E-Book, Deutsch, Band 2, 273 Seiten
Reihe: True Tales
Rothe True Tales 2: Zauber der Spiegel
19001. Auflage 2019
ISBN: 978-3-646-30162-5
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wunderschöne Romantasy-Märchenadaption
E-Book, Deutsch, Band 2, 273 Seiten
Reihe: True Tales
ISBN: 978-3-646-30162-5
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Veronika Rothe wurde 1990 im schönen Allgäu geboren. Nach einem Geschichtsstudium in Freiburg i.Br., Bamberg und Leipzig verschlug sie es zurück in den Süden, wo sie mit ihrer Familie lebt. Als Bloggerin ist sie in den Gefilden der romantischen und fantastischen Literatur schon lange zu Hause und ihre erste eigene Fantasygeschichte hat sie bereits im zarten Alter von neun Jahren verfasst. Seitdem ist auch die Liebe zum Schreiben ein fester Bestandteil ihres Lebens.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 1
Holle – Vor 513 Jahren
»Ich glaube nicht, dass sie noch kommen wird.«
Rora wirkte wütend und resigniert zugleich und vereinte damit wie so oft mich und meine Schwester Snow in sich. Während ich nämlich enttäuscht und traurig war, schäumte Snow White vor Zorn. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und ihre Augen funkelten wild.
»Wie kann sie uns einfach versetzen? Das hier war ein Entgegenkommen unsererseits! Wir hätten das auch auf meine Art regeln können, dann wäre das Ganze nicht so sanft verlaufen. Und vor allem hätte sie uns dann nicht Ewigkeiten hier warten lassen können! Mir reicht es. Lasst uns verschwinden und uns überlegen, was wir jetzt unternehmen sollen. Und zwar auf meine Weise.«
Ich wusste, dass es keinen Sinn mehr machte noch länger zu hoffen. Vor zwei Stunden hätte sie hier sein müssen, doch sie war es nicht. Dennoch weigerte sich ein Teil von mir weiterhin aufzugeben. Wenn wir jetzt gingen, wäre das eine Entscheidung, die viel weiter als bis zu diesem Treffen reichen würde.
Sobald wir gingen, gaben wir sie endgültig auf.
Der Riss zwischen uns würde so tief werden, dass man ihn niemals wieder kitten könnte. Auch jetzt waren wir uns bereits zu fremd geworden und für meinen Geschmack lag entschieden zu viel Misstrauen in der Luft – doch noch war immerhin nicht alles verloren.
Noch könnten wir uns wieder annähern und die bereits entstandenen Schäden reparieren.
Insofern sie noch auftauchte zumindest …
»Lasst uns noch warten, bitte«, sagte ich deshalb und blickte mich im Garten der selten genutzten Sommerresidenz meiner Familie um, als könnte sie jeden Moment hinter einer Hecke auftauchen. Wir hatten diesen Treffpunkt gewählt, da er einigermaßen neutral war und die Chancen, dass es überhaupt zu einer Zusammenkunft kam, deshalb stiegen. Zumindest hatten wir das angenommen …
»Wenigstens noch ein paar Minuten …«
Snow seufzte genervt. »Ist das dein Ernst, Holle? Wir warten schon zwei Stunden ohne ein Zeichen von ihr! Wir lassen uns gerade für dumm verkaufen und uns unsere Zeit stehlen.«
Rora blickte entschuldigend zu mir. »Ich fürchte, Snow hat recht. Sie wird nicht kommen. Sie will nicht mit uns reden – und damit sagt sie schon mehr als genug.«
»Wir können sie doch nicht einfach so aufgeben!« Tränen stiegen mir in die Augen. »Sie gehört zu unserer Familie, auch wenn sie vielleicht etwas vom Weg abgekommen ist.«
Snow White wollte irgendetwas Hitziges erwidern, doch ich würde niemals erfahren, was das sein sollte. Denn es war eine andere Stimme, die mir antwortete.
