Rousseau Der Gesellschaftsvertrag / Du Contract Social
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-945219-02-7
Verlag: Cividale Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Mit einer Einführung von Timo Pongrac
E-Book, Französisch, Deutsch, 380 Seiten
Reihe: Cividale klassik
ISBN: 978-3-945219-02-7
Verlag: Cividale Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Nicht weniger als revolutionäre Gedanken - 'Vom Gesellschaftsvertrag oder Die Grundsätze des Staatsrechtes', so die wörtliche Übersetzung des Original-Titels, hatte es nach seinem Erscheinen 1762 nicht leicht: Schließlich stellt Rousseau darin das herrschende politische und gesellschaftliche System grundlegend infrage. Die geistige Sprengkraft, die auch bald Einfluss auf die Französische Revolution haben sollte, schien berechtigterweise so groß, dass das Buch mehrfach verboten wurde. Heute rechnet man das Werk auch den Wegbereitern unserer Demokratie zu. Rousseau erklärt, wie er sich die richtige Organisation eines Staates vorstellt: Die Bürger des Gemeinwesens stimmen zunächst zu, dass sie zu dem Staat gehören wollen. In Volksversammlungen wird dann über Gesetze entschieden - aber laut Vertrag soll der Einzelne nicht für jene Vorhaben stimmen, die seinen eigenen Interessen entsprechen, sondern für den Vorschlag votieren, der dem Allgemeinwohl am förderlichsten ist. Doch so sehr wir Rousseau auch in den Reihen der Basisdemokraten verorten möchten - er hatte doch auch einige Bedenken gegenüber einer solchen Regierungsform. Welche? Lesen Sie selbst ... Die zweisprachige Ausgabe beinhaltet den deutschsprachigen Text in der Übersetzung von Hermann Denhardt, überarbeitet von Iris Michaelis sowie die französische Originalversion. Eine ca. 80-seitige Einführung von Timo Pongrac erläutert die grundlegenden Gedanken des Gesellschaftsvertrags und enthält eine Leseempfehlung der wichtigsten Kapitel sowie eine umfangreiche Literaturliste.
Jean-Jacques Rousseau wurde 1712 in Genf geboren. Er schloss nie ein Studium ab. Bis zu seinem Tod 1778 war er vor allem als Philosoph und Schriftsteller, außerdem als Pädagoge, Naturforscher und Komponist tätig. Der reisefreudige Autodidakt begründete mit seiner Schrift 'Émile' die moderne Pädagogik, lieferte mit dem 'Gesellschaftsvertrag' ein geistiges Fundament für die Französische Revolution und schuf mit den 'Bekenntnissen' ein vielbeachtetes Monument der schriftstellerischen Selbstbefragung. Der Autor der Einführung: Wie alle Werke der klassik-Reihe wird auch 'Der Gesellschaftsvertrag' zeitgenössisch eingeordnet: Timo Pongrac ist Diplompolitologe und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft in Berlin. Er forscht und lehrt im Bereich der Politischen Theorie und Ideengeschichte.
Weitere Infos & Material
Der Gesellschaftsvertrag / Du Contract Social
- Eine Einführung von Timo Pongrac (ca. 80 Seiten)
- Text der deutschsprachigen Übersetzung, Bücher 1-4 inklusive der Anmerkungen zum Text
- Text der französischen Originalversion, Bücher 1-4 inklusive der Anmerkungen zum Text
Der Gesellschaftsvertrag von Jean-Jacques Rousseau.
