Ross Shayne - der Verführer
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-95576-111-0
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
New Orleans Gentlemen
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
ISBN: 978-3-95576-111-0
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Als Shayne O'Malley die attraktive Antiquitätenhändlerin Bliss Fortune auf einer Party in Paris anspricht und verführerisch mit ihr flirtet, verfolgt er damit ein ganz bestimmtes Ziel: Er will von nun an in ihrer Nähe sein, um zu beweisen, dass Bliss eine Juwelendiebin ist ...
JoAnn Ross hat über 70 Romane geschrieben, die in 26 Ländern veröffentlich worden sind, einschließlich Russland, China, Frankreich und der Türkei. Zwei ihrer Titel sind in Auszügen im Cosmopolitan Magazin erschienen und ihre Bücher sind im Doubleday Buch Club und einem literarischen Führer veröffentlicht worden. Sie hat unzählige Preise erhalten, unter anderem den 'Lifetime Career Achievement Award'. JoAnn Ross lebt mit ihrem Ehemann in Tennessee wo sie immer wieder Inspiration in den neblig verhangenen Gebirgen vor ihrem Home - Office - Fenster gewinnt.
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1. KAPITEL
Bliss Fortune sah nicht wie eine Juwelendiebin aus. Könnte man allerdings Diebe an ihrem Aussehen erkennen, wären sie bereits alle hinter Gittern gelandet und Shayne O’Malley wäre arbeitslos gewesen.
Er beobachtete die rothaarige Fremde schon seit einer Stunde, wie sie mit den reichen Teilnehmern dieser Party umging. Die Franzosen – und ganz besonders die Pariser – waren dafür bekannt, dass sie Ausländern reserviert gegenüberstanden. Bliss Fortune gelang es jedoch eindeutig, sowohl Männer als auch Frauen mit ihrem strahlenden Lächeln zu verzaubern.
Es war Frühling in Paris. Die grauen Wolken des Winters hatten sich verzogen, der kalte Aprilregen war überstanden. Jetzt blühten die Kastanienbäume, und die Pariser genossen die schönen Tage und sternklaren Nächte in Cafés, auf den Straßen und in den Parks.
Die Farbe der Saison war das klassische Schwarz, doch heute Abend hielten die Gäste sich nicht an diese Vorschrift. Die Damen trugen bunte Kleider, die mit den Blumen im Jardin du Luxembourg um die Wette leuchteten.
Die Party fand in einem luxuriösen Apartment in einem Haus aus dem siebzehnten Jahrhundert statt, das auf der Ile Saint-Louis stand, einer winzigen Insel in der Seine. Früher hatten auf der Insel die Rothschilds und Madame Pompadour gewohnt. Fast vierhundert Jahre später gehörte sie zu einer der begehrtesten Wohngegenden der Lichterstadt an der Seine.
Shayne schätzte, dass man von den Juwelen der Damen mühelos eine zweite Französische Revolution hätte finanzieren können. Gold, Diamanten und Perlen funkelten und schimmerten im Licht der Kristalllüster um die Wette. Keine Juwelendiebin konnte einer solchen Versuchung widerstehen.
Bliss Fortune trug ein ärmelloses weißes Seidenkleid mit tief angesetzter Taille. Es schmiegte sich um ihre Rundungen und enthüllte schlanke, wohlgeformte Beine. An ihren Ohren funkelten zwei herrliche Diamantstecker. Shayne hätte gern gewusst, aus welcher gestohlenen Halskette oder aus welchem Diadem sie stammten.
Seit zehn Tagen folgte er dieser Frau durch Paris. Sie schien genau das zu sein, was sie angeblich war – eine Antiquitätenhändlerin, die in regelmäßigen Abständen zum Einkaufen nach Paris kam. Vermutlich hatte sie mittlerweile alle Antiquitätenläden von Paris abgeklappert. Shayne war es ein Rätsel, wie sie tagsüber die Konkurrenz besuchen und abends noch so energiegeladen wirken konnte. Müde wurde diese Frau offenbar nie.
Es war höchste Zeit, ihre Bekanntschaft zu machen. Er nahm zwei Gläser Champagner von dem Tablett eines Kellners und ging auf sie zu.