»Es freut mich zu hören, dass du so denkst, Holle. Allerdings stört mich der Teil mit vom Weg abgekommmen. Aber na ja, ich schätze, das wirst du früher oder später auch noch verstehen.«
Sofort drehten sich unsere Köpfe in die Richtung des Gastes.
Snows Züge verhärteten sich augenblicklich und sie verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ach, sieh mal einer an, wer uns doch noch mit seiner Anwesenheit beehrt.«
Sie sah wunderschön aus, wie immer, auch wenn der Ausdruck in ihren Augen sich in der letzten Zeit verändert hatte. Es war nicht mehr viel von dem lustigen und freundlichen Mädchen übrig, das ich einst gekannt hatte. Nein, jetzt stand dort eine Frau, die eine dunkle Aura umgab und nur ganz schwach noch an das Mädchen von damals erinnerte.
Alles an ihr schien nun schwarz zu sein – abgesehen von ihrem langen, dunkelgrünen Kleid und den gleichfarbigen Augen. Doch das Kleid wurde von einem schwarzen Umhang bedeckt und das Gesicht von hüftlangem, schwarzem Haar umrahmt.
Früher hatte sie meistens grün getragen. Grün wie ihre Augen. Wie ihre Magie.
Sollte die Veränderung ihrer Garderobe etwa Aufschluss über die Änderung ihrer Magie und ihres Charakters geben?
Ich erschauderte bei dem Gedanken. Doch genau deshalb, um eben diese Frage zu beantworten, waren wir jetzt hier und das bereitete mir Bauchschmerzen. Absolut alles hieran fühlte sich falsch an, widernatürlich.
Wir hatten uns immer so nah gestanden, doch jetzt erkannte ich die Frau vor mir kaum wieder.
»Ich hatte noch etwas zu erledigen. Aber es war sehr freundlich von euch auf mich zu warten.« Sie klang spöttisch und herablassend, was wiederum ein gewaltiges Stück meiner Hoffnung darauf, dass dieses Treffen doch noch ein positives Ende nehmen würde, schwinden ließ.
Natürlich wollte meine älteste Schwester Snow aufbegehren, doch ich verhinderte das. Wut und Vorwürfe würden uns gerade einfach nicht weiterbringen, im Gegenteil.
»Hauptsache du bist jetzt hier und wir können uns unterhalten«, meinte ich, um allen negativen Einwänden zuvorzukommen.
Der grüne Blick traf mich und wirkte fast nachsichtig. Als hätte sie es mit einem kleinen Kind zu tun. »Ach, Holle. Du bist immer so nett.« Bei ihr klang dieses Wort allerdings wie eine furchtbare Beleidigung. »Eines Tages wird das vermutlich dein Untergang sein.«
Mich überlief es eiskalt und ich spürte wie Angst in mir hochkroch.
»Willst du ihr etwa drohen?!« Rora schien fassungslos, was mir zeigte, dass wohl auch sie wenigstens ein klein wenig Hoffnung in dieses Treffen gelegt hatte.
»Natürlich nicht«, entgegnete die Frau in grün und schwarz mit eindeutig gespielter Entrüstung. Sie gab sich nicht einmal Mühe sich zu verstellen, was mir einen schmerzhaften Stich in der Brust bescherte. »Es war lediglich eine Feststellung.«
In mir tobte ein Eissturm, so kalt und frostig fühlten sich das Entsetzen und die Angst an. Es durfte nicht alles zerbrechen, wir konnten doch nicht so sehr auseinander driften!
Diese Situation brach mir das Herz, weil es sich so falsch anfühlte. Alles daran fühlte sich einfach unendlich falsch an.
»Das bringt doch nichts«, knurrte Snow da und ich bemerkte genau, wie ihre Hand zu ihrem Schwert wanderte. »Sie ist nicht hier, um mit uns zu sprechen oder uns zuzuhören. Wenn dem so wäre, wäre sie nicht zwei elende Stunden zu spät aufgetaucht und sie würde uns garantiert auch nicht bedrohen. Wir müssen uns damit abfinden, dass wir sie verloren haben und die nötigen Konsequenzen daraus ziehen.«
Snows Miene war hart bei ihren Worten, was mir so weh tat, als wäre jedes davon ein Messerstich in meine Brust.
