E-Book, Deutsch, Band 4, 224 Seiten
Rottländer / Schultz-Venrath Mentalisieren mit Paaren (Mentalisieren in Klinik und Praxis, Bd. 5)
Die Auflage entspricht der aktuellen Auflage der Print-Ausgabe zum Zeitpunkt des E-Book-Kaufes.
ISBN: 978-3-608-11612-0
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 4, 224 Seiten
Reihe: Mentalisieren in Klinik und Praxis
ISBN: 978-3-608-11612-0
Verlag: Klett-Cotta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Peter Rottländer, Dr., psychoanalytischer Paar- und Familientherapeut (BvPPF), Paar- und Lebensberater (BAG-EFL), leitete von 2002 - 2019 eine psychologische Beratungsstelle in Frankfurt am Main. Aktuell tätig in der Aus-und Weiterbildung zur psychodynamischen und mentalisierungsbasierten Paartherapie sowie als familientherapeutischer Supervisor. Dozent in der Sektion für Paar-, Familien- und Sozialtherapie des Horst-Eberhard-Richter-Instituts für Psychoanalyse und Psychotherapie in Gießen. Er lebt in Frankfurt am Main und hat dort eine Praxis für Paartherapie (www.paartherapie-und-beratung.de).
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Vorwort
Die Idee zu diesem Buch geht zurück auf eine Anregung von Heinz Beyer vom Verlag Klett-Cotta im Anschluss an den ersten Kurs zum Thema bei den Lindauer Psychotherapiewochen im Frühjahr 2013. Knapp sieben Jahre später hat das Buch Gestalt angenommen, und es freut mich sehr, dass es in der von Ulrich Schultz-Venrath herausgegebenen Reihe einen ebenso passenden wie vertrauten Kontext findet.
Es ist ein Grundlagenbuch zum Thema Mentalisieren und Paartherapie, das die Mentalisierungstheorie in ihrer paartherapeutischen Variante entfaltet. Dafür gibt es bisher wenig Vorbilder und keine spezifische empirische Forschung. Deshalb spielen Erfahrungen aus der paartherapeutischen Praxis eine wichtige Rolle, und die konzeptionellen Überlegungen lehnen sich entweder an die Mentalisierungstheorie an oder sind als zur Diskussion gestellte Entwürfe gedacht. Mehr noch als das Mentalisierungskonzept selbst verstehen sich die vorgelegten paartherapeutischen Reflexionen als work in progress.
Die fundamentale These lautet: Mentalisieren als die Fähigkeit, innere Zustände wie Gefühle, Gedanken, Absichten und Motive dem Verhalten des Partners und dem eigenen Verhalten möglichst angemessen zuzuordnen, ist die zentrale Funktion zur Gestaltung einer befriedigenden Paarbeziehung. Sie wird von Paaren ebenso vernachlässigt, wie sie der Schlüssel zu positiven Veränderungen ist: Wer (besser) mentalisiert, versteht sich, den Partner und die Paardynamik genauer und erweitert Problemlösungsfähigkeiten. Diese Beschreibung impliziert, dass mit dem Stichwort des Mentalisierens weniger etwas Neues bezeichnet wird als vielmehr das, was wichtig ist (Allen et al. 2011). Das Buch versucht, diese These anhand von konzeptionellen Überlegungen und praktischen Erfahrungen mit Leben zu füllen.
Im ersten Kapitel werden die Grundlagen des Mentalisierungskonzepts vorgestellt und anhand von Paarinteraktionen illustriert. Hier geht der Weg vom funktionierenden Mentalisieren über seine möglichen Beeinträchtigungen bis hin zum Nichtmentalisieren.
Kapitel zwei kreist um die These, dass es für ein angemessenes Verständnis von Paaren unabdingbar ist, auch gesunde interpersonelle Affektregulierungsprozesse zwischen den Partnern zu entdecken. Diese wurden herkömmlich vor allem unter pathologischen Gesichtspunkten betrachtet.
In Kapitel drei werden Gemeinsamkeiten, Unterschiede und das Zusammenspiel von mentalisierungsorientierter und vor allem psychodynamischer Paartherapie besprochen, wobei auch systemische Perspektiven Berücksichtigung finden. Hier werden zudem Fragen der Indikation und der »heilkundlichen« Bedeutung von Paartherapie angesprochen.
Das vierte Kapitel steht in Korrespondenz zum ersten. Da nun die therapeutischen Erfahrungen den Ausgangspunkt bilden, wird der umgekehrte Weg genommen: Anhand von Fallbeispielen geht es von den Voraussetzungen des Mentalisierens über nichtmentalisierendes Verhalten zu immer anspruchsvolleren Formen des Mentalisierens.
Kapitel fünf schließlich beschäftigt sich mit vier exemplarischen Themenfeldern, die jeweils besondere, vom »Standardvorgehen« abweichende (oder auch nur scheinbar abweichende) Anforderungen an ein mentalisierungsorientiertes Vorgehen stellen. Ein kurzes Nachwort beschließt das Buch.
