E-Book, Deutsch, Band 2023, 204 Seiten
Sammeln und Präsentieren
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7030-6625-2
Verlag: Wagner Innsbruck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 2023, 204 Seiten
Reihe: Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen
ISBN: 978-3-7030-6625-2
Verlag: Wagner Innsbruck
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der vorliegende Band enthält Beiträge der Mitarbeiter*innen des Museums und externer Autor*innen, die sich mit unterschiedlichen Aspekten des Daten- und Objekte-Sammelns und Präsentierens beschäftigen. So wird Einblick in die vielfältigen Tätigkeiten verschiedener Forschungsdisziplinen gegeben. Um die Zukunft des Sammelns- und Präsentierens zu beleuchten, ist auch ein Blick in Vergangenheit und Gegenwart unabdingbar. Aspekte wie Provenienzforschung, Daten-Erheben in diversen naturwissenschaftlichen Bereichen bis zur Präsentation in Ausstellungen und der Vermittlung werden behandelt.
Weitere Infos & Material
Abb. 1: Das Angebotsschreiben von Antonia Köning aus München vom 8. Oktober 1938. Start der Verkaufsverhandlungen, Archiv Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Hausakten, 389/1938. Foto: TLM PROVENIENZFORSCHUNG1 IN DEN TIROLER LANDESMUSEEN
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Sonia Buchroithner ABSTRACTS
In 1938, the Tyrolean State Museum Ferdinandeum acquired a painting by the Tyrolean artist Franz Richard Unterberger (1837–1902) depicting an Ötztal motif from 1868. In the museum documents from 1938, the name “A. Köning” is found as the seller. Recent research has revealed that this is the widow of a “head washing water manufacturer” from Munich. Antonia Köning, born in Munich in 1895, was married to Friedrich Köning, a druggist and owner of Fritz Köning & Cie. in Munich. She died in 1968. Inquiries about her person among provenance researchers have revealed that she has not yet been mentioned in provenance research on acquisitions during the National Socialist era. The outlined example of a museum acquisition during the National Socialist era illustrates the work of provenance and restitution research in the Tyrolean State Museums. Despite the many restitutions of the post-war years and some restitutions in recent years, there may still be objects in the collections of the Tyrolean State Museums whose provenance needs to be clarified in order to verify the unencumberedness of the property/ownership of the Tyrolean State Museums. 1938 erwarb das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum ein Gemälde, ein Ötztal-Motiv aus dem Jahr 1868 darstellend, des Tiroler Künstlers Franz Richard Unterberger (1837–1902). In den Museumsunterlagen aus dem Jahr 1938 findet man als Verkäufer den Namen „A. Köning“. Aktuelle Recherchen haben ergeben, dass es sich dabei um die Witwe eines „Kopfwaschwasserfabrikanten“ aus München handelt. Antonia Köning, geboren 1895 in München, war mit Friedrich Köning, einem Drogisten und Inhaber der Fritz Köning & Cie. in München, verheiratet. Sie verstarb 1968. Rückfragen über ihre Person im Kreis der Provenienzforscher*innen haben hervorgebracht, dass sie bisher in der Provenienzforschung über Erwerbungen in der Zeit des Nationalsozialismus nicht in Erscheinung getreten ist. Das skizzierte Beispiel eines Museumserwerbs in der NS-Zeit zeigt die Arbeit der Provenienzund Restitutionsforschung in den Tiroler Landesmuseen. Trotz der vielen Restitutionen der Nachkriegsjahre und einiger Rückgaben in den vergangenen Jahren sind möglicherweise immer noch Objekte in den Sammlungen der Tiroler Landesmuseen vorhanden, deren Herkunft es zu klären gilt, um die Unbelastetheit des Besitzes/des Eigentums der Tiroler Landesmuseen zu prüfen. Mit der Gründung der Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft m. b. H. im Jahr 2006 wurde die Provenienzforschung des Ferdinandeums auf die Bestände des Tiroler Volkskunstmuseums und ab 2009 auch auf den Zeitraum von 1933 bis 1955 erweitert. Von den bisher eindeutigen – insgesamt 18 – Restitutionsfällen konnten bis heute 16 abgeschlossen und insgesamt 29 Objekte restituiert werden. Im Fall der – wohl in ganz Österreich bekannten – „Kisten“ aus dem Besitz des Gauleiters Franz Hofer, in denen sich unter anderem zahlreiche Gemälde von Albin Egger-Lienz befanden, konnten trotz intensiver Recherchen bisher keine früheren Eigentümer ausfindig gemacht werden. Diese Gemälde sind weiterhin auf den einschlägigen Websites als Objekte mit unbekannter Provenienz publiziert.2 Trotz der teils umfangreichen Restitutionen der Nachkriegsjahre und einiger Rückgaben in den vergangenen Jahren sind möglicherweise immer noch Objekte in den Sammlungen der Tiroler Landesmuseen vorhanden, deren Herkunft es zu klären gilt, um die Unbelastetheit des Besitzes/des Eigentums der Tiroler Landesmuseen zu prüfen und für die Zukunft sicherzustellen.3 In den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft war man im Ferdinandeum bemüht, die Tradition der Erwerbungen weiterzuführen, wie sie seit der Gründung des Museums 1823 bestanden hatte. In den Jahren vor