Eine Einführung von Timo Pongrac
1. Einleitung
Wer sich heute mit dem Gesellschaftsvertrag von Rousseau beschäftigt, wird dazu vermutlich eine von zwei Veranlassungen haben. Die erste könnte historisches Interesse sein: Die Schrift erscheint als ein wertvolles Dokument vergangenen Denkens, das uns einen Einblick in die politischen Ideenwelten zurückliegender Zeiten eröffnet. Man liest sie in derselben Einstellung, mit der man ein Museum betritt. Ein solcher Zugang ist zweifellos naheliegend, denn Rousseaus Zeiten waren bewegte Zeiten. Er lebte in der Epoche der europäischen Aufklärung und damit in einer spannungsreichen Umbruchphase, in der die Fundamente der modernen Welt gelegt wurden. Das schlug sich auch in seinem Werk nieder. Es ist ein Dokument des sozialen Wandels, Ausdruck des bürgerlichen Strebens nach Emanzipation und Selbstbestimmung, des Kampfes gegen die feudalen und kirchlichen Fesseln der Vergangenheit. Dies gilt selbst dann noch, wenn man einräumt, dass Rousseau in vielen Dingen gerade gegen den herrschenden Zeitgeist, auch den der Aufklärung, anschrieb. Man mag ihn als Zivilisationsfeind, als rückwärtsgewandten Kritiker von Wissenschaft und Technik ansehen, erfüllt von den Sehnsüchten nach einem einfachen Leben.i Und doch ist Rousseau immer auch Aufklärer geblieben. Er beklagt die Missstände seiner Zeit und entwirft, in steter Auseinandersetzung mit seinen Zeitgenossen, Visionen des Besseren. Letzteres wird wohl in keiner Schrift so deutlich wie in seinem Gesellschaftsvertrag, den man ohne zu übertreiben als wichtigsten oder zumindest einflussreichsten demokratietheoretischen Grundtext der Moderne bezeichnen kann. In ihm bündeln sich nicht nur die zentralen politikphilosophischen Interpretationslinien der europäischen Neuzeit. Er stellt auch eine bleibende Quelle der Inspiration für alle radikaldemokratischen Bewegungen der jüngeren Geschichte dar. Den Jakobinern etwa galt der Gesellschaftsvertrag gleichsam als Programmschrift der Französischen Revolution.ii Man könnte sich daher geneigt sehen, den historischen wie werkgeschichtlichen Ort des Textes auszuloten und Rousseaus Abhandlung vor dem Hintergrund ihrer Zeit zu erschließen, um sie in die vielgestaltigen und weitreichenden Diskurse der Aufklärung einzuordnen. Doch obzwar ein solcher Zugang zweifelsohne aussichtsreich und verlockend erscheinen mag, soll er in der hier vorliegenden Einführung ausdrücklich nicht verfolgt werden bzw. zumindest nicht im Zentrum stehen. Denn man kann sich der Schrift auch aus einer alternativen Perspektive und mit anderen als musealen Absichten anzunähern versuchen. Dies führt uns zu dem zweiten möglichen Grund für eine Auseinandersetzung mit Rousseaus Abhandlung: Wer den Gesellschaftsvertrag nicht aus historischem Interesse zur Hand nimmt, der oder die dürfte vor allem wissen wollen, was uns das Werk heute noch zu sagen hat. Eine derartige Absicht kann man als systematisches Erkenntnisinteresse bezeichnen. Und auch sie erscheint legitim, denn Rousseaus Abhandlung ist eine philosophische Schrift. Als eine solche sucht sie nach allgemeinen und überhistorischen Wahrheiten, die im hier vorliegenden Falle die Grundsätze des Staatsrechts betreffen. Mit diesem Anspruch kann man den Gesellschaftsvertrag durchaus ernst nehmen. Man wird sich dann weniger für die vielfältigen geschichtlichen Bezüge und Querverweise interessieren. Im Zentrum steht vielmehr die Frage nach der Überzeugungskraft der im Text vertretenen Positionen und der zu ihrer Begründung angeführten Argumente. Man möchte wissen, wie schlüssig und plausibel die von Rousseau vorgebrachte Konzeption ist, um sich auf diesem Wege Anregungen für das heutige politische Denken und Handeln zu verschaffen. Dafür müssen die Begründungszusammenhänge des Textes selbst in den Blick genommen werden. Denn nur deren Kenntnis gestattet ein informiertes Urteil darüber, welche Überlegungen und Einsichten des Gesellschaftsvertrags auch für die Gegenwart noch relevant sein könnten. Diesem Erkenntnisinteresse entgegenzukommen, ist die erklärte Absicht der vorliegenden Einleitung. Sie möchte den Zugang zum Text erleichtern, indem sie die konzeptionellen Grundlagen und systematischen Zusammenhänge der von Rousseau verfolgten Argumentationslinien so transparent und plausibel wie möglich nachzuzeichnen versucht. Auch wenn dies manchmal mühevoll erscheinen mag, ist es der einzige Weg, sich das Anliegen des