus im lokalen Raum, die Geschichte der Schule und Lehrerschaft in der Steiermark sowie die Philosophie Ernst Mallys.



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