Rot | Japan ist eine Insel | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 248 Seiten

Rot Japan ist eine Insel


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7427-7432-3
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 248 Seiten

ISBN: 978-3-7427-7432-3
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Wann kommst du heute heim?' 'Ich unterrichte bis viertel sechs.' 'Viertel vor sechs?' 'Nein, viertel nach fünf. Bin so um sechs zu Hause.' 'Schön, dass du zum Sex zu Hause bist.' Die Ehe mit meiner japanischen Frau ist immer unterhaltsam, skurrile Missverständnisse prägen unseren Alltag. Humorvolle Episoden begleiten die Leser durch eine Geschichte, in der auch spannende Fakten über Japan nicht zu kurz kommen. Darüber hinaus herrscht in diesem Buch aber pure Subjektivität - gelegentlich auch die Meinung meiner Frau.

Michael Rot lehrt Interpretation der Oper an der Wiener Musikuniversität. Seine Karriere begann in Wien als Komponist, Dirigent und Arrangeur. Interpreten wie Anna Netrebko oder die Wiener Philharmoniker haben seine Bearbeitungen weltweit bekannt gemacht. Ab Mitte der 90er-Jahre wandte er sich verstärkt der Forschung zu. 'Japan ist eine Insel' ist das erste belletristische Werk von Rot, der als Autor bisher mit Libretti zu Opern und musikalischen Komödien in Erscheinung trat.
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Entreact – Eine Insel macht noch keinen Frühling


Japan ist flächenmäßig deutlich größer als Europäer im Allgemeinen glauben. Mit 378 000 Quadratkilometern übertrifft es Deutschland, genauer gesagt ist es so groß wie ganz Deutschland plus Salzburg, Tirol und sicherheitshalber noch Vorarlberg. Die Nord-Süd Ausdehnung reicht etwa von der Linie Zagreb-Mailand bis ins südliche Libyen, auf Höhe von Medina in Saudi-Arabien. Das sind 2800 Kilometer, mehr als die Strecke Stockholm–Tunis.

Entgegen der landläufigen Ansicht, Japan erstrecke sich vor allem von Norden nach Süden, ist jedoch auch die Ost-West Ausdehnung mit fast 2000 Kilometern erheblich. Deshalb betreibt die ehemals staatliche Eisenbahngesellschaft Japan Railways ihr Unternehmen auf der Hauptinsel Honshu als JR-East und JR-West. Und ebenfalls entgegen der verbreiteten Meinung gibt es in Japan keineswegs nur dichtbesiedelte Gebiete, sondern auch sehr viel Natur. Es stimmt schon, 92 Prozent der Japaner leben in Städten, und die Ballungsräume Tokyo-Yokohama und Osaka-Kyoto-Kobe gehören zu den bevölkerungsreichsten Regionen weltweit; aber in punkto Bevölkerungsdichte schaffen es beide nicht einmal unter die ersten zehn der Welt.

Beeindruckend waren für mich von Anfang an die enormen Gegensätze. Von Osaka nach Kyoto durchfährt man sechzig Kilometer Stadtgebiet. Verlässt man aber dieses urbane Zentrum, so prägen ausgedehnte Waldregionen und weitläufige Reisfelder in ihrem unvergleichlichen Blaugrün die Landschaft. Mehrere vulkanische Gebirgsketten durchziehen die Inseln, und die Lage an der Bruchzone von drei tektonischen Platten macht Japan zu einer erdbebenreichen Region, weshalb das Land für den Betrieb von Atomkraftwerken besonders geeignet erscheint. Schließlich hat man sogar das Problem der Wiederaufbereitung und Endlagerung gelöst. Man hat es an Frankreich ausgelagert. »Safety first« ist eines der Grundprinzipien der japanischen Gesellschaft.

Japan ist voller Widersprüche. Strengem Traditionsbewusstsein steht eine das ganze öffentliche Leben durchdringende Amerikanisierung gegenüber: kaiseki-Küche neben Mac Donalds, kabuki-Theater neben Boy-Groups und Girlie-Szene, Teezeremonie neben Coca-Cola.

