Ruschel | Der Handwerkerfriedhof Sankt Rochus zu Nürnberg | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Ruschel Der Handwerkerfriedhof Sankt Rochus zu Nürnberg

Was Epitaphien erzählen können
2. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7448-4366-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Was Epitaphien erzählen können

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-7448-4366-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
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Touristen, die nach Nürnberg kommen, besuchen in der Regel das Germanische Nationalmuseum, die Kaiserburg, die Sebalduskirche, die Lorenzkirche und den Schönen Brunnen. Sie fragen nach Albrecht Dürer, Veit Stoß, Adam Kraft und Hans Sachs. Kaum einer weiß etwas von den historisch und kunsthistorisch bedeutenden Friedhöfen Sankt Johannis und Sankt Rochus, obwohl sich dort kulturgeschichtlich außergewöhnliche Schätze befinden, die Epitaphien von bedeutenden Männern und Frauen aus der Geschichte der ehemals Freien Reichsstadt, Künstlern, Wissenschaftlern, Politikern und nicht zuletzt Handwerkern. Vor allem der Rochusfriedhof ist eine Fundgrube für alle, die sich für das Handwerk interessieren. Die Inschriftentexte, Wappen, Haus-, Handwerks- und Handelszeichen, Bildszenen zur Berufsausübung der Handwerker, aus dem Alten und dem Neuen Testament, figürlicher bzw. ornamentaler Reliefschmuck und Ornamentformen geben dem Friedhofsbesucher einen Einblick in Leben, Sterben und Religiosität der Menschen früherer Jahrhunderte. Die Epitaphien zeigen darüber hinaus ein Bild des materiellen und geistigen Lebens der ehemals Freien Reichsstadt, wie es sonst nicht zu finden ist. Adalbert Ruschel war 25 Jahre Professor für Personalwirtschaft und Berufs- und Arbeitspädagogik und zuletzt Dekan an der betriebswirtschaftlichen Fakultät der Georg Simon Ohm TH in Nürnberg. Über ihn und seine Veröffentlichungen informiert seine Website www.adalbert-ruschel.de ausführlich.

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3. Der Rochusfriedhof als "Arbeitgeber"
Der Rochusfriedhof wurde zunächst von der Stadtverwaltung überwacht und gepflegt. Die Kirche stellte nur die geistlichen Mitarbeiter für die Rochuskapelle. Diese diente während der Pestzeit zuerst als Aussegnungsraum. Danach wurde die Kapelle als Familieneigentum der Imhoffs von diesen verwaltet. Die patrizische Familie hatte eine vom Rat genehmigte und mit dem Patronatsrecht verbundene Stiftung als so genannte Movendelpfründe eingerichtet. Diese sind nicht fest an eine Kirche oder einen Altar gebunden. Auf Wunsch des Patronatsherrn oder des Rates können sie auch an eine andere Kirche verlegt werden. Die Imhoffsche Pfründe wurde bis zur Übernahme der Reformation durch die Stadt Nürnberg 1525 von einem Diacon des Benediktinerklosters St. Egidien versehen. Zur Überwachung und Pflege des Rochusfriedhofs hat der Rat der Stadt drei Personalstellen geschaffen: einen Steinschreiber, einen Hofmeister und Messner in einer Person und einen Totengräber. Als Steinschreiber galt in Nürnberg jeweils das Amt eines Schreibers auf den Friedhöfen St. Johannis und St. Rochus, denen die Pflicht oblag, die Steine für die Gräber zu vergeben und ein Verzeichnis über Gräber und Grabsteine auf dem jeweiligen Gottesacker zu führen, damit man wusste, wann man wieder eine Leiche in ein altes Grab senken konnte. Die Steinschrift, ist eine Aufschrift auf einem Grab- oder Denkmalstein. Bild 18: Conrad Wagner, Lötschlosser, Mesner und Grabrichter (Hofmeister) auf dem Rochusfriedhof, 1607, R1352. Hodie Michi Gras Tibi Jesus Christus