Ich konnte einfach noch nicht aufgeben. Nicht ehe ich nicht alles versucht hatte, um den gewaltigen Riss zwischen uns zu kitten.
»Bitte, Milly, komm doch zur Vernunft«, flehte ich deshalb. »Wir wollen dir nur helfen. Wir wünschen uns doch nur, dass du zu uns zurückkehrst und wir wieder zusammen sein können. So wie früher.«
Uns war zwar allen durchaus bewusst, dass es niemals wieder genauso werden konnte wie vor dem Tod unserer Eltern, aber wenigstens wir mussten doch zusammenhalten. Wir vier waren alles an Familie, das wir noch besaßen, weshalb dieser Bruch nur umso schmerzhafter war.
Milly – oder die Frau, zu der sie geworden war – lachte amüsiert auf. Ihr war keine Spur von Wehmut, keine Spur von Reue oder Trauer über das, was wir verloren hatten, anzusehen.
Im Grunde sagte das bereits mehr als genug.
»Zurück zu dem, was wir einst hatten?«, hakte sie mit diesem furchtbaren Grinsen nach, das nichts Fröhliches ausstrahlte. »Du meinst zurück dazu, dass ihr alles habt und ich nichts? Zurück zu meiner völligen Bedeutungslosigkeit, meiner absoluten Machtlosigkeit?« Sie schnaubte. »Das wird nicht geschehen. Niemals.«
Mein Herz blutete für sie, weil sie so schlecht von unserer Vergangenheit dachte. Weil sie alles so furchtbar falsch und verdreht wahrgenommen hatte.
Ehe ich ihr das allerdings sagen konnte, kam mir Rora zuvor.
»Du warst niemals bedeutungslos! Nie. Für uns warst du immer das Wichtigste. Für deine Familie warst du schon immer von allergrößter Bedeutung.«
Ich hätte es nicht besser ausdrücken können. Stumm nahm ich Roras Hand und wir tauschten ein trauriges Lächeln aus. Ihr standen wie mir Tränen in den Augen und ich wusste auch ohne Worte, dass sie genau dasselbe fühlte wie ich.
Doch die Frau in Grün lachte nur freudlos auf. Unsere Gefühle, die wir so offenkundig zur Schau trugen, Roras Worte – das alles schien einfach nur an ihr abzuprallen.
Nichts von alldem berührte sie oder erreichte ihr Herz.
War es wirklich zu spät?
Hatten wir die Milly von einst endgültig und unwiderruflich verloren?
»Ich war euch schon immer gleichgültig«, warf sie uns jetzt vor, wobei ihre Augen vor Zorn glommen. »Ich habe nie dazu gehört. Die drei mächtigsten Hexen des Landes – und ich, die ewige Außenseiterin. Die Machtlose. Die, für die keine Kräfte mehr übrig waren.
Nein, ich war bedeutungslos, ein Nichts. Doch ich habe das geändert. Allein und ohne Hilfe habe ich mich bis hierher gekämpft, während euch immer nur alles in den Schoß gefallen ist! Ich bin so viel besser als ihr drei zusammen und deshalb habe auch ich allein es verdient, Oz zu regieren.«
Mir verschlug es bei dieser hasserfüllten Rede den Atem.
Milly wollte herrschen? Sie war neidisch auf unsere Fähigkeiten? Aber das war doch … Mir fielen nicht einmal die passenden Worte dafür ein.
Auch Rora schnappte neben mir nach Luft und schien ebenfalls nicht zu wissen, was sie auf diese Ungeheuerlichkeit erwidern sollte. Nur Snow reagierte nicht entsetzt, sondern ging wie gewohnt direkt in die Offensive.
Drohend machte sie einen Schritt nach vorn und alles an ihr war dabei ehrfurchtsgebietend und einschüchternd. Doch Milly hatte nichts als ein Zucken der Mundwinkel für...




