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Roslund | Schattenkind | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 528 Seiten

Reihe: Ewert Grens ermittelt

Roslund Schattenkind

Kriminalroman | Ein gnadenlos guter Thriller! Skandi-Crime pur.
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8437-3579-7
Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman | Ein gnadenlos guter Thriller! Skandi-Crime pur.

E-Book, Deutsch, Band 5, 528 Seiten

Reihe: Ewert Grens ermittelt

ISBN: 978-3-8437-3579-7
Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein dramatischer Wettlauf gegen die Zeit Kommissar Ewert Grens hatte das Ende seiner Karriere nicht kommen sehen. Plötzlich wurde er in den Ruhestand versetzt, und sein langjähriger Partner Piet Hoffmann sitzt im Gefängnis. Dort trifft Piet den Bruder seines besten Freundes Karlos. Als Jungs waren sie zusammen in einer Jugendstrafanstalt, und Karlos verschwand damals spurlos. Was Piet nicht weiß: Der Bruder glaubt, er habe Karlos damals getötet und will ihn nun rächen. Grens setzt alles dran, Hoffmann aus dem Gefängnis freizubekommen. Doch als er erste Fortschritte macht, schwebt Hoffmann längst in Lebensgefahr. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.? 

Anders Roslund (Jahrgang 1961) hat als eine Hälfte der erfolgreichen Autorenteams Roslund & Hellström und Roslund & Thunberg zehn Bücher veröffentlicht. Diese wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und brachten ihm international viele Auszeichnungen ein. Mit Teufelsgabe hat er bereits den vierten Roman unter seinem eigenen Namen veröffentlicht.
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DIE WUT.

Er hat keine Ahnung, woher sie kommt. Sie war schon immer da. Er trägt sie in sich, mit sich herum. Egal, wo er ist, lodert sie in ihm.

Jetzt nimmt er sie mit hinein.

In den großen Saal, in dem jeder Schritt widerhallt und die braunen, holzgetäfelten Wände aus einer anderen Zeit sind. Hohe Decken, abgestandene Luft, draußen auf der Straße fahren Autos vorbei, und niemand hat einen Schimmer, dass hier drin Leben verändert werden.

Er ist schon oft in Gerichtssälen gewesen. Sie machen ihm keine Angst. Richter und Schöffen vorne auf dem erhöhten Podium, Staatsanwalt, Anwalt der Nebenklage und Verteidiger unten vor der Richterbank, Prozessbesucher auf den Zuschauerplätzen im hinteren Bereich.

Und er selbst.

Der Angeklagte.

Piet Hoffmann dreht sich um. Verstohlen scannt er die Reihen. Sein Vater ist nicht da. Er würde niemals zu einer Gerichtsverhandlung seines Sohnes gehen. Sich bei der Arbeit freinehmen – aus Grund? Was für eine Schande. Ein Mann, der nach Schweden gekommen ist, um das Richtige zu tun, und jetzt sitzt sein Erstgeborener auf der Anklagebank. Aber seine Mutter ist da. Und viele seiner Kumpels. Die meisten mit einem Grinsen auf dem Gesicht. Etwa so wie bei einer Beerdigung in der Kirche. Alles ist ernst und still, keiner weiß, wie er sich verhalten soll, und fängt stattdessen an zu grinsen. Ein bisschen beeindruckt sind sie auch. Wie Theater, Zuschauer einer Vorführung. Alle schauspielern, und er steht auf der Bühne und spiegelt sich in ihnen, und alles passiert hier und jetzt, nicht später, an später denkt er nicht.

Mehrere Fälle von Körperverletzung. Genauso viele Einbrüche. Drogen hat er auch vertickt. Das Jugendamt hatte ihn von Anfang an auf dem Kieker, und als er mit dreizehn seinen Betreuer zusammenschlug, ging das Gerede von wegen Erziehungsheim los. Wir geben dir eine Chance, und du schlägst den einzigen Menschen zusammen, der an dich glaubt. Als letztes Mittel sollte er es mit Kampfsport versuchen. Muay Thai. Seine Wut auf etwas anderes richten als auf die Leute in der Stadt. Das Jugendamt zwang ihn hinzugehen. Diese Typen, dieser Verein, hatten über den Sport, der seine Empathie stärken, ihm die Denkmuster der Straße nehmen und ihm helfen sollte, seine Impulse in den Griff zu kriegen, schon die schlimmsten Härtefälle wieder auf Kurs gebracht. Die Situation eskalierte sofort. Der Trainer meinte, ihm mit Regeln kommen zu müssen, und als auch das zweite Training für den Arsch war, hatte er die Schnauze voll und schickte seinen Sparringspartner gegen jede Regel schon in der Umkleide zu Boden. Worauf das Jugendamt mit seinem Latein am Ende war: Wir haben unser Möglichstes getan. Du ins Erziehungsheim.