der nationalsozialistischen Herrschaft gab es – aufgrund der schlechten finanziellen Situation des Museums – kaum Möglichkeiten, die Museumssammlungen bedeutend zu erweitern. So wurden vor 1938 vom Ferdinandeum nur wenige Ankäufe bei Kunsthändlern*innen und von Privaten vorgenommen. Mit dem „Anschluss“ 1938 verbesserte sich die finanzielle Situation langsam. Es war nun wieder möglich, die Museumsbestände durch den Erwerb von Kunstwerken aus verschiedenen Sammlungen zu bereichern. Die Erwerbungspolitik des Ferdinandeums war in den Jahren der NS-Herrschaft von der Möglichkeit geprägt, wertvolles Kulturgut günstig und zum Teil auf Kosten anderer zu erwerben. Von zentraler Bedeutung war ab 1938 der Zugriff auf jüdische Sammlungen, ob in Innsbruck selbst, in der „Ostmark“ oder im übrigen Deutschen Reich. Und besonders bei diesen Ankäufen steht bis heute neben der Frage, was erworben wurde, vor allem in Diskussion, aus welchen Quellen erworben wurde. Auch die Erwerbungen aus dem Kunsthandel werden – unter Einbeziehung neuester Forschungsansätze – gesichtet und überprüft. Die Erweiterung der Sammlungen des Ferdinandeums zwischen 1938 und 1945 basierte zu einem wesentlichen Teil auf Schenkungen, Legaten, Ankäufen von Privatpersonen oder aus dem Kunsthandel und Tauschgeschäften. Auch aus den ab 1940 bis 1944 stattfindenden Gau-Kunstausstellungen wurden Erwerbungen getätigt.4 Inzwischen kann sich wohl kaum mehr ein Museum, ob groß oder klein, der Aufgabe entziehen, die Herkunft der Bestände genau zu untersuchen und die Ergebnisse transparent darzustellen. Die oftmals verschlungenen Wege, auf denen Kunstwerke oder Kulturgüter in eine Museumssammlung gekommen sind, werden rekonstruiert. Provenienzforschung kann die Erinnerung an die Opfer wachhalten, etwas gutmachen, Unrecht aufdecken. So versucht man jedem Kürzel, jedem Namen eine Person zuzuordnen, um in der Forschung weiterzukommen. Die Recherchen dazu machen deutlich, wie mühsam Untersuchungen zu diesem Thema sein können, aber auch wie spannend sie sind, wenn man es rein unter Forschungsgesichtspunkten betrachtet. So ist es zudem interessant, Objekte zu untersuchen, die offensichtlich keinen Entziehungshintergrund haben. Wer waren die Eigentümer*innen eines Objektes, bevor es ins Museum gelangte? Unter welchen Umständen kam es in die Sammlungen des Museums? Die Beantwortung dieser Fragen ist mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der Museumsarbeit. Ziel ist es, eine möglichst lückenlose Herkunftschronologie für das Sammlungsgut nachzuweisen. Aufgabe der Provenienzforschung ist jedoch vor allem das Identifizieren von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in Museen sowie das Auffinden der rechtmäßigen Eigentümer*innen und deren Erb*innen und eine entsprechende Rückgabe. Womit beginnt man, wenn man die Erwerbungen in einem bestimmten Zeitraum untersucht? Man hat eine Liste von mehreren 100 Objekten aus den verschiedensten Sammlungsbereichen vor sich liegen und soll deren Herkunftsgeschichte klären. Zunächst stützt man sich auf die verfügbaren hauseigenen Quellen. Dafür stellt das Zugangsregister – in den Tiroler Landesmuseen die sogenannten „Erwerbungsbücher“ – einen ersten wichtigen Anhaltspunkt dar. Als Eigentumsnachweis des Museums werden darin die ins Haus gelangten Objekte, einschließlich ihrer Vorbesitzer*innen und der Art der Erwerbung, jahrgangsweise laufend nummeriert und je nach Sammlung erfasst. Die Quellenlage für die Geschichte der Erwerbungen des Tiroler Landesmuseums kann durchaus als gut bezeichnet werden. Zwar sind Ausschussprotokolle, Erwerbungsbücher und Jahresberichte oft recht kurz gehalten und nur wenig aussagekräftig, um die historisch interessanten Diskussionen und Entscheidungsfindungen nachvollziehen zu können. Diese Quellen werden jedoch regelmäßig durch umfangreiche Korrespondenzakten ergänzt. Allerdings sind über die Jahre nicht alle Museumsakten erhalten geblieben. So fehlen zum Beispiel Akten, die an das Tiroler Denkmalamt weitergereicht wurden und seitdem nicht mehr auffindbar sind. Eine wichtige Quelle ist neben allen Dokumenten, Archivalien etc. das Objekt selbst. Anhand von Verdachtsmomenten – wie eine besonders geringe Erwerbungssumme, ein dem NS-Regime dienender Kunsthändler oder ein verdächtiger Name – wird eine weitere Untersuchung vorgenommen. Die Recherche beginnt: Sichtung der Museumsakten, alter Jahresberichte, alter Museumsführer und Karteikarten. Auch das Objekt selbst muss sorgfältig in Augenschein genommen werden, um es auf Hinweise auf mögliche Vorbesitzer*innen hin zu untersuchen. Dabei ist auf Beschriftungen, Zahlen und Buchstaben oder Aufkleber auf den Rück- oder Unterseiten der Objekte zu achten. Oftmals findet man noch annotierte Kataloge mit wertvollen Informationen über die Verkaufskonditionen oder vielleicht sogar mit einem Hinweis auf den Verkäufer eines Objektes. Leider sind dabei aber oft nur Kürzel zu finden. Aber über den Austausch mit Fachkolleg*innen in Österreich und Deutschland sowie in diversen Kommunikationsportalen können diese oft entschlüsselt werden, sodass wieder ein...