Sage Septimus Heap - Fyre
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-446-24424-5
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 7, 704 Seiten
Reihe: Septimus Heap
ISBN: 978-3-446-24424-5
Verlag: Carl Hanser
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Angie Sage, 1952 in London geboren, lebt als Autorin und Illustratorin in Cornwall. Sie studierte Grafikdesign an der Art School of Leicester. Mit ihrer großen Fantasy-Saga Septimus Heap erlangte sie Weltruhm. Die Reihe wurde in 16 Sprachen übersetzt, stand monatelang auf Platz 1 der New York Times-Bestsellerliste und wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Bei Hanser erschien 2005 der erste Septimus Heap-Band Magyk, gefolgt von Flyte (2006), Physic (2007), Queste (2008), Syren (2010), Darke (2011) und Fyre (2013). Die Erweiterung Septimus Heap: Darke Toad - Die Dunkelkröte (2013) ist nur als E-Book erhältlich. 2017 folgte die neue Trilogie der Erfolgsautorin mit den Bänden TodHunter Moon - FährtenFinder, TodHunter Moon - SandReiter sowie TodHunter Moon - SternenJäger.
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PROLOG:
VORBOTEN
Eine Flamme brennt um Mitternacht. Auf einer Insel in den wilden Marram-Marschen hält eine junge Frau eine Laterne in die Höhe. Ihre dunklen langen Haare wehen im Wind, der, warm und salzig, vom Meer herüberbläst. Im Schein der Laterne glitzern das goldene Diadem auf ihrem Kopf und die goldenen Borten an ihrer langen roten Robe – der Robe der Burgkönigin.
Die Königin ist nicht allein. Neben ihr steht ein alter Mann mit langen weißen gewellten Haaren und dem Stirnband des Außergewöhnlichen Zauberers. Er sieht prachtvoll aus in seiner reich mit magischen Symbolen bestickten lila Robe. Sein Name ist Hotep-Ra. Er ist der allererste Außergewöhnliche Zauberer.
Die Insel, auf der sie stehen, ist ein alter Lauschposten, und Hotep-Ra lauscht in diesem Augenblick aufmerksam. Reglos wie eine Statue steht er da, ganz versunken in das, was er aus der Ferne vernimmt. Dann legt er die Stirn in noch tiefere Falten. »Es ist, wie ich befürchtet habe«, flüstert er. »Sie haben mich entdeckt.«
Die Königin versteht nichts von Magie, aber sie achtet sie, denn Magie hat einst das Leben ihrer Tochter gerettet. Sie nickt traurig, weil sie weiß, dass Hotep-Ra und sie nun für immer voneinander scheiden müssen.
Eine Flamme brennt eine halbe Stunde nach Mitternacht. Die Königin und Hotep-Ra befinden sich unter der Erde, und die Laterne bescheint eine weiße Wand, die mit Reihen von leuchtenden Hieroglyphen bedeckt ist. Die Königin sucht ein Symbol. Bald hat sie es gefunden: einen blauen Drachen in einem blau-goldenen Kreis. Sie legt die Hand auf den Kreis, und während sie warten, dreht Hotep-Ra an dem Ring, den er am rechten Zeigefinger trägt. Der Ring hat die Form eines goldenen Drachen, der sich in den eigenen Schwanz beißt. Sein Auge ist ein funkelnder Smaragd. Er ist wundervoll gearbeitet, aber das Schönste an ihm ist das warme gelbe Licht, das tief aus seinem Inneren heraus glimmt und im Schatten von Hotep-Ras Hand erstrahlt.
Dann ertönt ein tiefes, leises Rumpeln, und die Hieroglyphenwand schwingt nach hinten auf und gibt den Blick frei auf einen dunklen großen Raum. Die Königin lächelt Hotep-Ra an. Er erwidert das Lächeln ein wenig traurig, und gemeinsam treten sie ein.
Die Königin trägt die Laterne, deren Licht zwei prächtige weiße Marmorsäulen erhellt, die in der Dunkelheit emporragen. Sie gehen zwischen den Säulen hindurch, schreiten über einen Mosaikfußboden in roten, gelben, weißen und grünen Tönen. Und dann sind sie am Ziel. Die Königin reicht Hotep-Ra die Laterne, und er hält sie hoch, damit ihr Licht das schönste Geschöpf bescheint, das er jemals gesehen hat: sein treues Drachenboot.
