E-Book, Deutsch, Band 7, 237 Seiten
Reihe: Chicago-Devils-Reihe
Rothert Chicago Devils - In Wahrheit Liebe
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7363-1620-1
Verlag: LYX.digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 7, 237 Seiten
Reihe: Chicago-Devils-Reihe
ISBN: 978-3-7363-1620-1
Verlag: LYX.digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Brenda Rothert lebt in Illinois, wo sie lange als Journalistin arbeitete. 2013 hängte sie ihren Job endgültig an den Nagel, um sich ganz dem Schreiben von Liebesromanen zu widmen. Sie liebt Cola Light, Schokolade, gemütliche Wochenenden und Happy Ends.
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1
Reyna Mein Herz rast, aber meine Hände an der Waffe bleiben trotzdem ruhig. Ein Beamter des Phoenix Police Departement stößt mit einem Rammbock donnernd gegen die stählerne Vordertür, deren Scharniere beinahe nachgeben. Ein weiterer Stoß mit dem Rammbock, und die Tür springt auf. »Hände hoch!«, ruft Adrian, mein Kollege, der als Erster das heruntergekommene Einfamilienhaus im Ranch-Stil stürmt. »Polizei! Hände hoch!« Ich trete ebenfalls ein und der überwältigende Geruch von Peperoni-Pizza und Marihuana schlägt mir entgegen. Doch das Geräusch von Pistolenschüssen zieht meine volle Aufmerksamkeit auf sich und ich gehe hinter einer Wand in Deckung. Ich trage zwar eine kugelsichere Weste, aber ein Sprint durch diesen Raum wäre trotzdem völlig irre, solang Kugeln durch die Luft fliegen. Es ist nicht mein Job, auf diese Typen zu schießen – dafür sorgen meine Kollegen. Ich bin hier, um das Opfer zu finden. »Komm her, du Stück Scheiße«, schreit ein weiterer Polizeibeamter und zerrt einen Mann, der durch ein Fenster flüchten wollte, an dessen Jeansgürtel wieder in den Raum zurück. Ich spähe um die Ecke – die Luft ist jetzt so weit rein, dass ich in den Flur kriechen kann. Vom Flur gehen vier Türen ab, alle geschlossen. Ich atme tief durch, stehe auf und gebe meine Anwesenheit laut zu erkennen, bevor ich die erste Tür öffne. Dahinter befindet sich ein dämmriges Badezimmer – in der Leuchte über dem Waschbecken sind alle Glühbirnen bis auf eine ausgebrannt. Der Geruch von Gummi lenkt meine Aufmerksamkeit auf einen Mülleimer in der Ecke, und beim Anblick der benutzten Kondome dreht sich mir der Magen um. Einige hängen über dem Rand des Eimers, andere sind einfach auf den schmutzigen Linoleumboden geworfen worden. Ich wende mich der nächsten Tür zu, die zu einem winzigen Schlafzimmer führt. Überall liegt schmutzige Kleidung herum, auf dem fleckigen Teppich und dem riesigen Bett, das fast den ganzen Raum ausfüllt. Mit der Waffe im Anschlag nähere ich mich dem Wandschrank und öffne mit einer Hand die Doppeltür. Auf einem Regal liegen mehrere Waffen, darunter ein halbautomatisches Gewehr. Ich entdecke auch einen Stapel Bargeld, eine Haschischpfeife und noch mehr schmutzige Kleidung. Es ist niemand im Raum, daher gehe ich weiter zur nächsten Tür. Ich gebe mich wieder zu erkennen, bevor ich sie öffne. Als ich den Lichtschalter an der Wand anknipse, bemerke ich, dass dieses Zimmer dem nebenan ziemlich ähnelt. Auch hier liegen aufgehäuft in einer Ecke schmutzige Kleidungsstücke, und es stinkt. Auf dem Boden liegt ein leerer Pizzakarton, auf einem kleinen Tisch stehen jede Menge