Gottes und Maria Sohn omd unser / Sünden und Ungerechtigkeit willen gestorben unnd / umb unser gerechtigkeit willen widerumb aufferstan= / den ist der verheisung nach bei uns biß an der Weltende / zum Zeugnis Denn das Blut Jesu Christi Gottes und Ma= / ria Sohn reiniget uns von allen unseren Sünden Amen. Conrad Wagners Bürgers und Lötschlossers Jetzt Meß= / ners und Grabrichters auff S: Rochuskirchhoff Barbara sein / Jetzige Ehwirtin und Ursula der gestorben derer Ehleiblichen erzeugten Kindern und Nachkommen Begrebnus A° 1607 Auf der Tartsche sind oben links die für Nürnberger Schlosser typischen kleinen Vorhängeschlösser zu sehen. Als Sitz der Verwaltung wurde an der Nordseite des Friedhofs etwa gleichzeitig mit der Rochuskapelle von der Stifterfamilie Imhoff ein Hofmeisterhaus erbaut. Zuerst sollte dieses Haus wohl im Rahmen der Movendelpfründe als Haus für den Frühmessner dienen. Weil aber die Pfründe in dieser Form nicht besetzt wurde, konnte das Haus anderweitig genutzt werden. Der Name Hofmeisterhaus kommt von dem Hofmeister (Hausmeister), der Haus und Friedhof verwaltete. Vom 17. Jahrhundert bis 1821 war das Hofmeisterhaus gleichzeitig der Sitz des Steinschreibers bzw. der Friedhofsverwaltung. Danach wurden die Steinschreiberstellen beider Friedhöfe mit Sitz in St. Johannis zusammengelegt. Im zweiten Weltkrieg wurden das ehemalige Hofmeisterhaus, das Totengräberhaus und mehrere Grabstellen zerstört. Bei der Instandsetzung wurden die östliche Außenmauer und ihre Portale verlegt. Zur Aufgabe des Totengräbers gehörte es, sich um die Leichen bis zur Beerdigung zu kümmern. Er musste sie waschen und herrichten, die Gräber ausheben und wieder zuschaufeln. In einigen Städten war er sogar für die Reinhaltung der Abwasserkanäle zuständig. Im Gegensatz zu anderen Handwerkern erhielt der Totengräber sein Werkzeug von der Kirche. In den Zeiten der Verbreitung der Pest war dieser Beruf trotz allem eine lukrative Tätigkeit. Im Mittelalter galt er aber dennoch als ein verachteter "unehrlicher" Beruf, den in kleinen Kirchdörfern der Freiknecht oder der Abdecker mit zu übernehmen hatte. Die Attribute ehrlich und unehrlich hatten im Mittelalter und noch weit in die Neuzeit hinein eine andere Bedeutung als heute. "Ehrlich" bedeutete so viel wie geachtet, angesehen, respektiert, integriert, geduldet. Ob ein Beruf ehrlich oder unehrlich war, entschied weder Richter noch Gesetzgeber, sondern die jeweilige Gesellschaft. Auch unterschiedliche Zeiten und Orte und somit lokale Kultur bestimmten über die Zuordnung. Das Bild von unehrlichen Berufen wandelte sich mit der Zeit immer wieder. Mal waren mehr, mal weniger Berufe verachtet. Zeitweise galten alle Berufe, in denen man mit Kranken, Verurteilten, Verletzen oder Toten in Berührung kam, als unehrlich, vom Gefängniswärter bis zum Arzt. Selbst Türmer, deren Aufgabe darin bestand, auf den höchsten Gebäuden der Stadt nach Gefahren Ausschau zu halten und die Menschen der Stadt bei Gefahr zu warnen, waren - wohl eher wegen ihrer Einsamkeit - verstoßen, unehrlich. Bild 19: Georg Harlas Pfannenschmid und Todengräber auff St. Rochus Kirchhoff, 1602, R1207 Georg Harías Pfannenschmid und To. dengraber auff S: Rochus Kirchhoff Ka= tharina sein Erste Anna die Ander Ehe= wirtin derer Eheleiblichen erzeugten Kin= dern und Nachkommen Begrebnus A°1602 Die Tartsche zeigt zwei gekreuzte Pfannen für den Pfannenschmied und eine Hacke mit einem Spaten gekreuzt für den Totengräber. Das Bild am Kruzifix lässt den Vater mit zwei verstorbenen Frauen und elf Kindern erkennen, von denen 1602 nur noch eine Tochter lebte. Nicht selten wurde den