Der Rumpf des Drachenboots ist breit und stabil, für die Fahrt auf dem Meer gebaut und unlängst von Hotep-Ra vergoldet worden. Der Rumpf und der Mast mit seinem himmelblauen Segel sind der unbelebte Teil des Bootes. Alles andere ist ein lebendiger weiblicher Drache. Längs des Rumpfes liegen, sauber zusammengefaltet, die grünlich schillernden Flügel. Der Kopf und der Hals der Drachin bilden den Bug, der Schwanz das Heck. Halb Boot, halb Drache, hat das Geschöpf in tiefem Schlaf gelegen, allein in diesem dunklen, alten unterirdischen Tempel, doch beim Öffnen der Wand ist die Drachin erwacht. Träge hebt sie den Kopf und reckt den Hals wie ein Schwan. Die Königin tritt leise näher, um sie nicht zu erschrecken. Die Drachin öffnet die Augen, senkt den Kopf, und die Königin schlingt die Arme um den Hals der Drachin.
Hotep-Ra bleibt zurück. Er betrachtet sein Drachenboot, das auf dem Mosaikboden ruht, als warte es darauf, dass das Wasser steigt und es zu fernen Inseln trägt. Und tatsächlich hat er genau dies mit ihm im Sinn gehabt: Alt, wie er ist, hat er zu einer letzten Reise mit ihm aufbrechen wollen. Doch daraus kann nun nichts mehr werden. Jetzt, da seine Feinde ihn aufgespürt haben, muss Hotep-Ra das Drachenboot in dem geheimen unterirdischen Versteck belassen, denn dort ist es vor ihnen sicher. Er seufzt. Das Drachenboot muss warten, bis ein anderer Drachenmeister es braucht. Hotep-Ra weiß nicht, wer das sein wird, er weiß nur, dass er ihm eines Tages begegnen wird.
Die Königin verspricht dem Drachenboot, dass sie auf den Tag genau in einem Jahr wiederkommen wird, aber Hotep-Ra verspricht ihm nichts. Er tätschelt der Drachin die Nase, dann dreht er sich um und verlässt schnellen Schrittes den Tempel. Die Königin eilt ihm nach, und zusammen sehen sie draußen zu, wie sich die Hieroglyphenwand rumpelnd wieder schließt.
Bedächtig folgen sie dem sandigen Pfad, der zu einem verborgenen Ausgang am Rand der Insel führt. Dort zieht Hotep-Ra den Drachenring ab. Zum Erstaunen der Königin wirft er ihn auf den sandigen Boden, als ob er ihm nichts bedeuten würde. Sowie der Ring am Boden liegt, erlischt sein Licht.
»Aber das ist doch Ihr Ring«, flüstert die Königin bestürzt.
Hotep-Ra lächelt matt. »Nicht mehr«, sagt er.
Die Königin und der Außergewöhnliche Zauberer sind in die Burg zurückgekehrt. Aber Hotep-Ra reist nicht sogleich ab, obwohl er weiß, dass er dadurch die Aufmerksamkeit seiner Feinde auf all das lenken könnte, was ihm lieb und teuer ist. Doch er möchte noch einige Vorkehrungen treffen, um die Burg und ihre Königin, so gut er kann, abzusichern.
Er legt geschützte Zauberwege an, die der Königin den gefahrlosen Besuch des Drachenboots und anderer Orte, die ihr viel bedeuten, gestatten. Er versieht den Zaubererturm mit allen magischen Kräften, die er entbehren kann, und richtet für die klügsten und besten Außergewöhnlichen Lehrlinge eine Queste ein. Auf diese Weise, so hofft er, wird er regelmäßig Neuigkeiten aus der Burg erfahren und helfen können, wenn sein Rat benötigt wird. Er bittet die Königin, an jedem Mittsommertag sein geliebtes Drachenboot zu besuchen, und baut tief im Innern der Burgmauern ein Drachenhaus, in dem es Ruhe finden wird, wenn es eines Tages gefahrlos in die Burg kommen kann.
Aber Hotep-Ra ist zu lange in der Burg geblieben.
