Russwurm / Lang | Wie soll die Wirtschaft mit Autokratien umgehen? | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 112 Seiten

Russwurm / Lang Wie soll die Wirtschaft mit Autokratien umgehen?

Wirtschaft ist Gesellschaft, Band 2

E-Book, Deutsch, 112 Seiten

ISBN: 978-3-451-82724-2
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Deutschland ist wie kein anderes Land auf den Export von Spitzenprodukten angewiesen, um Wohlstand und Beschäftigung zu sichern. Die Freihandelspolitik steht jedoch erheblich unter Druck. Autoritäre Regime setzen ihre staatsgelenkten Wirtschaftssysteme dazu ein, geopolitische Ziele zu erreichen. Welche Verantwortung kommt den Unternehmen zu, wenn Menschenrechte verletzt werden? Welche außenwirtschaftlichen Leitplanken sollten gelten? Mit Beiträgen von Sabine Herold, Hubert Lienhard, Nils Ole Oermann, Edna Schöne und Hans-Jürgen Wagener.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. lädt mit dieser Buchreihe zu einer Debatte über Wirtschafts- und Industriepolitik ein, um Fakten- und Hintergrundwissen verständlich zu vermitteln. Die Reihe möchte Anstöße zur Lösung langfristiger Herausforderungen für den Wohlstand künftiger Generationen geben.
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Vorwort – wie soll die Wirtschaft mit Autokratien umgehen?
von Siegfried Russwurm und Joachim Lang Europa sieht sich mit einer neuen Realität konfrontiert: Der völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine seit dem Februar 2022 ist eine Zäsur für die europäische Sicherheitsordnung. Das autoritäre Herrschaftssystem von Präsident Putin stellt seine nationalen Sicherheitsinteressen über eine prosperierende Entwicklung der russischen Volkswirtschaft. Abhängigkeiten im Energiesektor haben sich als strategisches Risiko für ganz Europa, aber insbesondere für das Exportland Deutschland entpuppt. Das Großmachtgebaren Russlands entgegen internationalen Verträgen und Rechtsgrundlagen ist ein Weckruf für die liberal-­demokratischen Staaten, ihr freiheitliches Gesellschaftsmodell zu verteidigen und Wohlstand zu sichern. Mit einer Abnabelung von der Welt wird dies allerdings sicherlich nicht funktionieren. Zudem existieren unterschiedliche Formen autoritärer Systeme, die nicht wie Russland die Geschäftsgrundlage des freien Welthandels aufkündigen. So historisch der Moment der russischen Invasion in der Ukra­ine ist, so ist er trauriger Höhepunkt einer sich seit längerer Zeit andeuteten Entwicklung des geostrategischen Umfelds, an die sich Deutschland und Europa anpassen müssen. Die demokratische Welle ist vorübergezogen, die Zahl der Demokratien stagniert seit der Jahrtausendwende, die Qualität demokratischen Regierens nimmt weltweit ab, die Repression in autoritären Systemen nimmt zu – darin ist sich die Fachliteratur weitestgehend einig. Die liberaldemokratischen Staaten müssen sich bewusst sein, dass in anderen Teilen der Welt die Integration in das globale Handelssystem nicht mit der Übernahme von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit einhergeht. Nach dem Triumph des transatlantischen Westens über die Sowjetunion standen zunächst die Tore der Welt für die Unternehmen offen und der Siegeszug der Demokratie schien unaufhaltsam. Jedoch hat sich in der Rückschau herausgestellt, dass sich autokratische Herrschaftsformen durchaus dynamisch entwickeln. Die Zementierung autoritärer Herrschaft in Russland bereits Ende der 1990er Jahre war dafür ein erstes Warnzeichen, das in der vorherrschenden Euphorie gerne übersehen wurde. Das Ende der Bipolarität nach dem Kalten Krieg ist in eine zunehmende