Seine Eltern traf keine Schuld. Andere waren schlechter dran. Seine Mutter brachte Essen auf den Tisch und wusste, dass die Bullen pünktlich an seinem fünfzehnten Geburtstag bei ihnen auf der Matte stehen würden. Sie hatten ihn gewarnt: Sobald du strafmündig bist. Er bekam zwei Monate aufgebrummt, sie konnten ihm nachweisen, dass er zwei Wachleute zusammengeschlagen hatte.

Die Sache heute ist ernster.

Ein halbes Jahr nach seinem Geburtstag sitzt er hier und ist alles andere als stolz. Es geht nicht darum, dass er gleich zu einer langen Haftstrafe im Jugendknast verurteilt wird, damit kommt er klar. Er empfindet weder Angst noch Vorfreude – das war schon immer sein vorgezeichneter Weg, der Ort, auf den er zusteuerte, nach dem er sich manchmal fast gesehnt hat. Das ist Teil des Ganzen. Das Problem ist eher der Typ, den er verletzt hat. Wobei Typ, es kommt ihm vor, als hätte er seinen Vater oder Großvater zusammengeschlagen.

Nilsson, so nennt er ihn, mehr nicht.

Piet kann nicht in Vornamen denken, das geht nicht, dann wird der Alte zu deutlich.

Nilsson sitzt auf der Klägerseite in der Mitte, neben seinem Anwalt, und Piet muss ihn ansehen, muss dem Blick begegnen, kann ihm nicht ausweichen. Er fühlt sich so verdammt schuldig. Dass der Mann seitdem auf einem Ohr taub ist, kam schon bei den Polizeiverhören raus, und trotzdem liegt in seinem Blick weder Wut noch Hass – der ältere Mann wirkt traurig. Sie schauen sich an, begegnen sich genau hier, genau in diesem Moment. Denn der fünfzehnjährige Straftäter ist genauso traurig. Piet weiß kaum, was er auf die Fragen des Staatsanwalts und von Nilssons Anwalt antwortet, sein Kopf fährt Achterbahn, aber zum ersten und einzigen Mal streitet er seine Tat, seine Schuld, nicht ab.

Der Staatsanwalt muss ihn nicht einmal in die Mangel nehmen, sondern nur zuhören, als er gesteht.

Ich war betrunken und hab das Fenster vom Tabakkiosk am Stora Torg eingeschlagen. Plötzlich kommt er angelaufen und schreit: »Polizei. Ruft die Polizei.« Also springe ich von der Mauer, auf der ich stehe, ich springe runter und trete ihn seitlich gegen den Kopf. Und dann noch mal, als er am Boden liegt.

Angewidert.

Angewidert von sich selbst.

Als er es ausspricht. Es hört.

Angewidert, dass der Alte, Nilsson, ein Erwachsener, einem verdammten Kind gegenübersitzt, das sein Leben zerstört hat. Piet hat schon früher vor Gericht gestanden, weil er andere Typen zusammengeschlagen und danach nichts empfunden hat. Sie hatten es verdient, aber dieser Mann nicht, und er war für immer geschädigt.

Ich gehe in den Laden. Quasi links auf dem Foto des Staatsanwalts steht der Alte, dem ich das Gehör eintrete. Dieser Nilsson.

Kindheit.

Das verdammte Bild taucht in seinem Kopf auf, während er redet und der ganze Gerichtssaal zuhört. Als wäre er an zwei Orten gleichzeitig.