Neunundvierzig Stunden nachdem er das Nahen seiner Feinde erlauscht hat, steht er auf dem Landungssteg des Palastes und nimmt Abschied von der Königin. Es ist ein gewittriger Tag, und der grau verhangene Himmel spiegelt die Traurigkeit der Königin wider.
Das Boot, das Hotep-Ra nach Port bringen soll, wo ein Schiff auf ihn wartet, ist zum Ablegen bereit. Gerade will er an Bord gehen, als ein lauter Donner ertönt, und die Königin schreit auf. Aber sie schreit nicht wegen des Donners, sie schreit, weil sie aus der dunklen Wolke über ihnen etwas auftauchen sieht – die Zaubererkrieger Schamandrigger Saarn und Dramindonnor Naarn, zwei Meister der schwarzen Künste. Die Mäntel ausgebreitet wie Rabenschwingen, sodass die blaugrün schillernden Rüstungen darunter sichtbar sind, und einen dunklen Schweif hinter sich herziehend, stoßen sie vom Himmel herab wie zwei riesige Raubvögel, die stechenden grünen Augen auf die Beute am Boden gerichtet.
Die Feinde haben Hotep-Ra gefunden.
Beim letzten Mal, als sie ihn aufgespürt hatten, war Hotep-Ra von dem Drachenboot gerettet worden, doch diesmal, das weiß er, muss er ihnen allein entgegentreten. Aber die Königin hat anderes im Sinn. Sie zieht eine kleine Armbrust aus dem Gürtel und lädt sie. Und dann, gerade als Schamandrigger Saarn und Dramindonnor Naarn zum entscheidenden Stoß ausholen wollten, schießt sie den Pfeil ab.
Er bohrt sich unterhalb der vierten Rippe in Dramindonnors linke Brustseite. Der Getroffene stürzt zu Boden, und der Landungssteg erzittert unter der Wucht des Aufpralls. Aber der Schwarzkünstler zuckt nur kurz, und als Blut aus der Wunde spritzt, versiegelt er sein Herz mit einem Zauber. Unterdessen hat die Königin die Armbrust wieder gespannt und legt einen zweiten Pfeil ein. Große Furcht ergreift Hotep-Ra: Die Königin weiß nicht, mit wem sie sich anlegt. Rasch umgibt er sie – sehr zu ihrem Unwillen – mit einem Schutzschild. Doch es ist zu spät. Schon hat sie auch Schamandrigger ins Herz geschossen. Der Zaubererkrieger fällt, doch auch er versiegelt seine Wunde gerade noch rechtzeitig.
Zum Entsetzen der Königin stehen die Zauberer wieder auf. Sie sind riesengroß – über drei Meter – und greifen zu ihren berüchtigten Explosiven Zauberstäben, von denen ihr Hotep-Ra erzählt hat. Im Gleichschritt – eins-zwei, eins-zwei – rücken sie gegen den Schutzschild vor. Sie sprechen abwechselnd:
»Dafür …«
»… werden wir dich …«
»… und deine Nachkommen …«
»… töten.«
»Niemals …«
»… werden wir …«
»… das vergessen.«
Unter dem Angriff der Zauberstäbe gerät der Schutzschild der Königin ins Wanken. Hotep-Ra zückt seinen Flug-Charm und schnellt hoch in die Luft, denn er weiß, dass ihm die Zauberer folgen werden.
Und das tun sie auch.
In jenen alten Tagen ist die Kunst des Fliegens noch nicht in Vergessenheit geraten. Gleichwohl ist sie noch so ungewöhnlich, dass die Burgbewohner alles stehen und liegen lassen und die Hälse recken, wenn sich am Himmel etwas regt, und schon gleich gar, wenn sich drei mächtige Zauberer einen Luftkampf liefern wie in diesem Augenblick. Doch als die ersten Donnerblitze geschleudert werden und die Häuser in ihren Fundamenten erschüttern, gehen die Burgbewohner in Deckung. Ihnen wird angst und bange. Zwar erinnern sich viele noch an die Zeit, als es weder einen Zaubererturm noch einen Außergewöhnlichen Zauberer gab, doch haben sie Hotep-Ra lieben gelernt. Er ist ein guter Mensch, und keine Not ist ihm zu klein, als dass er mit seiner Magie nicht helfen würde. Als sie nun nervös aus ihren Fenstern spähen, befällt sie große Sorge....