Sahmel | Lehrbuch – Kritische Pflegepädagogik | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 418 Seiten

Sahmel Lehrbuch – Kritische Pflegepädagogik


1., Auflage 2015
ISBN: 978-3-456-95529-2
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

E-Book, Deutsch, 418 Seiten

ISBN: 978-3-456-95529-2
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Pflegepädagogik ist die zentrale Disziplin in der Bildung von LehrerInnen und AusbildnerInnen in der Pflege und zur Lehre in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von zukünftigen Pflegefachpersonen, Pflegeassistenten und Pflegeexperten. Die Fachliteratur zur Pflegepädagogik ist wenig umfassend und grundlegend, sondern stark fragmentiert, auf Teilbereiche spezialisiert und eklektizistisch, mehr affirmativ als kritisch. Es fehlt ein Werk, das kritisch das Feld der Pflegepädagogik analysiert, historische Wurzeln offenlegt, systematisch Teilbereiche und Rollen identifiziert, Methoden hinterfragt und darstellt sowie für Studierende und Lehrende einen Gesamtüberblick über die Disziplin der Pflegepädagogik gibt. Der erfahrene Professor für Pflegepädagogik, -wissenschaft und Pädagogik an der FH Hochschule Ludwigshafen und der Universität Hall nimmt mit diesem Buch eine solche Auslotung des Feldes der Pflegepädagogik vor und schafft ein Grundlagenwerk für das Studium der Pflegepädagogik. Er bietet eine fundierte kritische Analyse und Darstellung des Lehr- und Handlungsfeldes der Pflegepädagogik aus einem Guss. Aus dem Inhalt Dimensionen der Pädagogik Neuzeitliche Pflege im gesellschaftlichen Kontext Die Entwicklung der Pflegeausbildung Allgemeine Didaktik Entwicklungsstand und Perspektiven der Pflegedidaktik Dimensionen von Pflegeunterricht Curriculumentwicklung in der Pflege PflegelehrerInnen und Pflegeschulen Die praktische Ausbildung in der Pflege Pflegebildung und die Zukunft.

Sahmel Lehrbuch – Kritische Pflegepädagogik jetzt bestellen!