Verdammt, verdammt, verdammt! Bliss konnte es einfach nicht glauben. In Paris fanden so viele Partys statt! Wieso musste diese Ratte von Exmann ausgerechnet auf dieser auftauchen?
Sie verkrampfte sich, als er die Unterhaltung mit einer attraktiven Brünetten abbrach und auf sie zukam.
“Hallo, Bliss!” Alan Fortune umarmte sie, als wäre das sein gutes Recht.
Bliss hielt sich steif wie eine Statue. Alan gab sie zwar sofort wieder frei, wich jedoch nicht von ihrer Seite. Sein umwerfend charmantes Lächeln hatte noch vor relativ kurzer Zeit ihr Herz zum Schmelzen gebracht.
“Du siehst wundervoll aus, Liebling.” Mit seinen dunklen Augen betrachtete er sie vom Scheitel bis zur Sohle.
Als er sich zu ihr beugte, als wollte er sie küssen, wich Bliss zwei Schritte zurück. “Du brauchst gar nicht so überrascht zu klingen.” Es freute sie, dass man ihr nicht anhörte, wie sehr sie sich über das Zusammentreffen ärgerte.
Er ignorierte ihren ironischen Ton wie damals ihren Wutausbruch, als sie ihn mit ihrer besten Freundin im Bett ertappte. Erst danach hatte sie erfahren, dass er sie schon mehrmals betrogen hatte, unter anderem bereits in den Flitterwochen.
“An dir haben schon immer billige Sachen elegant gewirkt.” Alan lächelte, als hätte sie nicht bei ihrem letzten Zusammentreffen eine Vase nach ihm geworfen.
Bliss überlegte gerade, wie sie von hier verschwinden konnte, ohne eine Szene zu machen, als sich das Problem von selbst löste. Eine hoch gewachsene Frau in einem Corsagenkleid, das sicher mehr als Bliss’ Wagen gekostet hatte, unterbrach das Gespräch.
“Alan, Schatz”, beklagte sie sich lächelnd, “ohne dich fühle ich mich schrecklich allein.”
“Ich habe dich noch nie allein gesehen, Monique”, erwiderte er lachend.
Monique war ein Supermodel und Liebling der internationalen Modeszene. Offenbar war sie momentan auch Alans Liebling.
“War nett, dich zu treffen, Alan”, meinte Bliss lässig. “Aber jetzt kümmere ich mich lieber wieder um die anderen Gäste.”
“Das ist ganz meine Bliss. Immer denkt sie ans Geschäft.”
Er betrachtete sie, als wäre sie etwas Besonderes. Früher hatte er ihr dieses Gefühl vermittelt, für ihn etwas Besonderes zu sein. Erst im Lauf der Zeit hatte sie herausgefunden, dass er und seine gelangweilten Bekannten ihre Arbeitswut nur verächtlich belächelten.
Sie zeigte ihm ein gespielt reizendes Lächeln. “Es gibt eben Menschen, die nicht mit einem antiken Silberlöffel im Mund und etlichen goldenen Kreditkarten in der Hand geboren werden.”
Wie hätte er wohl reagiert, wenn sie ihm verriet, dass sie seine wahre Identität entdeckt hatte? Bestimmt hätte sie nur noch mehr Lügen zu hören bekommen, weil er garantiert alles abstritt. Und das war ihr das Vergnügen nicht wert, seine Fassade zum Einsturz zu bringen.
“Du könntest mir beinahe Leid tun”, erwiderte er locker.
Bevor sie ihm eine Champagnerflasche aus einem der Silberkühler über den Kopf schlug und damit ihr Ansehen einbüßte, ließ sie ihn stehen und entfernte sich so würdevoll wie nur möglich.
Nach diesem Zusammentreffen brauchte Bliss dringend frische Luft. Sie stand am offenen Fenster, als jemand hinter sie trat. Hastig drehte sie sich um und wollte ihren verlogenen und betrügerischen Exmann schon zum Teufel jagen, als sie einem Fremden gegenüberstand.
