Rowohlt | Pooh's Corner 1989 - 1996 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 640 Seiten, eBook

Rowohlt Pooh's Corner 1989 - 1996


1. Auflage, neue Ausgabe 2012
ISBN: 978-3-0369-9177-1
Verlag: Kein & Aber
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 640 Seiten, eBook

ISBN: 978-3-0369-9177-1
Verlag: Kein & Aber
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Harry Rowohlts legendärer Pooh’s Corner jetzt in zwei Bänden im Klassikerformat. Zum einen eine Neuausgabe mit Texten von 1989 – 1997 und zum anderen eine Erstausgabe mit neuen Meisterstücken ab 1997 bis heute.
Treue und Neuentdecker können jubeln: Harry Rowohlts Zeit-Kolumne Pooh’sCorner gibt’s jetzt schön handlich verpackt in zwei Bände.Wie schon der erste Band beinhaltet auch der zweite Texte zu allen relevanten Themen der letzten zehn Jahre, wie etwa folgenden:
Der Problembär ist los, der Papst bereist Polen, und Harry Rowohlt denkt über die Theodizee nach. Das beginnt mit einem Vorfall in seiner Stammkneipe und endet mit einer erfolglosen Bewerbung eines Harburgers bei Airbus. Auch Axel aus St. Pauli, der in der Pooh-losen Phase an Herrn Rowohlt schrieb: »Schreiben Sie verdammtnochmal endlich mal wieder einen Corner. Was soll denn die Scheiße? Sehr freundliche Grüße, Axel«, kann wieder ganz beruhigt sein.

Rowohlt Pooh's Corner 1989 - 1996 jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


WHO IS POOH?

AUF BÄRENFANG IN SUSSEX

Wenn es so richtig schön wird, muss ich ja leider immer weinen. Nicht nur im Kino. Auch beim Lesen. Sogar beim Korrekturlesen. Aber das – man kann mich, wenn man will, für die Nummer buchen – klappt nur bei Pu.

Pu der Bär war mein erstes Buch; seitdem mag ich Bücher und Bären, und mein erster eigener Teddy hieß, na? Wie? Genau. Fritz.

Wegen Pu heißt meine Kolumne im Feuilleton der Zeit Pooh’s Corner, und die Menschen sagen »Pu« zu mir oder »Bär« oder »Pu-Bär«. Und was sagen sie in Pooh’s Country zu mir, in East Sussex? Genau. Fritz.

»Ich bin Hunne; Sie können Fritz zu mir sagen.«

*

A. A. – oder Alan Alexander – Milne wurde (jetzt kommt der informative Teil; er hört aber gleich wieder auf) am 18. Januar 1882 in London als Sohn eines Schulmeisters und seiner Frau geboren, und nach einer gewissen Zeit starb er dann. Ab hier hätte ich gern von den Literaturlexika abgeschrieben, aber da steht er hinter dem Langweiler Henry Miller und der Langweilerin Sarah Gertrude Millin nicht drin. Dafür hat der Brockhaus gleich drei Milnes: unseren und zwei andere, einen Astrophysiker und einen Erdbebenheini. Die beiden anderen, der Astro und der Heini, werden als »bahnbrechend« bezeichnet. A. A. nicht. Als hätte er nicht die absoluten Bahnen gebrochen, als er die Sterne zum Beben und die Erde zum Bewohnbarmachenwollen gebracht hat.

Und die Sterne überschaubar. Wir alle haben uns doch schon immer über die Horoskope geärgert und über die Leute, die ihnen anhängen. Widder mit dem Schützen im Aszendenten. Wenn ich das schon höre. Pu mit I-Ah-Einsprengseln: So wird ein Horoskop draus.

Sylvia am Nebentisch sagt: »Früher war ich Fische. Dann habe ich Pu gelesen und wurde Ferkel. Und seitdem ich Kinder habe, bin ich Känga.«

Der Nebentisch steht in »The Anchor Inn«, einer Kneipe mit zwei Köchen, zwei Fremdenzimmern und zwei Sorten Stout vom Fass. In Hartfield hatten die Milnes ihr Sommerhaus, und wenn Hartfield nicht in Südengland läge, sondern in Nordamerika, wäre hier längst ein Disneyland entstanden, mit Pu-Tourismus und freundlichen Animateuren, die auf der Pustöckchen-Brücke das Pustöckchen-Spiel nach den neuen international verschärften Regeln veranstalten.