Komplexität der internationalen Beziehungen übergegangen. Die Handelspolitik nimmt dabei einen zentralen Stellenwert ein, weil sich geoökonomische Einflusssphären bilden und eine schrittweise Integration der Weltwirtschaft einer Regionalisierung und Ausdifferenzierung in verschiedene Allianzen gewichen ist. China voran stellt unter Beweis, dass ein zunehmend autoritärer Einparteienstaat die Legitimität seines Gesellschaftsvertrags durch die millionenfache Befreiung von Menschen aus der Armut erfolgreich festigt und Wohlstand für breite Bevölkerungsteile hervorbringen kann. Durch Übernahme und Weiterentwicklung von Technologien, eine ambitionierte Industriepolitik und durch gigantische staatliche Subventionen und Investitionen in Schlüsselbranchen hat sich China nun an die Spitze des Systemwettbewerbs mit den demokratischen Industriestaaten gestellt und scheint gegenüber dem demokratisch-marktwirtschaftlichen Modell eine Alternative zu bieten – was freilich nicht bedeutet, dass innovationsblockierende Strukturen, ineffektive Investitionen, zunehmende Klima- und Umweltprobleme sowie die demografische Frage in Zukunft keine ernst zu nehmenden Herausforderungen für den kommunistischen Einparteienstaat darstellen werden. Ohne die Strahlkraft autoritärer Ordnungsmodelle zu überschätzen, stellt sich für Deutschland und die Europäische Union (EU) als Teil des transatlantischen Westens eine entscheidende Frage: Wie bewahren wir unseren Wohlstand und behaupten unsere demokratischen Werte, ohne uns aus diesen autoritären bzw. demokratisch defizitären Staaten rigoros zurückzuziehen? Europas und insbesondere Deutschlands Wohlstand mit seiner exportorientierten Industrie sind von funktionierenden internationalen Lieferketten abhängig. Die Exportquote der 27 EU-Mitgliedstaaten – das Verhältnis von Exporten von Waren und Dienstleistungen zum BIP – lag 2020 bei 46,8 %. Die vernetzte Wertschöpfung in der Welt sichert rund 36 Millionen Arbeitsplätze in Europa. Dabei ist die Exportabhängigkeit auch nicht mit einer China-Abhängigkeit gleichzusetzen, die sich vielmehr selektiv auf einige Vorprodukte und Hochtechnologien erstreckt. Die im europäischen Vergleich hohen Exporte Deutschlands in das Riesenreich machen rund sieben Prozent an den Gesamtausfuhren aus. Es geht also weniger um eine »Lex China« als vielmehr um eine Standortbestimmung und strategische Ausrichtung der Außen- und Handelspolitik. Klar ist, die neuen geoökonomischen Vorzeichen zwingen die Unternehmen und die Politik, sich umfassend damit auseinanderzusetzen. Unternehmen müssen in der internationalen politischen Ökonomie viel langfristiger und vorausschauender handeln. Zudem sind sie angehalten, zunehmend auf Grundlage heterogener Anforderungen in Politik, Gesellschaft und Mitarbeiterschaft zu entscheiden. Die Diskussion um ein sogenanntes »Lieferkettengesetz« hat dies verdeutlicht. Das wird unter anderem dadurch sichtbar, dass sich unter den zehn wichtigsten Handelspartnern der EU bereits drei Autokratien befinden, wenn natürlich auch in völlig unterschiedlichen Ausprägungen: China, Russland und die Türkei. Diplomatie in den etablierten internationalen Organisationen ist kein Garant mehr für Berechenbarkeit und Planungssicherheit. Die Schwächung etablierter Ordnungsstrukturen wie der Welthandelsorganisation (WTO) ist Zeugnis einer Zunahme der Abhängigkeit von äußeren Kräften, die sich dem unternehmerischen Einfluss entziehen – kurz »Heteronomie«. Denn die Auflösung gegensätzlicher Interessen durch geregelte Verfahren ist immer seltener zu beobachten. Der Versuch einer Reparatur würde die