Dem Text voranstellen möchte ich einige Bemerkungen zur Terminologie und zur Sprache sowie einige weitere Hinweise:
-
In der Regel spreche ich von mentalisierungsorientierter Paartherapie, manchmal wird auch der Terminus mentalisierungsfördernd gebraucht. Es wäre auch möglich, den Begriff mentalisierungsbasiert zu verwenden. Um aber Verwechslungen mit der »mentalisierungsbasierten Therapie« (MBT) als einem speziellen Behandlungsmodell insbesondere für Borderline-Persönlichkeitsstörungen zu vermeiden, verwende ich den Begriff mentalisierungsbasiert vor allem dann, wenn es um einen unmittelbaren Bezug zu diesem spezifischen, manualisierten Behandlungsmodell für Persönlichkeitsstörungen geht (Bateman & Fonagy 2016).
-
Die eingespielten Begriffe für diejenigen, die Unterstützung suchen, passen nicht mehr zu einem relationalen Ansatz wie dem der mentalisierungsorientierten Therapie: Patient*innen ist die Passivität in den Namen geschrieben, bei Klient*innen wird ein wenig mehr Aktivität konnotiert, weshalb hier diese Bezeichnung verwendet wird. Therapeut*innen und Berater*innen werden in der Paartherapie weniger strikt unterschieden als in anderen therapeutischen Feldern; meist hat die Unterscheidung mit Ausbildungen und institutionellem Rahmen zu tun. Da ich den heilkundlichen Aspekt der Paartherapie betonen möchte, spreche ich durchgängig von Therapeut*innen und von Paartherapie. Paarberater*innen und Paarberatungen sind mitgemeint.
-
Im Zentrum der mentalisierungsorientierten Aufmerksamkeit stehen Emotionen, Affekte und Gefühle. Die Begriffe Affekte und Emotionen werden in diesem Buch weitgehend austauschbar verwendet. Dabei folge ich der Argumentation von Benecke und Brauner (2017): Beide Begriffe entstammen verschiedenen Kontexten, meinen jedoch nahezu Gleiches – von Affekten wird im psychodynamischen Kontext gesprochen, von Emotionen in der Psychologie. Ihre Bedeutungsnuancen können für die Argumentation in diesem Buch vernachlässigt werden.
Sehr wichtig hingegen ist eine Abgrenzung von Gefühlen gegenüber Affekten bzw. Emotionen. Gefühle werden von Psychologen, Psychoanalytikern wie auch Neurobiologen weitgehend einheitlich verstanden: Ein Gefühl bezeichnet die Repräsentation eines affektiven bzw. emotionalen Zustands im Bewusstsein, d. h. es bezeichnet Affekte bzw. Emotionen, deren wir uns bewusst sind. Gefühle sind daher empirisch »als eine eher selten auftretende Teilkomponente emotionaler Prozesse« anzusehen (Benecke & Brauner 2017, S. 98). Von der Gefühlsseite her betrachtet, gilt allerdings auch, »dass das Wort ›Gefühl‹ auf einen ganzen Komplex emotionaler Erlebensweisen Bezug nimmt« (Allen et al. 2011, S. 93).
-
Was eine gendergerechte Sprache angeht, soll nicht die »leichtere Lesbarkeit« als Ausrede für eine durchgängig maskuline Schreibweise herangezogen werden. Daher wird im laufenden Text immer mal das Geschlecht gewechselt (vor allem zwischen Therapeut und Therapeutin) oder es wird das (*) eingesetzt. Selten werden beide Geschlechter gleichzeitig genannt. Dem pluralen »dritten Geschlecht« (divers) wie auch angemessener queerer Repräsentanz entsprechen Schreibweise und Fallbeispiele noch nicht.
-
Eine weitere Bemerkung zur Sprache. Die Mentalisierungstheorie führt verschiedene Theorieströmungen (und Therapien) zusammen, was auch bedeutet, die Sicherheit einer – zumindest für die jeweils Eingeweihten – eindeutigen Fachsprache zu verlassen und eher auf eine brückenbauende, suchende Sprache zu setzen, welche die Leser*innen in eine Denkbewegung einbeziehen möchte, ohne dabei den Anspruch zu erheben, alles schon widerspruchsfrei geordnet zu haben.
-
Aus Gründen der Komplexitätsreduktion wird die Markierung des Modellcharakters der eigenen Konzepte nicht durchgehalten. Ein Beispiel von vielen: Jemand »ist« nicht im Äquivalenzmodus (vgl. 1.6; 4.5.2), sondern das Konzept der Äquivalenz von innerem Erleben mit äußerer Realität wird verwendet, um dem kommunikativen Verhalten einer bestimmten Person einen inneren Zustand zuzuordnen, wissend, dass diese Zuschreibung unzutreffend sein kann. Es ist trivial, wird jedoch leicht vergessen: Wie alle anderen auch bilden die mentalisierungstheoretischen Begriffe die Realität nicht ab, sondern gehören zur Welt kommunikativer...