Zielgruppe


Pflegepädagogik-Studierende, Pflegepädagogen, Pflegelehrer

Weitere Infos & Material


1;Lehrbuch Kritische Pflegepädagogik;4
1.1;Inhaltsverzeichnis;6
1.2;Vorwort;12
2;Einleitung;14
3;1.?Dimensionen der Pädagogik;20
3.1;1.1?Ein Blick auf die Entwicklung der Pädagogik;20
3.2;1.2?Nachdenken über Erziehung;23
3.3;1.3?Überlegungen zum Bildungsbegriff;27
3.4;1.4?Schwierigkeiten mit dem Begriff «Lernen»;31
3.5;1.5?Einige Hinweise auf den Grundbegriff «Sozialisation»;34
3.6;1.6?Ein Blick auf Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft;36
3.6.1;1.6.1?Schulpädagogik;36
3.6.2;1.6.2?Berufspädagogik;39
3.6.3;1.6.3?Erwachsenenbildung;42
3.7;1.7?Pflegepädagogik im Rahmen des pädagogischen Diskurses;43
4;2.?Neuzeitliche Pflege im gesellschaftlichen Kontext;50
4.1;2.1?Anmerkungen zur Geschichtsschreibung in der Pflege;50
4.2;2.2?Medizin und Pflegebis zum 18. Jahrhundert;51
4.3;2.3?Krankenpflege im 19. Jahrhundert;53
4.4;2.4?Erste Emanzipationsversuche der Pflege – und ihr Scheitern (1890–1933);57
4.5;2.5?Pflege im Nationalsozialismus;62
4.6;2.6?Eine Phase der Stagnation in der Pflege (1945–1985);66
4.7;2.7?Zur Entwicklung von Altenversorgung und Altenpflege;73
4.8;2.8?Aufbruch der Pflege seit 1985 – wohin?;76
5;3.?Die Entwicklung der Pflegeausbildung;86
5.1;3.1?Krankenpflegeausbildung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts;86
5.2;3.2?Krankenpflegeausbildung 1906 bis 1965;89
5.3;3.3?Das «Duale System» der Berufs­ausbildung – eine Herausforderung für die Pflege;92
5.4;3.4?Die gesetzlichen Regelungen der Krankenpflegeausbildung von 1985;95
5.5;3.5?Exkurs: Krankenpflegeausbildung in der DDR;100
5.6;3.6?Die Diskussion um die Neuregelung der Krankenpflegeausbildung (1985–2003);102
5.7;3.7?Das Krankenpflegegesetz von 2003;107
5.8;3.8?Zur Entwicklung der Altenpflegeausbildung;111
5.9;3.9?Das Altenpflegegesetz von 2003;115
5.10;3.10?Fortbildungen, Weiterbildungen und Helferqualifikationen in der Pflege;118
6;4.?Allgemeine Didaktik;122
6.1;4.1?Zur Geschichte der Didaktik;122
6.2;4.2?Traditionelle Modelle der Allgemeinen Didaktik;123
6.2.1;4.2.1?Die geisteswissenschaftlich-bildungstheoretische Didaktik;124
6.2.2;4.2.2?Die lerntheoretische Didaktik – das «Berliner Modell»;126
6.2.3;4.2.3?Technologische Ansätze der Didaktik;128
6.3;4.3?Kritische Ansätze der Allgemeinen Didaktik;131
6.3.1;4.3.1?Die kritisch-kommunikative Didaktik;131
6.3.2;4.3.2?Das «Hamburger Modell» der Didaktik;132
6.3.3;4.3.3?Die kritisch-konstruktive Didaktik von Wolfgang Klafki;135
6.4;4.4?Handlungsorientierte Didaktik;138
6.5;4.5?Konstruktivismus und Didaktik;144
6.6;4.6?»Neue Wege» der Allgemeinen Didaktik;148
6.7;4.7?Allgemeine Didaktik – Widersprüche und Einsprüche;150
7;5.?Entwicklungsstand und Perspektiven der Pflegedidaktik;154
7.1;5.1?Pflegeunterricht und Didaktik – die ältere Diskussion;154
7.1.1;5.1.1?Das «Duisburger Modell»;155
7.1.2;5.1.2?Das «Aarauer Modell»;156
7.2;5.2?Der fachdidaktische Ansatz von Karin Wittneben;159
7.3;5.3?Zur Diskussion in den 1990er-Jahren;162
7.4;5.4?Pflegedidaktische Konzeptionen;163
7.4.1;5.4.1?Handlungsorientierte Pflegedidaktik;163
7.4.2;5.4.2?Erfahrungsbezogener Unterricht in der Pflege;163
7.4.3;5.4.3?Problemorientiertes Lernen in der Pflege;165