Rückkehr zum alten Normalzustand bedeuten, wäre hier aber wohl bequemes Wunschdenken. Neue, multi- und plurilaterale Formen der Kooperation mit wechselnden Partnern sind stattdessen unter Umständen aussichtsreicher. Die andere Alternative wäre eine strikte Konditionalisierung von Menschenrechten. Die Welt wird interdependent bleiben, aber durchaus anfälliger für Konflikte und diplomatische Missverständnisse – was auch die Gefahr militärischer Eskalationen einschließt, obwohl dies jeder Seite mehr schadete als nützte. So würde der Zusammenbruch internationaler Warenströme sowohl für die USA als auch für China keine Verbesserung des Status quo bedeuten – die Volkswirtschaften sind vom gegenseitigen Austausch abhängig. Jedoch müssen wir pragmatisch anerkennen, dass verschiedene Gesellschaftssysteme zumindest auf absehbare Zeit nebeneinander existieren und sich vielfache, gleichzeitige (Ziel-)Konflikte und Krisen ergeben. Vor allem der internationale Technologiewettbewerb wird künftig stärker durch geopolitische Interessen getrieben. Diese Koexistenz ist jedoch nicht zu verwechseln mit dem Ende internationaler Zusammenarbeit. So ist es im europäischen Interesse, auch mit China weiterhin – aus einer selbstbewussteren, stärkeren Position heraus – gemeinsame Interessen auszuloten und sich für gegenseitigen Marktzugang und Investitionsschutz einzusetzen. Unternehmen brauchen durch einen strategisch ausgerichteten außen- und handelspolitischen Rahmen einen berechenbaren Handlungsspielraum, um Investitionsentscheidungen verantwortlich zu treffen. Zudem sind globale Fragen wie der Klimawandel nur in Kooperation lösbar. Technologische Lösungen müssen auch durch autokratische Mitbewerber übernommen werden – insbesondere China mit einem Anteil an den globalen CO2-Emissionen von ca. 27 % – um dem 1,5-Grad-Ziel näherzukommen. Wenn stattdessen der Protektionismus durch Schutzmaßnahmen befördert wird, entsteht keine notwendige Konvergenz in den Zielen und Maßnahmen. Das westliche Ordnungsmodell aus Demokratie und Marktwirtschaft wird nur konkurrenzfähig gegenüber den autokratischen Systemwettbewerben bleiben, wenn es weiter Wohlstand schafft und zugleich die vielfältigen Transformationsprozesse bewältigt. Nur die globale Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft kann sicherstellen, dass Europa über ausreichend Ressourcen und technologische Souveränität verfügt, um ein globaler, durchsetzungsstarker Akteur zu werden. Jeder Versuch, Antworten auf globale Fragen und Gefahren von Abhängigkeiten zu geben, muss die vernetzte Wirtschaftsweise als Grundlage für Wohlstand und politische Einflussmöglichkeiten zum Ausgangspunkt nehmen, beides bedingt sich gegenseitig. Die Industrie, die Gewinne erwirtschaften muss, um weiterhin global wettbewerbsfähig zu bleiben, ist hierfür Mittel zum Zweck. Damit Unternehmen im zunehmend diffusen Umfeld agieren können, muss die Politik eine kohärente Außen- und Handelspolitik formulieren, die ebenfalls langfristige Interessen verfolgt und den Unternehmen möglichst viel Verlässlichkeit und Berechenbarkeit schafft. Die Unternehmen sind hingegen noch stärker gefordert, ihre Richtlinien zur Corporate Social Responsibility (CSR) weiterzuentwickeln und konsequent umzusetzen. Das heißt auch, neben Sozialverantwortung Umweltbewusstsein und nachhaltige Unternehmensführung als Kriterien (ESG) zu integrieren. Internationalen Handel zu treiben ist das oberste Gebot und Europa muss die Öffnung von Märkten ganz oben auf die Agenda setzen, um potenzielle neue Partner nicht an Mitbewerber zu verlieren. Wie dringlich dies ist,...