leere Flaschen. Das große Bett hat kein Laken, nur eine fleckige, durchgelegene Matratze. Das einzige Fenster im Raum ist mit Sperrholz vernagelt. Mit gezogener Waffe gehe ich um das Bett herum. Zwischen Wand und Bett bleiben nur etwa dreißig Zentimeter, und genau dort in der Ecke kauert ein Mädchen. Es hat die Arme um die Knie geschlungen und zittert. Ich atme hörbar aus, erleichtert, dass es noch lebt. Dann lasse ich meine Waffe sinken. »Mein Name ist Reyna Diaz«, sage ich sanft. »Ich bin FBI-Agentin und hier, um dir zu helfen.« Das Mädchen hebt den Kopf von den Knien, um zu mir hochzuspähen, die dunklen Augen voller Entsetzen. Ich bleibe, wo ich bin, denn ich weiß aus meiner Ausbildung, dass jede plötzliche Bewegung oder Annäherung sie in noch größeren Schrecken versetzen könnte. »Alles klar bei uns«, meldet Adrian über Funk. »Zwei Verdächtige tot, einer in Gewahrsam.« Nach dieser Entwarnung kann ich meine Waffe in mein Holster stecken. Ich zeige dem Mädchen meine leeren Hände und wiederhole: »Ich bin hier, um dir zu helfen. Ich bin FBI-Agentin. Okay?« Sie hebt den Kopf etwas höher, so dass ich ihr Gesicht besser sehen kann. In Gedanken gehe ich unsere Kartei der vermissten Kinder durch, aber ich erkenne sie nicht. Von einem für das Internet zuständigen verdeckten Ermittler hatten wir den Hinweis auf die Mistkerle in diesem Haus bekommen. Was sie »Sex mit jungen Mädchen« nennen, nenne ich Vergewaltigung und Entführung. »Sind hier noch andere Kids?«, frage ich sie. Sie zuckt die Achseln, und ich bitte Adrian per Funk, die letzte Tür für mich zu übernehmen. »Kann ich irgendwas für dich tun?«, frage ich das Mädchen, das ich auf etwa dreizehn Jahre schätze. »Ich habe etwas zu essen dabei, falls du Hunger hast.« Ich hole ein Snickers aus meiner Tasche und ihre Miene hellt sich auf. Bei einer Razzia habe ich immer einen Schokoriegel und ein paar Cracker dabei, nachdem ich auf die harte Tour lernen musste, wie es ist, einem traumatisierten, hungrigen Kind gegenüberzustehen. Es hilft tatsächlich, wenn ich etwas anbieten kann. »Haben Sie Wasser?«, fragt sie mit heiserer Stimme. »Ja.« Ich betätige den Knopf an meinem Funkgerät und spreche hinein. »Ich brauche die Wasserflasche, die draußen vor der zweiten Tür auf der linken Seite des Flurs steht.« »Willst du den hier auch?« Ich halte ihr den Schokoriegel hin. Sie nickt, bewegt sich jedoch nicht. »Ist es okay, wenn ich näher komme, um ihn dir zu geben?«, frage ich. Sie mustert mich skeptisch. Ich hole das Abzeichen, das unter meiner Weste um meinem Hals hängt, hervor und füge hinzu: »Ich bin Polizistin. Agent Diaz. Aber du kannst mich Reyna nennen.« Ihre Schultern sacken leicht herab, und sie entspannt sich. »Ich werde nichts tun, was nicht okay für dich ist«, fahre ich fort. »Wenn du nicht willst, dass ich dir näher komme, bleibe ich, wo ich bin.« »Ich will nach Hause«, sagt sie, ihre Kehle so rau, dass ich das letzte Wort nicht einmal hören kann. Ich verstehe es nur, indem ich ihre Lippen lese. Ich spüre glühenden Zorn in mir aufsteigen, und mein Blutdruck steigt mit ihm. Diese verdammten Bastarde. Das arme Mädchen hat wahrscheinlich deshalb keine Stimme mehr, weil sie geschrien hat, während sie ihr alles Mögliche angetan haben. Wenigstens werden sie im Gefängnis wohl das bekommen, was sie verdienen. Wenn jemand auch nur einen Funken Anstand hat, macht er Kinderschändern das Leben schwer. »Ich weiß, meine Kleine«, sage ich sanft. »Wo ist dein Zuhause?