7.5;5.5?Subjektorientierte Pflegedidaktik;166
7.6;5.6?Die aktuelle pflegedidaktische Diskussion;168
7.6.1;5.6.1?Die zusammenfassende Darstellung von Regina Keuchel;169
7.6.2;5.6.2?Der Strukturgitteransatz von Ulrike Greb;170
7.6.3;5.6.3?Die Interaktionistische Pflegedidaktik von Darmann-Finck;173
7.7;5.7?Ausblick auf die weitere Entwicklung der Fachdidaktik Pflege;174
8;6.?Dimensionen von Pflegeunterricht;180
8.1;6.1?Die widersprüchliche Einheit von Bildung und Lernen;180
8.2;6.2?Methoden im Pflegeunterricht;185
8.3;6.3?Projektunterricht;192
8.4;6.4?Das Planspiel in der Pflegeausbildung;195
8.5;6.5?Medien im Pflegeunterricht;199
8.5.1;6.5.1?»Traditionelle» und «Neue» Medien;199
8.5.2;6.5.2?Ein kritischer Blick auf Pflegelehrbücher;202
8.6;6.6?Schwierigkeiten mit einer «zeitgemäßen» Unterrichtsplanung;205
9;7.?Curriculumentwicklung in der Pflege;214
9.1;7.1?Der Streit um die Inhalte des Lernens;214
9.2;7.2?Kernprobleme der Curriculumentwicklung;218
9.3;7.3?Lehrpläne und Curricula für die Pflege vor der Reform von 2003;220
9.3.1;7.3.1?Das AKOD-Curriculum;220
9.3.2;7.3.2?Das Hessische Curriculum;223
9.3.3;7.3.3?Das Oelke-Curriculum;226
9.3.4;7.3.4?Erste Ansätze zur Integration der Ausbildungen;229
9.4;7.4?Zur pflegepädagogischen Diskussion um Curricula;232
9.5;7.5?Lehrpläne und Curricula in der Pflege seit 2003;234
9.6;7.6?Landeslehrpläne und Curricula für die Gesundheits- und Krankenpflege;236
9.6.1;7.6.1?Baden-Württemberg;237
9.6.2;7.6.2?Hessen;239
9.6.3;7.6.3?Nordrhein-Westfalen;240
9.6.4;7.6.4?Rheinland-Pfalz;241
9.6.5;7.6.5?Bayern;243
9.7;7.7?Lehrpläne und Curricula für die Altenpflege;248
9.8;7.8?Curricula für integrative und generalistische Ausbildungsgänge;253
9.9;7.9?Curriculumentwicklung als pflegepädagogische Herausforderung;256
10;8.?PflegelehrerInnen und Pflegeschulen;262
10.1;8.1?Lehrer – eine Profession?;262
10.2;8.2?Rückblick auf die Geschichte der Lehrerbildung in Deutschland;266
10.3;8.3?Der Sonderweg der PflegelehrerInnen in Deutschland;269
10.4;8.4?Akademisierung der «Pflegepädagogik»;273
10.5;8.5?Lehrerausbildung – Kritik und Wandel;275
10.6;8.6?Die Zukunft der Lehrerausbildung in der Pflege;279
10.7;8.7?Pflegeschulen – Schulen besonderer Art;282
10.8;8.8?Leistungsmessung und Prüfungen als Herausforderungen;289
11;9.?Die praktische Ausbildung in der Pflege;296
11.1;9.1?Schwierigkeiten einer Bestandsaufnahme;296
11.2;9.2?Zur Situation der praktischen Pflegeausbildung;299
11.3;9.3?Aspekte der Praxisanleitung;306
11.4;9.4?Praxisbegleitung – die Lehrenden in der Praxis;313
11.5;9.5?Vorschläge zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Schule und Praxis;315
11.6;9.6?Praktische Ausbildung als berufliche Sozialisation;317
11.7;9.7?Das Theorie-Praxis-Problem in der Pflegeausbildung;324
12;10.?Pflegebildung und die Zukunft;330
12.1;10.1?Veränderungen als Herausforderungen;330
12.2;10.2?Modellprojekte der Pflegeausbildung;339
12.3;10.3?Die Generalistische Ausbildung – der Königsweg?;345
12.4;10.4?Bildungssystematische Schwierigkeiten;354
12.5;10.5?Ausblick: Professionalisierung – Kompetenzen – Pflegebildung;356
13;Über den Autor;362
14;Verzeichnisse;364
14.1;Namensverzeichnis;364
14.2;Literaturverzeichnis;368
14.3;Sachwortverzeichnis;408