Freundlich und animiert sind die Hartfielder, aber das liegt nicht an Pu, sondern an den zwei Sorten Stout. Und als Konzession an den Pu-Tourismus gibt es einen Laden, in dem vor langer Zeit Christopher Robin sein Taschengeld für Süßigkeiten ausgegeben hat. Bonbons gibt es hier noch immer. Außerdem noch den echten Pu-Honig und Teetassen mit Pu drauf und sonstige, wie Mike Ridley, der Erfinder des Ladens, stolz sagt, »Poohphernalia«. Ich lobe ihn für seine Wortschöpfung, und er sagt, er schäme sich. »Ich schäme mich«, sagt er, »weil ich mit Pu Geld verdiene. Aber nächstes Jahr läuft meine Disney-Lizenz aus, und dann werde ich mich etwas weniger schämen. Denn die Disney-Verfilmung war ja ein …«

»… Verbrechen«, sagen wir im Chor.

»In zwei Jahren«, fährt er fort, »werde ich vielleicht ein Mensch. Bisher hat mir für so was die Zeit gefehlt.«

Ich sage ihm, mir komme er jetzt schon ziemlich menschenähnlich vor, schenke ihm die beiden von mir übersetzten Pu-Bände, und eine Dame fragt: »Wie haben Sie ›Heffalump‹ ins Deutsche übersetzt?« »Ich hab’s gelassen, wie es ist. Heffalump.«

»HEF-FA-LUMP«, sagt sie akzentfrei Deutsch. »Why, that’s even better

Sag ich doch die ganze Zeit.

*

Nun hat ja A. A. Milne nicht nur zwei Bücher über die Stofftiere seines Sohnes geschrieben und ebenso wunder- wie unübersetzbare Kindergedichte, sondern er war auch Punch-Redakteur und Verfasser von zeitkritischen Salonkomödien, die heute kein Theater mehr aufführen mag. Als Dramatiker hat er wohl Oscar Wilde im Sinn gehabt und nie erreicht, als Kinderbuchautor hatte er den Klassiker Der Wind in den Weiden von Kenneth Grahame im Auge, und den hat er spielend abgehängt. Selbstverkenntnis, von der wir alle profitieren, wir, die wir als Kinder Pu gelesen haben und dank Pu Kinder geblieben sind, und wir, die wir, falls wir als Kinder nicht Pu gelesen haben, dies schleunigst nachholen werden.

* Versprochen? *

Ich latsche mit Jackie Morris durch den Wald. Gar nicht wahr. Jackie Morris latscht mit mir durch den Wald. Jackie Morris hat ihren Doktor über den Ashdown Forest geschrieben; mit ihr ist man also im Wald bestens aufgehoben. Jackie Morris macht auf Wunsch Pu-Touren. Durch den 160-Morgen-Wald, der in Wirklichkeit ein 800-Morgen-Wald ist.

Wir finden auf Anhieb Oiles Wohnbaum, und ich sage: »Die Tatsache, dass wir ihn gefunden haben, beweist, dass wir ihn nicht gefunden haben. Denn er ist, erinnern wir uns, umgefallen.« Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun.

Dafür finden wir I-Ahs traurige Stelle, und Jackie meint: »Mit so einer traurigen Stelle kann I-Ah echt nicht mehr meckern.«

»Wenn I-Ah nicht mehr meckern kann, entziehen wir ihm die Existenzgrundlage.«

Wir finden eine neue, noch traurigere Stelle.

Später zeigt man mir die hochoffizielle traurige Stelle, und hier krampft sich mir wirklich das Herz zusammen, so traurig ist sie. Ein Eiseshauch weht mich an, mitten im heißen südenglischen Sommer. Das, I-Ah, habe ich nicht gewollt.

Keine zwanzig Meter davon entfernt ist Pus warme, sonnige Stelle. Hier steht, wie sich das gehört, eine hässliche Sonnenuhr mit der Inschrift This warm and sunny spot belongs to Pooh, and now it’s time to wonder what to do.

Freiheit ist nämlich, wenn man sich morgens fragt, was man wohl tun wird.

Zwang ist, wenn man es weiß.

Was tut man, wenn man die Freiheit hat, nichts zu tun? Oile wird an ihrem Bleistift kauen und eine zischelnde Rissssolutzzjohn in die Welt schicken. Kaninchen wird Bekannte-und-Verwandte nerven. I-Ah wird sich beklagen. Känga wird sich Sorgen um Klein Ruh machen. Klein Ruh wird seiner Mutter Anlass zur Sorge geben. Pu zählt seine Vorräte, und Ferkel macht alles mit. Unter Vorbehalt. Tieger ist ungestüm, Christopher Robin hat alles im Griff, und der Wald sieht aus wie von E. H. Shepard gezeichnet.