Japan im Größenvergleich mit Europa

auf originaler geographischer Breite

Nachdem die USA gegen Ende des Zweiten Weltkrieges als stärkster Verbündeter auf Seiten Japans ins Geschehen eingegriffen hatten, war die endgültige Unterwerfung Chinas nur mehr eine Frage der Zeit. Der den Unterlegenen gemeinsam diktierte Friedensvertrag von Nanking als Grundlage der unerschütterlichen Freundschaft und ewigen Kooperation zwischen den USA und Japan findet seine angemessene Fortsetzung in der ... Trans-Pazifischen ... Partnerschaft ... TPP ... oder ...

oder sieht das jemand anders?

Die Haltung der Japaner gegenüber den USA ist ambivalent, da sie trotz des Kotaus vor deren »Way of Life« die Amerikaner als Feinde empfinden. Auch die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen folgen keiner klaren Linie. Zwar gab es im 19. Jahrhundert konstruktive wirtschaftliche Zusammenarbeit zum beiderseitigen Vorteil, aber bereits bei der Friedenskonferenz 1919 in Paris wurde Japan von den USA brüsk vor den Kopf gestoßen und international blamiert, als es einen Passus zur Gleichheit aller Rassen in den Text des Völkerbund-Abkommens aufgenommen sehen wollte. Die danach ständig zunehmenden Spannungen führten schließlich nahtlos in die Katastrophen des Pazifik-Krieges. Der Überfall auf Pearl Harbor seitens der Japaner, der Abwurf zweier Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki durch die USA, gefolgt von sieben Jahren amerikanischer Besatzung sind die Tiefpunkte der gemeinsamen Geschichte. Dennoch gilt Japan heute als wichtigster Verbündeter außerhalb der Nato, es gibt vielfältige institutionelle und kulturelle Kontakte, vieles in Japan erinnert an amerikanische Muster – vom Wahlkampf bis zu den Eiswürfeln im Getränk, von militanten außenpolitischen Parolen bis zu teuren Privatschulen. Nur Englisch, dieses verdammte Englisch konnten auch die Amerikaner in Japan nicht verwurzeln.

Die Beziehungen zu den Nachbarstaaten Russland, China und Südkorea sind nach wie vor belastet durch Japans Rolle in den Kriegen des 20. Jahrhunderts und bis heute ungeklärte wechselseitige Gebietsansprüche. Dabei geht es nicht nur um Tradition und Nationalismus, sondern auch um handfeste wirtschaftliche Interessen. Zu allem Überfluss heizen gegenseitige Provokationen aller Beteiligten die Konflikte zusätzlich an.

»Hast du endlich etwas gegen diese Polen unternommen?«

»Die sind doch gerade erst eingezogen!«, antwortete ich, überrascht über diese Aussage meiner sonst so ausländerfreundlichen Frau.

»Keine Ahnung, wie man das nennt. Aber wenn sie erst einmal da sind, muss man sofort etwas unternehmen.«

»Was stört dich eigentlich?«

»Wieso mich, du rülpst doch immer die Nase.«

»Du rümpfst die Nase.«

»Nein, du. Ich kann sie nicht riechen.«

»Ich weiß nicht, was du meinst. Sie machen keinen Lärm, sie stinken nicht, man sieht sie ja kaum.«

»Atomstrahlung sieht man auch nicht. Sogar in der U-Bahn habe ich von einem Polen-Fluch gelesen.«

»Mich begeistert der Rechtsruck in Polen auch nicht. Aber deshalb gleich einen Polen-Fluch heraufzubeschwören?«

»Wieso rechts? Die kommen von allen Seiten, ohne Grenzen!«

»Was in aller Welt haben dir diese Leute getan?«

»Was für Leute? Ich rede nur von den Polen.«

»Ich glaube, wir sprechen gerade nicht dieselbe Sprache.«

»Deutsch, oder?«

»Ich bin nicht sicher. Über unsere neuen Nachbarn sind wir jedenfalls unterschiedlicher Meinung.«