1. Dimensionen der Pädagogik
1.1 Ein Blick auf die Entwicklung der Pädagogik
Obgleich das Nachdenken über Fragen von Erziehung und Bildung schon so alt ist, wie es diese Erscheinungen gibt – schon in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts vor Christus etwa finden sich bei Homer Überlegungen zur «Zucht» von Körper und Seele, zur gymnastischen und musischen Bildung, zur «ethischen» Erziehung des jungen Adels –, so spielten doch über viele Jahrhunderte hinweg pädagogische Fragestellungen eine Rolle, stets im Rahmen der Reflexionen der Philosophie. Erst mit dem Umbruch der Neuzeit, in dem es zugleich zur gesellschaftlichen Inanspruchnahme von Erziehung und Bildung in eigens für diese geschaffenen Institutionen kam, wurde das Nachdenken über Erziehung und Bildung zunehmend zum Gegenstand einer eigenständigen Disziplin: der Pädagogik. Allgemein lässt sich die neuzeitliche wissenschaftliche Pädagogik bestimmen als die Gesamtheit derjenigen Erörterungen, die sich auf Erziehung, Bildung und Unterricht beziehen und daher die mit der Integration der nachwachsenden Generation in eine bestehende Gesellschaft zusammenhängenden Probleme thematisieren (vgl. Mollenhauer, 1974: 199ff.). Bis zur Ausdifferenzierung dieser Disziplin als eigenständiger Wissenschaft im modernen Sinne dauerte es eine ganze Zeit. Überlegungen zur Beeinflussung der Höherentwicklung des Menschen (auch) durch Erziehung am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert, etwa durch die Deutschen Klassiker – wie Johann Wolfgang Goethe (1749–1832) und Friedrich Schiller (1759–1805) – und Vertreter des Neuhumanismus – vor allem Wilhelm von Humboldt (1767–1835) –, waren dabei ebenso deutlich der Philosophie zugehörig wie die ersten systematischen Versuche einer Grundlegung der Pädagogik bei Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834), Johann Friedrich Herbart (1776–1841) und Friedrich Fröbel (1782–1852) (vgl. Reble, 1999, Bd. 1: 184ff.). Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren Pädagogen konfrontiert mit bildungspolitischen Veränderungen und wirtschaftlichen Entwicklungen, können aber sicherlich nicht als Vorreiter dieser Reformen charakterisiert werden. Die sich entwickelnde akademische Disziplin Pädagogik wurde allerdings mit vielen Veränderungen im Bildungssektor identifiziert und geriet von zwei Seiten in die Kritik: auf der einen Seite kritisierte vor allem Friedrich Nietzsche (1844–1900) die Verwandlung der Ideen neuhumanistischer Bildung in «leeres Gelehrtentum» (Benner/Brüggen, 2011: 243). Auf der anderen Seite wurde die vorherrschende Buch- und Pauk-Schule von der Reformpädagogik unter Beschuss genommen. Diese auch durch internationale Impulse – etwa John Dewey (1859–1952) und Maria Montessori (1870–1952) – bereicherte Bewegung zielte weniger auf die Entwicklung der Disziplin Pädagogik als auf die Veränderung der Erziehungs- und Bildungswirklichkeit ab. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Reformpädagogik erfolgte seit Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem durch eine eigenständige «Schule» der Pädagogik, die später unter dem Namen «Geisteswissenschaftliche Pädagogik» zusammengefasst wurde. Hier sind Namen wie Herman Nohl (1879–1960), Theodor Litt (1880–1962), Eduard Spranger (1882–1963) und Erich Weniger (1894–1961) zu erwähnen (vgl. Blankertz, 1982). Diese Pädagogen mussten sich auseinandersetzen mit der wachsenden gesellschaftlichen Pluralität, die die im 19. Jahrhundert noch weitgehend fraglos hingenommene Normierung der nachwachsenden Generation zunehmend bedrohte. Geisteswissenschaftliche Pädagogik bedient sich vor allem der «Hermeneutik»; es werden Texte immer aufs Neue interpretiert, wodurch Selbstverständnis, Absichten und jeweilige Begründungen der am Erziehungs- und Bildungsgeschehen Beteiligten ermittelt werden sollen. Nach der «Unterbrechung» der Entwicklung der Pädagogik im Nationalsozialismus kam es in den 1950er-Jahren zunächst zu einer Restauration der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik als vorherrschender Disziplin. Mitte der 1960er-Jahre stand diese Richtung dann «am Ausgang ihrer Epoche», wie Ilse Dahmer und Wolfgang Klafki in einer von ihnen 1968 herausgegebenen Schrift konstatierten. Es war allerdings nicht nur die Selbstkritik, die an der Vorherrschaft der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik zehrte, sondern vor allem Kritik seitens empirischer und seitens kritischer Erziehungswissenschaftler. Auf der einen Seite wird gefordert, Pädagogik dürfe nicht nur Normen verbindlich machen, sondern müsse auch konkrete Wege und Mittel angeben, wie die Normen zu erreichen seien. Wenn zweck- und normengerechte Mittel auf verlässliche Art und Weise angegeben werden sollen, dann müssen kontrollierbare Wege der Beobachtung durch