Der Wald sieht wirklich aus wie von E. H. Shepard gezeichnet. Ich kann diesen Wald nur empfehlen. Er sieht nämlich aus wie von E. H. Shepard gezeichnet. Es gibt ja Wälder, die stehen nur dumpf und grün herum und sehen bestenfalls aus wie gemalt. Aber dieser Wald? Wie von E. H. Shepard gezeichnet. Hirsche gibt es auch, bräsigbrünftige Mehrender. Zuchthirsche, denen man ansieht, dass sie die Wappentiere von Hartfield sind. Die äsen und dösen vor sich hin, und wenn sie brav etwas gezeugt haben, wird das in den Schwarzwald ex- und deportiert, zum Abknallen, raunen die Hartfielder.

Sorgen haben manche Leute.

Die Hirsche sehen nicht aus wie von E. H. Shepard gezeichnet.

*

Gill’s Lap ist ein Hügel, fast ein Berg, und von hier aus hat man die ganze Welt unter sich, oder zumindest doch The Weald, den Wald, der ganz Südengland grün und schön macht. Ein meditativer Ort, von winzigen Soldaten durchwuselt, zwölf bis vierzehn Jahre alt, die streng aus ihrer olivgrünen Wäsche blicken, anstatt die Aussicht zu genießen.

Manchmal kaufen sie sich heimlich ein Eis, und die Ausbilder sehen es nicht.

Das ist das Schöne, wenn man keine Wehrpflicht hat. Man macht den Dienst an der Waffe attraktiv, ohne Waffe, aber mit Uniformen in Kindergrößen. Infanterie.

»Dieser Ort«, steht auf einer Metalltafel, »wurde durch A. A. Milne und E. H. Shepard berühmt gemacht«.

Da glauben die kleinen Soldaten, sie wären aus dem Kinderbuchalter heraus, und nun robben sie auf dem Bauch durch ihr Lieblingsbuch.

Früher oder später erwischt euch doch die IRA, und dann sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.

*

»Es ist ein ganz dummer Wald. Es ist eine ganz dumme Brücke. Es ist ziemlich enttäuschend«, hat mich Bob, der Barkeeper vom »Anchor«, schonend vorbereitet.

Es ist kein dummer Wald. Es ist keine dumme Brücke.

Aber trotzdem.

»Es ist ein ganz dummer Wald. Es ist eine ganz dumme Brücke«, bereite ich Marco de Valdivia, den Starfotografen, schonend vor.

»So ein schöner Wald! So eine schöne Brücke!«, kräht er.

Er hat nämlich seinen Pu gelesen (und auch sonst so ziemlich alles), und er freut sich, weil er am Originalschauplatz ist. Dann fällt er in den Bach.

Wir steigen auf die gar nicht mal so dumme Brücke und spielen Pustöckchen, bis er wieder trocken ist.

Trockene Starfotografen sind fast noch besser als nasse.

...


Rowohlt, Harry
Harry Rowohlt (1945 - 2015) lebte als Autor, Übersetzer (z. B. der Flann OBrien-Neuausgabe bei Kein & Aber) und Vortragskünstler in Hamburg. Bei Kein & Aber erschienen zahlreiche Bücher u.a. »John Rock« (2004), »Der Kampf geht weiter« (2005) und CDs, darunter Kenneth »Grahames Der Wind in den Weiden« (2000), A. S. Neills »Die grüne Wolke« (2005), Laurence Sternes »Tristram Shandy« (2006) und Henry Glass' »Weltquell des gelebten Wahnsinns« (2007). 2010 erschien bei Kein & Aber die Ringelnatz-Hommage »Wie seine eigene Spucke schmeckt, das weiß man nicht«.

Harry Rowohlt (1945 - 2015) lebte als Autor, Übersetzer (z. B. der Flann-O’Brien-Neuausgabe bei Kein & Aber) und Vortragskünstler in Hamburg. Bei Kein & Aber erschienen zahlreiche Bücher, u. a.  (2004), (2005), und CDs, darunter Kenneth Grahames (2000), A. S. Neills (2005), Laurence Sternes (2006) und Henry Glass' (2007). 2010 erschien bei Kein & Aber die Ringelnatz-Hommage .



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.