Rüchardt Strategie-Guide Digitale Transformation
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-446-47737-7
Verlag: Carl Hanser
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Anleitung und Methoden für den erfolgreichen Wandel
E-Book, Deutsch, 360 Seiten
ISBN: 978-3-446-47737-7
Verlag: Carl Hanser
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Kein Neubau, sondern ein Umbau nötig!
Die digitale Transformation der Industrie ist etwas ganz anderes als das, was wir bisher als Digitalisierung kannten. Die wenigsten haben diesen Unterschied begriffen und die beteiligten Unternehmen handeln mit Annahmen und Strategien aus einer längst vergangenen Zeit. Das bremst die Innovation und die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Unternehmen wie der Industrie als Ganzes. Der entscheidende Unterschied zu vergangenen Phasen: Es ist kein Neubau, sondern ein Umbau.
Das Buch erklärt die Unterschiede der digitalen Transformation zu vergangenen Perioden der Digitalisierung, gibt zahlreiche Beispiele und erläutert Schritt für Schritt, wie sich Industrieunternehmen, Softwarehersteller und Dienstleister in der digitalen Transformation erfolgreich verhalten.
- Berücksichtigt das Umfeld
- Mit konkreten Handlungsanleitungen: Wie in welchem Umfeld vorgehen?
- Die wichtigsten Technologien und Anwendungsszenarien von Industrie 4.0 kennen
- Mit Arbeitshilfen zum Download
- Checklisten zur Unterstützung und Einordnung von Investitionsentscheidungen
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2 Das Phänomen „digitale Transformation“ Where – das Umfeld mit seinen Eigenschaften, innerhalb dessen die Transformation stattfinden soll. Alle Unternehmen, die an der Digitalisierung und dem digitalen Wandel der Industrie beteiligt sind, als Hersteller digitaler oder physikalischer Produkte oder als Dienstleister. Anwender digitaler Prozessketten und diejenigen, die mit diesen Unternehmen befasst sind, als Politiker, Verein, Berater, Medien. Why – Ereignisse und Phänomene, die dieses Umfeld aktuell beeinflussen. Neue Technologien zu Vernetzung, Wissensgenerierung, Wissensverwaltung und Automatisierung treiben den Wettbewerb an, während gleichzeitig weltweite Krisen die bisherigen Industriekonzepte infrage stellen und weitgehende Änderungen erfordern. What – eigene Möglichkeiten, in diesem Umfeld etwas zu verändern. Strukturen, Prozesse, Produkte, Geschäftsmodelle, Wertschöpfungsketten, Arbeitsweisen, Werkzeuge – es ist alles im Wandel, in den einzelnen Unternehmen wie über Industrien und Wertschöpfungsketten hinweg. How – Art und Weise, wie diese Veränderung geleistet werden kann. Information ersetzt Ressourcen, Dienstleistungen ersetzen Produkte, Verantwortlichkeiten und Wertschöpfungsketten setzen sich neu zusammen – doch es ist ein ungesteuerter Wandel, in dem von allen Beteiligten erwartet wird, dass sie für sich ihren Weg finden. Der Begriff der digitalen Transformation hat sich eingeschlichen. Er ist ohne Not und ohne äußeren Zwang langsam in die Sprache der Industrie eingesickert, getrieben von einer schnell wachsenden Zahl digitaler Innovationen und der Idee von Industrie 4.0. Die wenigsten haben sich dabei darüber Gedanken gemacht, was er bedeutet. Die einen haben ihn mit Fortschritt gleichgesetzt, die anderen mit Digitalisierung, dritte mit Effizienz. Dieser unbedarfte Umgang ist einer der Gründe dafür, warum die Industrie und alle, die rund um die Industrie herum eine Rolle spielen, sich immer noch schwertun, sowohl den Verlauf der digitalen Transformation zu erfassen wie auch einen Plan dafür zu entwickeln. Es ist mehr ein Phänomen als ein Konzept, und so ist es zwar wirksam, muss aber von den Beteiligten und Betroffenen immer noch erst begriffen und verstanden werden. Was es mit Unternehmen macht, was es mit Industrien macht und wie man als Unternehmen, das nicht zufällig als „Einhorn“1 mit einer genialen Idee das große Los gezogen hat, sinnvoll und nachhaltig damit umgeht. Und auch, wer ein Einhorn werden will, sollte das möglicherweise besser systematisch angehen, als sich auf sein Glück zu verlassen. 2.1 Ersetzen von Ressourcen durch Information Die Ressourcen eines Unternehmens sind in der Summe das, was Kosten erzeugt. Das schließt den eigenen Betrieb und seine Belegschaft ein, genauso wie gekaufte Leistungen und Waren oder Risiken, die wieder in den Verbrauch von Ressourcen münden. Ein großer Teil davon wird durch die digitale Transformation verzichtbar, weil er durch Information ersetzt wird. Information, die vermittelt, welches Material benötigt wird und wo es am besten beschafft werden kann. Wie es am besten recycelt wird, wie Abläufe gestaltet werden können, dass sie möglichst wenig Energie verbrauchen, wie sichergestellt werden kann, dass Maschinen lange halten und zuverlässig produzieren. Zudem, wie Transportkosten und Reisen vermieden werden können und wo Leistungen besser von Dritten eingekauft