“Von dem vielen Sprechen müssen Sie durstig sein. Champagner?” Shayne fand zwar seine Bemerkung selbst nicht sonderlich originell, aber Bliss Fortune lächelte verhalten.
“Danke.” Sie nahm das Glas an und trank einen Schluck, um den schlechten Nachgeschmack von der Unterhaltung mit Alan zu vertreiben. “Ich bin schrecklich, nicht wahr?”
“Finden Sie?” fragte er leise.
“Man sollte auf einer Party nicht über Geschäfte sprechen, nicht einmal in Amerika. Und hier in Paris tut man das einfach nicht.”
“Mag sein”, erwiderte er und betrachtete sie über den Rand seines Glases hinweg. “Aber in Ihrem Fall stört sich offenbar niemand daran.”
“Alle waren sehr höflich und sogar erstaunlich freundlich, wenn man bedenkt, gegen wie viele Regeln ich heute Abend verstoßen habe. Mit Höflichkeit kann man allerdings keine Rechnungen bezahlen.”
Er streckte die Hand aus und berührte mit einer Fingerspitze ihr Ohrläppchen. Der Einkaräter funkelte bläulich weiß, ein makelloser Stein. “Ich glaube nicht, dass Sie sich wegen Ihrer Rechnungen Sorgen machen müssen.”
“Muss das nicht jeder?” Sie unterdrückte bei der leichten Berührung einen wohligen Schauer. “Ich bin Antiquitätenhändlerin. Mir gehört die Treasure Trove, die Schatztruhe, in New Orleans. In meinem Beruf muss ich Geld investieren, um welches zu verdienen. Bei der großen Konkurrenz ist es wichtig, beste Qualität und erlesene Stücke anzubieten. Darum bin ich auch so begeistert über die Funde, die ich auf dieser erfolgreichen Reise gemacht habe.” Erfolgreich bis zu dem Moment, dachte sie, in dem ich Alan traf. “Mein Kreditkarteninstitut wird sich allerdings nicht darüber freuen, dass ich mein Limit stark überzogen habe. Ich wollte die Ausgaben auf ein Minimum beschränken, aber hier ist alles schrecklich teuer, und ich besitze leider keine Selbstdisziplin.” Offenbar reichte ihre Selbstdisziplin nicht einmal dazu aus, dass sie den Mund hielt. Sie hatte schon immer zu viel geredet, und das wurde noch schlimmer, wenn sie verunsichert wurde. Das war im Moment eindeutig durch diese hellblauen Augen, die unverwandt auf sie gerichtet waren, der Fall. “Wussten Sie, dass Hemingway, als er in Paris lebte, ein hervorragendes Essen für zwei Personen mit Wein für nur zwölf Francs bekam?”
“Nein.”
“Heute kostet schon ein einfaches Käsesandwich fast dreimal so viel.” Sie warf einen verstohlenen Blick zum Büffet. Auf weißem Damast und im Schein von Kandelabern stand genug Essen, um Napoleons Armeen zu versorgen.
“Hier gibt es ein reichliches Angebot”, bemerkte Shayne.
“Ja, nicht wahr? Ich fürchte nur, dass ich wie ein Fernfahrer zuschlage, wenn ich erst einmal einen Teller fülle.” Seufzend strich Bliss sich über die rötlich blonden Locken. “Französinnen essen nie etwas. Sie sitzen ständig hochelegant in Straßencafes und haben Teller vor sich stehen, aber man sieht nicht, wie sie einen Bissen nehmen. Bestimmt verstößt das gegen das Gesetz.” Sie ließ den Blick durch den Raum wandern und zu dem Tisch zurückkehren, der sich unter Delikatessen bog. “Im Moment würde ich für ein Steak morden.”
“Ich könnte doch einen Teller füllen”, schlug Shayne vor. “Sie nehmen sich ganz damenhaft nur ein Stückchen Käse oder Obst. Dann gehen wir auf die Terrasse hinaus, und Sie essen, so viel Sie wollen, ohne dass es jemand merkt.”
Sie lächelte ihn so reizend an, dass er sie für völlig harmlos gehalten hätte, wenn er es nicht besser gewusst hätte.
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