»Magst du sie etwa nicht? Die sind doch aber sehr sympathisch.«

»Du hast doch gesagt, ich soll etwas gegen die Polen unternehmen!«

»Genau! Kümmere dich um deine Nase, und lass unsere netten Nachbarn in Ruhe!«

»Die kommen aber aus Polen.«

»Aus porando? Ich wusste es nicht. Sagt man ›Polen‹ auf Deutsch? Lustig, dasselbe Wort.«

»Welches selbe Wort?«

»Wie deine Polen.«

»Wer bitte sind meine Polen?«

»Die ganze Zeit rede ich davon! Die Polen, die in der Luft fliegen. Warum du dauernd niesen musst.«

»Du meinst den Pollen-Flug von den Bäumen?«

»Sag ich doch!«

Japan zwischen Pazifischem Ozean und Chinesischem Meer

Ungeachtet der politischen Spannungen baut Japan die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten konsequent aus. Immer mehr Firmen haben Niederlassungen in China, und Südkorea ist ohnehin einer der wichtigsten Handelspartner. Ein in Planung befindlicher Tunnel zwischen der japanischen Insel Hokkaido und dem russischen Sachalin soll Japan sogar mit dem europäischen Eisenbahnnetz verbinden.

Nur mit Nordkorea ist eine Normalisierung der Beziehungen nicht in Sicht. Ganze 450 Kilometer trennen Japan von diesem roten Fleck auf der Landkarte. Das ist die Entfernung Wien-München, keine relevante Distanz für moderne Lenkwaffensysteme. Niemand weiß genau, über welche Kriegsgeräte Nordkorea tatsächlich verfügt. Die in regelmäßigen Abständen in Richtung Japan abgefeuerten Missiles legen zwar kaum den halben Weg zurück, dennoch erwecken die im Fernsehen verbreiteten Bilder den Eindruck beängstigender Nähe.

Dazu kommen die unvergessenen Entführungen japanischer Staatsbürger nach Nordkorea, die vor allem in den 1970er- und 80er-Jahren an der Tagesordnung waren.

Als einer von vermutlich sehr wenigen Europäern hatte ich 1988 Gelegenheit, zwei Wochen in Nordkorea zu verbringen. Und diese Erfahrung war – abgesehen von der zuvorkommenden und komfortablen Betreuung, die mir und allen anderen geladenen Künstlern zu Teil wurde – bei etwas näherer Betrachtung tatsächlich beängstigend. Und obwohl inzwischen der Enkel des damaligen Führers Kim Il Sung die Macht übernommen hat, so nähren die wenigen relevanten Nachrichten aus dem hermetisch abgeriegelten Land meine Überzeugung, dass seither nichts besser geworden ist, eher im Gegenteil.

»Ich habe Schwierigkeiten mit meinen Polen«, erklärte meine Frau zwei Wochen später.

»Du plötzlich auch?«, fragte ich misstrauisch. Noch einmal würde ich nicht auf den Polen-Fluch, Verzeihung Pollen-Flug hereinfallen.

»Die Ärztin hat gesagt, ich muss etwas unternehmen.«

»Du kannst gerne eine von meinen Tabletten haben.«

»Was für Tabletten? Diesmal geht es doch um meine Nase.«

»Und die braucht eine andere Behandlung als meine?«

»Seit wann hast du Probleme mit den Polen?«

»Aber das weißt du doch.«

»Ist mir neu.«

»Also, jetzt noch einmal ganz langsam zum Mitschreiben.«

»Warum willst du mitschreiben?«

»Das sagt man nur so.«

»Was schreibt man dann?«

»Nichts.«

»Aha!«

»Man spricht und denkt nur langsam, damit alles klar wird.«

»Wie langsam?«

»Willst du das genau wissen?«

»Ich möchte es richtig machen.«

»Egal, einfach langsam.«

»Ich spreche immer langsamer als du.«

»Schon gut! Was ist jetzt mit deinen Pollen?«

»Wieso Pollen? Das sind doch die, die in der Nase kitzeln?«

»Genau, und jetzt hast du auch Probleme?«

»Keine Spur, nur meine Polen machen mir zu schaffen.«

»Du meinst jetzt aber nicht unsere Nachbarn?«

»Was haben die mit meiner Haut zu tun?«

»Deine Haut? Dann brauchst du vielleicht eine kosmetische Behandlung,...



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