« Sie rattert eine Adresse in Marysville, Ohio, herunter. »Diaz«, sagt Adrian von der Tür aus. »Der letzte Raum ist sauber.« Er stellt die Wasserflasche auf den Boden und sieht mich an. »Marysville, Ohio«, teile ich ihm mit. Er nickt und geht, wohl wissend, dass er nicht hereinkommen kann. Bei der Rettung dieser Kinder betritt niemand außer mir den jeweiligen Raum, den ich erst dann mit ihnen zusammen verlasse, wenn sie dazu bereit sind. Ich hole die Wasserflasche und frage das Mädchen noch einmal, ob ich sie ihr geben darf. Sie nickt, und ich trete näher und drehe den Verschluss auf, bevor ich ihr die Flasche reiche. »Ich würde dich gerne ins Krankenhaus bringen, um dich untersuchen zu lassen«, sage ich, während ich ihr die Flasche in die Hand drücke. »Wäre das okay für dich?« Sie trinkt das Wasser in riesigen Schlucken und ein kleines Rinnsal läuft ihr übers Kinn und am Hals entlang. Das arme Ding ist, wie es aussieht, völlig dehydriert. Wenn ich nur zwei Minuten allein mit diesem Arschloch wäre, das nicht erschossen worden ist, würde ich ihm wahrscheinlich etwas antun, was mich meinen Job kosten würde. Nein, nicht nur wahrscheinlich, sondern definitiv. Mein einziger Trost ist, dass das, was mit ihm im Gefängnis passiert, schlimmer sein wird als alles, was ich ihm antun könnte. »Können Sie mich nicht einfach nach Hause bringen?«, fragt sie flehentlich. »Das werde ich, aber zuerst muss ich herausfinden, wer du bist, und mich davon überzeugen, dass es dir gut geht.« Binnen zwei Sekunden schießen ihr Tränen in die Augen und rinnen über ihre Wangen. Sie schlägt sich die Hände vors Gesicht und schluchzt, und ich muss meine eigenen brennenden Augen zusammenkneifen, um nicht selbst zu weinen. Natürlich geht es ihr nicht gut. Sie ist entführt und sexuell missbraucht worden. Aber ich muss mich so ausdrücken, dass sie mich versteht, und einen kleinen Schritt nach dem anderen tun. Wenn ich diesem armen, verschüchterten Kind gleich von der gynäkologischen Untersuchung zum Nachweis der Vergewaltigung erzählen würde, bekäme ich es niemals in ein Krankenhaus. Was aber leider notwendig ist, um Beweismaterial gegen die Kinderschänder zu bekommen. Ich beschließe, ihr ein ganz klein wenig von der echten Reyna Diaz zu offenbaren, und hoffe, dass es die richtige Methode ist. »Hey«, sage ich leise. »Ich will dir etwas mehr über mich erzählen. Mit sechsundzwanzig bin ich FBI-Agentin geworden. Jetzt bin ich dreißig und seit drei Jahren rette ich Kinder wie dich. Jeden Tag, und ich bin wirklich gut darin. Ich habe einhunderteinunddreißig Kinder, nachdem ihnen dasselbe wie dir passiert ist, in Sicherheit gebracht, und du wirst das einhundertzweiunddreißigste sein. Ich werde erst von deiner Seite weichen, wenn du das willst. Versprochen. Ich habe eine Waffe.« Ich tätschele meine Pistole im Holster. »Und ich werde sie gegen jeden richten, der versucht, dir wehzutun. Was dir zugestoßen ist, war schrecklich, und es tut mir unendlich leid. Ich wünschte, ich hätte früher hier sein können. Aber nun es ist vorbei. Es ist vorbei und du bist bei mir in Sicherheit. Ich werde nämlich zu...