die Pädagogik bereit gestellt werden – «Pädagogik» wird zur empirischen «Erziehungswissenschaft». Zwar gab es schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts – in der experimentellen Pädagogik von W. August Lay und Ernst Meumann (vgl. Benner, 1973: 143ff.; Wulf, 1977: 66ff.) – erste Ansätze der empirischen Forschung innerhalb der Pädagogik. Als eigenständige Richtung innerhalb der Disziplin konnte sie sich jedoch erst in den 1950er- und 1960er-Jahren durchsetzen. Neben der Rezeption US-amerikanischer Forschungen (insbesondere aus dem Umfeld der pädagogischen Psychologie) spielte hier vor allem Heinrich Roths Plädoyer für eine «realistische Wendung der Pädagogik» eine herausragende Rolle (vgl. Jungmann/Huber [Hrsg.], 2009; auch: Knoop/Schwab, 1999: 294ff.). Die empirische Erforschung des pädagogischen Feldes muss dabei nicht notwendig mit einem technologischen Verständnis von Pädagogik verknüpft werden. Diese Konsequenz hat allerdings Wolfgang Brezinka vollzogen. Brezinka bezeichnet als Erziehung Handlungen, «durch die versucht wird, das Dispositionsgefüge menschlicher Persönlichkeiten mit psychischen (Verhaltenssysteme) und/oder sozial-kulturellen Mitteln (Soziale Systeme) in Richtung auf größtmögliche Annäherung an gesteckte Lernziele zu verändern.» (Brezinka, 1971: 33). Diese wissenschaftliche Definition beschreibt Erziehung als ein planmäßiges Handeln von Menschen gegenüber Menschen, dessen Ergebnis möglichst dauerhaft sein soll. Erziehung wird hier zur wissenschaftlich legitimierten Technik der möglichst optimalen Manipulation des Menschen – ohne dass gefragt wird, ob der Beeinflusste die Beeinflussung möchte oder nicht, und ohne dass die gesellschaftlichen Implikationen dieses Geschehens aufgedeckt werden. In welche Richtung die erzieherische Beeinflussung erfolgen soll, ist letztlich für Brezinka eine Frage, die die Erziehungswissenschaft nicht beantworten kann: «Die Erziehungswissenschaft informiert über die ‹Erziehungswirklichkeit› oder über erzieherisch relevante Sachverhalte, aber aus ihr sind keine Anweisungen darüber ableitbar, zu welchen Zielen, nach welchen Normen (Richtlinien, Prinzipien, Handlungsmaximen) und mit welchen Mitteln erzogen werden soll» (Brezinka, 1971: 151, Hervorhebung im Original). In einem solch engen Wissenschaftsverständnis wird die Frage nach den Zielsetzungen von Erziehung aus pädagogischen Diskursen, die sich – bei allen Widersprüchlichkeiten – stets um theoretische Begründungen bemüht haben, in die Beliebigkeit von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen entlassen. Demgegenüber nun wird seitens «Kritischer Pädagogen» seit den 1960er-Jahren die Forderung erhoben, die gesellschaftlichen Zusammenhänge des gesamten Erziehungsgeschehens stärker in das Blickfeld der Pädagogik zu rücken. Zentrale Aufgabe der Pädagogik ist die «Ideologiekritik», Pädagogik in diesem Verständnis zielt auf «Emanzipation». Wie Kritische Gesellschaftstheorie (vgl. Sahmel, 1988) zielt auch Kritische Pädagogik «auf die praktische Veränderung der bestehenden (gesellschaftlichen) Seinsstruktur, weil sie in der Grundstruktur der herrschenden Verhältnisse selbst die Fesseln sieht, die ein unbeschädigt entfaltetes Leben bisher verhindert haben. Das Ziel individueller und gesellschaftlicher Emanzipation, auf das die praktische Option kritischer (pädagogischer) Theorie sich richtet, ist daher negativ definiert – eben durch jene Fesseln, die gesprengt werden müssen.» (Keckeisen, 1984: 168, Hervorhebungen im Original; vgl. auch Sahmel, 1985). Für einige – vor allem aus der geisteswissenschaftlichen Richtung kommende – Vertreter der Pädagogik bedeutete die Auseinandersetzung mit Kritischer Gesellschaftstheorie einen grundlegenden Wandel in ihrem Selbstverständnis. So erklärte etwa Klaus Mollenhauer 1964: «Pädagogik als Erziehungswissenschaft befindet sich […] – wie jede andere Wissenschaft auch – in Distanz zur gesellschaftlichen Wirklichkeit. Insofern ihr Verfahren zweckrational, analysierend und aufklärend ist, ist sie auch kritisch. Gesellschaftskritik ist daher eine ihrer Funktionen. […] Die Bedingung dafür, dass die explizite pädagogische Kritik der Gesellschaft im Namen der erstrebten Mündigkeit der heranwachsenden Generation geschieht, ist die ‹mündige Gesellschaft›, d.h. eine Gesellschaft, die die Kritik an sich selbst als ein wesentliches Merkmal ihrer selbst zulässt.» (Mollenhauer, 1964: 104, Hervorhebungen im Original) Allerdings darf aus der Tatsache, dass seitens einiger (kritischer) Pädagogen Erziehung die Aufgabe zugeschrieben wurde, «in der heranwachsenden Generation das Potential gesellschaftlicher Veränderung hervorzubringen» (Mollenhauer, 1973: 66), nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, als sei dieses...



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