Gesellschaftsvertrags zu vergegenwärtigen. Das soll indes nicht bedeuten, dass dabei ohne jede kritische Distanz verfahren wird. Mitdenken heißt Weiterdenken! Eine systematische Rekonstruktion des Gesellschaftsvertrags wird daher nicht nur die Stärken der Abhandlung, sondern ebenso die Schwachpunkte und Schwierigkeiten der rousseauschen Konzeption zu berücksichtigen haben. Auch das ist ein Gebot ernsthafter Auseinandersetzung mit dem Text. Nur wenn man diesen in allen seinen Facetten, also auch den problematischen, zur Kenntnis nimmt, kann man sich ein ausgewogenes Gesamturteil bilden. Eine kritisch-distanzierte Einstellung einzunehmen, bedeutet aber auch, dass man nicht alle Ansichten des Autors teilen muss, um sich der Grundintention seines Werks zu vergewissern. Dadurch eröffnen sich gewisse Freiheitsspielräume. Von ihnen soll in der hier vorliegenden Einführung vor allem in einer Hinsicht Gebrauch gemacht werden: Wie viele seiner Zeitgenossen war auch Rousseau davon überzeugt, dass Politik eine ausschließlich männliche Domäne darstellt. Frauen sollten sich seiner Auffassung zufolge nicht um die öffentlichen Angelegenheiten bekümmern, sondern in der Sphäre des Haushalts ihren vermeintlich ‚natürlichen‘ Pflichten und Bestimmungen nachkommen. Obwohl sich diese Position nicht explizit im Gesellschaftsvertrag selbst ausgeführt findet, wird man sie durch Hinzuziehen anderer Schriften Rousseaus ohne weiteres belegen können.iii Inwiefern diese Ansicht auch sein politiktheoretisches Hauptwerk berührt, ist jedoch fraglich.iv Wir wollen im Folgenden jedenfalls davon ausgehen, dass sich der Gesellschaftsvertrag auch dann plausibel rekonstruieren lässt, wenn man dabei keinen politischen Ausschluss von Frauen voraussetzt. Das hat zur Folge, dass bei der Darstellung von Rousseaus politiktheoretischer Konzeption ganz selbstverständlich stets von Bürgern wie von Bürgerinnen die Rede sein wird. So viel interpretatorische Freiheit wird man sich herausnehmen müssen, um das rousseausche Projekt nicht bereits von seinen Grundlagen her hoffnungslos zu diskreditieren. Damit ist die Absicht der vorliegenden Einführung in groben Zügen umrissen. Ihr Ziel besteht in einer systematischen Rekonstruktion des Gesellschaftsvertrags, bei der die wichtigsten Begründungszusammenhänge und Argumentationsfiguren des Textes betrachtet und diskutiert werden sollen. Historische Bezüge und Querverweise geraten dabei nur insoweit in den Blick, wie dies für eine Veranschaulichung des Grundanliegens der Schrift angebracht erscheint. Sie werden uns zudem ausnahmslos in Gestalt von anderen politischen Theorien begegnen – solchen nämlich, mit denen sich Rousseau in seinem Werk selbst auseinandergesetzt hat. Realgeschichtliche Darlegungen wird man in der Einleitung hingegen ebenso wenig finden wie biographische Ausführungen. Darin besteht eine Konsequenz der hier verfolgten theoretischen Schwerpunktsetzung.v Die systematische Rekonstruktion des Gesellschaftsvertrags soll dabei in vier Schritten erfolgen. Zunächst wollen wir uns mit der grundlegenden Absicht des Textes vertraut machen. In diesem Zusammenhang werden auch die theoretischen Modelle anderer politischer Philosophen eine Rolle spielen. Sodann ist das spezifische Begründungskonzept in den Blick zu nehmen, mit dessen Hilfe Rousseau das von ihm ins Auge gefasste Gesellschaftsmodell zu rechtfertigen sucht: die titelgebende Figur eines hypothetischen Gesellschaftsvertrags. Welche konkreten politischen Einrichtungen und Institutionen auf diesem Wege Legitimation und Begründung finden sollen, wird das Thema des folgenden Kapitels sein. Abschließend widmen wir uns den externen Bedingungen, unter denen eine Umsetzung des rousseauschen Modells möglich schiene. Mit diesen Hintergrundinformationen sollte der Leser bzw. die Leserin imstande sein, sich durch die Lektüre des Gesellschaftsvertrags ein eigenes Urteil über die Überzeugungskraft und den möglichen bleibenden Wert der Schrift zu verschaffen. 2. Absicht und Kontexte des Gesellschaftsvertrags
Rousseaus Gesellschaftsvertrag ist ein Werk von bescheidenem Umfang. Lediglich eine „kleine Abhandlung“ könne er vorlegen, einige kurze Passagen aus dem, was ursprünglich einmal ein umfassenderes Werk über die Natur politischer Institutionen hätte werden sollen, das zu vollenden jedoch die Kräfte des Verfassers überstiegen habe.vi Rousseau, der im Laufe seiner Studien zu der Überzeugung gelangt war,...