Siegfried Russwurm, Prof. Dr.-Ing., geboren 1963, ist seit 2021 Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. 1988 schloss er sein Studium der Fertigungstechnik an der Universität Erlangen-Nürnberg als Diplom-Ingenieur ab. 1992 trat er in die Siemens AG ein, zunächst als Produktionsplaner und Projektleiter im Bereich Medizinische Technik, später in diversen Führungsfunktionen im Medizin-und Industriegeschäft in Deutschland und in Schweden. Im Jahr 2006 wurde er Bereichsvorstand in der Medizintechnik, im Januar 2008 Mitglied des Vorstands der Siemens AG, in dem er bis März 2017 tätig war. In dieser Zeit war er verantwortlich für alle Industriethemen, als Chief Technology Officer für Technik, für Healthcare und für Personal. Er wurde im Oktober 2019 zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Thyssenkrupp AG gewählt. Seit März 2019 ist er Vorsitzender des Gesellschafterausschusses und des Aufsichtsrats der Voith GmbH & Co.

Joachim Lang, Dr. jur., geboren 1967, ist Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V. (BDI). Der promovierte Jurist war nach Stationen im Verteidigungsministerium und im Bundesrat sechs Jahre als Koordinator für Bund-, Länder- und Europaangelegenheiten beim Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion tätig. Danach koordinierte er im Bundeskanzleramt die Europapolitik der Bundesregierung. Ende 2007 wechselte er zum DAX-Unternehmen E.ON SE, dessen Konzernrepräsentanz er bis 2016 leitete. Seit Oktober 2017 gehört er dem Vorstand des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI e. V. an.

Sabine Herold ist Geschäftsführende Gesellschafterin von DELO Industrie Klebstoffe, einem Weltmarktführer für Hightech-Klebstoffe und multifunktionale Materialien. Nach ihrem Studium des Chemieingenieurwesens an der Universität Erlangen-Nürnberg stieg Sabine Herold 1989 als Anwendungsingenieurin bei DELO ein.  1997 übernahm sie, gemeinsam mit ihrem Ehemann Dr. Wolf Herold, die Firma im Rahmen eines Management-Buy-Outs und entwickelte diese zu einem erfolgreichen und weltweit tätigen Unternehmen mit mehr als 800 Mitarbeitern. Die Hochleistungsklebstoffe von DELO finden sich heute in fast jedem Handy und jedem zweiten Auto. Sabine Herold ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande und der Bayerischen Staatsmedaille für besondere Verdienste um die bayerische Wirtschaft. Sie engagiert sich ehrenamtlich in zahlreichen Gremien, u.a. in den Präsidien von BDI und VCI.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Wagener (1941) hat in Berlin und München Volkswirtschaft und Soziologie studiert. Nach Forschungstätigkeit am Osteuropa-Institut München und am Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche übernahm er 1975 an der Rijksuniversiteit Groningen einen Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre. Mit der Neugründung der Viadrina wechselte er 1993 auf einen Lehrstuhl Wirtschaftspolitik an der Europauniversität Viadrina Frankfurt (Oder), wo er 2006 emeritiert wurde. Er gründete das Frankfurter Institut für Transformationsstudien und beschäftigte sich vor allem mit Fragen der europäischen Integration, des institutionellen Wandels und der Geschichte des ökonomischen Denkens. 1999-2000 war H.-J. Wagener Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.

Edna Schöne ist seit 2015 Vorstandsmitglied der Euler Hermes Aktiengesellschaft in Hamburg. Die Euler Hermes Gruppe ist der größte Kreditversicherer der Welt und Teil des Allianz-Konzerns. Sie verantwortet den Geschäftsbereich der staatlichen Exportkreditgarantien, mit deren Durchführung die Bundesregierung Euler Hermes betraut hat. Darüber hinaus verantwortet sie den Bereich Legal & Compliance für die DACH-Region.
Edna Schöne ist Juristin und übernahm in den letzten 20 Jahren für Euler Hermes verschiedene Positionen in den Bereichen Recht sowie in der Nachhaltigkeitsabteilung.


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