Das Bild der Klasse 9A, von der er sich vor einem Monat verabschiedet hat, und diese eigenwilligen Schritte in den letzten Sommerferien, ein paar Meter über den Marktplatz in ein komplett anderes Leben. Da liegt die Schule, die Vergangenheit und auch Zukunft ist, da der Tabakkiosk, wo wir als Kinder Süßigkeiten gekauft und, als wir älter waren, Zigaretten geklaut haben, und genau da schlage ich später einen Menschen zusammen.

Als der alte Mann seine Zeugenaussage macht, sieht er Piet unverwandt an, nur ihn, beschreibt die harten Stiefelkappen an seinem Kopf, als er steht und als er am Boden liegt. Er ist immer noch nicht wütend. Er weiß, dass der Fünfzehnjährige im Polizeiverhör gestanden hat, und wenn zwei Menschen sich so begegnen wie sie in diesem Moment, gibt es kein Spiel, das hier ist real, sie sehen einander.

Es wird kein Verkündungstermin für das Urteil anberaumt, ein Stuhlurteil genügt, und während sich der Richter und die Schöffen zur Beratung zurückziehen, verlassen alle den Gerichtssaal. Da geht das Opfer auf den Täter zu. Nilsson kommt auf Piet zu, will ihm die Hand reichen, und Piet stammelt eine Entschuldigung, so wie schon beim Verhör des Staatsanwalts.

Der ältere Mann sieht so einsam aus.

Wäre es ein Gleichaltriger gewesen, der vor Piet gestanden, das Maul aufgerissen und eine große Lippe riskiert hätte, würde es ihn kaltlassen, aber er fühlt sich wie eben im Saal: Piet weiß, dass er ein Stück Scheiße ist.

Sie sitzen wieder auf ihren Plätzen, als der Richter das Urteil verliest. Zuerst die Personengutachten. Diesmal hat Piet im Vorfeld eine P7 machen müssen, eine psychologische Untersuchung, um festzustellen, ob er sie noch alle hat. Ein Psychologe und ein Arzt der Jugendpsychiatrie sind zu ihm in den Arrest gekommen, und es hat eine Ewigkeit gedauert. Sie hatten einen Haufen Leute befragt, seine ehemaligen Lehrer, einen Mitarbeiter des Jugendzentrums und seinen Fußballtrainer. Das Jugendamt und die Trottel vom offenen Strafvollzug mussten auch noch ihren Senf dazugeben.

Niedrige Impulskontrolle. Unreif. Schwierigkeiten, Verantwortung zu übernehmen. Aggression eskaliert in Gewalt.

Piet hat nichts einzuwenden, das ist ein ziemlich zutreffendes Bild des Jugendlichen, der neben seiner Niete von Verteidiger sitzt und auf die letzten Zeilen des Urteils, die Strafe, wartet.

Der Staatsanwalt hat vier Jahre wegen Mordversuchs beziehungsweise schwerer Körperverletzung gefordert, aber es werden drei.

Piet weiß, dass er einer der Letzten ist, die verurteilt werden, bevor eine Neuerung namens Geschlossene Jugendhilfe in Kraft tritt. Es spielt keine Rolle. Erziehungsheim, Jugendvollzug, geringfügige Haft oder Jugendhilfe. Wen kümmert es, welchen Namen die Scheiße trägt, wenn es Scheiße bleibt: Fünfzehnjährige, eingesperrt in Gefängniszellen.

Das Schlimmste passiert danach.

Nicht das Urteil, das ist, wie es ist – sondern Nilsson, der noch mal zu ihm kommt und mit ihm redet.

»Ich hoffe, du wirst deinen Weg machen.«

Das ist alles.

Er meint es ernst, sein Blick sagt es.

Auch wenn es nicht so kommen wird. Das Opfer weiß es, und Piet weiß es. Egal, welche Strafe sie ihm aufbrummen, darum geht es nicht. Energie, darum geht es. Macht und Wut und Rastlosigkeit, die da sind, ein Ventil brauchen und zu mehr Drogen, mehr Einbrüchen und mehr zusammengeschlagenen Opfern werden.

Aber kein Opfer mehr wie Nilsson. Piet wird nie wieder jemanden angreifen, der es nicht verdient, der nichts mit der Sache zu tun hat und rein zufällig dazwischengerät.

Als er den Gerichtssaal verlässt, denkt er nichts.

Nichts...



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