werden, weil die es einfach besser können (Bild 2.1). Bild 2.1 In der digitalen Transformation wird die starre Ordnung in Unternehmen und Wertschöpfungsketten durch flexible Verknüpfungen und zirkuläre Wertschöpfung ersetzt Der Ressourcenverbrauch schrumpft, dadurch sinken die Kosten, und die Nachhaltigkeit der industriellen Arbeit steigt. Die Nutzung von Ressourcen wird neu organisiert, durch Information gesteuert und über Unternehmensgrenzen hinweg so verteilt, dass für alle das beste Ergebnis herauskommt. Die digitale Transformation ist dabei etwas, was geschieht, weil es möglich ist. Es ist ein Phänomen der Veränderung, bei dem die Beteiligten neue Möglichkeiten und Werkzeuge nutzen, die es vorher nicht gab. Das war stets so bei allen Innovationen, die die Industrie über Jahrzehnte und Jahrhunderte optimiert haben. Die Dampfmaschinen machten plötzlich Energie überall verfügbar, die Elektrizität erlaubte komplexe Abläufe wie das Fließband, mit den Computern zogen systematische Informationsverarbeitung und Automatisierung, ein und die digitale Vernetzung durchbricht die Grenzen von Unternehmen und Prozessen, Produkten und Dienstleistungen. Doch was unterscheidet die digitale Transformation von den Veränderungen, Optimierungen und Innovationen der Vergangenheit? Es sind im Kern zwei Dinge: Unterschied 1: Die digitale Transformation ist der größte Umbau der Industriegeschichte. Eine laufende, hochproduktive und wirtschaftlich starke Industrie wird umgebaut. Nicht unbedingt, um sofort leistungsfähiger zu werden, sondern um langfristig wettbewerbsfähig zu sein, um nachhaltiger zu werden, um sich den großen Krisen der Welt wie die Erschütterungen in den globalen Lieferketten durch politische Verwerfungen und die Covid-Krise zu stellen. Das geht mit intelligenteren und flexibleren Werkzeugen, Strukturen und Prozessen, mit neuen, nachhaltigen Geschäftsmodellen und mit einer nie dagewesenen Transparenz. Und es ist eine Vielzahl einzelner Veränderung, die sich dabei summieren und ineinandergreifen. Unterschied 2: Die Vorteile der Vernetzung entfalten erst dann ihre volle Wirkung, wenn viele Unternehmen sie gemeinsam angehen. Denn erst dann kann sich der Ressourcenverbrauch so neu mischen, dass große Effekte entstehen. Vernetzte Wertschöpfungsketten schließen viele Unternehmen ein, und serviceorientierte Geschäftsmodelle wie etwa fernüberwachte medizinische Geräte bedürfen mindestens der Unterstützung von Anbieter und Kunde, die sich auf eine neue Art der Arbeitsteilung einigen. Wer in diesem Mischprozess gut aufpasst und das Spiel beherrscht, wird als Gewinner aus der Transformation hervorgehen. Die Versprechen der Digitalisierung haben in den Zehnerjahren für große Aufregung gesorgt. Es war die erste Hype-Phase des Internets der Dinge. Der Vernetzung von Dingen, Prozessen und Personen wurde eine stark überzogene Wirkung zugemessen, und die aufgerufenen Zahlen der Innovationspropheten gingen in Größenordnungen jenseits des Vorstellbaren. Der Gedanke „Technologie sucht Sinn“ drängte sich auf, während die Welt vom vernetzten Kühlschrank träumte oder der petzenden Zahnbürste und sich jede Menge spielbegeisterter Menschen ihr Zuhause verkabelten, um aus dem Urlaub den Zimmerpflanzen beim Wachsen zusehen zu können. Im Laufe der Zeit schälte sich die Sinnhaftigkeit vernetzter Industrieszenarien heraus, etwa in der Betriebsüberwachung von Maschinen, in der Unterstützung von Wartung und Service. Doch die wohlkonstruierten Szenarien hatten ebenfalls einen Haken: Sie passten nicht in den industriellen Alltag. Der permanent brummende Apparat der Unternehmen war auf eine Art und Weise aufgebaut, die anders funktionierte. Es gab weder passende Infrastrukturen noch passende Prozesse noch passende Organisationen noch passende Lieferketten oder Kunden, um vernetzte Anwendungen wie beispielsweise die Fernbeobachtung von Maschinen beim Kunden umzusetzen und die Vorteile in Service, Wartung und Produktverbesserung wirksam zu machen. Die Innovation war nicht in der Lage, ihren Mehrwert zu realisieren. Weil die Umgebung nicht passte. Sie war im Laborbetrieb, doch außerhalb des geschützten Labors, des „Proof of Concept“, wie es in den Unternehmen hieß, nicht lebensfähig. Und die Innovation war aus sich heraus nicht stark genug, um disruptiv zu sein, also die bestehende Industrie eiskalt zu überholen, wie es die großen Digitalisierer im Geschäft außerhalb der Industrie so eindrucksvoll geschafft hatten. Die Folge war: Es entstand der Eindruck, der digitale Aufbruch ginge nicht so schnell voran wie erhofft. Er sei ins Stocken geraten und die Industrie zu träge, um sich um ihre eigene Zukunft zu kümmern. Dieser Eindruck entstand aus der Erwartung eines ungebremsten Fortschritts. Doch die Situation in der digitalen Transformation der Industrie ist eine andere. 2.1.1 Innovation und Transformation Innovation und Transformation werden oft in einem Satz genannt,...