Totengräbern unterstellt, sie hätten hexerische Fähigkeiten und würden den Umgang mit Dämonen pflegen; auch dass sie sich am Eigentum der Verstorbenen bereicherten. Die Entlohnung der städtischen Ämter scheint für den Unterhalt einer Familie nicht ausreichend gewesen zu sein, denn die Beschäftigung erfolgte - betrachtet man die Epitaphien genau - meistens als Zweitberuf oder sogar ehrenamtlich. Damit stoßen wir hier bereits auf ein Merkmal, das für die gesamte Ära wie auch für unsere heutige Zeit typisch ist, die Tendenz zum Zweitberuf. Unter den Handwerkern scheint nur eine Elite von Meistern aus ihrer hauptberuflichen Tätigkeit ein Einkommen bezogen zu haben, das zur Erfüllung ihrer Lebensansprüche ausreichte. Ob mit oder ohne Segen des Rugamtes werden bei den meisten Handwerkern die Familienmitglieder mehr oder weniger mitgearbeitet haben, begünstigt durch die Tatsache, dass wohnen und arbeiten örtlich zusammen fielen. Die Bediensteten auf dem Rochusfriedhof scheinen von der Tendenz zum Zweitjob besonders betroffen gewesen zu sein. Als Beleg für deren prekäre Beschäftigung mögen die folgenden Auszüge aus den Ratserlässen der Stadt Nürnberg gelten. Der "unterthänige" Stil des Briefes mag uns heute belustigen, damals war er üblich. Einer der Antragsteller wurde auf dem Rochusfriedhof begraben: Bild 20: Jochim Heffner, Hofmeister und Steinschreiber bei St. Rochus, 1633, R1580 Inschrift: HDIE, MIHI, CRAS, DIBI Jochim Heffner, dieser Zeitt hoffmeister Bey St. Rochus Anna Sophia seiner Eh: wirtin und Jrer Leibs Erb en Nachkommen Begräbtniß AD 1633 / Für die organisatorischen und kaufmännischen Arbeiten, auch für die Friedhöfe, waren bei den Kirchen so genannte Schaffer zuständig. Das Wort "schaffen" bedeutet sprachgeschichtlich so viel wie die Mahlzeit geben oder Essen reichen, aber auch arbeiten, ausrichten und erledigen. Der Schaffer war demnach der Beschaffer, der für das Hauswesen, aber auch für die Verwaltung zu sorgen hatte. Gelegentlich findet sich die Bezeichnung Schaffer auch für den ersten Prediger einer großen Kirchengemeinde. In Nürnberg hießen die ältesten Diakone der beiden Hauptkirchen, die für alle gottesdienstlichen Verrichtungen zuständig waren Schaffer. Die Berufsbezeichnung Schaffer hat im Laufe der Geschichte eine Bedeutungsverbesserung erfahren. Der Wandel scheint im Übergang zum 16. Jahrhundert stattgefunden zu haben. Bis dahin sind die Schaffer Diener, Knechte, Kellner. Ihr Berufszeichen war der Schlüsselbund. Im Zunftwesen hieß manchmal der Zunftvorsteher Schaffer. Auch in wirtschaftlichen Einrichtungen des Adels gab es den Schaffer. Dort gehörte er bereits zur Führungsmannschaft, musste heranschaffen, was Mensch und Tier brauchten. In der christlichen Seefahrt war der Schaffer auf den (Übersee)-Schiffen der Proviantmeister. Daran erinnert bis heute die "Schaffermahlzeit" in Bremen, die ursprünglich ein Abschiedsessen war. Bild 21: Her Michael Rupp, Schaffer / Der Pfarkirchen Laurency, 1540, R209 Her Michael Rupp Schaffer Der Pfarkirchen Laurency Michael Rupp war von 1519 bis 1524 Diaconus an der Lorenzkirche, danach dort Schaffer. Er starb 1548. Das Epitaph (und das Grab?) wurde bereits vor seinem Tod angelegt. An einem weiteren Epitaph (R145) fällt auf, dass ein Schaffer der Pfarrei St. Sebald auf dem Rochusfriedhof beerdigt wurde, auf dem sonst nur die Toten der Pfarrgemeinde von St. Lorenz liegen. Schließlich steht der Beruf Schaffer auch für den Beschaffer, Vorknecht, Verwalter von Stiftungen, Spitälern, insbesondere kirchlicher Anstalten. Bild und Text aus der...



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